Rezension: Klaus-Jürgen Grün: Das verlorene Wort: Unterschied zwischen den Versionen

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Dies verwundert umso mehr, als Klaus-Jürgen Grün streckenweise sehr viel Kluges durchaus sachlich und begründet vortragen kann: Etwa seine Analysen zur menschlichen Psyche und der daraus resultierdnen Intoleranz.  
 
Dies verwundert umso mehr, als Klaus-Jürgen Grün streckenweise sehr viel Kluges durchaus sachlich und begründet vortragen kann: Etwa seine Analysen zur menschlichen Psyche und der daraus resultierdnen Intoleranz.  
  
Ganz Mensch, tappt er selbst dann jedoch in diese vom ihm für andere erkannte Falle: Sei es mit seinem reflexrtig auftretenen Furor gegen christliche Strömungen in der Freimaurerei, die er in einem Atemzug mit dem Salfisten nennt (Seite 142). Oder, wenn er in Anspielung auf das Plagiatsverfahren gegen Michel Friedman, in dem sein name gefallen ist, in einer Fußnote schreibt: "Diese Gedanken und Worte - wie zahlreiche andere in diesem Buch - habe ich aus meinem eigenen Buch "Menschenähnlichkeit (...)" abgeschrieben. Ich überlasse es gerne dem Scharfsinn von Plagiatsjägern, die Seitenzahlen herauszufinden." (Seite 26)
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Ganz Mensch, tappt er selbst dann jedoch in diese vom ihm für andere erkannte Falle: Sei es mit seinem reflexrtig auftretenen Furor gegen christliche Strömungen in der Freimaurerei, die er in einem Atemzug mit dem Salfisten nennt (Seite 142).  
 
 
Dieser verächtlichmachende Sarkasmus zeigt die tiefe Verletzung des Autors auf diesem völlig anderen, das vorliegende Buch nicht berührenden Gebiet. Dass er dies nicht zu trennen vermag, ist bedauerlich und schadet seinem an sich hehren Anliegen. Der sarkastische Verweis ist umso überflüssiger, als der Autor bereits in seinem Vorwort darauf hingewiesen hat, dass es Überschneidungen mit frühreren Büchern gibt (Seite 10). Hier stellt sich die Gretchenfrage: Wie halten sie es mit Kritik, Herr Grün?
 
  
 
''' Unnötige Polemik '''  
 
''' Unnötige Polemik '''  

Version vom 18. November 2014, 09:34 Uhr

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Das verlorene Wort

Humanitäre Freimaurerei und die sanfte Revolte des autonomen Menschen

Von Klaus-Jürgen Grün


Der Inhalt: Freimaurerei wird von außen oft als etwas Altmodisches, Überlebtes betrachtet. Vielfach flüchten sich Autoren in die Geschichte, um akribisch aufzuzählen, welche großartigen Köpfe früher einmal Freimaurer waren. Zu wenig haben sie sich bislang mit den philosophischen und religionsphilosophischen Grundlagen der Freimaurerei und ihrer Bedeutung für ein modernes Bewusstsein befasst. Klaus-Jürgen Grün beschreibt in diesem Buch, wie sich die Freimaurewrei zum träger einer offenen Gesellschaft wandelt und warum die Gegner einer modernen Freimaurerei den Boden der Glaubhaftigkeit eingebüßt haben. Er macht deutlich, warum es großen Mutes und beharrlicher Arbeit an sich selbst bedarf, um nicht einge Verantwortung für Taten und Versprechen an die Religionen und ihre Götter zu delegieren. Das Buch zeigt, wie in der Freimaurerei die neuzeitlichen Probleme der Bestimmung des Menschen und seine Stellung in Natur und Kosmos sich in einer Philosphie der Praxis auflösen. (Text: Salier Verlag)


Rezension von Triangle

Klaus-Jürgn Grün bschreibt in seinem Buch seine persönliche sicht auf die Freimaurerei. Diese humanitäre Freimaurerei Grün'scher Prägung erscheint dabei als die einzig Richtige und Wahre überhaupt. Ihr "Begründer", ihr Interpret steht über allem, was da in den Niederungen der Maurerei arbeitet. Seine Maurerei hat, so die Diktion, als einzige erkannt, worauf es ankommt. Grün hält den von ihm gezeichneten Weg für den einzig gangbaren. Punkt. Kritiker oder andersdenkende Brüder werden deshalb von ihm folgerichtig abqualifiziert: als Toleranz-Brüder, Dogmatiker oder frömmelnd.

Dies verwundert umso mehr, als Klaus-Jürgen Grün streckenweise sehr viel Kluges durchaus sachlich und begründet vortragen kann: Etwa seine Analysen zur menschlichen Psyche und der daraus resultierdnen Intoleranz.

Ganz Mensch, tappt er selbst dann jedoch in diese vom ihm für andere erkannte Falle: Sei es mit seinem reflexrtig auftretenen Furor gegen christliche Strömungen in der Freimaurerei, die er in einem Atemzug mit dem Salfisten nennt (Seite 142).

Unnötige Polemik

Wie unnötig diese Polemik ist, zeigen die guten Passagen des Buches: Klaus-Jürgen Grün präsentiert die Grundlagen für seine freimaurerische Idee so, dass man merkt: Hier denkt und fühlt ein suchender Mensch, hier ringt jemand mit sich und dem Sinn der Bruderschaft. Klug sind seine Aussagen zur grundsätzlichen Gefährdung der Rituale - die - in den falschen Händen - nicht dem Menschen sondern dem Machterhalt weniger dienen können. Zweifel daran, dass sein Weg dieser Gefährdung besser wiederstehen könnte als andere, lässt er nicht zu.

Doch im Verlauf des Buches kommen immer wieder Zweifel, dass Klaus-Jürgen Grün seinem eigenen Anspruch gerecht wird. Das wird besonders deutlich an seinen Reaktion auf Kritik. Wie eingangs erwähnt geht er dann auf seine Kritiker los. Unsachlich im Ton, macht er seine eigene Kritik an den Kritikern und den anderen Sichtweisen in der Freimaurerei zutiefst unglaubwürdig - ungachtet, ob man ihr würde folgen mögen oder nicht. So nennt er beispielsweise die Brüder der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland "frömmelnde Freimaurer des Jesusbundes im Freimaurerorden", die GLL ist für in eine "christliche Sekte" (Seite 148). Versteckt in der Fußnote der selben Seite merkt er dann noch fast entschuldigend an, dass diese Bezeichnung nicht von ihm eingeführt wurde. Zu spät. Besser, er hätte hier geschwiegen.

Falschheit des Aufgeklärten

Denn dieser Hinweis in der Fußnote lässt in meinen Augen den unredliche Versuch umso deutlicher hervortreten, sich einer diffamierenden Außerung (Sekte) zu bedienen, sich gleichzeitig aber hinter einem Anderen, nämlich dem Zitierten, zu verstecken, und sich so aus der Verantwortung für die Diffamierung zu stehlen. Der Leser kommt also nicht umhin, Klaus-Jürgen Grün eben jene Falschheit vorzuwerfen, die er den Glaubenden, er nennt sie die Frommen (Seite 30), vorwirft. Nur dass es bei ihm die "Falschheit des Aufgeklärten" ist.

Falschheit des Aufgeklärten, deshalb, weil er sich, im Besitz des allein seelig machenden Weges in der Maurerei sehend, gegenüber Kritik an seiner Position und seiner "Gottheit" (der modernen, der humanitären Freimaurerei) ebenso verhält wie diejenigen, die er angreift: Die Kritik an sich fühlt er als Beleidigung seiner "Gottheit", seiner Idee und anwortet darauf mit einer ebensolchen.

Ohne Not, wie ich finde. Hätte er sein Statement zur Maurerei stehen lassen, hätte er auf die billige Polemik verzichtet, hätte dies seine Glaubwürdigkeit gesteigert. Aber wie heißt es so treffend: "Wenn "Hätt' ich" kommt, ist "Hab' ich" weg."

So bleibt die Frage: Was bewirkt Grüns Maurerei beim Menschen, wenn bei schon ihm, dem "Interpreten" derselben, im Angesicht von Kritik an der von ihm propagierten Freimaurerei so oft der schon aus seinem Buch "Menschenkenntnis (...)" bekannte Furor die Oberhand gewinnt?

Am Ende steht dieses Buch als kluger, sehr persönlicher Diskussionbeitrag zur Frage der Ausgestaltung, des Sinn und Zwecks der Freimaurerei. Es ist gleichzeitig - wohl eher unfreiwillig - aber auch eine Selbstoffenbarung des Autors. Lesenwert ist es allemal.


Rezension von Rudi Rabe

Mit diesem Buch setzt Klaus-Jürgen Grün seine vehemente Kritik an der ‚christlichen Freimaurerei’ fort. Darüber hinaus schenkt er uns auch viele anregende Vorstellungen über unser Denken und Handeln im allgemeinen und die Freimaurerei im besonderen.

Zuerst zum Autor: Klaus-Jürgen Grün ist habilitierter Philosoph und Freimaurer in einer Loge der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland - AFAM (seit 1991), und als solcher Stuhlmeister der Forschungsloge Quatuor Coronati (2014). Er ist ein fundamentaler Kritiker der Idee, dass es neben der humanitären Freimaurerei (dazu gehört die AFAM) auch eine ‚christliche Freimaurerei’ geben könne: In Deutschland wird diese Richtung von der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland – Freimaurerorden repräsentiert. Klaus-Jürgen Grüns Kritik wird im Freimaurer-Wiki auf mehreren Seiten gespiegelt: vor allem in seinem Traktat: sapere aude sowie in mehreren Rezensionen über sein 2012 erschienenes Buch Menschenähnlichkeit.

Klaus-Jürgen Grün legt nach

Im Vorwort schreibt er über die Zeit nach dem letzten Buch ‚Menschenähnlichkeit’: Während ich früher wegen meiner Thesen „nur aus dem Hinterhalt und dem Dunkeln heraus verleumdet wurde, mit der Absicht, Großlogenbeamte gegen mich einzustimmen, traten nun sogar einige Herren namentlich auf. Sie wollten bewirken, dass die Veröffentlichung des Buches ‚Konsequenzen’ für mich haben müsse.“ Um dem „nicht nachzugeben, habe ich nun mit noch größerer Deutlichkeit und mit verstärkten Belegen das Thema der Unterscheidung einer humanitären Freimaurerei von der christlich-religiösen fortgesetzt.“

Klaus-Jürgen Grün setzt das auch um. Er legt nicht nur inhaltlich nach, gelegentlich verwendet er auch eine Sprache, die unsachlich wirkt. Warum? Dahinter scheinen sich Verletzungen zu verbergen, die sich durch diese Auseinandersetzung aufgebaut haben. Offenbar hat es bisher kein menschlich deeskalierendes Treffen der relevanten Kontrahenten gegeben. Wem diese Unterlassung letztlich anzulasten ist, kann und will ich nicht einschätzen.

Worin sieht der Autor den Unterschied?

Etwa darin: Es stehen sich zwei Axiome gegenüber, nämlich Offenbarungsglaube gegen reflektierte Lebenspraxis. Das sei nicht unter einen Hut zu bringen.

Entscheidend sei, dass die Freimaurerei vor dreihundert Jahren begonnen hat, sich von geoffenbarten absoluten Wahrheiten zu verabschieden. „Formen menschlichen Zusammenlebens sind nicht mehr länger das Abbild einer göttlichen Weltordnung, sondern das Ergebnis von Arbeit.“ ... „Auch weil Lehrsätze, philosophische Schulweisheiten und Widerspruch gegen die heiligen Bücher das Unheil unter Menschen stets vergrößert haben, hat sich mit der Freimaurerei eine Strategie der Vorsicht ausgebildet.“ ... „Zudem existieren die Grundelemente Gut und Böse nicht. Sie spielen in der humanitären Freimaurerei nicht die mindeste Rolle. Weder der sündhafte Menschen noch der gute Schöpfergott nehmen in der Freimaurerei Gestalt an. Die Entwicklung vom Chaos zur Ordnung bleibt in der Freimaurerei unbestimmt.“

Das zu akzeptieren sei jedoch, wenn man als Axiom die christliche Offenbarung nimmt, nicht möglich. Der Mensch ist dieser dann untergeordnet, und genau dadurch werde der entscheidende Fortschritt der (humanitären) Freimaurerei zunichte gemacht: Deren „Methode ist die Praxis, nicht das argumentierende und verschleiernde Denken. Ihre Philosophie ist es, keine Philosophie zu sein.“

„Üble Entgleisung des Ordens-Meisters“

Natürlich stellt der Autor nicht nur Behauptungen auf, er liefert auch Belege. Einer ist eine Ansprache des Ordens-Meisters des Freimaurerordens vom 24. November 2012 bei einem Stiftungsfest. Grün zitiert: „In der freimaurerischen Überzeugung humanitärer Prägung ist Bruderliebe ohne religiösen Hintergrund und dem Festhalten an der höchsten sittlichen Idee, dem Glauben an den Höchsten Baumeister aller Welten, nicht möglich ... Freimaurerei ohne christliches Fundament ist wie Wintersonne, die zwar leuchtet, aber nicht wärmt.“ Laut Klaus-Jürgen Grün hat sich der Ordensmeister damit „hinter die Tradition der Gegenaufklärung“ gestellt.

Der Autor wehrt sich auch gegen den Vorwurf, er sei es, der die Freimaurerei spalte: „Die historische Quellen belegen ausdrücklich, dass die Spaltung in zwei Lager der Freimaurerei vom Freimaurerorden selbst vorgenommen wurde. Die Sonderrolle, die der Freimaurerorden beansprucht, stützt sich nicht zuletzt auf dessen Ablehnung des Anderson’schen Konstitutionenbuches.“

Aber ein Freimaurer kann natürlich Christ sein

Um nicht missverstanden zu werden, betont Grün, dass er nichts gegen Freimaurer habe, die sich als Christen verstehen. Es gehe ihm nur um die Reihenfolge: Der Weg könne von Andersons ‚Sittengesetz’ zur Religion weisen, aber – wie die Geschichte gezeigt habe – nicht umgekehrt. „Während in Religionen Bekenntnisse gefordert werden, gilt in der Freimaurerei die Praxis. Veränderung in einer offenen Gesellschaft geschieht wesentlich durch Praxis.“ Und das ist wohl mit dem Untertitel gemeint: mit der sanften Revolte des autonomen Menschen.

Noch ein paar ganz andere Leseproben

„‚Was uns in Schwierigkeiten bringt, ist nicht das, was wir nicht wissen’, soll Mark Twain einmal trefflich gesagt haben. ‚Es ist das, was wir mit Sicherheit wissen, was jedoch in Wahrheit falsch ist.’“

„Humanitäre Freimaurerei schwächt die Tendenz zu falschen Kausalverknüpfungen, die aus Wahnvorstellungen entstehen, dadurch ab, dass sie in den szenischen Arbeiten mit einfachem Handwerkszeug die Bindung an die Realität stärken will. Sie richtet kein Diskussions-Forum über die Fragen magischer oder realer Kausalität ein. Sie vertraut darauf, dass der Mensch, der aufhört, Gespenster anzurufen, sich sicherer und bescheidener in der Realität bewegt.“

„Freimaurerei ist eine Praxis. Dies bedeutet, dass man tüchtig wird, indem man etwas tut. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. ... Wenn ich ein liebenswerter Mensch werden will, muss ich mich in Liebenswürdigkeit üben; wenn ich ein maßvoller Mensch sein möchte muss ich mich in Mäßigung bilden, ebenso wie ich auch nur ein guter Klavierspieler werden kann, wenn ich mich in Klavierspielen ganz praktisch übe.“

„Das Ergebnis der Arbeit an sich selbst teilt Freimaurerei nicht mit. Sie vermittelt einzig die Überzeugung, dass durch Arbeit an sich selbst eine Veränderung eintreten werde.“


P.S.: Zwischen einem Teil der humanitären deutschen Freimaurerei und dem Freimaurerorden scheint es gegenwärtig einen Graben zu geben, der nicht nur das von Klaus-Jürgen Grün behandelte Thema betrifft. Es gibt noch ein zweites: Die Aufarbeitung der Nazizeit, konkret des Umstandes, dass sich damals große Teile der deutschen Freimaurerei den Nazis anbiederten und sogar gleichschalteten; gemeint ist vor allem die damalige ‚altpreußische’ Mehrheitsmaurerei, deren wichtigste Nachfolgegroßloge heute die ‚Große Landesloge’ (GLL/Freimaurerorden) ist. Klaus-Jürgen Grün weist in seinem Buch darauf hin, dass es beim freimaurerischen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg Stimmen gegeben habe, „allen Kontakt zu den früheren altpreußischen Großlogen abzulehnen, bis sie von sich aus eine Aufarbeitung ihrer Taten begonnen hätten,“ so laut Grün der damalige Großmeister der Großloge Zur Sonne, Bernhard Beyer. Das sei dann ‚vergessen’ worden, und die Aufarbeitung habe nie stattgefunden, schreibt Hans-Hermann Höhmann 2014 in seinem Buch ‘Identität und Gedächtnis’: Man habe es verdrängt und eine Widerstandsmythos entwickelt, den man bis heute pflege. Er kritisiert diesbezüglich ganz besonders den Freimaurerorden. Die anderen Obödienzen hätten ihre Verdrängung abgebaut, schreibt Hans-Hermann Höhmann. Vielleicht hat Klaus-Jürgen Grün sein Buch deshalb mit folgender Widmung versehen: „Für HHH, der großen Säule der humanitären Freimaurerei.“ (RR 2014)


Das verlorene Wort - Humanitäre Freimaurerei und die sanfte Revolte des autonomen Menschen Von Klaus-Jürgen Grün,
Salier Verlag, Leipzig, ISBN 978-943539-35-6, Preis: 12 Euro


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