Rezension: Arnold Grunwald – Freimaurer auf dem Weg zum Nationalsozialismus

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August Horneffer: ein tragisches Freimaurerleben

Quellenkritische Untersuchung zu August Horneffer als Schriftleiter: So heißt das Buch im Untertitel. Und darauf konzentriert sich der Autor auf gut hundert Seiten: Es geht um die ideologischen Verstrickungen dieses vor und nach dem Zweiten Weltkrieg hochrangigen deutschen Freimaurers inklusive einer konsequenten aber fairen Bewertung. Von Rudi Rabe.

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August Horneffer war von 1923 bis zu der von den Nazis befohlenen Selbstauflösung der letzten deutschen Logen im Jahr 1935 ein führendes Mitglied der ’Großen Loge von Preußen, genannt Zur Freundschaft’: Er war Schriftleiter der Mitgliederzeitung ‚Am rauhen Stein’. Nach dem Krieg war er erster Großmeister der 1946 wiedergegründeten Großloge. 1952 ging diese in den Vereinigten Großlogen von Deutschland auf. Der 1875 geborene Horneffer lebte bis 1955.

August Horneffer als Beispiel ...

... als Beispiel dafür, wie deutsche Freimaurer in den zwanziger und dreißiger Jahren im Gleichschritt mit großen Teilen der Gesellschaft immer nationaler, dann nationalistisch und schließlich nationalsozialistisch wurden. Und wie das nachher bestritten oder schöngeredet wurde: zuletzt auch nachzulesen im Buch ’Identität und Gedächtnis’ von Hans-Hermann Höhmann.

Was bei Höhmann nur ein exemplarischer Fall ist, steht in diesem Buch im Mittelpunkt: die freimaurerisch-ideologische Entwicklung August Horneffers ab 1923, nachgezeichnet durch Artikel in seiner Mitgliederzeitung.

Es beginnt 1924 mit der Einführung eines Arierparagraphen gegen die Aufnahme von Juden. Das scheint kein Kinderspiel gewesen zu sein: Horneffer lässt über mehrere Hefte eine Diskussion mit Pros und Kontras zu. Er selbst ist ‚pro’; die Großloge beschließt es schließlich mit 80 gegen 7 Stimmen.

Sein Weg in Richtung Hitler

Es folgen dann Texte Horneffers bis 1934. Arnold Grunwald kategorisiert sie in einer Zusammenfassung am Ende des Buches in neutrale Texte, in Aufsätze zur Abwehr von Anfeindungen (Ludendorff), in völkisch orientierte, nationalistische und ab 1932 in Texte „mit nationalsozialistischer Tendenz“. Traurige Höhepunkte sind die Lobreden auf Hitler, dessen „genialen Blick“ Horneffer bewundert: „In der Persönlichkeit Hitlers ist das Vorherrschende ein leidenschaftlicher Wille, nicht ein theoretisches Grübeln. Alle seine Gedanken sind schon früher gedacht und ausgesprochen worden, viele von seinen Anhängern und seinen Gegnern sind gebildeter, vielleicht auch klüger als er; aber er ist der gewaltige Motor, der Vulkan, der aus der Tiefe seines urdeutschen und urkräftigen Wesens die Gedanken oder richtiger die Forderungen herausschleudert, die er nicht aus Büchern, sondern dem Leben geschöpft hat.“ Das war Mitte 1932, noch vor Hitlers Machtergreifung, also wohl mit wenig Opportunismusanteil. Oder ein Dreivierteljahr später seine gewundenen Begründungen für die Germanisierung der Großloge, die ab April 1933 keine mehr war sondern ein ‚Deutsch-christlicher Orden Zur Freundschaft’ mit dem Hakenkreuz als Lichtsymbol. Und so fort.

Nach 1945 war der Nationalsozialismus diskreditiert. Und „Horneffer verhielt sich in der Nachkriegszeit nicht anders als die Mehrzahl der Deutschen“: Vieles war schlecht, aber vieles war auch in Ordnung. Und was die freimaurerischen Unterwerfungen betrifft: Er selbst hätte die Großloge sofort stillgelegt, aber der Großmeister wollte es anders. Kann sein. Wer wusste in diesem politischen Tohuwabohu bei solchen - seien wir ehrlich - drittrangigen Fragen so genau, was richtig und was falsch ist. Ist das zu mild? Kann auch sein.

Jedenfalls: Als ich das Buch zu Ende gelesen hatte, war August Horneffer für mich nicht nur ein Täter sondern ebenso eine tragische Figur; ein Mensch und Freimaurer, der in einer viel schwierigeren Zeit leben musste als ich.

Stoff zum Nachdenken?

Auf der letzten Seite stellt Arnold Grunwald schließlich die Frage, ob diesem Thema überhaupt noch großes Interesse entgegengebracht werde. Er konstatiert „eine gewisse Müdigkeit für Diskussionen um die Zeit des Nationalsozialismus ... Es verbreitet sich immer mehr eine Schlussstrichideologie ... Es gibt eine neue Generation von Freimaurern, die andere Themen in den Mittelpunkt stellt. Innerhalb der Logen werden moralische Kategorien, Symbolik, Ritualistik oder der Bezug zu anderen freimaurerischen Systemen diskutiert. Die Freimaurerei beschäftigt sich vornehmlich mit sich selbst und neigt im Widerstreit zwischen moralischem Anspruch und Handlungsebene zur Selbstreferentialität.“

Arnold Grunwald sieht das kritisch: „Vergangenheitsaufarbeitung ist Teil der Gegenwartsgestaltung und Zukunftsorientierung. Wenn weiterhin vergessen und verdrängt und Vergangenheit zum Gerümpel der Geschichte geworfen wird, so wäre das nach der Zeit der Verdrängung und Täuschung nach dem Zweiten Weltkrieg, die als ‚zweite Schuld’ bezeichnet wurde, eine neue Periode der Vertuschung und Abwehr, eine ‚dritte Schuld’.“


Arnold Grunwald: Sprachpädagoge, Freimaurer seit 1988, besonders interessiert an Freimaurergeschichte (dazu mehrere Bücher: hier) Das hier rezensierte Buch erschien 2014 im Salierverlag; dieser editiert eine Freimaurerreihe.


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