Nikos Kazantzakis: Dichter und Freimaurer

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Nikos Kazantzakis.
Quelle: Wikipedia/Pelagaios
Gelegentlich wurde bestritten, dass Kazantzakis Freimaurer war. Dem trat der frühere griechische Großmeister Georgios Vassileogeorgis beim Wiener Symposion mit überzeugenden Beweisstücken entgegen:
Er präsentierte Briefe, die Bruder Nikos an andere Brüder geschrieben hatte. Sie enthalten die für jene Zeit typischen freimaurerische Wendungen und die bis heute üblichen drei Punkte - - so auch auf dieser Postkarte, die Kazantzakis 1916 an einen Freimaurer sandte. Der Schluss des Textes ist eine formelhafte Verkürzung für:
Μετά του τριπλού αδελφικού ασπασμού (Meta tou triplou adelfikoy aspasmou = Mit dem dreifachen brüderlichen Kuss) Καζαντζάκης (Kazantzakis).
Das Grabmal Kazantzakis’ auf Kreta.
Die Inschrift auf Deutsch: „Ich erhoffe nichts. Ich fürchte nichts. Ich bin frei.“
Die Griechisch-Orthodoxe Kirche verweigerte Nikos Kazantzakis 1957 ein kirchliches Begräbnis, vor allem auch wegen seines Romans ’Die letzte Versuchung’. In diesem Werk zeichnet er Jesus als einen Menschen, der ein Zweifler war und mit seinem Schicksal haderte.
Das Buch landete auch auf dem „Index“ der Römisch-Katholischen Kirche, einer Liste mit Büchern, deren Lektüre für Katholiken als Sünde zu gelten hatte. Und so wurde Kazantzakis in Heraklion nicht im Friedhof begraben, sondern auf der alten Bastei. - Den katholischen „Index“ gibt es seit den dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1965) nicht mehr. Und auch die griechische Kirche scheint ihre Vorbehalte gegen Kanzantzakis und sein Werk begraben zu haben: An der Veranstaltung in Wien nahm der griechisch-orthodoxe Metropolit von Österreich und Mitteleuropa mit einem Vortrag teil.
Foto: Hartmut Riehm

Nikos Kazantzakis: Dichter und Freimaurer

Nikos Kazantzakis (1883-1957) war einer der bedeutendsten und am meisten übersetzten griechischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Weltberühmt wurde er durch seinen Roman ’Alexis Sorbas’ und dessen Verfilmung im Jahr 1964 mit Antony Quinn. Freimaurer wurde Kazantzakis im zarten Alter von 24 Jahren in Athen. Von Rudi Rabe.

Auf seinen Wanderjahren verbrachte Nikos Kazantzakis auch einige Zeit in Österreich. Aus diesem Anlass wurde er in Wien im Oktober 2017 zur Erinnerung an seinen 60. Todestag mit einem dreitägigen öffentlichen Festival geehrt, das von Freimaurern initiiert worden war: Vorträge, Filmvorführungen und ein Symposion im Haus der Großloge von Österreich.

An den Veranstaltungen nahm auch der frühere griechische Großmeister und Kazantzakis-Forscher Georgios Vassileogeorgis teil.

Keynote Speaker war beim Symposion der renommierte österreichische Kulturjournalist Heinz Sichrovsky, ein Experte für freimaurerische Schriftsteller und Musiker (siehe die Hinweise am Ende der Seite). Das Freimaurer-Wiki dankt Heinz Sichrovsky, dass wir seinen Text hier wiedergeben dürfen.

Heinz Sichrovsky über Nikos Kazantzakis
als Dichter und Freimaurer

Nikos Kazantzakis war ein Dichter weltliterarischen Formats, die wahrscheinlich bedeutendste, sicher aber bekannteste griechische Autorenpersönlichkeit der Neuzeit.

Er war Freimaurer, und sein Werk ist von der Freimaurerei in mehreren Positionen durchdrungen und durchglüht. Das hat seine Folgerichtigkeit, denn die Freimaurerei ist ja ein Puzzle aus vielerlei Mythologien und Philosophien, und die griechische ist keineswegs die geringste unter ihnen. Das im Ritual zentral beschworene Wahre, Gute und Schöne ist eine der Grundlagen der Lehre Platos, es hat sich in der Freimauerei in Weisheit, Stärke und Schönheit weiterverwandelt und wurde in einigen Hochgraden zu Glaube, Hoffnung und Liebe christianisiert.

Die freimaurerische Mythologie speist sich aus den Mysterien von Eleusis, die den ewigen Wechsel der Göttin Persephone zwischen Dunkel und Licht, Tod und Leben, Hades und Olymp thematisieren. Von den Pythagoräern hat die Freimaurerei einiges an Struktur entlehnt. Und wenn wir uns das Urteil des Paris vergegenwärtigen, so erkennen wir alsbald, dass das Zerwürfnis zwischen den Göttinnen der Weisheit – Athene –, der Stärke – Hera – und der Schönheit – Aphrodite – den Trojanischen Krieg in Gang gesetzt hat. Wenden wir uns nun auch noch dem Lichtbringer Prometheus zu, einer freimaurerischen Symbolgestalt erster Ordnung, nach der viele Logen benannt sind. Sein erdverbundeneres zweites Ich ist der Feuer- und Schmiedegott Hephaistos, von dem wir überrascht zur Kenntnis nehmen, dass er auch ein Baumeister war: Er hat, der „Ilias" zufolge, den Göttern ihre Häuser gebaut! Andererseits war der identitätsstiftende freimaurerische Baumeister Hiram laut Altem Testament eigentlich ein Schmied, ein Metalldesigner. Wie Hephaistos den seitenlang beschriebenen Schild des Achill, schuf Hiram das Eherne Meer, ein Becken von fünf Metern Durchmesser im Vorhof des Salomonischen Tempels. Wenn wir uns nun endlich zur eminenten freimaurerischen Symbolgestalt Tubal Kain begeben, dem Erfinder der Schmiedekunst, der seinerseits immer wieder mit Hephaistos gleichgesetzt wird: dann ahnen wir, was alles an Mythologie sich in der Freimaurerei durchmischt hat.

Das ist allerdings eine andere Baustelle, und deshalb kehre ich zu Kazantzakis zurück. Wir kennen ihn vor allem als Schöpfer des Romans „Alexis Sorbas“, der mit Anthony Quinn verfilmt wurde. Fortgeschrittene identifizieren ihn mit dem Roman „Die letzte Versuchung Christi“, der auf dem vatikanischen Index stand, weil er die Familienverhältnisse des Erlösers nicht im Sinne der allerheiligsten Nomenklatura interpretiert hat – es gibt auch eine bedeutende Verfilmung von Martin Scorsese.

Kazantzakis hat zwischen 1883 und 1957 gelebt, er ist im osmanisch besetzten Kreta aufgewachsen, er hat in Paris über Nietzsche dissertiert, ist nach Griechenland zurückgekehrt und wurde nach seiner Abkehr vom Kommunismus eine maßgebliche Persönlichkeit der christlichen Dichtung – freilich nicht zur Begeisterung der vatikanischen Legislative. Er war mehrfach für den Nobelpreis nominiert und ist knapp unterlegen – es wird in Kreisen der griechischen Freimaurer verbindlich angenommen, dass die griechische Kirche gegen ihn gearbeitet habe.

Er wurde 1907 in Griechenland Freimaurer, also als sehr junger Mann, und hat zwei Jahre später das Drama „Der Werkmeister“ geschrieben. Hier geht es um die Bauopferthematik, den Tod eines Menschen zur Sicherung eines Bauvorgangs, und das spielt ja unmissverständlich in den dritten freimaurerischen Grad.

Kazantzakis hat auch eine moderne Version der „Odyssee“ geschrieben, ein Entwicklungsepos (so wie ja das ganze freimaurerische Leben ein Entwicklungsroman ist), das einen langen Weg vom Dunkel ins Licht beschreibt. Das Werk umfasst 33.333 Verse, so formal und inhaltlich durchdrungen war Kazantzakis von der Symbolik. Die Dokumente, die über seinen weiteren freimaurerischen Weg Auskunft geben könnten, wurden während der Nazi-Zeit verschleppt, man weiß hier nichts Genaueres.

Aber das Vorwort zu seinem autobiographischen Abschiedswerk „Rechenschaft vor El Greco“ ist ein wundersames Stück Freimaurerliteratur: Der sterbende Mensch – und Kazantzakis starb schwer an den Folgen einer Leukämieerkrankung – legt die Werkzeuge nieder:

„Ich räume mein Werkzeug zusammen: Gehör, Gesicht, Geruch, Geschmack, Gehirn. Es ist nun Abend geworden, der Arbeitstag geht zu Ende, ich kehre wie der Maulwurf nach Hause, in die Erde zurück. Nicht, als ob ich des Arbeitens müde geworden sei, ich bin nicht müde, aber die Sonne ist untergegangen.“

Sein Leben lang wollte er einen dunklen Berg ersteigen – dieser Berg ist Gott, und sein Antlitz zu sehen der Inbegriff menschlichen Strebens. Bis der Erschöpfte erkennt, dass es kein Gesicht Gottes gibt. Nur einen unbehauenen Stein, dem der Mensch durch lebenslanges Streben sein eigenes Antlitz einprägen soll, um ein Steinchen im Humanitätsgebäude werden zu können.

„Und als er in diesen allerletzten Jahren verzweifelt nun begriff, dass dieser Berg ohne Antlitz sei, was war das für ein neuer Weg voller Tolldreistigkeit und Schrecken, ein Kampf, die unbehauene Gestalt zu meißeln und ihr ein Gesicht – das eigene Gesicht! – zu geben! Aber jetzt ist der Arbeitstag zu Ende gegangen, ich räume mein Werkzeug zusammen.“
„Es sollen andere Erdklumpen kommen, den Kampf fortzusetzen. Wir Sterblichen sind die Legion der Unsterblichen, unser Blut ist eine rote Koralle, und wir bauen über dem Abgrund eine Insel. Gott wird gebaut, ich habe auch mein rotes Steinchen eingesetzt, einen Tropfen Blut, auf dass ich ihn festige, damit er nicht verloren geht, auf dass er mich festigt, damit ich nicht verloren gehe, ich habe meine Pflicht getan.“
„Lebt wohl!“

Nur die Gewissheit, ins ewige Licht zu gehen, ist dem Sterbenden abhanden gekommen. Kazantzakis’ Weg endet nicht zu Hochmittag, sondern zur Hochmitternacht, und dann in einer Vision von apokalyptischer Wucht.

Alexis Sorbas (Zorbas the Greek)

Dies ist das wohl bekannteste Werk von Nokos Kazantzakis. Im Zentrum steht die Geschichte der Freundschaft zwischen dem Ich-Erzähler und Alexis Sorbas, zwischen einem von Selbstzweifeln geplagten, intellektuellen Verstandesmenschen und einem Lebenskünstler, der seinen Gefühlen und Instinkten vertraut und in völligem Einklang mit sich und der Welt lebt. Irgendwo in dem Buch ruft Zorbas plötzlich aus: "Boss, wir sind echte Freimaurer" - weil sie sich über alle Konventionen hinwegsetzen, die auf der Insel Kreta, dem Schauplatz des Geschehens, gelten. Genauso wie Kazantzakis: Weil er die orthodoxe Kriche kritisierte, verweigerte ihm diese ein christliches Begräbnis. Und so ließ er sich außerhalb des Friedhofs auf der Stadtmauer von Iraklio bestatten.

Durch die Verfilmung des Buches im Jahr 1964 wurde Kazantzakis einige Jahre nach seinem Tod weit über das literarische Publikum hinaus weltberühmt. Unvergessen die Schlussszene, in der Antony Quinn als Sorbas, nachdem die von ihm mit großer Leidenschaft gebaute Materialseilbahn hinauf zum Bergwerk bei der Jungfernfahrt wie ein Kartenhaus zusammengebrochen war, mit dem sensiblen Dichter Basil den berühmten Sirtaki tanzt:


Siehe auch