Rezension: Guntram B. Seidler - Die Brüder und ihre Schwestern

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Rezension: Guntram B. Seidler - Die Brüder und ihre Schwestern

Frauen und Freimaurerei - ein historischer Streifzug

Ein Großteil der Freimaurer-Logen nimmt keine Frauen auf: ein Problem - für manche ein Ärgernis. Das Buch lehrt uns: Das Thema gab es von Anfang an - schon im 18. Jahrhundert. Als dann gegen 1900 die erste Phase der modernen Emanzipationsbewegung einsetzte, wurde es drängender. Heute ist es immer noch da - zugleich aber auch abgemildert, weil es seit mehr als einem Jahrhundert neben der männlichen Freimaurerei auch Logensysteme nur für Frauen und wieder andere für beide Geschlechter gibt. Von Rudi Rabe.


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Auch wenn der Autor Sympathie für eine stärkere Integration der Frauen in die ausschließlich Männern vorbehaltenen dominierenden Großlogen erkennen lässt: Das Buch ist keine Kampfschrift für dieses Anliegen. Vielmehr schildert es neutral, wie es sich für einen Forscher gehört, die diesbezügliche Entwicklung in den 300 Jahren, seitdem es die moderne Freimaurerei gibt. Und zwar zeichnet sie Guntram B. Seidler vor allem mit Hilfe von Originaltexten nach, die er in verdienstvoller Kleinarbeit ausgewertet hat. Ein Text reiht sich an den anderen, verbunden mit Überleitungen und Interpretationen des Autors. Sein Buch ist also eine Art historisches Lesebuch, das die Entwicklung im deutschen Sprachraum spiegelt.

Auf den Punkt gebracht kann man sagen: Im 18. Jahrhundert und bis ins 19. hinein, gab es das Thema zwar auch schon, aber die meisten Gegner fackelten beim Argumentieren nicht lange herum. Da konnte dann ein Theodor Gottlieb Hippel 1768 in einem Aufsatz „Von den Pflichten eines Freimaurers gegen das schöne Geschlecht“, nachdem er dessen Vorzüge gehörig gewürdigt hatte, als er zur Frage kam, ob man den Damen auch die Türen der Tempel öffnen soll, schon kategorisch klarstellen: „… daß wir dem schönen Geschlecht, diese Türen verschließen. Wir haben unsere Gründe, und das ist genug.“

Andere wie der Pädagoge Eduard Knape meinten geschmeidiger, „die Frauen könnten deshalb nicht aufgenommen werden, da sie bereits in ’hohem Maße’ alle freimaurerischen Tugenden - verkörpert durch die drei Säulen Weisheit, Schönheit und Stärke - besäßen.“

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gingen diese apodiktischen Behauptungen zurück. Es traten immer mehr Frauen und Männer auf, die auf eine Einbeziehung der Frauen drängten - und Männer, die dagegen argumentierten. Logischerweise vermischte sich das Thema mehr und mehr mit dem übergeordneten der Frauenemanzipation.

Der Erste Weltkrieg trieb das weiter voran, weil man jetzt auch die bürgerlichen Frauen hinter den Fronten nicht mehr nur in den Familien brauchte. 1917 berichtet die Chronik der Loge ’Zu den drei Degen’ in Halle sogar von einer „Kriegsloge“, zu der auch die Schwestern eingeladen wurden, „um diese zu ehren. Denn viele von ihnen halfen im Lazarett, in der Küche und der Wäschekammer.“

Aber in den Jahren danach war das bald wieder vergessen: „Nachkriegszeit, Inflation und die spätere Weltwirtschaftskrise stellen die ’Schwesternfrage’ bald darauf in den Schatten“, fasst der Autor die weitere Entwicklung zusammen. Und: „Während sich in anderen Ländern, wie in den USA, Frankreich und sogar in England bereits seit einiger Zeit gemischte und reine Frauenlogen herausgebildet hatten, sollte sich dieser Gleichstellungsprozess in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg vollziehen. Und das auch erst nach anfänglichen Widerständen vieler konservativer Brüder.“

Seitdem geht es im Sinne von Guntram Seidler langsam aufwärts. Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland eine gewisse Zusammenarbeit der männlichen mit den weiblichen Logen, vor allem durch die gemeinsame Nutzung von Logenhäusern. „Berührungsängste“ seien im Schwinden begriffen. Und auch bei den Frauenlogen gebe es viele Schwestern die den Standpunkt vertreten, Kooperation sei gut, aber - so Marita Gründler, die damalige Großmeisterin der FGLD (’Feminine Großloge von Deutschland’) 2016 in einer Rede auf dem Großlogentag der größten männlichen Großloge AFAM (was an sich schon ungewöhnlich war): „Wir müssen nicht alles gemeinsam machen.“

Ein anderes Buch von Guntram B. Seidler.

In einem kurzen Nachwort legt Guntram Seidler seine Position dann deutlich dar: Weitere Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Ziel, „noch humanitärer als bisher die letzten die Frauen ausgrenzenden Schranken“ fallen zu lassen. Seine Hoffnung, dass die beispielgebende Großloge von England 2017 ihr 300-Jahre-Jubiläum zum Anlass nehmen könnte, „ein Signal zur völligen Integration der Frauen in die Freimaurerei“ zu geben, hat sich jedoch nicht erfüllt.

Ein vielleicht interessantes terminologisches Detail am Rande: Freimaurer nennen einander Brüder, und die Partnerinnen ihrer Brüder nennen sie Schwestern. War das von Anfang an so? Seidler: „Die Gattinnen der Freimaurer wurden zunächst als ’Mäurerin’ bzw. ’Maurerin’ und bald als ’Schwester’ gewürdigt.“ Wann die Bezeichnung ’Schwester’ aufkam und sich dann wirklich durchsetzte, das wissen wir aber nicht genau.

Über den Autor: Guntram B. Seidler, Jahrgang 1941, ist Altstuhlmeister der Loge ’Zu den fünf Türmen am Salzquell’ in Halle. Freimaurer seit 1997 beschäftigt er sich seit eineinhalb Jahrzehnten intensiv mit der Geschichte der Freimaurerei. Vor allem: die Logen in Halle; Frauen und Freimaurerei; sowie Juden in der deutschen Freimaurerei.


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