Rezension: Freimaurerische Persönlichkeiten

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Nüchterne biographische Skizzen von Freimaurern

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Helmut Reinalter, Hrsg.: Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa. Innsbruck: Studienverlag 2014, 178 Seiten

Reihe: Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei, Band 16

Rezensiert von Roland Müller

Der handliche Band bringt aus der Hand verschiedener Autoren kurze biographische Skizzen von 82 Freimaurern. 24 davon stammen aus der Feder des Herausgebers selber.


Keine Auswahlkriterien


Die Auswahlkriterien werden nicht genannt.
Auffällig sind die vielen russischen Namen: Elagin, Karamzin, Kutuzov, Labzin, Lopuchin, Nevzorov, Novikov und Speranskij. Von den Schweizern beschrieben werden: Johann Caspar Bluntschli und Jonas Furrer, Diethelm Lavater und Johann Heinrich Daniel Zschokke. Aus Ungarn stammen Marcell Benedek und Ferenc Pulskzy. Frankreich ist mit Montesquieu und Voltaire vertreten.

Leider stammen die meisten beschriebenen Persönlichkeiten aus der Frühzeit der Freimaurerei. Aus dem frühen 20. Jahrhundert werden nur berücksichtigt:
Marcell Benedek (Ungarn), Winston Leonard Churchill-Spencer (England), Eugène Félicien Albert Goblet d’Alviella (Belgien),Ferdinand Hanusch (Österreich), Joseph Rudyard Kipling (Indien/ England), Jan Sibelius (Finnland) und aus Deutschland: Lovis Corinth, Thomas Dehler, Alfred Herrmann Fried, Rudolf Steiner, Gustav Stresemann und Kurt Tucholsky.

Die Länge der Skizzen variiert von 10 Zeilen (Michail Michajlovič Graf von Speranskij) und 12 Zeilen (Ivan Perfilevič Elagin) bis knapp 7 Seiten (Johann Gottfried von Herder) und 8 Seiten (Johann Wolfgang von Goethe).
Die meisten sind ausserordentlich nüchtern gehalten. Manchmal stutzt man und fragt sich: Wurde der Text nun aus der Wikipedia abgeschrieben oder hat der Autor den Text nach Ablieferung an den Herausgeber selber in die Wikipedia gestellt.
So heisst es etwa über Alfred Hermann Fried im Buch:
„Nach einer Buchhändlerausbildung arbeitete er in diesem Bereich ab 1883 in Berlin“,
in der Wikipedia:
„Nach einer Ausbildung zum Buchhändler arbeitete er ab 1883 in Berlin in diesem Beruf“.

Immer noch viele ungelöste Fragen, etwa bei Johann Böber und Rudolf Steiner


Häufig wird kein Geburtsort angegeben. Manchmal machen die Angaben einen sehr oberflächlichen Eindruck. Die jeweiligen Quellen sind meisten Lexika oder andere Nachschlagewerke. Oft hätte man mehr Tiefe und Präzision erwartet. Gerade bei Persönlichkeiten, über die im Internet nicht viel oder Widersprüchliches zu finden ist, hätte man sich über Klärungen sehr gefreut.
Beispielsweise bei Johann Böber. Wo ist er geboren, welchen Ausbildungsweg hat er absolviert? War er nun „Arzt und Professor für Physik und Mathematik“ (wie es in der Illuminaten Wiki heisst)? Wann und wo und warum wurde er Freimaurer, 1776 oder „schon 1783“ (Encyclopaedie der Freimaurerei)? War er nun Hofrat oder Staatsrat – und was waren das für Funktionen? War er Direktor oder Inspektor des Kadettenkorps oder „Direktor an der Heereskadettenanstalt“? War er Mitglied der Leopoldina oder der „Petersburger Akademie der Wissenschaften“ oder beides? Hat er Zar Alexander I. in die Freimaurerei eingeführt?

Weitere Rätsel schafft der Verfasser der kurzen biographischen Skizze von Böber selbst (Prof. em. Dr. Erich Donnert, Halle). Er behauptet, Böber habe am Wilhelmsbader Konvent teilgenommen und hätte sich als Gründer der Loge „Zu den drei Streittexten“ hervorgetan. Ferner sei er 1805 Meister vom Stuhl der „neu gegründeten“ Loge „Alexander zum gekrönten Pelikan“ geworden und drei Jahre später Grossmeister der Grossen Direktorialloge „Vladimir zur Ordnung“.


Wenig befriedigt auch der zweiseitige Text zu Rudolf Steiner. Ob er eine „freimaurerische Persönlichkeit“ war, ist zu bezweifeln. Nicht jeder, der Interesse an der Freimaurerei hat oder zeigte, ist schon ein Freimaurer. „Steiner war 1905-1914 Lizenziat der irregulären Obedienz des Memphis-Misraim-Ordens“, schreibt DDDr. Roland Benedikter (University of California, Santa Barbara). Gleichzeitig arbeitete Steiner an der „Erneuerung des Kerngehaltes der okkult-rituellen Tradition des Templerordens, aber mit direktem Bezug zu den sozialen und sozio-politischen Bewusstseinsanforderung des 20. Jahrhunderts“. Und wie war das mit den Rosenkreuzern?