Der York Ritus in Österreich

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Günther Steinbach: Über den York Ritus in Österreich und seine Geschichte

Vortrag in der Loge ‘Quatuor Coronati’ am 18. November 2016.
Die ‘Quatuor Coronati’ ist die Forschungsloge der Großloge von Österreich.

Günther Steinbach († 2020) war viele Jahre ein renommierter Freimaurer in Wien.
Rudi Rabe dankt ihm posthum im Namen der Redaktion für die Genehmigung, seinen Text hier wiedergeben zu dürfen. Für das Freimaurer-Wiki wurde er leicht gekürzt.




Mein Thema ist die Geschichte des York Ritus in Österreich. Da lässt sich eine größere Ansammlung kalendarischer Daten nicht vermeiden. Ich hoffe, dass das in einem Kreis historisch interessierter Brüder nicht als allzu belästigend empfunden wird.

Wozu Hochgrade?

Der York Ritus ist ein Hochgrad-System. Und am Anfang jeder Auseinandersetzung mit einem weiterführenden maurerischen System muss die Frage stehen: Wozu? Eine berechtigte, eine legitime Frage, und sie führt geradewegs zu der Frage nach dem Sinn jeder Freimaurerei überhaupt.

Die Antwort: Generell soll die Freimaurerei dem Freimaurer durch das Erlebnis ritueller Formen und die von ihren Symbolen vermittelte Botschaft sowie durch die Begegnung mit Anderen Hilfe sein für die persönliche Weiterentwicklung und ein erfüllteres Leben. Die Form, in der das geschieht, ist das Erlebnis einer Welt von Ritualen, die dem Freimaurer mit jedem neuen Grad, den er erwirbt, ein neues Ritual mit seinen Symbolen, Inhalten und Lehren öffnet.

In der Johannisfreimaurerei, also der Basis jeder Freimaurerei, ist das der Weg über die Grade des Lehrlings und des Gesellen zum Grad des Meisters. Weiterführende freimaurerische Systeme – freimaurerische Systeme, die den Besitz des Meistergrades voraussetzen, um in ein als Hochgradsystem bezeichnetes System aufgenommen werden zu können – können dem Freimaurer auf dem Weg der Selbstfindung Anregung und Unterstützung zusätzlich zu dem bieten, was die Johannisfreimaurerei bereits leistet.

Hochgradfreimaurerei besteht also einerseits in der Gelegenheit, über den dritten Grad hinaus rituelle Erfahrungen zu machen. Das bedeutet häufigeres Arbeiten, neue Denkanstöße durch neue Ritualerlebnisse und damit die Chance für neue Sichtweisen zu den Fragen des Lebens und seiner Gestaltung.

Es gibt aber außer dem Erlebnis der rituellen Arbeit ein zweites, wichtiges Element der Hochgradmaurerei. Die gemeinsame Arbeit in den Hochgraden bringt Brüder aus ganz verschiedenen Johannislogen zusammen. Das ist schon deshalb von hohem Nutzen, weil die Begegnung in der Hochgradfreimaurerei der Tendenz der Brüder entgegenwirkt, sich auf die eigene Loge zu beschränken und kaum Verbindung zu anderen Logen zu haben – und erst recht nicht zu Brüdern aus anderen Orienten. Dadurch bleiben viele Brüder, obwohl sie schon lange Freimaurer sind, einander fremd.

Die Bezeichnung weiterführender freimaurerischer Systeme als Hochgrade könnte zu der Annahme führen, dass es sich dabei um etwas Höheres, Besseres oder Wichtigeres handelt als die freimaurerische Arbeit in den Blauen Logen. Das wäre ein Missverständnis. Niemand ist ein schlechterer Freimaurer, weil er die mit der Zugehörigkeit zu einem weiterführenden System verbundene zusätzliche Belastung nicht auf sich nehmen will, an ihren Zusatzangeboten kein Interesse hat oder ihm der persönliche Zugang zu den spezifischen Angeboten einer weiterführenden Freimaurerei fehlt. Deshalb wollen manche auch nicht von Hochgraden reden und nennen weiterführende Systeme Nebengrade. Aber Hoch- oder Nebengrade – es geht ganz einfach um ein weiteres freimaurerisches Angebot, dessen Annahme in der freien Entscheidung jedes Freimaurers liegt.

Über den inneren Aufbau des österreichischen York Ritus

Der Konvent der Maurer des York Ritus in Österreich ist als Verein konstituiert, dessen Statuten zur konkreten Ausformung der innerorganisatorischen Regelungen eine Geschäftsordnung vorsehen, die unter der Bezeichnung Konstitution die formale Grundlage des maurerischen Lebens im österreichischen York Ritus bildet. Diese Konstitution wurde in ihrer ursprünglichen Form in einer Versammlung des Großkapitels am 3. Oktober 1975 beschlossen (das Großkapitel entspricht der Großloge in der Johannismaurerei). Auch Vereinsstatuten wurden erarbeitet. Statuten und Konstitution wurden im Lauf der Jahre wiederholt geändert.

Mit den Statuten- und Konstitutionsbeschlüssen vom 14. März 2003 wurde das Großkapitel, das ursprünglich als Verein mit Einzelmitgliedschaft konstituiert war, in einen Verband im juristischen Sinn umgewandelt, dessen Mitglieder nunmehr als Vereine organisierte Kapitel sind. Die einzelnen Brüder, die bis dahin unmittelbar Mitglieder des Vereins Großkapitel gewesen waren, sind seither Mitglieder der einzelnen Kapitel.

Auf der Grundlage von Beschlüssen vom 7. Februar 2014 und 15. April 2016 stellt sich die Maurerei des York Ritus in Österreich jetzt folgendermaßen dar:

  • Der ‘Konvent der Maurer des York Ritus in Österreich’ besteht aus dem ‘Großkapitel von Österreich der Mauer vom Königlichen Bogen’, dem ‘Großkonzil von Österreich’ und der ‘Großkomturei von Österreich’.
  • Das Großkapitel umfasst die Kapitel, die die Grade des Markmeisters, des Altmeisters, des Sehr Vortrefflichen Meisters und des Maurers vom Königlichen Bogen bearbeiten.
  • Das Großkonzil besteht aus den Konzilen, die die Grade der Königlichen und Auserwählten Meister bearbeiten - in den nach österreichischem Ritual arbeitenden Konzilen bilden diese einen gemeinsamen Grad.
  • Die Großkomturei bilden die Grade des Ritters des Ordens vom roten Kreuz, des Ritters des Ordens von Malta und des Ritters des Templerordens.

Die im Konvent der Maurer des York Ritus in Österreich vereinigten freimaurerischen Körperschaften sind Mitglieder der in den USA beheimateten internationalen Dachorganisation des jeweiligen Systems,

  • das Großkapitel im General Grand Chapter of Royal Arch Masons International,
  • das Großkonzil im General Grand Council of Cryptic Masons und
  • die Großkomturei im Grand Encampment of Knights Templar.

Wie anderen Hochgradsystemen hat der Großmeister der Vereinigten Großloge von England, der Herzog von Kent, bei der Jahresversammlung der englischen Großloge am 25. April 2007 auch dem York Ritus mit den Worten “I am pleased to acknowledge formally their existence and regularity” den Status der Regularität ausdrücklich bestätigt.

Den York Ritus – englisch „York Rite“ – gibt es in einer englischen und einer amerikanischen Variante. Weil der österreichische York Ritus mit einer Ausnahme in seinem Aufbau der amerikanischen Variante entspricht, werde ich mich schon aus Zeitgründen auf diese beschränken. Wegen dieses in Amerika entwickelten Organisationsschemas wird für den Komplex dieser freimaurerischen Systeme auch die Bezeichnung „Amerikanischer Ritus“ verwendet.

Geschichte des York Ritus in Österreich

Der Name York Ritus sagt nichts über die historische Herkunft der unter dieser Bezeichnung zusammengefassten Hochgradsysteme aus. Sie stammen so wenig aus der nordenglischen Stadt York wie der Schottische Ritus aus Schottland.

Unter der Bezeichnung York Ritus wurden in Amerika ursprünglich freimaurerische Systeme zusammengefasst, die nicht zum Schottischen Ritus gehörten. Dass daraus die Sammelbezeichnung für einen Komplex freimaurerischer Systeme werden konnte, die mehr verbindet als ihre Nichtzugehörigkeit zum Schottischen Ritus, ist das Ergebnis von Entwicklungen, über die die Kenntnisse wegen der dürftigen Quellenlage recht mangelhaft sind.

Überhaupt ist die Entstehung der einzelnen Formen des York Ritus nur punktuell dokumentiert und das Wissen darüber dementsprechend fragmentarisch. Aus älteren Wurzeln entstanden im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts zunächst in England, Irland und Schottland, später auch in Nordamerika – „zur Vervollkommnung des Meistergrades" – viele sogenannte Grade, die von lokalen Gruppen unter der angenommenen Autorität eines Logenpatents und mit dementsprechender Arbeitserlaubnis geschaffen und erteilt wurden.

In Zentraleuropa haben die Systeme des York Ritus nach kurzlebigen Ansätzen im späten 18. Jahrhundert die Umwälzungen in der Epoche der Franzosenkriege nicht überlebt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie hier durch Vermittlung der hier stationierten amerikanischen und englischen Militärangehörigen auf Dauer etabliert.

Die Geschichte des österreichischen York Ritus beginnt damit, dass im März 1967 zehn österreichische Freimaurer-Meister in München im Verlauf von zwei aufeinander folgenden Wochenenden in alle drei Abteilungen des York Ritus aufgenommen und Mitglieder im Isar-Kapitel, im Edelweiß-Konzil und in der Bayrischen Komturei wurden.

Wegen der explizit christlichen Ausrichtung der Konzils- und Rittergrade entschied sich die Gründergruppe des österreichischen York Ritus aber, in Österreich nur die Grade der Maurerei vom Königlichen Bogen zu bearbeiten.

Am 2. Jänner 1969 fand unter dem Dispens des deutschen Großkapitels eine erste Konferenzarbeit des Kapitels Vindobona statt. Am 8. März desselben Jahres wurde im Großen Tempel des damaligen Wiener Logenhauses in der Dorotheergasse 12 die erste rituelle Arbeit im Markmeistergrad abgehalten. Die erste Aufnahme von Brüdern in das Kapitel folgte am 1. Mai.

Am 28. Juli 1972 konstituierte sich in Linz das Kapitel Septima Lux.

Am 29. September 1973 wurde in einer Arbeit in Neuhodis im Burgenland das Kapitel Fischer von Erlach gegründet.

Mit der Einsetzung des dritten österreichischen Kapitels war die Voraussetzung für die Gründung eines österreichischen Großkapitels erfüllt. Jetzt fehlte nur noch die Zustimmung der Großloge. In der Weltfreimaurerei gilt das Territorialprinzip, wonach auf dem Gebiet eines Staates, in dem eine anerkannte Großloge besteht, nur mit deren Zustimmung reguläre Hochgradsysteme gegründet werden können. Nach vorbereitenden Klärungen und einem Hearing des Großbeamtenrates gab die Großloge ihr Einverständnis und räumte den Wiener Kapiteln und dem Großkapitel auch die Möglichkeit ein, in den Wiener Räumlichkeiten der Großloge zu arbeiten.

Über das Verhältnis zwischen der Großloge und dem Großkapitel gab es zunächst nur mündliche Absprachen. Erst am 14. April 1987 wurde zur Regelung der gegenseitigen Beziehungen ein formelles Konkordat abgeschlossen. Wegen der umfangreichen Veränderungen seit dem Abschluss dieses Konkordates wurde mit dem neuen Konkordat vom 29. April 2014 für die Beziehungen zwischen der Großloge und dem Konvent eine neue, an die inzwischen geänderten Verhältnissen angepasste Grundlage geschaffen.

Im November 1974 konstituierten sich die drei österreichischen Kapitel als Großkapitel von Österreich, und so konnten sie am 6. Dezember 1974 in einer rituellen Arbeit feierlich aus der Jurisdiktion des Großkapitels von Deutschland entlassen werden.

Am 12. Dezember 1986 wurde als viertes österreichisches Kapitel und zweites mit Sitz in Wien das Kapitel Carnuntum installiert.

Eine besondere Form und Aufgabe maurerischer Arbeit wurde mit dem Forschungskapitel Ignaz von Born realisiert. Dieses Kapitel, das als Deputationskapitel aus Mitgliedern anderer Kapitel besteht, befasst sich einerseits mit Geschichte und Wesen der Maurerei des York Ritus und andererseits mit den aktuellen Fragen der Gegenwart aus maurerischer Sicht. Das Forschungskapitel Ignaz von Born wurde in der Gründungsversammlung am 20. Juni 1997 konstituiert.

Österreichische Hilfe beim Hochgrad-Aufbau in Ost- und Südosteuropa

Das Großkapitel von Österreich setzte sich auch die Verbreitung der Kapitelmaurerei in den von der kommunistischen Herrschaft befreiten Nachbarländern zum Ziel.

Nach dem Beispiel der österreichischen Johannismaurerei, zunächst Suchende aus diesen Ländern in Johannis-Logen der österreichischen Kette aufzunehmen, die dann in ihren Ländern eigenständige Logen und später Großlogen gründeten, ging das Großkapitel bei der Verbreitung der Kapitelmaurerei auch so vor. Slowenische und kroatische Johannisfreimaurer wurden in das Kapitel ‘Fischer von Erlach’ aufgenommen. Als ihre Zahl groß genug war, um eigene Kapitel zu gründen, geschah dies unter der Jurisdiktion des Großkapitels von Österreich, und als es schließlich in beiden Ländern jeweils drei Kapitel gab, wurden am 20. Dezember 2007 das ‘Großkapitel von Slowenien’ und am 8. Februar 2008 das ‘Großkapitel von Kroatien’ eigesetzt.

Die Aktivitäten zur Etablierung der Maurerei des York Ritus in weiteren mittel- und osteuropäischen Ländern wurden noch vor diesen Ereignissen mit der Gründung des Kapitels ‘Europa’ am 18. Mai 2007 auf eine neue Grundlage gestellt. Das Kapitel Europa nimmt Brüder aus den mittel- und osteuropäischen Ländern auf. Dem Kapitel Europa gehören inzwischen eine Anzahl ukrainischer, slowakischer und ungarischer Brüder an, die den Kern für die Gründung zunächst von Kapiteln der Maurerei vom Königlichen Bogen in weiteren Ländern Ostmittel- und Osteuropas bilden.

Eine besondere Situation ergibt sich dabei bezüglich Ungarns. Die ‘Symbolische Großloge von Ungarn’ hat Probleme gesehen, Aktivitäten des York Ritus in Ungarn zuzulassen. Um ungarischen Brüdern dennoch die Möglichkeit zu geben, die Grade des York Ritus zu erwerben, wurde zwischen der ungarischen Großloge und dem Großkapitel von Österreich vereinbart, dass ungarische Brüder in das österreichische System des York Ritus aufgenommen werden mit dem Fernziel, im Rahmen des österreichischen York Ritus ein ungarisches Kapitel – und in fernerer Zukunft vielleicht auch ein Konzil und eine Komturei – für ungarische Brüder zu installieren. Am 30. März 2011 wurde zwischen dem Großkapitel von Österreich und der Großloge von Ungarn ein Konkordat dieses Inhalts abgeschlossen.

Einen weiteren Akzent setzte die Installierung des Kapitels ‘Sarastro’ am 7. November 2009, die das Großkapitel von Österreich gemeinsam mit dem Großkapitel von England vornahm. Das Kapitel Sarastro ist die österreichische Ausnahme von der Arbeit nach dem amerikanischen System des York Ritus. Zum Unterschied von den anderen österreichischen Kapiteln arbeitet es nach einem Ritual der englischen Variante des York Ritus.

Über die spezifisch österreichischen Hochgrad-Rituale

Die Rituale der Systeme des amerikanischen York Ritus haben – wie auch die anderer freimaurerischer Systeme – Legenden und Ereignisse der christlichen Tradition zum Inhalt. Die Kapitelgrade, die Konzilsgrade und die Rittergrade verwenden biblische Schilderungen rund um den ersten und zweiten Tempelbau in Jerusalem, die Rituale der Rittergrade auch Berichte des Neuen Testaments und aus der Geschichte des jeweiligen historischen Ritterordens.

Dafür, dass sich die Autoren dieser Rituale biblischer Sujets bedient haben, gibt es einen leicht einsehbaren Grund. Im protestantisch-christlich geprägten angelsächsischen Raum des 18. und 19. Jahrhunderts war die Bibel das Buch, das jeder kannte und dessen Inhalte Basis des gesellschaftlichen Konsenses waren. So eigneten sich die Bibel und die christliche Tradition am besten als Material für Zitate und Gleichnisse, um auf der Grundlage eines gemeinsamen Bekenntnisses zum Christentum das Maß für Rechtschaffenheit und Lebensbewältigung im christlichen Geist zu vermitteln.

Bei naivem Umgang mit den rituellen Vorgängen bedeutet das allerdings die Gefahr, den Kern der Botschaft – die Lehre für das richtige Verhalten – aus den Augen zu verlieren und, anstatt die Botschaft herauszuarbeiten, einfach eine biblische Szene nachzuspielen. Geschieht das, erlebt man anstelle einer zusätzlichen, für Menschen von heute wichtigen Einsicht eine gespielte Darstellung von Ereignissen, die ein für die meisten Menschen von heute gleichgültiges Geschehen reproduzieren, eingebunden in willkürlich scheinende Formen, Formeln und Formalismen. Am Ende bleibt dann die vage Erinnerung an eine verwirrende Vielfalt von Worten, Zeichen und Vorgängen, die einem nichts sagen und die man sich nicht merkt, weil sie keinen Sinn ergeben.

Nun fühlt sich aber der humanitär-philosophische Konsens der österreichischen Freimaurerei keiner Konfession verpflichtet. Neutralität in Fragen der Religion und Respekt gegenüber den persönlichen Überzeugungen der Brüder hinsichtlich der letzten Dinge sind – wie in der österreichischen Freimaurerei insgesamt – auch im österreichischen York Ritus die Grundlage der brüderlichen Gemeinschaft.

Die Gründer des österreichischen York Ritus sahen deshalb nur in der Maurerei des Königlichen Bogens die Möglichkeit, beides zu vereinen: Die Wahrung des Handlungsinhaltes des Rituals und die neutrale Position der österreichischen Freimaurerei gegenüber religiösen Positionen.

In diesem Sinn wurden die amerikanischen Rituale der Kapitelgrade unter Wahrung des Wesens der jeweiligen Handlung für den österreichischen Gebrauch dem österreichischen Verständnis von Freimaurerei angepasst, von allen konfessionellen Elementen und Bezügen befreit und ihnen trotzdem ihre Botschaft bewahrt.

Nachdem diese Rituale rund 40 Jahre die Arbeiten der österreichischen Kapitel bestimmt hatten, wurden sie 2009 zum Anlass für einen Konflikt mit der internationalen Oberbehörde der Kapitelmaurerei in Amerika, dem ‘General Grand Chapter of Royal Arch Masons International’, das dem Großkapitel von Österreich mit dem Entzug des Charter drohte. Dem kam das Großkapitel durch seinen Austritt aus dem General Grand Chapter am 1. Juni 2009 zuvor.

Der Konflikt wurde schließlich durch einen Kompromiss beigelegt. In der sogenannten „Frankfurter Vereinbarung“ vom 13. Mai 2012 wurde festgelegt, dass innerhalb des Großkapitels von Österreich mindestens drei Kapitel nach dem vom General Grand Chapter vorgegebenen Ritual arbeiten und im Gegenzug die österreichischen Rituale vom General Grand Chapter generell als rechtmäßig anerkannt wird. Auf dieser Grundlage kehrte das Großkapitel von Österreich in das General Grand Chapter zurück; am 15. Juni 2012 wurde es provisorisch, am 29. September 2014 definitiv wieder als Mitglied aufgenommen.

Entsprechend der Frankfurter Vereinbarung wurden am 12. Mai 2012 das Kapitel ‘Benjamin Franklin’ und am 26. Jänner 2013 das Kapitel ‘Philadelphia’ gegründet. Am 14. Juni 2013 setzte das Großkapitel das Kapitel ‘Joseph Haydn’ und am 22. Juni 2016 das Kapitel ‘Hippolyt’ für Brüder ein, die sich wegen des Konfliktes mit dem General Grand Chapter vom Großkapitel von Österreich getrennt hatten und nach der Beilegung des Konfliktes wieder zum Großkapitel von Österreich zurückkehren wollten. Alle diese Kapitel arbeiten entsprechend der Frankfurter Vereinbarung nach dem Ritual des General Grand Chapter, Benjamin Franklin und Philadelphia in englischer, Joseph Haydn in deutscher Sprache.

Die Neukonzeption des österreichischen York Ritus ab 2011

Wie berichtet hatten die Gründer des österreichischen York Ritus zwar in München alle Grade des York Ritus erworben, beschränkten sich jedoch beim Aufbau des York Ritus in Österreich wegen der christlichen Ausrichtung der anderen beiden Systeme auf die Bearbeitung der Maurerei vom Königlichen Bogen.

Ab den späten 1970erjahren gab es Bestrebungen, die Beschränkung auf die die Maurerei vom Königlichen Bogen, also auf den Royal Arch), aufzugeben. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Tatsache, dass eine immer größere Zahl von Brüdern sich die Kryptischen und die Rittergrade in deutschen Konzilen und Komtureien erteilen ließen. Ab den 1980erjahren wurde mit verschiedenen Formen der Konzilsgrade experimentiert, bis am 12. Mai 2001 die Bearbeitung der kryptischen Grade im zu diesem Zweck zu gründenden Konzil ‘Danubius’ beschlossen wurde.

Diese Entscheidung gab mittelfristig den Anstoß zu einer grundsätzlichen Neukonzeption des österreichischen York Ritus und mündete am 14. Jänner 2011 in den Beschluss, die Beschränkung auf die Maurerei vom Königlichen Bogen aufzugeben und in Zukunft alle Formen des York Ritus zu bearbeiten.

Am 11. Oktober 2013 wurde als erster Umsetzungsschritt der neuen Konzeption das Konzil ‘Noricum’ eingesetzt und am 1. Juli 2014 folgte das Konzil ‘Genesis’. Zusammen mit dem Konzil ‘Danubius’ gab es damit drei Konzile, die nach den Regeln des ‘General Grand Council of Cryptic Masons’ ein österreichisches Großkonzil als oberste nationale Körperschaft der Kryptischen Maurerei bilden konnten. Auf ein entsprechendes Ansuchen der drei Konzile setzte das General Grand Council das Großkonzil von Österreich am 11. März 2014 per „Dispensation“ provisorisch und am 19. Juni 2015 durch Erteilung des Charter definitiv ein. Das vierte Konzil ‘Teurnia’ hat am 27. Februar 2016 seine Arbeit aufgenommen.

Inzwischen waren auch die Voraussetzungen für die Gründung einer österreichischen Großkomturei erfüllt. Am 18. April 2013 hatte eine Gruppe von Brüdern, die die freimaurerischen Rittergrade in deutschen Komtureien erhalten hatten, den Beschluss gefasst, die Komturei ‘Erasmus’ zu gründen. Am 7. Mai 2015 beschlossen Brüder der Komturei Erasmus die Gründung der Komturei ‘Michel de Montaigne’ und am 20. Mai 2015 gründeten weitere Brüder, die ebenfalls in Deutschland die Komtureigrade erhalten hatten, die dritte Komturei mit Namen ‘Heinrich von Morspach’. Am 11. August 2015 erteilte die Spitzenkörperschaft der freimaurerischen Rittergrade, das ‘Grand Encampment of Knights Templar’, der ‘Großkomturei von Österreich’ den Charter.

Nach dem Beschluss, auch die Kryptischen und die freimaurerischen Rittergrade zu bearbeiten, wurden für die Konzile und Komtureien, die das wollten, die entsprechenden international gebräuchlichen Rituale nach denselben Kriterien, nach denen die Rituale der Kapitelgrade dem österreichischen Verständnis von Freimaurerei angepasst worden waren, modifiziert.

Nicht alle wollten das. So wurde deutlich, dass nicht alle Mitglieder des österreichischen York Ritus die strikte Ablehnung von Ritualen, die christliche Elemente enthalten, teilen. Das mag daran liegen, dass diese Brüder wegen ihrer religiösen Einstellung kein Problem mit christlichen Elementen in den Ritualen haben oder auch daran, dass für sie die Identität der verwendeten Rituale als Ausdruck der Zusammengehörigkeit und des Eingebundenseins in die Gemeinsamkeit des internationalen York Ritus wichtiger ist als die nicht ihrer weltanschaulichen Haltung entsprechenden religiösen Formeln und Gestaltungselemente im Ritual.

Der österreichische York Ritus hat dem Rechnung getragen. Das Kapitel ‘Sarastro’ arbeitet, wie erwähnt, schon seit 2009 nach dem “Domatic”-Ritual des Holy Royal Arch of Jerusalem, einem der beiden vom ‘Supreme Grand Chapter of England’ sanktionierten Rituale, das gleichfalls von einer christlichen Konzeption geprägt ist. Und im Sinn der Frankfurter Vereinbarung arbeiten die Kapitel ‘Benjamin Franklin’, ‘Philadelphia’, ‘Joseph Haydn’ und zum Teil auch das Kapitel ‘Hippolyt’ nach dem amerikanischen Ritual.

Gleichartige Lösungen wurden für die weiterführenden Systeme des York Ritus gefunden. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass niemand durch das Ritual gegen seinen Willen auf eine religiöse weltanschauliche Position festgelegt wird, die nicht seiner Überzeugung entspricht, und gleichzeitig dem Maurer des York Ritus in Österreich die freimaurerische Vielfalt geboten wird, die Ausdruck der weltumspannenden Freimaurerei ist. Der österreichische York Ritus tut damit etwas in Richtung freimaurerischer Universalität und Einheit in der Vielfalt – ein Grundprinzip, das unverzichtbar ist, wenn die immer wieder beschworenen Werte von Toleranz, Brüderlichkeit und Verstehen des Anderen freimaurerische Lebenspraxis sein sollen.

Gedanken zur Zukunft der Hochgrad-Systeme

Wenn Ihr mir im scheinbaren Widerspruch zu diesen zuletzt getroffenen Feststellungen eine Schlussbemerkung gestattet:

Daraus, dass Hochgradrituale christlich geprägt sind, kann sich für sie in Zukunft ein Problem ergeben. In einer Welt, in der das christliche Weltbild immer weniger das bestimmende Lebensmuster ist, wird die Hochgradfreimaurerei, ohne ihre Wurzeln und ihre Tradition zu verleugnen, die spezifischen, auf das christliche Glaubensbekenntnis abgestimmten Elemente zurücknehmen müssen. Geschieht das nicht, dann droht diesen Systemen die Gefahr, dass eine zunehmend laizistische Gesellschaft sich in den christlich ausgerichteten Ritualen nicht wiederfindet und das Interesse an diesen Systemen verliert.

Und das wäre schade. Denn wie auch andere Rituale enthalten die Rituale des York Ritus neben den christlichen Elementen wertvolle Gedanken und Anregungen und können denen, die diese Rituale erleben, eindrucksvolle Erlebnisse und wichtige Einsichten vermitteln.

Die Zukunft des York Ritus wie auch anderer Hochgradsysteme liegt deshalb nach meiner Überzeugung darin, die verlangte Identifizierung mit einem christlichen Weltbild sachte abzubauen und diese anderen Elemente stärker zur Wirkung kommen zu lassen.

Wie für alle freimaurerischen Systeme gilt auch für den York Ritus: Soll er außerhalb der angelsächsischen Welt eine Zukunft haben, wird es notwendig sein, die spezifisch christlichen Elemente der Rituale zurückzunehmen und dafür die traditionell den Inhalt ausmachende Erzählung des jeweiligen Rituals dahin zu verstärken, dass seine Botschaft hinsichtlich des humanitären Auftrages an den Freimaurer ohne eine religiöse Bezugnahme wirkungsvoll zum Ausdruck kommt.

Wie das in Österreich bereits geschehen ist.


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