Hochgrade

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Hochgrade

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)

(frz- Hauts Degrés, engl. High Degrees oder auch Additional Degrees), eine der meistumstrittenen Einrichtungen der Freimaurerei. Daß der Lehrinhalt der Freimaurerei in den drei symbolischen Graden vollkommen enthalten ist, wird überall zugestanden. Die Hochgrade werden damit begründet, daß eine Weiterleitung besonders Beflissener und eine philosophische Vertiefung in einzelnen Speziallehren der Freimaurerei notwendig sei. Quartier-la Tente hat das viel erörterte Wort geprägt: "die Symbolischen Grade seien die Elementarschule, die Hochgrade die Hochschule der Freimaurerei". Das hat, mit Recht, scharfe Zurückweisung in Freimaurerkreisen erfahren. Die Hochgrade wollen eine Art Auslese aus den Vielzuvielen des Logenlebens schaffen. Diese sicherlich gute und der Freimaurerei förderliche Absicht wird durch die bestehenden Hochgradsysteme jedoch oft nicht erreicht. Die Hochgrade sind vielfach ebenso Masseninstitutionen wie die Logen, die sie durch Auslese überbauen wollen. Dieser Zweck der Auslese wird durch Engbünde zu wissenschaftlichem Zweck, gelehrte Gesellschaften, Sonderlogen, wie die der "Quatuor Coronati", die "Aeademia masonica" u. a. m. ebensogut, wenn nicht besser erzielt. Die Hochgrade des A. u. A. Schottischen Ritus widmen sich der Spezialisierung gewisser maurerischer Kardinaltugenden. Sie sind aber nicht imstande, dem Lehrinhalt der Freimaurerei etwas Neues hinzuzufügen, sie komplizieren im Gegenteile die einfachen Linien durch zahllose neue Ritualformen, Erkennungszeichen und symbolische Details, so daß zufolge der mitunter überschäumenden Phantasie der Ritualdichter (Pike) mehr verschleiert als erhellt wird.

Geht man die ganze Reihe der zahllosen Hochgradsysteme durch, so findet man nur ein einziges, das eine ungebrochene und logisch durchgeführte Leitlinie hat: das ist das Ritual der Schwedischen Lehrart, die sich aber selbst als christlichen Ritterorden bezeichnet und dadurch den Gegensatz zur Freimaurerei betont.

Soweit heute Hochgrade bestehen, sind sie großteils Reste der ritterlichen Verirrungen der Freimaurerei im 18. Jahrhundert. Man hat sie auch als erziehliches Element der Freimaurerei bezeichnet, insofern als die Erwartung der höheren Grade die Anteilnahme auch in den niederen Graden lebendig erhalten soll. Dieses Mittel ist wohl skeptisch zu beurteilen. In der heutigen Zeit sind die Hochgrade ein Anachronismus. Der Sinn der heutigen Freimaurerei geht auf Vereinheitlichung. Die Auffaserung des Lehrgebäudes durch eine, heute allerdings nicht mehr so stark in Erscheinung tretende, in einzelnen Systemen bis zu Wolkenkratzerhöhe (9O Grade!) reichende symbolische Aufstockung hemmt diese zeitgemäßen und sehr notwendigen Bestrebungen. Es kann auch nicht bestritten werden, daß durch die Hochgrade das im Freimaurertum ohnehin nie auszurottende "Menschlich-Allzumenschliche" nur vervielfacht wird, indem dem Spiele persönlicher Eitelkeiten, dem Geltungsbedürfnis und dem Hängen an Äußerlichkeiten Tür und Tor geöffnet wird.

Durch die Hochgrade ist auch eine bedauerliche Umwertung der Freimaurerei in der sie umgebenden Welt eingetreten. Sieht man von mystischen, kabbalistischen und gnostischen Zutaten ab, so bleibt als Kern fast aller Hochgrade die Templerlegende übrig, die an die Person des letzten Templer-Großmeisters De Molay und seinen durch religiöse und autokratische Unduldsamkeit herbeigeführten Tod auf dem Scheiterhaufen anknüpft. Die Legende wird eingeführt, um eine Moral, eine Lehre zu begründen, die im wesentlichen nichts anderes beinhaltet als den Kampf gegen Unduldsamkeit, die Aufforderung, als geistiger Kämpfer für Duldsankeit aufzutreten und das eigene Leben nach diesen Grundsätzen zu gestalten. Das ist ebenfalls, allerdings ohne soviel ritualistischen Aufwand, in den drei Johannisgraden vollkommen eingeschlossen.

Die ritualistische Durchführung in den Hochgraden bringt aber durch das Einfließen ritterlicher Vorstellungen symbolische Gesten und eine dekorative Ausgestaltung der Ritualhandlungen mit sich, die an sich vollkommen harmlos ist, die aber zu Mißdeutungen Anlaß geben kann. Das wird auch in breiten Freimaurerkreisen empfunden und man macht daher den Hochgraden den Vorwurf, daß durch sie die Stellung der Freimaurerei in der Welt erschwert wird, nicht weil die Hochgrade das sind, wofür sie in der profanen Welt gehalten werden, wohl aber weil sie den Anschein erwecken, als ob sie eine geheimnisvolle, der übrigen Freimaurerei übergeordnete und sie leitende Organisation seien. Ein so genauer Kenner der Freimaurerei wie Gould verwirft aber außerdem die Hochgrade, weil sie dem demokratischen Grundzug der Freimaurerei widersprechen, indem sie in ihrem hierarchischen Aufbau das Grundprinzip voller Gleichberechtigung durchbrechen und Klassen unter den Angehörigen eines auf voller Gleichheit aller Teilnehmer begründeten Bundes schaffen. Erfolge des einen oder anderen Hochgradsystems können also nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihre, dem eigentlichen Wesen der Freimaurerei fremde Erscheinung auf unhistorischer Basis die gradlinige Bauhüttenidee durchsetzt und auch empfindlich gestört hat.

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