Melissino Ordenslegenden

Aus Freimaurer-Wiki

Melissino: Wer fand Hiram?

Aus der Ordensgeschichte, 1765

Bearbeitet von Roland Müller


siehe auch:
Die ersten freimaurerischen Templerlegenden, 1751-1767

Das etwa 1765 von Peter Melissino (1726-1797; manchmal auch: Melesino) in Russland eingerichtete System bestand aus vier Graden, die auf die drei Johannisgrade folgten, als:
4) das dunkle Gewölbe (die auserwählten Meister);
5) der schottische Meister- und Rittergrad,
6) der Philosophengrad und
7) Magnus Sacerdos Templariorum, oder das Clericat.

Einige Literaturhinweise


Die Encyclopaedie der Freimaurerei. Zweiter Band, 1824, bringt die Rituale der vier Grade, die Ordensgeschichten und die Beschreibung der Teppiche sehr ausführlich auf insgesamt über 20 Seiten (460-481).
Zumindest für den 7. Grad verfügte der Autor über ein handschriftliches Ritual (473).

Ein viel kürzere Schilderung des Melesino’schen Systems konnte man im Jahre vorher der Zeitschrift für Freimaurerei (I, 1, 1823, 19-31) entnehmen, und zwar einem Aufsatz, den der Preussische Hofrat Johann Carl Christian Fischer (1765-1816) ungefähr im Jahre 1806 verfasst hatte:
Die Maurerei im Orient von Russland unter der Regierung der Kaiserin Katharina II (1-42).
Fischer charakterisiert die vier Grade folgendermassen:
„Diese Grade hängen unter einander fast gar nicht zusammen und führen endlich, ohne Vordeutung, in die Steppen der Alchemie, Kabbala und sogenannten Naturweisheit“ (20-21).

In Friedrich Ludwig Schröders Ritualsammlung, Bd. 14 (1805/06), finden sich der 5. Grad: Schottischer Meister und Ritter, und der 6. Grad: Philosophischer Grad in anderem Wortlaut als in der Encyclopaedie.

René Le Forestier: Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert. Erstes Buch: Die strikte Observanz. Leimen: Werner Kristkeitz Verlag 1789,
widmet dem „mystischen System“ von Melesino eineinhalb Seiten (228-229), und meint am Schluss:
„Auf diese mystischen Grundgedanken gründete Johann August von Starck sein eigenes Klerikat, aber er vermengte die Rosenkreuzerlegende und die des Magnus Sacerdos, um die Existenz und okkulte Rolle der Templerkleriker ‚historisch‘ zu untermauern.“

Einen detaillierten Bericht hat kürzlich Robert Collis publiziert:
Illuminism in the Age of Minerva:
Pyotr Ivanovich Melissino (1726–1797) and High-Degree Freemasonry in Catherine the Great's Russia, 1762-1782
http://sheffield.academia.edu/RobertCollis

Im Jahr 2003 hat Jan A. M. Snoek „The Evolution oft the Hiramic Legend in England and France“ publiziert (Heredom, vol. 11, 2003, 44-53). Er hat dafür über 50 Versionen von 1726 bis 1825 durchgearbeitet. Die nachstehenden Versionen sind nicht darunter.

Die folgenden Abschnitte aus:
Encyclopaedie der Freimaurerei. Zweiter Band, 1824, 460, 461-463, 465-468. 476-477

[Ordensgeschichte des vierten Grades.]


Als Hiram-Abbif durch die ruchlosen Hände dreier Gesellen gestorben war, schickte Salomon eine auserlesene Anzahl Meister aus, um den erschlagenen Hiram aufzusuchen. Sämmtliche Meister hatten ihre Kleider zerrissen und schwarze angelegt. Um Diejenigen, welche zur Nachforschung auserwählt waren, von den Übrigen zu unterscheiden, gab ihnen Salomon schwarze lederne Schürzen, die er selbst um ihre Kleider gürtete. Auf diesen Schürzen war das Bild der Sterblichkeit bemerkt.

Sodann erwählte er unter allen Meistern Neune, die er für die Bewährtesten hielt. Um dieselben gegen feindlichen Anfall in Sicherheit zu setzen, gab er ihnen 27 Soldaten von der Wache des Tempels zur Bedeckung mit. Diese wurden der Haufe der Auserwählten genannt, und zwar drei für Jeglichen der auserwählten Meister, welche in ihrer rechten Hand den Dolch und in der linken die Blendlaterne hatten, theils zu ihrer Sicherheit, theils um im Finstern zu sehen; denn es war Nacht, und zwar die finsterste Stunde in der Nacht, als sie den Erschlagenen aufsuchten.
-- Sie kamen darauf in den innern Vorhof und gingen in den äußersten, fanden aber Niemanden. Von da gingen sie bis zu den Thoren des Tempels und fingen von dem Thore Kychor an, welches gegen Abend lag, dann zu dem zweiten Thore, Chalda genannt, gegen Mittag, weiter an das Thor gegen Morgen und endlich an das gegen Mitternacht. Da sie aber auch hier Niemanden fanden; so wollten sie, weil die Morgenröthe noch nicht aufgegangen war, nicht zum Könige zurückkehren.

Sie begaben sich demnach zu dem viermal ehrwürdigsten Meister Gabaon, welcher der Vollkommenste unter allen Meistern war, und begehrten von ihm, daß er sie unterrichten sollte, wie sie sich zu verhalten hätten.
Hierauf nahm er ihnen einen Eid bei der Krone des Königs ab , daß sie nicht eher zurückkommen, wollten, als bis sie Das ausgerichtet, was ihnen der König: befohlen hätte, Alsdann gingen sie mit ihm in die Kammer im Vorhofe, worin die Geräthschaften des Tempels aufbewahrt wurden, und gab ihnen aus derselben Glocken, womit sie sich bei ihrer Ankunft meiden und von allen Freimaurern unterscheiden könnten.

Sie gingen nun aus dem Thore der Stadt, was gegen Abend liegt. Von da aus wandten sie sich in alle vier Theile des Landes. Bei Tage ruhten sie; und bei der Nacht waren sie jederzeit bereit und gerüstet, dem Feinde zu widerstehen. Als sie das ganze Land durchstrichen hatten, nahmen sie den Weg nach der Wüste zu und kamen an den Fuß des Berges Sinai. Daselbst fanden sie unter einem Hügel den Körper Hiram's.
In dieser Gegend war ein Wald von Terebintenbäumen, unter deren Schatten sie sich, wegen der Sonnenhitze, lagerten. Als sie nun hier ausgeruht hatten und mit dem Leichname Hiram‘s nach Jerusalem zurückkehren wollten, erblickten die Soldaten im Walde die drei Mörder, welche von den Bäumen des Waldes Holz fälleten. Sie ergriffen dieselben also bald, banden und. führten sie gefangen vor den auserwählten Meistern her, welche ihnen mit Hiram's Leichname nachfolgten.
Nachdem die auserwählten Meister in Jerusalem angelangt waren, übergab der König diese drei Unglücklichen den Soldaten, die sie in lederne Säcke steckten, in welchen sie dieselben erschlugen und in den Jordan stürzten.

AIs nun die aus erwählten Meister den Befehl des Königs und ihres viermal ehrwürdigen Meisters Gabaon dergestalt vollzogen hatten, ließ Salomon dieselben nicht wieder zu. den übrigen Meistern zurückkehren; sondern sie blieben allezeit, als eine besondre Wache, neben ihm, so daß sie an seine Person, als eines Königs, gebunden waren. Denn, gleichwie Hiram-Abbif, welcher von Hiram, dem Könige zu Tyrus, geschickt worden war, der Oberste über alle Freimaurer und ein Fürst des Tempels war: ebenso der viermal ehrwürdige Meister Gabaon, dem die auserwählten Meister bei dem Namen des weisen Adonai schwören mußten, ihm, als einem Könige, treu zu seyn; welchen Eid sie bei dem Haupte des Königs ablegten. Die Krone Salomon's aber, worauf sie schwuren, bedeutet die Freiheit, den Bau des Tempels und das Leben des größten Meisters.

So befanden sich denn die auserwählten Meister beständig um die Person ihres viermal ehrwürdigen Meisters Gabaon, wann er in den Tempel ging, um die Arbeit der Lehrlinge, Gesellen und Meister in Augenschein zu nehmen. Sie untersuchten mit ihm am Thore des Tempels die Wachen und dienten ihm zur Bedeckung, wann er den Arbeitern ihren Lohn austheilte.
Daher wurden sie auch, weil sie die Arbeit mit besahen, die vollkommensten Meister genannt; und ihr Alter war das vollkommenste, welches in der Zahl von neun durch den dreifachen Winkel beruhete.

Weil sie nun ihre Arbeit bei der Nacht in der größten Stille vollbrachten, so erleuchteten sie ihre Werkstätte mit einer Lampe; damit sie sich aber durch gewisse Worte von den Andern unterscheiden konnten, gab ihnen ihr viermal ehrwürdiger Meister Gabaon den geheiligten Namen Adonai, bei welchem sie ihren Eid der Treue ablegten.

Ihre Anzahl aber wuchs, ward groß und belief sich bald über 900, die die Wache im Tempel hatten am Thore, Sur genannt. Diese waren eine beständige, im Tempel herumgehende, Bedeckung sowol der Arbeiter, als des heiligen. Hauses. Sie gingen zwölfmal herum, nämlich vom Sonnenaufgange bis zum Sonnenuntergange.

Ordensgeschichte des fünften Grades.

[Nur knapp geschildert auch bei J. K. A. Fischer, 22-23]


Der schottische Meister, oder vielmehr der schottische Ritter, war dem zweiten Weltalter schätzbar; denn der König Salomon hatte ihn selbst gestiftet. Die Anzahl dieser Ordensritter bestand anfangs nur aus acht Personen, ward aber hernach bis auf sechszehn vermehrt. Alle, welche zu dieser hohen Würde gelangen wollten, wurden sorgfältig geprüft und mußten in den sieben Wissenschaften wohl erfahren seyn. Sie mußten das Mißmaß, oder das Schatzmeisteramt, verwalten und den Schatz im Tempel wechselweise, und im Kriege sogar mit Aufopferung ihres Lebens, vertheidigen.
Ihre Ordenskleider, Ephata genannt, waren lang, von rothem Sammt, mit Gold bebrämt, und ihre Ordensbänder roth mit grün, wovon sie das eine Ende über die rechte Schulter schlugen; daher denn die schottischen Bitter auch noch ihre Ordensbänder auf gleiche Weise tragen

Als nun Solomon 40 Jahre regiert hatte, starb er. Ihm folgte sein Sohn Rehabeam. Dieser war das natürliche Widerspiel seines glorreichen Vaters, welchen die Ägyptier einen König der Seligen nannten. Rehabeam folgte den jungen Hofleuten und verachtete den Rath der Alten. Er fing einen unnützen Streit an mit Jerobeam, dem Sohne Neboth's, einem Euphraten, aus Zarida gebürtig, einem Lieblinge und Feldhauptmanne des Königs Sisack von Ägypten. Dieser beredete den König Sisacky daß er dem Rehabeam den Krieg ankündigte, welcher ihn auch im fünften Jahre seiner Regierung unter's Joch brachte. Jerobeam eroberte in diesem Kriege in kurzer Zeit alle festen Städte in Judäa und kam bis an die Mauern von Jerusalem. Als die schottischen Meister und Ritter Dieses sahen, legten sie untereinander den Eid ab, die Mauern des Tempels bis auf den letzten Blutstropfen zu vertheidigen, und die hundert bewaffneten Kriegsmänner, welche zur Bewachung des Tempels bestellt waren, selber anzuführen.
Als Jerobeam ohne sonderliche Mühe die Stadtmauern erstiegen hatte und an die Mauern des Tempels rückte, erschrak er, daß er so großen Widerstand fand, so daß er, um nicht all sein Volk zu verlieren, von dem Tempel unverrichteter Sache abziehen mußte. Er besetzte die Stadt, plünderte die königlichen Schätze und alle Reichthümer der Stadt.
Bei dieser Belagerung hatten acht schottische Ritter ihr Leben eingebüßt und also ihren Eid in Erfüllung gebracht. Die übriggebliebene Hälfte beschloß, da sie zu schwach wären, um dem Feinde länger Widerstand zu leisten, den Schatz bei Zeiten in Sicherheit zu bringen. Es waren im Tempel noch mehr Schätze; dieser aber war der wichtigste

Wie nun Jerobeam nochmals mit aller seiner Macht an die Mauern des Tempels setzte, erstieg er den äußersten Vorhof und zerschlug die beiden Säulen Jachin und Boaz. Hier thaten die schottischen Ritter einen herzhaften Ausfall und trieben die Feinde über die Mauern zurück. Da ergriffen sie vier Stücke von den zerbrochenen Säulen und brachten sie in den innern Vorhof des Tempels hinter den großen Springbrunnen, mit dessen Wasser das Blut des geschlachteten Opferviehes aus dem Tempel gespült wurde. Daselbst befand sich ein verborgener Gang, Jaerzen-Kedi genannt, in welchen sie die Stücken der zerbrochenen Säulen in der Gestalt des Andreaskreuzes, und auf selbige den Schatz, legten. Dieser Gang war groß und lang, und theilte sich in zwei Arme. Der eine ging nach dem Walde Zitt, der zweite in die Ebene Lanan und Marassa.
Die schottischen Ritter wählten den letzten und kamen bis in die Gegend Paran, von da bis in die Wüste Abarimäitor, eine felsigte und ganz unbewohnte Gegend. Man sah hier weder Weg, noch Steg; noch fand man eine Spur, welche vermuthen ließ, daß je ein menschlicher Fuß daselbst gewandelt habe. Alles war mit einem finstern und undurchdringlichen Walde bedeckt. Wilde reiß ende Thiere hatten sich die ganze Gegend zu eigen gemacht. Von ihrem Brüllen schallten die Thäler wieder.
Hatten sie einen Berg erstiegen, so war unter ihnen ein fürchterlicher Abgrund, und jenseits desselben ein noch schrecklicherer jäher Felsen. Schon verbarg sich der Tag; die schwärzeste Nacht umhüllte sie, so daß sie einander nicht mehr erkennen konnten, außer wenn verzehrende Blitze niederschlugen, auf welche so erschreckliche Donnerknalle folgten, daß die Erde davon erschütterte.
Große giftige Schlangen verließen vor Furcht ihre Löcher und zischten zu ihren Füßen.
— In dieser Gefahr, die ihnen jeden Augenblick den Tod drohte, sanken sie zur Erde und hoben ihre Hände auf zu dem groß en Baumeister der Natur.

Der Tag brach an; sie setzten ihre Reise in dieser grausen Wüste fort; das entsetzlichste Ungewitter verfolgte sie aber unabläßig. So irrten sie lange Tage und Nächte muth- und kraftlos herum, ohne zu wissen, wo sie waren.

Endlich klärte sich der Himmel auf; und sie sahen von ferne gegen Mittag hohe Felsen, als eine gewaltige Mauer, mit hohen Thürmen und mit einem grün scheinenden Wasser umgeben. Die Felsen warfen ihre Schatten bis über die halbe Wüste. Als sie näher kamen, erblickten sie gegen Morgen ein altes langes zerfallenes Thor, dessen vermoderte Pfosten alle Augenblicke den Einfall droheten. Mit vieler Mühe kamen sie über eine Sandmauer, hernach durch einen unergründlichen Morast, und endlich über's Wasser.
Mit Lebensgefahr wagten sie sich in's innere Thor hinein. Kaum waren sie in diesem finstern Gange sechszehn Schritte fortgegangen, als sie den Tag des Himmels erblickten, welcher durch eine Spalte in das Thor fiel und sie auf einen Weg leitete, wo sie die schönste und anmuthigste Gegend der Welt erblickten.

Nach sechszehn zurückgelegten Wochen betraten sie ein wahres irdisches Paradies, wo ein immerwährender Frühling, bei dem schönsten Himmel, herrschte. Die Blüthen und reifen Früchte einer Menge tragender Bäume hauchten zugleich die angenehmsten Düfte von sich. Unter diese mischten mit buntem Schmelz gezierte Blumen, womit die ganze Flur bedeckt war, ihre balsamischen Gerüche und belustigten das Auge mit nie erschöpfter Anmuth. Ein sanft rauschender Silberbach schlängelte sich durch dieses Lustgefilde, in welchem kein einziger Sinn ungereizt und unbefriedigt blieb. Was dem Gaumen auf‘s Lieblichste schmeichelte, gab dem Magen die gesundeste Nahrung und dem ganzen Körper die meisten Kräfte.

Die Ritter, nachdem sie sich von den ausgestandenen großen Mühseligkeiten erholt hatten, fanden bei einer angestellten genauen Untersuchung, daß dieser glückliche Platz nur tausend Ellen lang und breit war, und mit hohen steilen Felsen, als mit einer Mauer, umgeben war.
In einer kleinen Entfernung wurden sie einen heiligen Hain gewahr, mit einem alten Tempel. Über der Thüre des Tempels stand die Aufschrift in hebräischer Sprache:
„Keiner nähere sich diesem heiligen Tempel Bethsemes, der kein Kenner und Verehrer der sieben Wissenschaften und zugleich von aller Neugierde befreit ist.“

Die Ritter nahmen sich einander hierüber einen Eid ab, gingen sodann in den Tempel und legten in der Mitte desselben ihre heilige Beute nieder, nämlich den Schatz, den sie aus Jerusalem mitgebracht hatten. Dieser bestand in einem viereckigten elfenbeinernen Kasten, der an den Ecken mit Gold eingefaßt, mit Edelsteinen besetzt und von Hiram selbst verfertigt war. In demselben lagen zwei Stück gediegenes Gold, jedes einen Elbogen lang und dick, welches zu den Kronen und Piedestalen. gebraucht werden sollte, so an den beiden Säulen Jachin und Boaz noch fehlten. Weil nun dieses Gold von Salomon selbst verfertigt worden war, so wurde es für heilig gehalten und zu dem Allerheiligsten gelegt.
In der Mitte des Kastens wurde das Brustschild mit den 12 Edelsteinen, nach der Anzahl der 12 Stämme, aufbehalten, welches Moses verfertigen ließ und der Hohepriester alle Jahr einmal, wann er in das Allerheiligste trat, an seiner Brust tragen mußte, ingleichen eine dicke goldene Platte, worauf das Urim und Thummim gegraben war
— Ganz unten im Kasten lagen vier goldene Schaustücke, auf deren Einem das Lehrlings-, auf dem Zweiten das Gesellen- und auf dem Dritten das Meisterwort, auf dem Vierten aber Nichts, geschrieben war. Das alte Meisterwort stand auf dem Deckel des Kastens in einem Dreieck. Zur linken Hand erblickten sie die Normam, zur rechten aber einen Sarg von schwarzem Jaspis, auf dessen Deckel folgende Worte in arabischen Buchstaben standen:
„Gott selbst ist hier der Wächter.“

— Dieser Sarg war 9 Jahr und 3 Monate lang den schottischen Rittern ein wahres Geheimniß, bis sich endlich Einer von ihnen unterstand, seine Neugier zu stillen, und dadurch die Anzahl dieser Ritter verminderte; denn durch die vier Stunden, da er die Normam zerlegen mußte, kam er um's Leben.
Daher werden denn auch die schottischen Ritter bei ihrer Aufnahme unter die Rolle geführt und viermal angezogen; zum Andenken jenes ungetreuen, und meineidigen Ritters, welcher Erphat genannt wurde.

Endlich ist noch anzumerken, daß dieser Ort, wo die schottischen Ritter so viele Jahre in Ruhe und Zufriedenheit gelebt hatten, im glücklichen Arabien gelegen, rund umher aber mit so vielen Gefährlichkeiten umgeben war, daß kein Sterblicher sich unterstehen konnte, sie zu besuchen, bis endlich sich das Glück so günstig für die Ritter erklärte, daß die sieben Ritter Gelegenheit fanden, ihn zu -verlassen, und die Rückreise mit dem Schatze wieder anzutreten.
Nach ihrer Ankunft trafen sie die heilige Stadt, nebst dem Tempel, ganz verwüstet und in Schutt und Asche gelegt.
 — Weil sie nun den Ort, wo Hiram begraben war, wußten und besorgten, daß seine Gebeine gleichermaßen verbrannt seyn mochten, so suchten sie seine Begräbnißstelle auf und zogen den Sarg, an den daran befestigten Stricken, durch vier große Züge, aus der Asche hervor und begruben ihn an einem geheimen Orte von Neuem, woselbst er noch ruhet.

Sie begaben sich hierauf in alle vier Theile der Welt, suchten ihre Mitbrüder auf, legten, ihrer Pflicht gemäß, neue Logen an und breiteten das Licht der Maurerei überall aus.
— Sie erzählten ihren Brüdern Das, was sich mit ihnen und dem Schatze auf ihren Reisen Beschwerliches zugetragen hatte, und ermahnten sie zu gleicher Treue und Eifer.

[Anrede des Hohepriesters im siebten Grad]


Wir Hohepriester und Tempelherrenritter haben durch Überlieferung von drei Schülern des Pythagoras und des Zeno, die Ihnen bekannt seyn müssen, die hermetisch-cabbalistische Wissenschaft und das Geheimniß der göttlichen Magie erhalten. Der Orden und die Gesetze des heiligen Conclave befehlen, unsere Wissenschaften nur sehr wenigen Auserwähllten unsers Capitels mitzutheilen, um Geheimnisse von solcher Wichtigkeit nicht zu entweihen.
Da aber jetzt die vollkommene Zahl (zehn Conclavisten, und zehn Ehrenmitglieder mit Sitz und Stimme, in einem Conclave) für diesen Orient nicht vollkommen ist: so haben wir Sie, hochwürdiger Bruder, der Sie durch Ihre persönlichen Eigenschaften, durch Ihren Gehorsam und Ihre Verschwiegenheit sich besonders ausgezeichnet haben, erwählt, um unter der Zahl der Auserwählten unsers Conclave in unserm unsichtbaren Capitel einen Platz einzunehmen und von dem hochwürdigen Großdechanten und Großoperator alles das Licht und alle die theosophischen, cabbalistischen und hermetischen Kenntnisse zu erhalten, die Sie jetzt zu bekommen im Stande sind.
Empfangen Sie dieselben mit der gehörigen Ehrerbietung; und stellen Sie darüber die tiefsten Betrachtungen an, indem Sie Gott, den Allgewaltigen, loben, der in einem dem größten Theile der Menschen so verborgenen Gegenstande die größten Wunderwerke der Natur verborgen hat!

— Wissen und erlabten Sie auch hiermit, daß wir Brüder des Conclave nicht allein großmüthige Wohlthäter, sondern auch strenge Richter, sind! Im Namen unsres geheiligten Ordens haben wir das Recht über Leben und Tod; und wenn Sie es sich jemals einfallen ließen, unsere Gesetze zu übertreten: so würde Sie weder der Schutz, noch die Gewalt, der Fürsten vor dem Tode retten können, den unsere geheiligten Gesetze solchen Übertretern und Verbrechern zuerkennen; denn, Nichts in der Welt geschieht, was unseren Oberen verborgen bleiben könnte; und da ihrer Scharfsicht Nichts entgehen kann: so lernen Sie, hochwürdiger Bruder, Ihre eingegangenen Verpflichtungen treu halten, vorsichtig und gehorsam seyn!
Vor allen Dingen aber lernen Sie schweigen, damit Sie nicht an Leib und Seele verloren gehen!

Msgruenklein.gif

Ausgearbeitet von Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2015 / All rights reserved - ESOTERIK von Dr. phil. Roland Müller

Siehe auch