England - FM-Report 2017/5 Die Zukunft

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Report: 'Die Zukunft der Freimaurerei'

Auftraggeber: Vereinigte Großloge von England (UGLE)
Originaltitel: 'The Future of Freemasonry'
Durchführung: Sozialforschungsinstitut SIRC, Oxford: http://www.sirc.org/
Gekürzte Übertragung aus dem Englischen von Rudi Rabe:

Teil 5/5: Die Zukunft

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Wir haben gesehen, daß ein Wesenskern der Freimaurerei moralische Grundsätze und Verhaltensweisen sind, die keineswegs im Widerspruch zum Mainstream der heutigen Gesellschaft stehen. Kaum jemand wird die Betonung von Freundschaft und Zugehörigkeit ablehnen; ebenso wenig den Wunsch des einzelnen Freimaurers, ein möglichst guter Mensch zu sei: ein Wunsch, der sich oft durch ehrenamtliche Arbeit verwirklicht, durch die weniger gut gestellten Mitmenschen in ihrem Lebensumfeld geholfen wird.

Wir haben auch gesehen, daß das Ritual, das die Freimaurer von anderen Organisationen wie dem ‚Round Table‘ unterscheidet, vom alltäglichen Leben nicht so weit entfernt ist wie es zuerst erscheinen mag. … Die masonischen Rituale sind vielleicht elaborierter als jene unseres Alltags oder in der Familie. Sie haben die Form von Einaktern, alle mit allegorischer Beziehung zu moralischen Regeln und Verhaltensweisen gegenüber anderen Menschen. Sie sind so etwas wie Parabeln, fiktive Geschichten, die so wichtige Themen wie ‚verzeihen können‘ oder den weisen Umgang mit Geld ansprechen.

Wo kann darüber hinaus die Zukunft der Freimaurerei liegen? Und was soll sie tun, um die alten Verschwörungsmythen los zu werden? Was soll sie noch unternehmen, damit ihre Bedeutung für die heutige Gesellschaft besser anerkannt und verstanden wird? Diese Fragen haben wir auch den interviewten Freimaurern gestellt.

Es war Einigkeit gegenüber dem Kurs der neuen Offenheit und der Transparenz spürbar, wie es von den höchsten Stellen der Organisation gefördert wird. Es war auch überall spürbar, daß dieser Geist der Offenheit ‚von oben‘ die ‚gewöhnlichen‘ Freimaurer ergriffen hat. Sie sind glücklich, ihre Mitgliedschaft zunehmend bekennen zu können, wenn sie das Gefühl haben, das passt so.

Viele Freimaurer betonten auch, sie würden gern lokale Vereine in ihre Logen einladen und eine breitere Rolle im kommunalen Umfeld spielen.

Andere unterstützten das zwar, aber mit der Warnung vor zu vielen und zu schnellen Änderungen. Es wurden auch gewisse Besorgnisse geäußert, daß die Freimaurerei, wenn sie sich modernisiert, ihren unverwechselbaren Charakter verlieren könnte: Es sei vor allem auch wichtig, ihre einmaligen Rituale und Traditionen zu erhalten.

Wieder andere äußerten aber auch Besorgnisse, ob die Freimaurerei für die heutige junge Männergeneration attraktiv bleiben könne. Einige schlugen vor, für die Jungen, die beruflich sehr eingesetzt sind, Logentreffen am Mittag zu machen.

Um alle diese Herausforderungen bewältigen zu können, hat die Großloge vor zwei Jahren ein Mentoringprogramm eingeführt. Das ist ein wesentlicher Teil dessen, was erfahrene Freimaurer als die ‚stille Revolution‘ ihrer Vereinigung verstehen. Damit soll die Entwicklung und die Mitarbeit neuer Mitglieder gefördert werden. Das Mentoringprogramm sieht vor, dass jeder junge Freimaurer von einem erfahrenen Mitglied unterstützt und begleitet wird, also von einem Mentor, der ihn durch die verschiedenen Grade führt. Das Programm scheint erfolgreich zu sein, was daran abgelesen wird, daß die Austritte junger Mitglieder in den ersten zwei oder drei Jahren zurück gegangen sind. Und auch die Mitglieder selbst loben das Programm. …

Historiker weisen darauf hin, daß die Freimaurerei in Zeiten politischer Unsicherheiten immer wieder ein Hort des Friedens und der Ruhe war. … In ihr konnten neue Ideen entwickelt werden und die Hoffnung, daß Rationalität und Humanität die Übel von Fanatismus und Intoleranz aus den Herzen der Menschen vertreiben können. … Solche Übel gibt es auch heute wieder, vielleicht sogar mehr als früher. Es ist traurig, daß uns überall Fanatismus und Intoleranz begegnen, daß in der ganzen Welt extremistische und sektiererische Gewaltakte begangen werden und daß diese von den internationalen Medien überall verbreitet werden. Die Ereignisse im Nahen Osten erinnern uns täglich an die Zerbrechlichkeit jener politischer Ordnungen, die mehr auf Dogmen und Unterdrückung basieren als auf den Begriffen Freiheit, Demokratie und Vernunft. Noch direkter spüren wir die Veränderungen in unserer eigenen Wirtschaftsordnung: manche positiv, andere verheerend. All das kann uns auf die Rolle und die Bedeutung der Freimaurerei in einem zeitgemäßen Kontext hinweisen.

Wie uns der Großsekretär sagte: „Das Attraktive an der Freimaurerei ist, daß ihre Mitglieder alle Hautfarben haben, von allen Religionen und aus allen sozialen und ökonomischen Schichten kommen. Dadurch erlebt man als Freimaurer, daß viele sehr verschiedene Menschen in Harmonie und Gleichheit neben einem sitzen. Welche andere Organisation bringt das zustande in einer Welt, die voll von Konflikten ist?“ … Und er weist darauf hin, daß die Freimaurerei durch das Vermeiden politischer und religiöser Streitgespräche oder des Umsetzens geschäftlicher Interessen in den Logen ein großer ‚Angleicher‘ (‚leveller‘) ist, und dass sie dadurch ein wertvolles Forum für offene und ehrliche Gespräche zwischen Freunden sein kann, ohne das Risiko, niedergemacht zu werden. …

Auch die Bedeutung der Freimaurerei – oder noch mehr der einzelnen Freimaurer – als Wohltäter durch ehrenamtliche Tätigkeit und durch Spenden ist sehr hoch. … Und es ist durchaus möglich, daß Männer, indem sie Freimaurer werden, sich dieses Anspruchs noch mehr bewußt werden und in der Folge eine aktivere Rolle in der Gesellschaft einnehmen, wie uns viele Freimaurer berichtet haben. …

Wie immer die künftigen Regierungen politisch zusammen gesetzt sein werden, müssen wir davon ausgehen, daß die staatlichen Sozialleistungen sinken werden. Und daß daher die Leistungen nichtstaatlicher Organisationen ebenso wichtiger werden wie der Anspruch an die einzelnen Bürger, einander beizustehen. Diese Änderungen spüren wir ja schon.

Individuelles mitmenschliches Pflichtgefühl und die Bereitschaft, Zeit oder Geld für Menschen, denen es nicht so gut geht, zu spenden, können nicht durch politische Maßnahmen oder die Gesetzgebung erzeugt werden. Das ist etwas, das nur von selbst entstehen kann: durch starke gesellschaftliche oder familiäre Bindungen gleichgesinnter Menschen, welche dieselben moralischen Vorstellungen teilen. In unseren wirtschaftlich und sozial unsicheren Zeiten wird daher die Freimaurerei mit ihrem historischen Einsatz für Menschlichkeit und gegen Intoleranz wichtiger als sie jemals gewesen ist. …

Wenn es der Freimaurerei gelingt, ihre ‚stille Revolution‘ zu vollenden und zugleich ihren Charakter zu erhalten, dann kann ihre Zukunft gut gesichert sein: zumindest für nächsten hundert oder zweihundert Jahre.

Die weiteren Kapitel:
Traktat: England - FM-Report 2017/1 Einleitung
Traktat: England - FM-Report 2017/2 Bindungen
Traktat: England - FM-Report 2017/3 Geben
Traktat: England - FM-Report 2017/4 Ritual

Siehe auch