Pierer: Entstehung der Freimaurerei. Periode II

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Zweite Periode

Die Freimauerei seit dem Wilhelmsbader Convent 1783 bis zur Französischen Revolution.

Die Freimauerei hatte sich geläutert; alle helldenkenden Maurer begriffen, daß man mit den höheren Zwecken der Oberen mit Geistersehen, Goldmachen etc. getäuscht worden sei, daß zum Theil politische Zwecke, zum Theil das Streben für den Katholicismus Proselyten zu gewinnen unter den Bildern, bes. der höheren Grade, verborgen gelegen hätten, u. in vielen Systemen zeigte sich (wie zum Theil schon früher) das Streben, die Freimauerei in ihrer Reinheit darzustellen, u. man suchte, da man sich über die Mittel hierzu nicht einigen konnte, dies in besonderen Systemen u. in inneren Orienten od. Großlogen zu erreichen.

Schon oben ist gesagt, daß sich in Großbritannien nächst der altenglischen Großloge große Logen in London (1717), Dublin (1730) u. Edinburg (1736) bildeten, von denen die zweite bes. wichtig ward. Diese neuenglische londoner höchste Großloge nahm 1770 nach dem Vorbild anderer Systeme einen 4. Grad, Royal Arch, an, während die altenglischen Logen von York u. die schottische u. irische Großloge fortfuhren, nur in drei Johannisgraden zu arbeiten. Die neuenglische Großloge verpflanzte diesen Grad seit 1783 auch in ihre Provinziallogen. In Frankreich existirten trotz des Verbots der Freimauerei durch Ludwig XV. fast seit dem Beginn der Freimauerei schon Großlogen, u. 1738 nahm der Herzog von Autun, 1743 selbst der Herzog Louis von Bourbon, Graf von Clermont, also ein Prinz von Geblüt, das Großmeisterthum an. Diese vornehmen Großmeister bekümmertem sich indessen wenig um ihr übernommenes Amt u. ließen dasselbe durch deputirte Großmeister verwalten, von denen einer, Lacorne, 1761 Tanzmeister war.

Verbote

Ein Theil der Logen wollte ihn nicht anerkennen, u. es gab daher einige Jahre lang zwei französische deputirte Großmeister, bis es dem Grafen von Clermont doch zu arg wurde u. er Lacorne absetzte. Aber nicht konnte er die inzwischen erfolgte Bildung von Großlogen zu Bordeaux, Lyon, Marseille, Orleans u. Bouillon verhindern. 1767 erfolgte ein neues Verbot der Freimauerei, das durch frühere, ebenfalls erneute scharfe Edicte der Bischöfe gegen sie schon vorbereitet war, aber eben so vergeblich, als früher, denn 1771 gelang es dem Herzog von Chartres (später von Orleans, während der Revolution Egalité genannt), der sich als neuer Großmeister an die Spitze aller Systeme u. die ihn sämmtlich anerkennenden Großlogen stellte, die Freimauerei wieder gestattet zu sehen.

Er ernannte den Herzog von Luxemburg zu seinem Administrateur général (deputirten Meister). Ein Grand Orient de France, bestehend aus Deputirten aller Logen, wurde 1772 in Paris eingesetzt, u. da Herzog von Orleans selbst zum Souverain grand maître des tous les conseils, chapitres et loges [686] écossaises de France ausgerufen. Dieser große Orient hielt Ordnung unter den Logen u. suchte 1776 die höheren Grade einigermaßen einzuschränken; ein Convent zu Lyon verwarf 1778 das Tempelherrnsystem, das bes. in Lothringen u. Elsaß Eingang gefunden hatte, u. die Logen desselben schlossen sich nun dem Grand Orient an. Schon 1756 hatte die holländische Freimauerei unter der Bedingung, daß alle holländische Logen unter Einer Großloge zu Haag ständen, die Anerkennung des Staats erlangt u. 1770 schloß auch sie einen Vereinigungsvertrag mit der höchsten londoner Großloge.

In Dänemark wurde von Staatswegen 1792 die ganze Freimauerei unter den Großmeister Prinz Karl von Hessen gestellt. In Schweden bestimmte 1785 ein Gesetz, daß keine Loge mehr anders als unter der Großloge in Stockholm arbeiten dürfe, u. derselbe König, welcher die Freimauerei früher bei Todesstrafe verboten hatte, ließ sich von den neuen Logen feierlich huldigen. Die schwedische Freimauerei war aber nach französischen Formen gestaltet, arbeitete nach Clermontischem System u. hatte dabei eine starke Beimischung von Rosenkreuzerei.

Templersystem

1765 führte Schubart von Kleefeld das Templersystem bei der schwedischen Freimauerei ein, u. um 1777 war dasselbe u. das Clermontische System zu einem ganz veränderten, neuen System umgebildet, welches dem altenglischen nahe kommt. Der Untergang des Tempelherrnordens u. die Wiederherstellung desselben durch die Freimauerei soll nach diesem System ohne alle Beimischung von Katholicismus versinnlicht werden; das alte Symbol fehlt u. wird gesucht; Wohlthätigkeit wird als Urzweck des Tempelherrenordens betrachtet.

Die schwedische Maurerei hat 9 Grade, nämlich die Johannisgrade, den erwählten Schotten, den schottischen Meister, den Ritter in Osten (Johannisvertrauter), den Ritter in Westen (Tempelritter, Unterofficiant), den Großofficiant, den Magister templi (Ukor). Andere führen dieselben Grade mit einigen Abweichungen an. Indessen war die schwedische F. nicht frei von Swedenborgianismus u. damals die meisten Redner Swedenborgianer. Dadurch, daß Gustav III. die Freimauerei gegen den Adel, welcher die Macht damals in Händen hielt, benutzte u. seinen Bruder, den Herzog von Südermanland, zum Großmeister ernannte, bekam die F. dort eine eigenthümliche Beziehung.


Rußland

In Rußland konnte lange keine eigentliche Großloge zu Stande kommen; obschon Katharina II. Protectorin der Loge Klio in Moskau wurde, war diese doch nicht Großloge. 1768 ward vom russischen Obrist, nachmaligem Generallieutenant Melesino, einem gebornen Griechen, das Melesinoische System eingeführt; es enthielt die 3 Johannisgrade u. außer diesen 4 Grade (das dunkele Gewölbe, schottischer Meister- u. Rittergrad, Philosophengrad u. Clericat); in das Clericat war viel Rosenkreuzerei verwebt.


Dies System bestand nur in wenig Logen in u. um Petersburg u. war außer Rußland wenig bekannt. 1776 ward von England aus das Großmeisterthum des von Jolachin anerkannt. 1786 waren bereits 15 russische Logen bekannt. In Polen entstand 1769 die erste Großloge aus der 1749 begründeten Loge zum guten Hirten in Warschau. Als der russische General Igelström 1783 u. 1794 Warschau besetzt hielt, wurden die Logen durch ihn geschlossen. Später, als die Theilungen Polens eintraten, kamen die einzelnen Logen der abgerissenen Landestheile unter die Gesetze der Staaten, zu welchen diese geschlagen wurden. In der Schweiz nahm die Loge zu Lausanne den Titel eines Helvetisch-romanischen Directoriums an. Später schlugen sich in der Schweiz mehrere Logen zur Stricten Observanz u. die zu Basel nahm den Titel eines altschottischen Directoriums an, dagegen erhoben sich die 7 Logen zu Genf zu einem unabhängigen Großdirectorium. Doch wurde ersteres nach dem erneuten Verbot der Freimauerei zu Basel 1782 aufgehoben.

Wilhelmsbader System

Am meisten aber zeigte sich das Suchen nach dem Besten in Deutschland. Hier wurde das Rectificirte Wilhelmsbader System durch den Großmeister Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig u. dessen Loge Karl zur gekrönten Säule repräsentirt. In Anfang gehörte die Nationalmutterloge zu den 3 Weltkugeln zu Berlin zu diesem System, es begannen aber bald Streitigkeiten mit ihr, u. schon 1784 erklärte sich die Nationalmutterloge mit allen ihren Töchterlogen von allen maurerischen Verbindungen, also auch von dem Wilhelmsbader System, für unabhängig; sie erkannte daher auch den, von jenem beschlossenen 4. Grad nicht für gültig, sondern behielt, wie bisher, ihre 7 Grade bei. Daher ging denn auch der Name Stricte Observanz vornehmlich auf das von ihr befolgte System über, zumal da die leitende Loge des Wilhelmsbader Systems später ein anderes System annahm u. die eigentliche Stricte Observanz sich nach u. nach auflöste.

Bereits 1764 hatte in Berlin die Loge de l'Amitié ihre Constitution von der Loge Puritas in Braunschweig erhalten, sie hatte den Herzog von York, Prinzen von England, 1765 aufgenommen u. durch dessen Vermittelung eine Constitution von daher bekommen. Sie nannte sich deshalb Royal York zur Freundschaft, zog später Logen zu ihrem System u. nahm die Stelle einer Mutterloge ein. Nur wenig später begann (1766) der Generalstabsarzt Ellermann, der durch Adoption den Namen von Zinnendorf angenommen hatte, die Bildung eines besonderen Systems.

Er hatte von Hunds Legitimation als Heermeister der siebenten Provinz auf dem Convent in Altenberge nicht anerkannt u. verschaffte sich durch den Großsecretär der Großloge in Schweden deren Rituale, erklärte die Stricte Observanz für unecht u. vereinigte 177012 Logen zu einer Großloge in Berlin. Auch diese erhielt ein Patent von London, u. nach vielem Hin- u. Herstreiten, wo er sich unduldsam zeigte (so war es den Brüdern seiner Loge, so wie den der Nationalmutterloge, eine Zeit lang untersagt, die Logen des andern Systems zu besuchen), u. nachdem die schwedische Großloge erklärt hatte, daß Zinnendorf ohne ihr Wissen ihre Rituale erhalten habe, erklärte sich diese Großloge zu Berlin zur großen Landesloge von Deutschland. Im Gegensatz der Stricten erklärte Zinnendorf sein System für die Late Observanz, obschon es weit strenger war, als jene, u. schloß mit der höchsten großen Loge in London, durch Vermittelung des Landgrafen Georg Karl von Hessen, 1773 einen Vertrag, nach dem alle Logen in Deutschland ihr zugehören sollten.


Zinnendorf

Auch Zinnendorf nahm 7 Grade nach Art der schwedischen an u. die Landesloge führt sie noch bis jetzt. Die Loge Royal York vereinte sich 1776 mit der Landesloge, trennte sich aber 1778 wieder von derselben u. reclamirte ihre alten Rechte. 1798 erging von der preußischen Regierung der [687] Befehl, daß jede geheime Gesellschaft untersagt sei, nur die F. nicht, wenn sie sich einer der genannten drei Großlogen anschließe; dieser Befehl ist noch jetzt in Kraft.

In Frankfurt a. M. hatte eine englische Provinzialgroßloge bestanden; diese erlosch 1782 durch den Tod des Provinzalgroßmeisters Gogel; vermöge einer ausdrücklichen Bestimmung der höchsten Großloge in Londen hätte die Provinzialloge in Frankfurt a.M. der großen Landesloge in Berlin sich anschließen sollen, dazu wollte sich jene aber nicht bequemen, sondern errichtete mit der Loge zum Reichsadler in Wetzlar den Eklektischen Bund (so genannt, weil er aus Vielen das Beste auswählen wollte), der nur die drei Johannisgrade haben u. sich von Sectengeist u. Schwärmerei frei halten, also das alle englische System festhalten sollte. Viele Logen traten ihm bei, doch wurde er 1789 temporär dadurch aufgelöst, daß der Repräsentant der höchsten großen Loge in London die Frankfurter Provinzialloge wieder einsetzte. Allein der Verein hatte sehr zum Nachdenken Anlaß gegeben, u. mehrere Logen modelten ihr Ritual nach demselben. Später constituirte sich der Eklektische Bund wieder, wozu sich die Darmstädter u. and. Logen hielten.

So sehr sich die Freimauerei in fast allen genannten Ländern der Fortschritte erfreute, so trafen sie doch auch in dieser Periode in vielen Ländern Verbote u. Verfolgungen. So wurden in Neapel, Spanien u. Portugal die Maßregeln gegen sie geschärft u. erneuert u. 1774 in Danzig, 1778 in Aachen die Freimaurer verfolgt.

Österreich

In Österreich untersagte die Kaiserin Maria Theresia 1764 die Freimauerei; zwar lebte sie bald wieder auf u. blühte unter Joseph II. so, daß schon 1785 eine Landesloge aller österreichischen Staaten in Wien errichtet wurde u. Joseph II. 1785 eine Cabinetsordre gab, wonach zwar in jeder österreichischen Hauptstadt nur drei Logen bestehen sollten, zugleich aber die F. völlig erlaubt u. unter Schutz der Behörden gestellt wurde; Leopold II. war ihr dagegen nicht geneigt, doch arbeiteten die österreichischen Logen bis 1794 fort. Großen Einfluß hatte das Aufblühen der österreichischen Freimauerei auch auf das Gedeihen der italienischen; fast in allen großen Städten der Lombardei entstanden Logen, ja selbst in Rom wurde 1784 eine solche stillschweigend geduldet u. setzte sich mit dem Großen Orient in Paris in Verbindung, ja 1786 wurde die päpstliche Bulle von 1751 in so fern ermäßigt, daß die Freimaurer nicht mehr excommunicirt werden sollten. Schon 1784 war die F. in Württemberg untersagt worden, wie denn schon 1775 den Geistlichen u. weltlichen Dienern des Fürstbischofs von Hildesheim, Seitens desselben verboten wurde, Logen zu besuchen. In Pfalzbaiern wurde die F. 1784 u. in Venedig 1785 streng verpönt.