Peter Stiegnitz

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Peter Stiegnitz

Peter Stiegnitz lebte von 1936 bis 2017. Aufgenommen im Mai 1970 in die Wiener Loge ‚Humanitas’ war und blieb er bis zu seinem Lebensende Freimaurer, also fast ein halbes Jahrhundert lang; am längsten in der Loge ‚Zum Rauhen Stein’, die er 1987 mitgegründet hatte. Von Beruf war Stiegnitz bis zu seiner Pensionierung Beamter im Pressedienst der Österreichischen Bundesregierung. Er schrieb mehr als zwanzig Bücher.
Ein Portrait von Rudi Rabe.

Peter Stiegnitz - 1936 bis 2017
Eines seiner letzten Bücher.
Peter Stiegnitz schrieb mehr als zwanzig Bücher über die Freimaurerei, über Religion, das Judentum und über Politik. In einigen seiner letzten beschäftigte er sich auch mit dem Thema ‚Lügen’.

Wer ist Peter Stiegnitz? Diese Frage war zu seinen Lebzeiten in der Wiener Freimaurerwelt überflüssig. Nicht nur weil er als Bruder seit Jahrzehnten irgendwie allgegenwärtig war, sondern auch weil er zu den führenden österreichischen Freimaurerdenkern gehörte. Und weil er mehrere logenübergreifende hohe Ämter bekleidete und bekleidet hatte, "Sessel", die er offenbar sehr genoss, wie er in einem seiner Bücher schreibt: „Die beiden schönsten ‚Sessel’ waren die des Großkapitelmeisters an der Spitze einer Form der so genannten ‚Hochgrad Freimaurerei’ und meine Mitgliedschaft im Großbeamtenrat der Großloge von Österreich.“

Peter Stiegnitz stammte aus Ungarn.

Er kam 1956 als Emigrant nach Wien: als einer von mehr als 200.000 Ungarn, die nach der missglückten antikommunistischen Revolution nach Österreich flüchteten. Und als einer von gut 20.000 blieb er im Lande. Das war nicht das erste Mal, dass er Glück hatte: Stiegnitz war jüdischer Abstammung, als Bub überlebte er nur knapp den Holocaust in Budapest und dann in einem ungarischen Dorf. Diese Erlebnisse und sein Judentum verbunden mit der Freimaurerei beschreibt er sehr anschaulich in den Büchern Auf allen Stühlen sowie Judentum und Freimaurerei. Mit der Freimaurerei beschäftigte er sich außerdem grundsätzlich in seinem Buch Gott ohne Kirche: Religion und Freimaurerei.

Zwei dutzend Bücher und zweitausend Artikel

Aber das war längst nicht alles: Peter Stiegnitz schrieb nicht rund zwei Dutzend Bücher, sondern auch mehr als zweitausend Artikel, und er hielt viele Vorträge. Für das Freimaurer-Wiki stellte er uns 2013 einen Text zur Verfügung, in dem er sich mit der Lage der Freimaurerei in seiner ursprünglichen Heimat Ungarn beschäftigte: Ungarn: „Vor uns die glorreiche Vergangenheit“.


2. Feber 2017: An Peter Stiegnitz' Begräbnis im Friedhof Neustift am Rande von Wien nahmen an die zweihundert österreichische Freimaurer und Freimaurerinnen Teil. In ihrer aller Namen nahm der
Großmeister der Großloge von Österreich, Georg Semler,
Abschied von Peter Stiegnitz mit der folgenden Trauerrede, deren Text wir hier mit Genehmigung des Großmeisters wiedergeben:

<Ein Großer unseres Bundes hat sich vollendet. Und da ich weiß, dass alle der heute Anwesenden Peter Stiegnitz persönlich gekannt haben, will ich gleich festhalten, dass er diesen Satz, auf ihn selbst bezogen, niemals so hätte durchgehen lassen, ohne ihn mit sarkastischem Humor zu kommentieren und so das Pathos abzuschwächen. So war Peter, und so bleibt er unter uns.

Hätte ich nur ein Wort zur Verfügung Peter zu beschreiben, ich würde ihn als „Wanderer zwischen den Welten“ beschreiben. Zwischen den Ländern Österreich und Ungarn, zwischen Sprachen und Religionen, zwischen Orienten und Obödienzen bewegte er sich zeitlebens elegant, behänd und erstaunlich geschickt hin und her.

Die Aufzeichnungen seines maurerischen Lebenslaufs zeigen uns unseren Freund und Bruder Peter als Mitglied der Logen „Humanitas“, „Fraternitas“ und „Helikon“, dann aber dreißig Jahre in der Loge „Zum Rauhen Stein“, in der er wie auch in der Helikon irgendwann fast alle Logenämter bekleidet hat.

Zwei Amtsperioden lang gehörte er auch dem Großbeamtenrat an; er widmete sich dabei mit großem Engagement den „Suchenden ohne Bürgen“ und den Themen der freimaurerischen Aus- und Weiterbildung, seinem Steckenpferd von dem er nicht genug bekommen konnte.

Seiner zweite Amtszeit als Großbeamter durfte ich mit ihm gemeinsam dem Gremium angehören, und mir klingen noch heute seine stetes klugen, manchmal auch kritischen aber immer augenzwinkernden Kommentare im Ohr. Und im Monat seines achtzigsten Geburtstags trat dann auch als hochverdiente Ehrung das Verdienstzeichen der Großloge hinzu.

In dieser Aufzählung fehlt nur noch das große Engagement im York Ritus, dem er in vielen Funktionen, davon zehn Jahre als Großkapitelmeister diente. Das alles wissen seine Freunde und seine Brüder. Aber das ist nur eine dürre Beschreibung, die nicht wiedergibt, worin der Zauber seiner Persönlichkeit bestanden hat: Zunächst und für jedermann erkennbar in dem gelebten Wohlwollen gegenüber seiner Umgebung, dann aber auch in seiner Großzügigkeit gegenüber den Fehlern seiner Freunde und in der Güte des abgeklärten Wissenden, der die Tiefen und Untiefen der menschlichen Natur kennt.

Liebe Schwester Helga, du warst ihm die Nächste auf dieser Welt. Du hast ihn geteilt mit seiner zweiten großen Liebe, mit unserem Bund, dem er zahlreiche Mitglieder zugeführt hat, und es sind wohl viele davon heute auch unter uns, um sich vor Peter zu verneigen. Zu seinem Achtziger habe ich Peter gesagt, dass allein die Suchenden, die er dem Bund zugeführt hat, leicht eine eigene Loge, die Stiegnitz-Loge bilden könnten. Ein Gutteil davon waren Suchende ohne Bürgen, die in Peter die Leitfigur für ihr freimaurerisches Leben gefunden haben.

Der Schatz meiner Erinnerung an Peter Stiegnitz wird jedoch dominiert von einem Aspekt seiner Persönlichkeit, der einmal ganz plötzlich aufgeleuchtet hat: Als er bei einer Feier zur Aufnahme neuer Mitglieder den obligatorischen Toast auf das Vaterland zu sprechen hatte, begann er mit dem Satz : „Ich wollte immer ein Vaterland.“ Und als die Zuhörer aufhorchten, erzählte er, dass er natürlich geglaubt hatte, Ungarn sei sein Vaterland, bis man ihm sagte, dass er Jude sei und das Land aller seiner Vorfahren nicht sein Vaterland. Als später das politische System wechselte, freute er sich: „Jetzt habe auch ich ein Vaterland.“ Da musste er hören, dass er als Sohn eines Kapitalisten kein Anrecht auf ein Vaterland Ungarn habe. 1956 ist Peter nach Österreich gekommen. Und – in seinen Worten – hier wollte man von ihm einzig und allein wissen, ob er dazugehören wolle; das wollte er auch, und zwar von Anfang an.

In diesem Toast ist eines der schönsten Bekenntnisse zu Österreich enthalten, die man je gehört hat. Peter sagte nämlich: „Solange ich lebe, ist dieses Land Österreich, das mich ohne Wenn und Aber, ohne rechte und linke Vorurteile aufgenommen hat, mit dem ich mich in tiefer Dankbarkeit verbunden fühle, mein Vaterland.“

Liebe Freunde, diese Sätze, von unserem Bruder Peter im ehrwürdigen Haus unseres Bundes gesprochen – diese Sätze mögen ihn hinüberbegleiten in den Ewigen Osten, in das ewige Vaterland aller vollendeten Brüder.>

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