Rezension: Freimaurerei im Roman der Weltliteratur: Unterschied zwischen den Versionen

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Ich werde im folgenden Romane von [[Leo Tolstoj]], [[Fjodor Dostojewski]], [[James Joyce]] und [[Thomas Mann]] daraufhin untersuchen. (Anmerkung: Die hier vorgestellten Romane gibt es in verschiedenen Übersetzungen bei unterschiedlichen Verlagen. Ich gebe Seitenzahlen aus der mir vorliegenden Ausgabe wieder, die sich aber wohl nicht weit entfernt in anderen Ausgaben wiederfinden lassen dürften.)
 
 
  
 
== Leo Tolstoj: Krieg und Frieden ==
 
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Aktuelle Version vom 21. Dezember 2014, 14:00 Uhr


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Freimaurerei im Roman der Weltliteratur

von Arnold Grunwald


Freimaurerei spielt in der bildenden Kunst, etwa in der Malerei, der Bildhauerei, der Architektur keine nennenswerte Rolle, wenn man von Werken absieht, die von Freimaurern in bewusster Intention erstellt wurden. In der Romanliteratur hingegen wird die Freimaurerei oftmals erwähnt. Manchmal wird nur kommentarlos über einen Romanprotagonisten gesagt, dass er Freimaurer gewesen sei. Der Leser soll sich dann wohl ein Bild von der Person machen, das von einem besonderen Flair umgeben wird.

Auf Werke wie die von Robert Anton Wilson, Dan Brown oder Umberto Eco gehe ich nicht ein, da dort die Freimaurerei als Romankulisse für einen Plot benutzt wird. Ebenso geht es nicht um Bücher, die von Freimaurern für Freimaurer geschrieben wurden und sich somit an einen umrissenen Leserkreis wenden. Ich beschränke mich auf vier Schriftsteller, die in ihren Romanen der Freimaurerei einen Platz einräumen, der aus ihrer Sicht der so beschrieben Person den Rang eines Typus einräumt, der sie mit der Freimaurerei verbindet.

Ich werde im folgenden Romane von Leo Tolstoj, Fjodor Dostojewski, James Joyce und Thomas Mann daraufhin untersuchen. (Anmerkung: Die hier vorgestellten Romane gibt es in verschiedenen Übersetzungen bei unterschiedlichen Verlagen. Ich gebe Seitenzahlen aus der mir vorliegenden Ausgabe wieder, die sich aber wohl nicht weit entfernt in anderen Ausgaben wiederfinden lassen dürften.)

Leo Tolstoj: Krieg und Frieden

Erst spät im Roman wird von Tolstoj die Freimaurerei erwähnt. Auf der Fahrt nach Petersburg wird Fürst Pierre Besuchow, der Protagonist des Romans, auf der Station Torchok mit einem ihm ganz unbekannten Mann in ein Gespräch verwickelt. (Dessen Namen, Ossip Alexejewitsch Basdjejew, entnahm Pierre erst nach dem Gespräch aus dem Buch des Poststellenverwalters.) Pierre schaute auf die Hände seines Gesprächspartners und sah einen "Ring mit Alraunenwurzel - dem Emblem der Freimaurerei."

Pierre fragte: "Gestatten Sie mir eine Frage: Seid Ihr Freimaurer?", worauf der Herr antwortete: "Ja, ich gehöre dieser Brüderschaft an." Sie führten nun ein längeres Gespräch über Gott, Glauben, Wissenschaft, Erkenntnisprobleme und weitere Themen. Zu Ende des Gesprächs übergab Basdjedew Pierre ein Schreiben, das er einem Grafen Willarski in Petersburg aushändigen möchte. (S. 425 - 434)

Eine Woche nach Pierres Ankunft in Peterburg erschien in seiner Wohnung der polnische Graf Willarski und teilte ihm mit, er habe den Auftrag, ihm mitzuteilen, dass eine "in unserer Brüderschaft hochangesehene Persönlichkeit" die Aufnahme Pierres in die Freimaurerei unter Wegfall der üblichen Wartefrist befürwortet habe.

Gleichzeitig bot er sich als Bürge für Pierre an und fragte: "Wünscht Ihr unter meiner Bürgschaft in die Brüderschaft der Freimaurerei einzutreten?" Pierre war zwar überrascht, aber antwortete: "Ja, ich wünsche es." Der Bürge stellte noch eine Frage, die er als Vorbedingung betrachtete: "Glaubt Ihr an Gott?", die Pierre, der bisher dem Atheismus zugeneigt war, etwas zögerlich so beantwortete: "Ja .... ja, ich glaube an Gott." (S. 434)

Sie begaben sich sogleich zum Logenhaus, wo sie erwartet wurden. Tolstoj beschreibt auf zehn Seiten die Aufnahme in die Freimaurerei. Er nennt auch Vieles, was hier nur mit Stichworten wiederholt zu werden braucht: Prüfung des Suchenden, den er auch als "Leidender" oder "Verlangender" bezeichnet, dunkle Kammer mit Evangelium und Totenkopf, Abgabe der metallischen Wertsachen, Verbinden der Augen, Klopfzeichen an der Tür, Lichtgebung, Teppicherklärung, Losungswörter, Schurz, Handschuhe, Werkzeuge wie Kelle und Richtlot usw. (S. 435 - 445)

Oftmals ist gefragt worden, ob Tolstoj den Vorgang der Aufnahme richtig beschrieben habe oder ob er in dichterischer Freiheit Handlungen erfunden habe. Tolstoj hat das Aufnahmeritual gekannt und es richtig beschrieben. Tolstoj hat es so beschrieben, wie es 1806 in der napoleonischen Zeit in Russland im Gebrauch war. Tolstoj beschreibt eine Aufnahme, die sich an eine Freimaurerei anlehnt, die man das schwedische Ritual nennt.

Es ist christlich ausgerichtet. Daneben gab es auch damals andere Rituale, etwa das englische, das schottische, das irische, bei denen die Aufnahme in anderer Weise ablief. Das heutiges Aufnahmeritual unterscheidet sich von dem bei Tolstoj beschriebenen schon durch die nach strengen Regeln ausgerichtete Form und ist erhabener und auch formeller als das von Tolstoj berichtete. In den von Tolstoj beschriebenen Unterweisungen des Neuaufgenommenen wie auch in den vorhergehenden Gesprächen mit seinem Bürgen wird die Ideenwelt der Freimaurerei aus der Sicht der dem Christentum verpflichteten Logen richtig beschrieben.

Wenn Tolstoj eine der Hauptpersonen seines Romans einen Freimaurer sein lässt, so steht dahinter eine Absicht. Pierre lebte bisher nach einer großbürgerlichen Gesinnung, die sich um soziale Probleme seiner Umwelt keine Gedanken machte. Nach seiner Aufnahme in die Freimaurerei wendet sich sein Leben. Er denkt über Gerechtigkeit, Gleichheit, Frauenemanzipation, Befreiung der Bauern von der Leibeigenschaft und ähnliche Fragen nach und gibt sein bisheriges ausschweifendes Leben auf. Er findet nun auch Gefallen an Vorstellungen über Mysterien und Gedanken an Gott. Nach Jahren löst sich seine Verbindung zur Loge immer mehr und er fällt wieder in seine alten Gewohnheiten zurück.


Fjodor Dostojewski: Die Brüder Karamasoff

Während Tolstoj sich intensiv mit dem Gedankengut der Freimaurerei und auch mit deren Organisationsformen befasst hat, finden sich in den Werken Dostojewkis in vielen Romanen nur Diskussionen über deren Ideen: über Aufklärung und Freiheitsidee, über Gerechtigkeit und Unrecht, über Gleichheit und Ungleichheit usw. In seinem Spätwerk "Die Brüder Karamasoff" vertritt einer der Brüder, Iwan, die Position des intellektuellen, aufgeklärten Denkers. Von ihm wird schon die spätere Frage Nietzsches "Ist Gott tot?" gestellt.

Iwan erzählt seinem Bruder Alescha die von ihm erfundene Novelle "Der Großinquisitor", in der Jesus auf Erden erscheint. Der Großinquisitor empfindet das als Störung der bestehenden Kirchenordnung mit ihren machtvollen Einrichtungen und droht, Jesus auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, wobei er davon ausgeht, dass das christliche Volk auf seinen Wink herbeieilen und die Kohlen schaufeln werde. Letztlich hat er Erbarmen und jagt Jesus davon mit den Worten: "Geh! Und komm nicht wieder - komm überhaupt nicht mehr, niemals, niemals!" (S. 350)

Nach Erzählung dieser Fabel führt Iwan in einem Gespräch mit Alescha aus, dass es vermutlich einen geheimen Bund gebe, "der längst schon geschlossen ward zur Hütung des Geheimnisses, um es zu wahren vor den unglücklichen und schwachen Menschen zu dem einen Zwecke, sie glücklich zu machen." Darauf spricht Iwan den Satz aus, in welchem die Freimaurerei erwähnt wird: "Mir ahnt es dass sogar die Lehre der Freimaurer etwas in der Art eines solchen Geheimnisses zu ihrer Grundlage hat und dass gerade deshalb die Katholiken derart die Freimaurer hassen, weil sie in ihnen ihre Konkurrenten erblicken und somit eine Gefahr für die Einheit der Idee, da doch nur eine Herde sein soll und nur ein Hirte." Alescha spricht nun die Vermutung aus: "Du bist vielleicht selber Freimaurer!" (S. 349 - 350)

Iwan antwortet nicht darauf, so dass der Leser nicht weiß, ob Iwan Freimaurer war. In einem viel späteren Gespräch zwischen den Brüdern Dimitri und Alescha, einen Tag vor der Gerichtsverhandlung, bei der Dimitri die Todesstrafe oder die Verbannung nach Sibirien droht, unterhalten sie sich auch über Iwan. Dimitri sagt: "Bei Iwan gibt es keinen Gott, bei ihm gilt nur die Idee. Das ist nichts für meine Maße. Er schweigt aber. Ich glaube, er ist Freimaurer. Ich habe ihn gefragt - er schweigt." (S. 781)

Es wird im Roman nicht explizit gesagt, dass Iwan Freimaurer war, wohl aber soll der Leser das aus diesen Bemerkungen annehmen. Iwan ist im Roman der intellektuelle, aufgeklärte und verstandesorientierte Bruder, der an Gott zweifelt, da das Leid der Welt nicht gottgewollt sein kann. Insbesondere veranschaulicht er das am Leiden unschuldiger Kinder. Der Mensch sei sein eigener Gott und müsse das tun, was er für richtig halte. Dostojewski hat es für richtig befunden, diesen Typus und dessen Gedanken mit der Freimaurerei in einen Zusammenhang zu bringen und sicherlich aus diesem Grunde die Bemerkungen zu Iwans vermutlicher Mitgliedschaft in der Freimaurerei gemacht.


James Joyce: Ulysses

(Es gibt keine kanonisierte Ausgabe des Originals und somit auch keine Übersetzung einer Standardausgabe. Ich beziehe mich auf die Übersetzung von Hans Wollschläger, die im Suhrkamp-Verlag erschienen ist, wobei ich die dortige Schreibweise und Interpunktion übernehme.)

Leopold Bloom, der Protagonist des Romans, ist Freimaurer. Der Leser erfährt das explizit erst zu Ende des ersten Drittel des Romans in einem Gespräch, in dem sich Davy Byrne und Nosey Flynn über Bloom unterhalten und das so verläuft:

"Nosey Flynn strich mit Gauklerfingern ein paarmal geschwind durch die Luft. Er zwinkerte.

- Er ist in der Loge, sagte er.
- Was Sie nicht sagen! sagte Davy Byrne.
- Sogar sehr, sagte Nosey Flynn. Alter freier und anerkannter Orden. Licht, Leben und Liebe, bei Gott. Die greifen ihm unter die Arme. Hat mir ein, naja, ist egal, wer mir das erzählt hat.
- Ist das die Möglichkeit?
-Oh, das ist ein feiner Orden, sagte Nosey Flynn. Die halten zu einem, wenn`s mal dreckig geht. Ich kenne jemand, der hat versucht, bei denen reinzukommen, aber die halten dicht, da kriegt man so leicht kein Bein auf den Boden, verdammt. Bei Gott, und dass sie die Frauen grundsätzlich raushalten, das ist ganz richtig von ihnen.

Davy Byrne lächeltegähntenichte in eins:

- Iiiiiiaaaaaaach!
- Eine Frau hat`s mal versucht, sagte Nosey Flynn, hat sich in einem Uhrkasten versteckt, um rauszukriegen, was die da nun eigentlich alles machten. Aber verdammtnochmal, die Burschen haben sie geschnuppert, und sie musste auf der Stelle den Eid leisten, auf den Meister vom Stuhl. Das war eine von den Saint Legers von Doneraile." (S. 249)

Im Verlaufe des Romans wird die Freimaurerei mehrmals erwähnt. Oft ohne Bezug auf Leopold Bloom und ohne weitere Hinweise. So heißt es an einer Stelle: "Sir Frederick Falkiner geht in die Freimaurerloge. Feierlich wie Troy. Nach seinem guten Lunch in Earlsfort Terrace. Alle Busenfreunde der Justitia, brechen einer Flasche Champagner den Hals. Geschichten von Richterbank, Assisen, Annalen der Blaurock-Schule." (S. 256)

Eine andere Stelle bedürfte der besonderen Interpretation: "Dunlop, Judge, der beste Römer unter allen, A. E., Arval, der Unaussprechliche Name, in Himmelshöhn, K. H., ihr Meister, dessen Identität kein Geheimnis ist den Adepten, Brüder der großen weißen Loge, stets auf dem Ausguck, ob sie helfen können." (S. 261) Das bezieht sich nicht auf die Freimaurerei, sondern die Avralbrüder.

Als die Bürger Alf und Joe aus einer Spelunke Leopold Bloom vorbeigehen sehen fragt Alf: "Was macht der verdammte Freimaurer denn da, was schlurft der da draußen auf und ab?" (S. 415)

In dem surrealistischen Theater, das den breiten Raum von Seite 604 - 755 einnimmt, in dem zahlreiche Gestalten (nicht nur Menschen) und auch Leopold Bloom auftreten, wird die Freimaurerei vielfach genannt. Es können hier nur die Zitate herausgegriffen werden, ohne dieses Theaterstücks zu interpretieren.

Bloom unterhält sich mit Mrs. Breen, wobei es zu folgendem Dialog kommt: Mrs. Breen: "Sie waren der Löwe des Abends mit Ihrer ernstkomischen Rezitation, und die Rolle stand Ihnen gut. Sie waren immer ein Liebling der Damen. Bloom: (Kavalier von Damen, im Diner-Jackett, mit moiriert-seidenen Spiegeln, blauem Freimaurerabzeichen im Knopfloch, schwarzer Schleife und Hemdknöpfen aus Perlmutter, ein geschliffnes Champagnerglas schief geneigt in er Hand): Meine Damen und Herren, auf Irland, Heimat und Schööööönheit." (S. 617-618)

In der folgenden Szene treten der Vorarbeiter, die Bummelanten, Huren, der Kanalarbeiter, die Kaschemmenwirtin, der Gemeine Carr, der Gemeine Compton, die Ringel, Bob Doran Tower, Bloom und Wachmänner auf. Zwischen dem Ersten Wachmann und Bloom entwickelt sich folgender Dialog:

"Erster Wachmann (streng): Kommen Sie mit auf die Wache:
Bloom (erschrocken, setzt den Hut wieder auf, tritt zurück, legt dann die Hand aufs Herz, winkelt den rechten Unterarm an und macht das Zeichen der Verteidigungsgeste der Logenbruderschaft):
Nein, nein, hochverehrlicher Meister, Licht der Liebe. Eine irrtümliche Identifizierung. The Lyons Mail. Lesuques und Dubosc. Sie erinnern sich des Brudermordfalls Childs. Wir Mediziner. Tötung vermittels eines Handbeils. Ich werde zu Unrecht angeklagt. Lieber ein Schuldiger durch die Maschen als neunundneunzig zu Unrecht."

Nach einer Einlassung von einer gewissen Martha wieder Bloom: "Bloom (hinter vorgehaltener Hand): Sie ist betrunken. Diese Frau ist berauscht. (Er murmelt undeutlich das Losungswort Ephraim) Schietbroleeth. Zweiter Wachmann: (Tränen in den Augen zu Bloom): Sie sollten sich wirklich in Grund und Boden schämen." (S. 628) (Anmerkung: Der Übersetzer schreibt das Wort "Schibbolet" in der Sprachverhunzung "Schietbroleeth", da im Original das Wort schon in englischer Sprache karikiert war.)

In einem Gedicht, das die Töchter von Erin vortragen heißen die ersten Zeilen:

"Niere Blooms, bitt` für uns.
Blume de Bades, bitt` für uns.
Mentor des Menton, bitt` für uns.
Annoncenakquisiteur des Freeman, bitt` für uns.
Mildtätiger Freimaurer, bitt` für uns." (S. 665)

Im Dialog zwischen den Damen Kitty, Zoe und Bloom nimmt Bloom Körperstellungen ein, die ihn als Freimaurer ausweisen. Über Bloom wird gesagt:

"Bloom (in Svengalkis Pelzmantel, mit verschränkten Armen und napoleonischer Stirnlocke, schaut in bauchrednerischem Exorzismus mit durchdringendem Adlerblick finster zur Tür. Dann macht er, starr, den linken Fuß vorgestellt, mit zwingendem Finger eine Streichbewegung und das Zeichen des Logenmeisters, indem er mit dem rechten Arm von der linken Schulter niederfährt): Geh, geh, geh, ich beschwöre dich, wer immer du auch seist." (S. 690)

In einer Szene treten neben Bloom besondere Gestalten auf: Edward der Siebente, Fotzen-Kate, Trippper-Biddy, Pater Malach O`Flynn, Hochwürden Mr. Haines Love, Lord Tennyson, Stephen, der Gemeine Carr und viele andere. Nicht Leopold Bloom, sondern Edward der Siebente wird in der Regieanweisung so beschrieben:

"(Edward der Siebente erscheint in einem Torbogen. Er trägt einen weißen Jersey, der als Stickerei ein Bild es Heiligen Herzens zeigt, zusammen mit den Insignien von Hosenband- und Distelorden, vom Goldenen Vlies, vom Elefanten von Dänemark, von Skinners und Probyns Reitern, Lincoln`s Inn Bencher und der altehrwürdigen Artillerie-Kompanie von Massachusetts.

Er lutscht eine rote Jujube. Er ist als großer erwählter vollkommener und erhabener Logenmeister gewandet, mit Kelle, und Schürze, die Made in Germany gezeichnet sind. In der linken Hand trägt er einen Stukkateurseimer, auf dem geschrieben steht: Défense d`uriner, Willkommensgebrüll begrüßt ihn.)" (S. 740) Edward der Siebente wünscht nun den Kontrahenten für einen sauberen und ehrlichen Kampf viel Glück und endet mit den Worten "Mahak makar a back."(S. 741)

Zu Ende des Stücks führt Bloom ein Zwiegespräch mit der Nacht. Er murmelt unter anderem: "In den rauen Sanden der See ... eines Kabels Länge vom Strand ... wo die Gezeiten ebben ... und fluten und unverwandt ... " Regieanweisung: (Schweigend, gedankenvoll, wachsam, steht er seine Wache, die Finger an den Lippen in der Haltung eines Geheimen Meisters.) (S. 754)

James Joyce lässt seinen Romanhelden einen Freimaurer sein. Es soll hier nicht der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung die Zugehörigkeit von Leopold Bloom zur Freimaurerei für das Romangeschehen hat, da darüber in der Literatur unterschiedliche Ansichten bestehen, die hier nicht geklärt werden können.

Darüberhinaus ist er auch Jude. Auch das ist in der Literatur diskutiert worden. Als mögliche Deutung kann hier nur darauf verwiesen werden, dass man im katholisch geprägten Dublin im Jahre 1904 zu den Außenseitern gehörte, wenn man Freimaurer und zudem Jude war. Aus den hier zitierten Textstellen geht hervor, dass James Joyce über die Freimaurerei in Irland gut unterrichtet war und sehr bewusst Leopold Bloom einen Freimaurer sein lässt.


Thomas Mann: Der Zauberberg

Thomas Mann hat sich nach dem Ersten Weltkrieg der damals von vielen Seiten verbreiteten Meinung gegenüber der Freimaurerei angeschlossen und sich zu Äußerungen verstiegen, die durch nichts zu belegen waren. In seinem Werk "Betrachtungen eines Unpolitischen" schrieb er: "Die Geschichtsforschung wird lehren, welche Rolle das internationale Illuminatentum, die Freimaurer-Weltloge, unter Ausschluss der ahnungslosen Deutschen natürlich, bei der geistigen Vorbereitung und wirklichen Entfesselung des Weltkrieges, des Krieges der `Zivilisation´ gegen Deutschland, gespielt hat. Was mich betrifft, so hatte ich, bevor irgendwelches Material vorlag, meine genauen und unumstößlichen Überzeugungen in dieser Hinsicht." (S. 24) ".

Im Zauberberg spielen neben dem Protagonisten Hans Castorp und seinem Vetter Joachim Ziemßen (und zahlreichen anderen Personen) Lodovico Settembrini und Leo Naphta eine tragende Rolle. In der ersten Hälfte des Romans führt Castorp zahlreiche Gespräche mit Settembrini, wobei Castorp die Rolle des Schülers und Settembrini die Rolle des Mentors einnimmt. Die Bekanntschaft mit Naphta machen die beiden jungen Männer erst spät auf einem Spaziergang. (S. 394)

Es kommt zu einem langen Gespräch über Politik und Philosophie. Am Ende lädt Naphta, der mit Settembrini im gleichen Haus außerhalb des Sanatoriums wohnt, die jungen Männer ein, ihn später einmal zu besuchen und macht die ironische Bemerkung: "Wenn unser Meister vom Stuhl" (er deutete auf Settembrini) "alle pädagogische Aufgelegtheit und Berufung dem bürgerlichen Humanismus vorbehalten will, so muss man ihm widersprechen. Auf bald also!" (S. 406)

Als die jungen Männer sich von Settembrini und Naphta verabschiedet haben, kommt es zu folgendem Gespräch: "Wie hat er ihn genannt?" fragte Joachim, als sie die Wegschleife zum Berghof emporstiegen ... "Ich habe `Meister vom Stuhl´ verstanden" sagte Hans Castorp, "und denke auch darüber nach. Es ist wohl irgend so ein Witz; sie haben ja sonderbare Namen füreinander. Settembrini nannte Naphta `Princeps scholasticus, - auch nicht übel." (S. 407)

In der Folge trifft sich Castorp mehrfach mit Settembrini und Naphta zu einem "Kolloquium". Zumeist handelt es sich im Roman aber um Diskussionen, die Settembrini mit dem zum Katholizismus bekehrten galizischen Juden Naphta führt, wobei Naphta zum zweiten Mentor Catorps wird.

Ein weiterer Hinweis auf die Freimaurerzugehörigkeit Settembrinis findet sich in Naphtas Bemerkung: "Und kurz denn, Herrn Settembrini`s unerbittliche Pädagogik hätte volllständig einpacken können vor den Gesichtern des `Unruhigen Hauses, auf welcher der Schauder religiöser Ehrfurcht denn doch eine menschlichere Rückwirkung gewesen wäre als jene hochnäsige Vernunftmoralisterei, die unser höchstleuchtender Sonnenritter und Vikarius Salomonis hier dem Wahnsinn gegenzusetzen beliebte." Hans Castorp hatte keine Zeit, sich mit den Titeln zu beschäftigen, die Naphta Herrn Settembrini da wieder verlieh. Flüchtig nahm er sich vor, der Sache bei erster Gelegenheit auf den Grund zu gehen." (S. 477)

Dass Settembrini ein Freimaurer war, erfährt man direkt erst, wenn es über Castorp heißt: "Von Naphta hatte er erfahren, dass Settembrini Freimaurer sei, - was keinen geringeren Eindruck auf ihn gemacht hatte als des Italieners Eröffnung über Naphta`s jesuitische Herkunft und Vergangenheit." (S. 534)

Hier nun nimmt Thomas Mann Gelegenheit, in einem Gespräch zwischen Castorp, Settembrini und Naphta, das sich über zehn Seiten hinzieht, alles das zu sagen, was ihm über die Freimaurerei bekannt war oder über sie als Vorurteil verbreitet wurde. Gleich zu Beginn macht sich Naphta lustig über diese "kuriose Einrichtung" über "Altmodisches und Rückständiges; um bürgerliche Aufklärung und eine Freigeisterei von vorgestern, welche nichts weiter sei als armseliger Geisterspuk." (S. 334)

In dem Gespräch wird auf die Geschichte der Freimaurerei, auf die Verwicklung der Freimaurer in die italienische Freiheitsbewegung, auf die Illuminaten, die Strikte Observanz, auf Hermetik und Alchimie, auf Rituale und auf das Verschwiegenheitsgebot eingegangen.

Naphta macht Scherze über die "Drei-Punkte-Brüder", das Ritual als "unzivilen Hokuspokus" und "atheistischen Republikanismus". (S. 535) Über die schottischen Hochgrade sagt er, dass sie einem "ausgesprochen irrationalen und geheimnisvollen, magisch-alchimistischen Sinn" hätten. (S. 537)

Er schlägt vor, Settembrini demnächst scherzweise "Großfürst von Jerusalem" zu nennen, und sagt weiter: "Oh, es gibt noch eine Menge ähnlich bedeutender Titel für die Hoch- und Templergrade der Strikten Observanz. Wir haben da einen Vollkommenen Meister, einen Ritter vom Osten. Einen Großen Oberpriester und der einunddreißigste Grad heißt sogar `Erhabener Fürst des königlichen Geheimnisses´" (S. 537)

Im ganzen betrachtet Naphta die Freimaurerei als eine "bourgeoise Misere der Klubgesellgesellschaft." (S. 540) Settembrini verteidigt die Freimaurerei. Die Diskussion geht dann in das Ideengut der Freimaurerei über, zu Vorstellungen über Aufklärung, Radikalismus und Demokratie.

Im folgenden wird Settembrini stellenweise gar nicht mehr mit seinem Namen genannt, sondern mit der Bezeichnung "der Maurer" (S. 729) oder "der Freimaurer" , da der Leser nun weiß, wer damit gemeint ist. (S. 738)

Thomas Mann lässt im Zauberberg bewusst einen Freimaurer gegen einen ehemaligen Jesuiten auftreten. Zum einen kann er so all das vorbringen, was ihn an der Freimaurerei stört, zum anderen bieten diese Diskurse, die sich weit über hundert Seiten im Roman ausbreiten, Gelegenheit, philosophische, religiöse, politische und tagespolitische Fragen im diskursiven Gespräch zu erörtern. Thomas Mann hatte sich offenbar vorher über die Freimaurerei genau informiert, wobei gelegentliche Ungenauigkeiten - etwa ein einunddreißigster Grad der Strikten Observanz, den es nie gegeben hat u. ä. - ihm als dichterische Freiheit verziehen werden können.

Settembrini vertritt die Position des Aufklärers, Humanisten Demokraten und "Zivilisationsliteraten". Naphta ist ein Fundmentalist, Extremist und Anti-Aufklärer. Er plädiert für einen auf Terrorismus gestützten Gottesstaat urchristlicher Prägung im paradiesischen Zustand ohne Klassenunterschiede, Eigentum und Spekulantentum, letztlich einen faschistischer Staat. Hans Castorp ist dabei ein Zuhörer, durchschaut zu Ende aber, dass es sich bei den Diskursen um Wortgefechte handelt, die seine Fragen nicht beantworten. (Im Duell zwischen Settembrini und Naphta schießt Settembrini in die Luft, worauf Naphta sich erschießt.)



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