Rezension: Klaus Jürgen Grün - Wörter machen Götter: Unterschied zwischen den Versionen

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== Rezension von Pantelis Carelos ==
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=== Rezension von Pantelis Carelos ===
Klaus-Jürgen Grün: Wörter machenGötter. Der symbolische Bund derFreimaurer und seine Feinde(Salier Verlag, Leipzig 2018, S. 88, € 15)„Ceci n ́est pas une couverture du livre“,„Das ist kein Buchcover“, eher das Bildeines   Buchcovers  –  man  findetüblicherweise   auf  der  Vorderseite  desUmschlags neben Autor und Verlag dengesamten Buchtitel und Untertitel(n). Soauch im Fall des letzten Buchs von Klaus-Jürgen Grün: „Wörter machen Götter. Dersymbolische   Bund  der  Freimaurer  undseine Feinde“. Indes nehmen selten Titel,Untertitel  und  illustrierendes  Bild  dasProgramm eines Buches so vorweg bzw.bringen es so genau auf den Punkt wie imvorliegenden Buch, dass man ge-neigt ist,dem Autor oder dem Verlag ob der Wahl des Titels zu gratulieren.Das  Bild  auf  dem  Titelblatt  stammt  vom  surrealistischen  Maler  RenéMagritte und trägt den Titel „Ceci n ́est pas une pomme“ (dies ist keinApfel).  Dies  soll  die  Tatsache  veranschaulichen,  dass  selbst  dierealistischste Abbildung eines Objekts nicht mit dem Objekt selbst zuidentifizieren ist – oder soll das eine unbewusste Warnung sein: es stehtzwar „Freimaurerei“ drauf, muß aber nicht drin sein?Hierbei handelt sich um das Bild, das Symbol, die Darstellung eines Apfels,den man natürlich nicht essen kann. Der französische Philosoph MichelFoucault wies in seiner Interpretation des Bildes - abgesehen von dererwähnten   trivialen  Deutung  –  darauf  hin,  dass  Magritte  mit  demscheinbaren Paradoxon seines Bildes den Beobachter zum Nachdenkenüber die Realität eines Gegenstandes, eines Symbols zwingt. Und genaudiese Reflexion macht einen ersten wichtigen theoretischen Punkt im Buchvon Grün aus.Bevor wir uns dem Titel des Buchs: „Wörter machen Götter“, der inhaltlichBezug auf den ersten Punkt nimmt (d.h., was ist Existenz), zuwenden,müssen  wir  einen  kurzen  Ausflug  in  die  Philosophie  des  Mittelaltersmachen. Dabei geht um ein Problem, das bis heute an Aktualität nichtverloren   hat,  den  sogenannten  Universalienstreit.  Unter  Universalienversteht man Allgemeinbegriffe wie Mensch oder Tisch, welche sich aufMerkmale beziehen, die mehrere Gegenstände gemeinsam haben, z.B.ihre  schwarze  Farbe.  Das  Allgemeine  ist  das,  was  vielen  Einzelnen
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„Ceci n ́est pas une couverture du livre“,  
gemeinsam ist (z.B. ihre „Schwärze“). Bei dem Universalienstreit geht esum   die  Frage,  ob  die  Allgemeinbegriffe,  die  »Universalien«,  wirklichexistieren (Realismus) oder ob sie rein menschliche, verstandesmäßigeBegriffsbildungen sind (Nominalismus). Das war im Mittelalter (und nichtnur) wichtig, denn gelte nach dem Nominalismus "universalia sunt nominaergo post rem" (Allgemeinbegriffe sind Namen und stehen damit nachdem Ding), dann sind die Allgemeinbegriffe keine präexistenten Dinge,sondern  es  handelt  sich  lediglich  um  konventionelle  Zeichen,  die  fürEinzeldinge stehen. Hätten dagegen die Realisten Recht, d.h. „universaliasunt   realia  ergo  ante  rem“  (Allgemeinbegriffe  sind  Wirklichkeiten  undstehen damit vor dem Ding), dann hat man es bei den Universalien mitpräexistenten Ideen zu tun. Gott, bei dem schließlich die Universalienihren Ausgang und Sitz haben, nutzt diese bei der Schöpfung der Welt. DiePhilosophen   des  Mittelalters  verglichen  diesen  „Prozess“  mit  einemSiegelring   (=  präexistente  Idee),  der  verschiedenen  Wachsstücken  (=Einzeldingen) eingeprägt wird und somit die Gestalt der Gravur annehmen(= gemeinsame Eigenschaft).Die logischen Konsequenzen solcher Annahmen demonstriert der Verfasserim   Kapitel  „Gedachte  Existenzen“  (S.  65ff.),  in  dem  der  ontologischeGottesbeweis des Anselm von Canterbury kurz dargestellt wird. GrünsFazit: „Existenz ist keine Eigenschaft von Dingen, die man addieren undsubtrahieren könne“ und weiter unten „Vom Denken führt kein Weg zumSein“ ... „Ich kann mir alles Mögliche denken, aber ob es auch existiert, isteine ganz andere Frage“. Und so verhält es sich auch mit Gott: Wörtermachen eben Götter. Oder wie er selbst schreibt: „In der Freimaurereiexistiert   keine  Auffassung,  die  dem  Symbol  eine  andere  Wirklichkeitzuschreibt als die bloß symbolische. Symbole sind und bleiben Symbole, sowie  das  Brot  Brot  bleibt  und  der  Wein  Wein.  Mit  der  Ablehnung  derNeigung   des  Symbols  zur  Seite  eines  als  existierend  angenommenenUnsichtbaren   und  all  den  dazugehörigen  Ungehörigkeiten,  bleibtFreimaurerei von Religion unterschieden“ (S. 76).Die Symbole, die die Freimaurer benutzen, stellen Ideen dar, sind aberkeine Fetische, denn weder wohnen in den freimaurerischen Symbolenübernatürliche Mächte noch werden sie als heilige Objekte verehrt. DerVerfasser   wendet  die  Argumente  des  Universalienstreits  auf  dieFreimaurerei   an  und  versteht  diese  eindeutig  nominalistisch.  DieUntersuchung wird mit vielen Beispielen erläutert, sodass man das Buchmit   großem  Gewinn  lesen  kann.  Somit  widerlegt  Grün  Spiritualität,Esoterik, Mystik und Okkultismus, die nicht wenige in der Freimaurereiwähnen.So  weit,  so  gut.  Ärgerlich  wird  es  dann,  wenn  Klaus-Jürgen  Grün  zurUntersuchung   des  Teils  seines  Programms  (Hauptteils?)  schreitet,  der
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durch  den  Untertitel  angedeutet  wird:  „Der  symbolische  Bund  derFreimaurer und seine Feinde“. Die Freimaurerei hatte von Anbeginn vieleFeinde, sie selbst beschritt einige Holzwege und beging auch schwereFehler. Davon hören wir gar nichts, stattdessen wird der Feind im Innerendes Bundes verortet und zwar in der Gestalt des Freimaurerordens (FOoder GLLFvD bzw. GLL). Bei der Lektüre kann man sich manchmal desEindrucks nicht erwehren, dass eine ganze philosophische Untersuchungverfasst worden ist, nicht etwa um das Wesen der Freimaurerei erkenntnis-theoretisch schärfer zu fassen, sondern lediglich um zu zeigen, dass derFreimaurerorden   eine  mystisch-protestantische  Sekte  sei,  die  absolutnichts mit der Freimaurerei zu tun hat. Selbst wenn man das Buch und dieArgumente von Grün im Sinne des Universalienstreits verstünde und dabeieindeutig Partei für den Nominalismus ergriffe, resultierte daraus wederdie Nichtexistenz Gottes noch, dass die GLL keine Freimaurer sind, sonderneine christliche Sekte. Da Grün die GLL für eine christliche Sekte hält, rät er sogar zur Auflösungder Vereinigten Großlogen von Deutschland, um sich des Freimaurerordenszu entledigen: „Es kann den Vereinigten Großlogen von Deutschland nurgeraten werden, sich so schnell wie möglich aufzulösen“ (S. 396). Dennsolange die VGLvD existieren, werden alle Freimaurer gezwungen, tolerantgegenüber den „unbekannten Machenschaften des Freimaurerordens“ zusein. Grün – und nicht nur er - ist der Überzeugung, dass Humanismus, Weisheitund Moral in der Freimaurerei ohne Religion erreichbar sind. Andererseitsist es bekannt, dass die GLL christliche Grundsätze zugrunde legt und sieselbst macht keinen Hehl daraus. Hieraus aber zu implizieren, die GLL seieine   Religionsgemeinschaft,  deren  Struktur  sogar  verfassungsrechtlichbedenklich   sei,  ist  nicht  Ordnung.  Die  korrigierende  Feststellung  desGutachters,    Klaus    Finkelnburg    (ehem.    Präsidenten    desVerfassungsgerichtshofes   des  Landes  Berlin):  „Im  Falle  der  GroßenLandesloge weiß jeder ‚Suchende‘, der Aufnahme begehrt ..., dass er einerVereinigung mit einer über 200 Jahre gewachsenen Struktur beitritt, überdie er sich bei seinem Eintritt informieren kann...“ (zitiert nach Grün, S.386), wird von Grün als wohlwollend disqualifiziert. Es drängen sich beimLesen   folgende  Fragen  auf:  Hat  der  Verfasser  etwa  erst  jetzt  diePhysiognomie der GLL erkannt und fordert ihren Ausschluss? – warumgerade jetzt?Die  Geschichte  der  deutschen  Freimaurerei  zeigt,  es  wurden  mehrereVersuche unternommen, die verschiedenen Großlogen zu einer einzigen zuverschmelzen, welche allesamt gescheitert sind. Bernhard Beyer schriebkurz nach 1945: „Aber alle diese Versuche waren vergeblich, ja mußtenvergeblich   sein,  da  die  innerlichen  Gegensätze  zwischen  den  beidenHauptrichtungen in der deutschen Freimaurerei, die wiederum auf derVerschiedenheit   des  Volkscharakters  (sic)  von  Altpreußentum  und  der
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„Das ist kein Buchcover“, eher das Bild eines   Buchcovers  –  man  findet üblicherweise   auf  der  Vorderseite  des Umschlags neben Autor und Verlag den gesamten Buchtitel und Untertitel(n). So auch im Fall des letzten Buchs von Klaus-Jürgen Grün: „Wörter machen Götter. Der symbolische   Bund  der  Freimaurer  und seine Feinde“. Indes nehmen selten Titel, Untertitel  und  illustrierendes  Bild  das Programm eines Buches so vorweg bzw. bringen es so genau auf den Punkt wie im vorliegenden Buch, dass man geneigt ist,dem Autor oder dem Verlag ob der Wahl des Titels zu gratulieren. Das  Bild  auf  dem  Titelblatt  stammt  vom  surrealistischen  Maler  René Magritte und trägt den Titel „Ceci n ́est pas une pomme“ (dies ist kein Apfel).  Dies  soll  die  Tatsache  veranschaulichen,  dass  selbst  die realistischste Abbildung eines Objekts nicht mit dem Objekt selbst zu identifizieren ist – oder soll das eine unbewusste Warnung sein: es steht zwar „Freimaurerei“ drauf, muss aber nicht drin sein? Hierbei handelt sich um das Bild, das Symbol, die Darstellung eines Apfels,den man natürlich nicht essen kann. Der französische Philosoph Michel Foucault wies in seiner Interpretation des Bildes - abgesehen von der erwähnten   trivialen  Deutung  –  darauf  hin,  dass  Magritte  mit  dem scheinbaren Paradoxon seines Bildes den Beobachter zum Nachdenken über die Realität eines Gegenstandes, eines Symbols zwingt. Und genau diese Reflexion macht einen ersten wichtigen theoretischen Punkt im Buch von Grün aus.
anderen  deutschen  Bevölkerung  beruhte,  zu  groß  waren.  Man  mußteschließlich,  weil  sich  eben  Wasser  und  Feuer,  oder  konservative  mitfortschrittlich-demokratischer  Geisteshaltung  nicht  unter  einen  Hutbringen lassen, schweren Herzens resignieren“.Diese Zeilen wurden kurz nach dem Kriege verfasst, sie strahlen nochspürbar die Verbitterung und den Schmerz der Kriegserlebnisse aus undsind in diesem Sinne allzu verständlich. Nach dem Zweiten Weltkrieg gabes   in  der  deutschen  Freimaurerei  zweifellos  große  strukturelleVeränderungen. Es  würde  den  Rahmen  dieses  Textes  sprengen,  wollten  wir  auf  dieentstandenen   und  wieder  aufgelösten  Strukturen  und  Organisationeneingehen. Wir konstatieren nur, dass es nach langwierigen Versuchen undmit Hilfe (Druck) der Großloge von England schließlich im Jahre 1958 zurGründung der Vereinigten Großlogen von Deutschland (VGLvD) kam. Nachdem im Jahre 1959 verfassten „Brüderlichen Abkommen“ traten zunächst25 Johannislogen der GNML 3WK den VGLvD bei, wobei die 3WK nicht alsGroßloge,  sondern  als  Provinzialloge  einbezogen  wurde.  Erst  im  Jahre1970, nach einer Änderung der Magna Charta, traten die GNML 3WK sowie die  Großlogen  der  britischen  und  der  amerikanisch-kanadischen Freimaurer als eigenständige Großlogen bei. Heute wissen wir, dass ein Nebeneinander der christlich und der religiösun gebundenen  Logen  möglich  und  geboten  ist.  Unter  dem  Dach  derVGLvD  können  die  beteiligten  Großlogen  in  gegenseitigem  Respekt,Toleranz  und  auf  gleicher  Augenhöhe  ihren  Diskurs  brüderlich  führen.Wenn es um die Veredlung und Vervollkommnung des Menschen geht, gibt es eben mehrere Wege, die nach Rom führen...Obige  Ausführungen  stellen  keine  Rezension  im  üblichen  Sinne  dar,sondern einige Gedanken als Handreichung zum Lesen des Buchs, das ichhiermit   empfehle,  damit  sich  möglichst  viele  interessierte  Brüder  ihr eeigene Meinung bilden können. Einziger Wermutstropfen: Grün verfasste eine  interessante  philosophische  Abhandlung  mit  weitläufiger Beweisführung vorwiegend als Kampfschrift gegen die GLL.(P. Carelos / Redaktion)
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Bevor wir uns dem Titel des Buchs: „Wörter machen Götter“, der inhaltlich Bezug auf den ersten Punkt nimmt (d.h., was ist Existenz), zuwenden, müssen  wir  einen  kurzen  Ausflug  in  die  Philosophie  des  Mittelalters machen. Dabei geht um ein Problem, das bis heute an Aktualität nicht verloren   hat,  den  sogenannten  Universalienstreit.  Unter  Universalien versteht man Allgemeinbegriffe wie Mensch oder Tisch, welche sich auf Merkmale beziehen, die mehrere Gegenstände gemeinsam haben, z.B. ihre  schwarze  Farbe.  Das  Allgemeine  ist  das,  was  vielen  Einzelnen
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gemeinsam ist (z.B. ihre „Schwärze“). Bei dem Universalienstreit geht es um   die  Frage,  ob  die  Allgemeinbegriffe,  die  »Universalien«,  wirklich existieren (Realismus) oder ob sie rein menschliche, verstandesmäßige Begriffsbildungen sind (Nominalismus). Das war im Mittelalter (und nicht nur) wichtig, denn gelte nach dem Nominalismus "universalia sunt nominaergo post rem" (Allgemeinbegriffe sind Namen und stehen damit nachdem Ding), dann sind die Allgemeinbegriffe keine präexistenten Dinge,sondern  es  handelt  sich  lediglich  um  konventionelle  Zeichen,  die  für Einzeldinge stehen.  
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Hätten dagegen die Realisten Recht, d.h. „universalias unt   realia  ergo  ante  rem“  (Allgemeinbegriffe  sind  Wirklichkeiten  und stehen damit vor dem Ding), dann hat man es bei den Universalien mit präexistenten Ideen zu tun. Gott, bei dem schließlich die Universalien ihren Ausgang und Sitz haben, nutzt diese bei der Schöpfung der Welt. Die Philosophen   des  Mittelalters  verglichen  diesen  „Prozess“  mit  einem Siegelring   (=  präexistente  Idee),  der  verschiedenen  Wachsstücken  (=Einzeldingen) eingeprägt wird und somit die Gestalt der Gravur annehmen(= gemeinsame Eigenschaft).Die logischen Konsequenzen solcher Annahmen demonstriert der Verfasser im   Kapitel  „Gedachte  Existenzen“  (S.  65ff.),  in  dem  der  ontologische Gottesbeweis des Anselm von Canterbury kurz dargestellt wird. Grüns Fazit: „Existenz ist keine Eigenschaft von Dingen, die man addieren und subtrahieren könne“ und weiter unten „Vom Denken führt kein Weg zum Sein“ ... „Ich kann mir alles Mögliche denken, aber ob es auch existiert, ist eine ganz andere Frage“.  
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Und so verhält es sich auch mit Gott: Wörter machen eben Götter. Oder wie er selbst schreibt: „In der Freimaurerei existiert   keine  Auffassung,  die  dem  Symbol  eine  andere  Wirklichkeit zuschreibt als die bloß symbolische. Symbole sind und bleiben Symbole, sowie  das  Brot  Brot  bleibt  und  der  Wein  Wein.  Mit  der  Ablehnung  der Neigung   des  Symbols  zur  Seite  eines  als  existierend  angenommenen Unsichtbaren   und  all  den  dazugehörigen  Ungehörigkeiten,  bleibt Freimaurerei von Religion unterschieden“ (S. 76).
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Die Symbole, die die Freimaurer benutzen, stellen Ideen dar, sind aber keine Fetische, denn weder wohnen in den freimaurerischen Symbolen übernatürliche Mächte noch werden sie als heilige Objekte verehrt. Der Verfasser   wendet  die  Argumente  des  Universalienstreits  auf  die Freimaurerei   an  und  versteht  diese  eindeutig  nominalistisch.  Die Untersuchung wird mit vielen Beispielen erläutert, sodass man das Buch mit   großem  Gewinn  lesen  kann.  Somit  widerlegt  Grün  Spiritualität,Esoterik, Mystik und Okkultismus, die nicht wenige in der Freimaurerei wähnen. So  weit,  so  gut.  Ärgerlich  wird  es  dann,  wenn  Klaus-Jürgen  Grün  zur Untersuchung   des  Teils  seines  Programms  (Hauptteils?)  schreitet,  der
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durch  den  Untertitel  angedeutet  wird:  „Der  symbolische  Bund  der Freimaurer und seine Feinde“.  
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Die Freimaurerei hatte von Anbeginn viele Feinde, sie selbst beschritt einige Holzwege und beging auch schwere Fehler. Davon hören wir gar nichts, stattdessen wird der Feind im Inneren des Bundes verortet und zwar in der Gestalt des Freimaurerordens (FOoder GLLFvD bzw. GLL). Bei der Lektüre kann man sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass eine ganze philosophische Untersuchung verfasst worden ist, nicht etwa um das Wesen der Freimaurerei erkenntnis-theoretisch schärfer zu fassen, sondern lediglich um zu zeigen, dass der Freimaurerorden   eine  mystisch-protestantische  Sekte  sei,  die  absolut nichts mit der Freimaurerei zu tun hat.  
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Selbst wenn man das Buch und die Argumente von Grün im Sinne des Universalienstreits verstünde und dabei eindeutig Partei für den Nominalismus ergriffe, resultierte daraus weder die Nichtexistenz Gottes noch, dass die GLL keine Freimaurer sind, sondern eine christliche Sekte. Da Grün die GLL für eine christliche Sekte hält, rät er sogar zur Auflösung der Vereinigten Großlogen von Deutschland, um sich des Freimaurerordens zu entledigen: „Es kann den Vereinigten Großlogen von Deutschland nur geraten werden, sich so schnell wie möglich aufzulösen“ (S. 396).
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Denn solange die VGLvD existieren, werden alle Freimaurer gezwungen, tolerant gegenüber den „unbekannten Machenschaften des Freimaurerordens“ zu sein. Grün – und nicht nur er - ist der Überzeugung, dass Humanismus, Weisheitund Moral in der Freimaurerei ohne Religion erreichbar sind. Andererseits ist es bekannt, dass die GLL christliche Grundsätze zugrunde legt und sie selbst macht keinen Hehl daraus. Hieraus aber zu implizieren, die GLL sei eine   Religionsgemeinschaft,  deren  Struktur  sogar  verfassungsrechtlich bedenklich   sei,  ist  nicht  Ordnung.  Die  korrigierende  Feststellung  des Gutachters,    Klaus    Finkelnburg    (ehem.    Präsidenten    des Verfassungsgerichtshofes   des  Landes  Berlin):  „Im  Falle  der  Großen Landesloge weiß jeder ‚Suchende‘, der Aufnahme begehrt ..., dass er einer Vereinigung mit einer über 200 Jahre gewachsenen Struktur beitritt, über die er sich bei seinem Eintritt informieren kann...“ (zitiert nach Grün, S.386), wird von Grün als wohlwollend disqualifiziert.  
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Es drängen sich beim Lesen   folgende  Fragen  auf:  Hat  der  Verfasser  etwa  erst  jetzt  die Physiognomie der GLL erkannt und fordert ihren Ausschluss? – warum gerade jetzt? Die  Geschichte  der  deutschen  Freimaurerei  zeigt,  es  wurden  mehrere Versuche unternommen, die verschiedenen Großlogen zu einer einzigen zu verschmelzen, welche allesamt gescheitert sind.  
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Bernhard Beyer schrieb kurz nach 1945: „Aber alle diese Versuche waren vergeblich, ja mußten vergeblich   sein,  da  die  innerlichen  Gegensätze  zwischen  den  beiden Hauptrichtungen in der deutschen Freimaurerei, die wiederum auf der Verschiedenheit   des  Volkscharakters  (sic)  von  Altpreußentum  und  der
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anderen  deutschen  Bevölkerung  beruhte,  zu  groß  waren.  Man  mußte schließlich,  weil  sich  eben  Wasser  und  Feuer,  oder  konservative  mit fortschrittlich-demokratischer  Geisteshaltung  nicht  unter  einen  Hut bringen lassen, schweren Herzens resignieren“.
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Diese Zeilen wurden kurz nach dem Kriege verfasst, sie strahlen noch spürbar die Verbitterung und den Schmerz der Kriegserlebnisse aus und sind in diesem Sinne allzu verständlich. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es   in  der  deutschen  Freimaurerei  zweifellos  große  strukturelle Veränderungen. Es  würde  den  Rahmen  dieses  Textes  sprengen,  wollten  wir  auf  die entstandenen   und  wieder  aufgelösten  Strukturen  und  Organisationen eingehen. Wir konstatieren nur, dass es nach langwierigen Versuchen und mit Hilfe (Druck) der Großloge von England schließlich im Jahre 1958 zur Gründung der Vereinigten Großlogen von Deutschland (VGLvD) kam. Nachdem im Jahre 1959 verfassten „Brüderlichen Abkommen“ traten zunächst 25 Johannislogen der GNML 3WK den VGLvD bei, wobei die 3WK nicht als Großloge,  sondern  als  Provinzialloge  einbezogen  wurde.  Erst  im  Jahre 1970, nach einer Änderung der Magna Charta, traten die GNML 3WK sowie die  Großlogen  der  britischen  und  der  amerikanisch-kanadischen Freimaurer als eigenständige Großlogen bei. Heute wissen wir, dass ein Nebeneinander der christlich und der religiös un gebundenen  Logen  möglich  und  geboten  ist.  Unter  dem  Dach  derVGLvD  können  die  beteiligten  Großlogen  in  gegenseitigem  Respekt,Toleranz  und  auf  gleicher  Augenhöhe  ihren  Diskurs  brüderlich  führen.
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Wenn es um die Veredlung und Vervollkommnung des Menschen geht, gibt es eben mehrere Wege, die nach Rom führen...Obige  Ausführungen  stellen  keine  Rezension  im  üblichen  Sinne  dar, sondern einige Gedanken als Handreichung zum Lesen des Buchs, das ich hiermit   empfehle,  damit  sich  möglichst  viele  interessierte  Brüder  ihr eigene Meinung bilden können. Einziger Wermutstropfen: Grün verfasste eine  interessante  philosophische  Abhandlung  mit  weitläufiger Beweisführung vorwiegend als Kampfschrift gegen die GLL.
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(P. Carelos / Redaktion)
  
 
== Siehe auch ==
 
== Siehe auch ==

Version vom 7. Oktober 2019, 10:18 Uhr

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Rezension: Klaus-Jürgen Grün - Wörter machen Götter
Der symbolische Bund der Freimaurer und seine Feinde

Rezension von Rudi Rabe

Ich verstehe dieses Buch so, dass Klaus-Jürgen Grün die Argumente des philosophisch immer noch nachglimmenden mittelalterlichen Universalienstreits auf die Freimaurerei anwendet und diese dabei eindeutig im Lager der Nominalisten verortet. Was dazu führt, dass nach Ansicht von Grün freimaurerische Richtungen wie die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland keine Freimaurer sind, sondern eine „christliche Sekte“.

Der Buchcover mit einem Bild von René Margritte veranschaulicht die These: „Ceci n’est pas une pomme“ (das ist kein Apfel) - klar: das ist nur das Bild eines Apfels, letztlich ein Symbol. Man kann es nicht essen.
Klaus-Jürgen Grün: „Margrittes Kunst ist der malerische Ausdruck dessen, was uns Freimaurerei seit 300 Jahren präsentiert."

Das Buch ist Anfang 2018 erschienen. Es hat 412 Seiten.

Im Universalienstreit ging und geht es um die Frage, ob Allgemeinbegriffe wie etwa Menschheit oder Gerechtigkeit oder Gott ein eigenständiges, objektiv fassbares Etwas sind, also Universalien, oder nur Wortetiketten für Denkfiguren, also Nominalien, hinter denen keine verortbare Realität steht. Man könnte auch sagen, diese Nominalien sind reine Kommunikation. Während Religionen oder andere Machtsysteme zwischen „nominalistischer Kommunikation“ und der Wirklichkeit, auf die sich die Kommunikation bezieht, ganz bewusst nicht unterscheiden, sind das für die Nominalisten zwei völlig verschiedene Welten. Und die Freimaurerei - so Klaus-Jürgen Grün - ist nominalistisch.

Klaus-Jürgen Grün zieht diesen Konflikt mit vielen Beispielen durch das ganze Buch, und es wird bald klar, dass seine These nicht nur den Sinn hat, das Wesen der Freimaurerei schärfer zu fassen, sondern auch masonische Richtungen auszugrenzen, die in seinen Augen quasi häretisch sind, wie eben die 'Große Landesloge von Deutschland', die oft auch Freimaurerorden genannt wird.

Einige Zitate aus dem 400-Seiten-Buch:

„Vom Denken führt kein Weg zum Sein! Sei dies auch noch so wünschenswert. Existenz hat nichts zu tun mit Denken. Ich kann mir alles mögliche denken, aber ob es auch existiert, ist eine ganz andere Frage. Sie wird von der Logik niemals beantwortet. Gegen diese Erkenntnis setzt sich allerdings unkritisches und ungeschultes Denken stets hinweg.“ (Seite 67)

„Freimaurerische Symbolik unterscheidet sich von Religion und deren ‘Heiligem Ernst’ auch durch den Abbau der Zwanghaftigkeit, hinter jedem Symbol ein existierendes Übernatürliches sehen zu müssen. Dieser Abbau wiederum kann nicht das Interesse des religiösen Denkens sein.“ (75)

„In der Freimaurerei existiert keine Auffassung, die dem Symbol eine andere Wirklichkeit zuschreibt als die bloß symbolische. Symbole sind und bleiben Symbole, so wie das Brot Brot bleibt und der Wein Wein. Mit der Ablehnung der Neigung des Symbols zur Seite eines als existierend angenommenen Unsichtbaren und all den dazugehörigen Ungehörigkeiten, bleibt Freimaurerei von Religion unterschieden.“(76)

„Freimaurerei provoziert aufgrund seiner umfassenden Verwandlung liturgischer Elemente in rein symbolische Kategorien jedes streng religiöse Bewusstsein. Sie beruht auf der Einsicht, dass vielleicht alle religiösen Handlungen, Zeichen und Gegenstände rein symbolisch und metaphorisch zu verstehen sind, und in keinem von ihnen eine reale Gegenwart oder eine reale Verbindung zum Göttlichen aufgebaut wird. Es könnte nämlich sein, dass jeder Dialog mit Gott nur ein Selbstgespräch des Menschen bedeutet.“ (40)

„Eine paradoxe Konstruktion, die genau diese Ansprüche wieder auflösen will, bildet allerdings der so genannte Freimaurerorden der Großen Landesloge von Deutschland. Er ist keine Freimaurerei und wendet sich von Anfang an gegen die Anerkennung der Grundprinzipien der Freimaurerei.“ (359)

„Gegen die Zumutung von Seiten der Vereinigten Großlogen von Deutschland, unter seiner Satzung Freimaurer zur Anerkennung des Freimaurerordens zu zwingen, sollten sich Freimaurer möglichst bald zur Wehr setzen.“ (387)

Klaus-Jürgen Grüns Buch ist letztlich eine hochintellektuell verfasste Kampfschrift gegen den Freimaurerorden. Er hält diese Richtung für Pseudofreimaurerei. Und methodisch wirft er ihr vor, mit falschen Karten zu spielen, weil das in den ersten drei Graden des hochgradigen Freimaurerordens noch nicht zu durchschauen sei. Erst ganz oben, wenn's mehr oder weniger zu spät ist, werde dann klar, dass der Freimaurerorden keine Freimaurerei sei, die nach den Grundsätzen der Aufklärung ticke, sondern eine „christliche Sekte.“

Das Buch wird sehr stark polarisieren. Und es ist ja nicht das erste Buch Klaus-Jürgen Grüns, das sich diesem Thema mit Leidenschaft widmet. Aber ich denke, zum Glück leben wir in einer Weltgegend, wo Bücher wie diese gedruckt werden können. Es wäre schön, wenn es bald eine Antithese geben würde.


Rezension von Arnold Grunwald

Im Klappentext heißt es, dass mit dieser Studie zum ersten Mal der Versuch unternommen würde, "den Symbolcharakter der Freimaurerei anhand einiger wesentlicher Symbole nach dem Vorbild der konzeptuellen Metapher ausdrücklich zu machen." Der Autor möchte die Kategorien der Philosophie und der Freimaurerei übereinander blenden. (S. 9)

Der Titel "Wörter machen Götter" ist eine Metapher, die eine Deutung evoziert, wobei jedes der drei Wörter der Interpretation bedarf. Der Autor gibt eine inhaltliche Erklärung seiner Sichtweise mit folgender Satzkette: "Wörter machen Substanzen, Wörter machen Leute, Wörter machen Götter." (S. 15) Der Untertitel besagt etwas über den Inhalt des Buches. Es geht um die Freimaurerei als einen "Symbolischen Bund" und um dessen "Feinde". Er bekennt sich zum radikalen Konstruktivismus wie er etwa von Paul Watzlawick propagiert worden ist und zum Nominalismus: "Progressives Denken behandelt die Worte nominalistisch. Es sind nur Worte und man kann sie auch auf andere Ähnlichkeiten anwenden." (S. 27)

Das Buch ist für Freimaurer in Deutschland geschrieben, da nur die es verstehen können, denn gleich in den ersten Kapiteln tauchen Begriffe wie "Freimaurer-Orden" oder "Andreas Logen" auf, die dem Nichtfreimaurer nichts sagen. Eine Erklärung dazu erfolgt erst am Ende des Buches unter dem Titel "Konstruktion eines Ordens" auf Seite 359. Doch selbst viele Freimaurer werden Verständnisprobleme haben, wenn etwa von einer "Osteragape des Schottischen Ritus für die Freimaurer-Brüder im 18. Grad" gesprochen wird. (S. 76) Nicht viele Freimaurer wissen, was damit gemeint ist.

Bekanntlich gibt es weltweit eine kaum übersehbare Zahl unterschiedlicher Arten von Freimaurerei mit eigenen Symbolen. Der Autor beschränkt sich bei seinen Ausführungen auf zwei Formen der in Deutschland verbreiteten Freimaurerei, nämlich auf die humanitäre Großloge der "Alten und Angenommenen Freimaurer von Deutschland" und die Großloge "Große Landesloge von Deutschland".

Der Autor beabsichtigt nicht nur eine Erörterung der Symbole der Freimaurerei, sondern verfolgt ein besonderes Ziel. Er spricht dieses Ziel offen aus: "Die Absicht dieses Buches ist es, die symbolischen, metaphorischen und die der Kunst angenäherten Aspekte der Freimaurerei ins helle Licht zu rücken. Dabei sollen die Aspekte einer religiösen, ausschließlich christlichen, esoterischen und sektenhaften Freimaurerei verdunkelt werden." (S. 31/32)

Mit der "sektenfaften Freimaurerei" meint er die christlich orientierte "Große Landesloge von Deutschland". Die Bezeichnung "Sekte" für diese Form der Freimaurerei läuft wie ein roter Faden durch das gesamte Buch. Das sind für den Autor die Feinde derjenigen Freimaurerei, die sich als einen "Symbolischen Bund" verstehen. Die Bloßstellung der christlich orientierten Freimaurerei ist sogar der Anlass für seine Arbeit, die er ausdrücklich so benennt: "Diese Art von Umgang mit ahnungslosen Menschen, die ausgewählt werden vor dem Hintergrund, offensichtlich verwirrende Aussagen und Widersprüche nicht als solche erkennen zu können, ist der Anlass, dieses Buch zu schreiben." (S. 33) So wird aus dem Buch eine Streitschrift, die der Untertitel schon erahnen ließ.

Der Autor geht auf grundsätzliche Fragen zur Symbolik, zur Metaphorik, zur Semantik, zur Subjekt-Objekt-Beziehung, zum Determinismus, zu Denkprozessen, zu Widersprüchlichkeiten und andere Probleme ein. Er wendet sich gegen ein "Pseudo-Denken", gegen Fehlinterpretationen von Deismus und Atheismus, gegen jegliche Dogmatik, gegen Illusionen, die er als den "normalen Wahnsinn" bezeichnet. Das "falsche Denken" ist für ihn eine Form der Schizophrenie.

Er zeigt auf, dass neben Symbolen auch Metaphern von besonderer Bedeutung sind. Auch Wörter wie "Gott", "Seele" und "Geist" sind Metaphern. Insbesondere ist der freimaurerische Begriff "Allmächtiger Baumeister aller Welten" eine Metapher, die nicht für den christlichen Gott stehe, sondern persönlich gedeutet werden müsse. Diese Metaphern basieren auf bestimmten Konzepten und sind somit "konzeptuelle Metaphern". Symbole und sprachliche Zeichen unterscheiden sich: "Symbole muss ich deuten, und nur in dieser Deutung erlangen sie Wirklichkeit." (S. 89)

Zahlreiche einzelne in der Freimaurerei vorkommende Symbole und Metaphern werden auf ihren Gehalt überprüft. Seine allgemeinen Ausführungen zu einzelnen Symbolen in der Freimaurerei sind ausführlich und geben durchaus Anregungen zum Nachdenken und zu Diskussionen. Die Quellenangabe für seine Argumente ist umfassend, basiert jedoch oft auch auf Internetangaben und in einigen Fällen auf persönliche Mitteilungen, die zwar glaubhaft dargestellt werden, aber für den Leser nicht überprüfbar sind.

Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass die "Große Landesloge" aufgrund ihrer dogmatischen Hinwendung zum Christentum und anderer unfreimaurerischer Kriterien die Regularität verletzte, keine Freimaurerei sei und dem Verband "Vereinigte Großlogen von Deutschland" nicht mehr zugehören dürfe. (S. 271) Er führt aus: "Eine paradoxe Konstruktion, die genau diese Kriterien [der Konstitution von James Anderson von 1723, A. G.] wieder auflösen will, bildet allerdings der sogenannte Freimaurerorden der Großen Landesloge von Deutschland. Er ist keine Freimaurerei und wendet sich von Anfang an gegen die Anerkennung der Grundprinzipien der Freimaurerei." (S. 359)

Im Jahre 1958 haben sich die humanitäre Großloge der "Alten und Angenommen Freimaurer von Deutschland" und die "Große Landesloge" im Verband der "Vereinigten Großlogen von Deutschland" zusammenschlossen und in einer "Magna Charta" ihre jeweilige Selbständigkeit deklariert. Der Autor empfiehlt die Auflösung dieser Vereinigung: "Es kann den Vereinigten Großlogen von Deutschland nur geraten werden, sich so schnell wie möglich aufzulösen." (S. 396)

Falls es danach zu einer neuen Vereinigung von Großlogen in Deutschland kommen solle, müsse sich auch die Muttergroßloge in England reformieren und ihre Prinzipien, die in den "Basic Principles" festgelegt sind, neu formulieren, da sie andernfalls in der "Nullität" versinken würde. Die Zukunft werde erweisen, welches der richtige Weg der Freimaurerei sei: "Die Dunkelheit der Geheimnisse oder die im hellen Licht zur Kritik freigegebenen Darstellungen des symbolischen Bundes." (S. 397)

Es ist zu erwarten, dass das Buch von Klaus- Jürgen Grün auf Kritik stoßen wird. Im Mittelpunkt wird wahrscheinlich sein Kampf gegen die "Große Landesloge" stehen, die er als "Sekte" bezeíchnet und seine Forderung, die "Vereinigten Großlogen von Deutschland" aufzulösen. Dabei werden seine Ausführungen über Symbolik und Metaphern in der Freimaurerei in den Hintergrund treten und nicht die vom Autor gewünschte Diskussion anregen.


Buchrückseite (Verlagstext)

Es ist reichlich geschrieben worden über den symbolischen Bund der Freimaurer, erstmals jedoch unternimmt Klaus-Jürgen Grün, Philosophieprofessor in Frankfurt und langjähriger Vorsitzender der Forschungsgesellschaft Quatuor Coronati, in seinem eben erschienenen Buch „Wörter machen Götter“ den Versuch, den Symbolcharakter der Freimaurerei anhand einiger ihrer wesentlichen Symbole nach dem Vorbild der konzeptuellen Metapher zu beschreiben. Er weist nach, dass die Umwandlung religiöser und liturgischer Elemente in reine Symbole die wichtigste Arbeit der Freimaurer darstellt. Was der einzelne Bruder dabei denkt, ist nebensächlich, sobald er sich im Ritual durch sein Tun auszeichnet. Nicht im Denken oder Glauben liegt die Kraft, sondern in der Tat.

Klaus-Jürgen Grün spart dabei nicht mit Kritik an denjenigen, die in der Freimaurerei eine wie auch immer geartete religiöse Organisation sehen und etwa christliche Glaubenslehren zum Dogma erheben wollen. Das 400-seitige Werk knüpft an seine Bücher „Menschenähnlichkeit“ und „Das verlorene Wort“ an und ist auch eine Verteidigungsschrift der humanitären Freimaurerei.


Rezension von Pantelis Carelos

„Ceci n ́est pas une couverture du livre“,

„Das ist kein Buchcover“, eher das Bild eines Buchcovers – man findet üblicherweise auf der Vorderseite des Umschlags neben Autor und Verlag den gesamten Buchtitel und Untertitel(n). So auch im Fall des letzten Buchs von Klaus-Jürgen Grün: „Wörter machen Götter. Der symbolische Bund der Freimaurer und seine Feinde“. Indes nehmen selten Titel, Untertitel und illustrierendes Bild das Programm eines Buches so vorweg bzw. bringen es so genau auf den Punkt wie im vorliegenden Buch, dass man geneigt ist,dem Autor oder dem Verlag ob der Wahl des Titels zu gratulieren. Das Bild auf dem Titelblatt stammt vom surrealistischen Maler René Magritte und trägt den Titel „Ceci n ́est pas une pomme“ (dies ist kein Apfel). Dies soll die Tatsache veranschaulichen, dass selbst die realistischste Abbildung eines Objekts nicht mit dem Objekt selbst zu identifizieren ist – oder soll das eine unbewusste Warnung sein: es steht zwar „Freimaurerei“ drauf, muss aber nicht drin sein? Hierbei handelt sich um das Bild, das Symbol, die Darstellung eines Apfels,den man natürlich nicht essen kann. Der französische Philosoph Michel Foucault wies in seiner Interpretation des Bildes - abgesehen von der erwähnten trivialen Deutung – darauf hin, dass Magritte mit dem scheinbaren Paradoxon seines Bildes den Beobachter zum Nachdenken über die Realität eines Gegenstandes, eines Symbols zwingt. Und genau diese Reflexion macht einen ersten wichtigen theoretischen Punkt im Buch von Grün aus.

Bevor wir uns dem Titel des Buchs: „Wörter machen Götter“, der inhaltlich Bezug auf den ersten Punkt nimmt (d.h., was ist Existenz), zuwenden, müssen wir einen kurzen Ausflug in die Philosophie des Mittelalters machen. Dabei geht um ein Problem, das bis heute an Aktualität nicht verloren hat, den sogenannten Universalienstreit. Unter Universalien versteht man Allgemeinbegriffe wie Mensch oder Tisch, welche sich auf Merkmale beziehen, die mehrere Gegenstände gemeinsam haben, z.B. ihre schwarze Farbe. Das Allgemeine ist das, was vielen Einzelnen gemeinsam ist (z.B. ihre „Schwärze“). Bei dem Universalienstreit geht es um die Frage, ob die Allgemeinbegriffe, die »Universalien«, wirklich existieren (Realismus) oder ob sie rein menschliche, verstandesmäßige Begriffsbildungen sind (Nominalismus). Das war im Mittelalter (und nicht nur) wichtig, denn gelte nach dem Nominalismus "universalia sunt nominaergo post rem" (Allgemeinbegriffe sind Namen und stehen damit nachdem Ding), dann sind die Allgemeinbegriffe keine präexistenten Dinge,sondern es handelt sich lediglich um konventionelle Zeichen, die für Einzeldinge stehen.

Hätten dagegen die Realisten Recht, d.h. „universalias unt realia ergo ante rem“ (Allgemeinbegriffe sind Wirklichkeiten und stehen damit vor dem Ding), dann hat man es bei den Universalien mit präexistenten Ideen zu tun. Gott, bei dem schließlich die Universalien ihren Ausgang und Sitz haben, nutzt diese bei der Schöpfung der Welt. Die Philosophen des Mittelalters verglichen diesen „Prozess“ mit einem Siegelring (= präexistente Idee), der verschiedenen Wachsstücken (=Einzeldingen) eingeprägt wird und somit die Gestalt der Gravur annehmen(= gemeinsame Eigenschaft).Die logischen Konsequenzen solcher Annahmen demonstriert der Verfasser im Kapitel „Gedachte Existenzen“ (S. 65ff.), in dem der ontologische Gottesbeweis des Anselm von Canterbury kurz dargestellt wird. Grüns Fazit: „Existenz ist keine Eigenschaft von Dingen, die man addieren und subtrahieren könne“ und weiter unten „Vom Denken führt kein Weg zum Sein“ ... „Ich kann mir alles Mögliche denken, aber ob es auch existiert, ist eine ganz andere Frage“.

Und so verhält es sich auch mit Gott: Wörter machen eben Götter. Oder wie er selbst schreibt: „In der Freimaurerei existiert keine Auffassung, die dem Symbol eine andere Wirklichkeit zuschreibt als die bloß symbolische. Symbole sind und bleiben Symbole, sowie das Brot Brot bleibt und der Wein Wein. Mit der Ablehnung der Neigung des Symbols zur Seite eines als existierend angenommenen Unsichtbaren und all den dazugehörigen Ungehörigkeiten, bleibt Freimaurerei von Religion unterschieden“ (S. 76).

Die Symbole, die die Freimaurer benutzen, stellen Ideen dar, sind aber keine Fetische, denn weder wohnen in den freimaurerischen Symbolen übernatürliche Mächte noch werden sie als heilige Objekte verehrt. Der Verfasser wendet die Argumente des Universalienstreits auf die Freimaurerei an und versteht diese eindeutig nominalistisch. Die Untersuchung wird mit vielen Beispielen erläutert, sodass man das Buch mit großem Gewinn lesen kann. Somit widerlegt Grün Spiritualität,Esoterik, Mystik und Okkultismus, die nicht wenige in der Freimaurerei wähnen. So weit, so gut. Ärgerlich wird es dann, wenn Klaus-Jürgen Grün zur Untersuchung des Teils seines Programms (Hauptteils?) schreitet, der durch den Untertitel angedeutet wird: „Der symbolische Bund der Freimaurer und seine Feinde“.

Die Freimaurerei hatte von Anbeginn viele Feinde, sie selbst beschritt einige Holzwege und beging auch schwere Fehler. Davon hören wir gar nichts, stattdessen wird der Feind im Inneren des Bundes verortet und zwar in der Gestalt des Freimaurerordens (FOoder GLLFvD bzw. GLL). Bei der Lektüre kann man sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass eine ganze philosophische Untersuchung verfasst worden ist, nicht etwa um das Wesen der Freimaurerei erkenntnis-theoretisch schärfer zu fassen, sondern lediglich um zu zeigen, dass der Freimaurerorden eine mystisch-protestantische Sekte sei, die absolut nichts mit der Freimaurerei zu tun hat.

Selbst wenn man das Buch und die Argumente von Grün im Sinne des Universalienstreits verstünde und dabei eindeutig Partei für den Nominalismus ergriffe, resultierte daraus weder die Nichtexistenz Gottes noch, dass die GLL keine Freimaurer sind, sondern eine christliche Sekte. Da Grün die GLL für eine christliche Sekte hält, rät er sogar zur Auflösung der Vereinigten Großlogen von Deutschland, um sich des Freimaurerordens zu entledigen: „Es kann den Vereinigten Großlogen von Deutschland nur geraten werden, sich so schnell wie möglich aufzulösen“ (S. 396).

Denn solange die VGLvD existieren, werden alle Freimaurer gezwungen, tolerant gegenüber den „unbekannten Machenschaften des Freimaurerordens“ zu sein. Grün – und nicht nur er - ist der Überzeugung, dass Humanismus, Weisheitund Moral in der Freimaurerei ohne Religion erreichbar sind. Andererseits ist es bekannt, dass die GLL christliche Grundsätze zugrunde legt und sie selbst macht keinen Hehl daraus. Hieraus aber zu implizieren, die GLL sei eine Religionsgemeinschaft, deren Struktur sogar verfassungsrechtlich bedenklich sei, ist nicht Ordnung. Die korrigierende Feststellung des Gutachters, Klaus Finkelnburg (ehem. Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin): „Im Falle der Großen Landesloge weiß jeder ‚Suchende‘, der Aufnahme begehrt ..., dass er einer Vereinigung mit einer über 200 Jahre gewachsenen Struktur beitritt, über die er sich bei seinem Eintritt informieren kann...“ (zitiert nach Grün, S.386), wird von Grün als wohlwollend disqualifiziert.

Es drängen sich beim Lesen folgende Fragen auf: Hat der Verfasser etwa erst jetzt die Physiognomie der GLL erkannt und fordert ihren Ausschluss? – warum gerade jetzt? Die Geschichte der deutschen Freimaurerei zeigt, es wurden mehrere Versuche unternommen, die verschiedenen Großlogen zu einer einzigen zu verschmelzen, welche allesamt gescheitert sind.

Bernhard Beyer schrieb kurz nach 1945: „Aber alle diese Versuche waren vergeblich, ja mußten vergeblich sein, da die innerlichen Gegensätze zwischen den beiden Hauptrichtungen in der deutschen Freimaurerei, die wiederum auf der Verschiedenheit des Volkscharakters (sic) von Altpreußentum und der anderen deutschen Bevölkerung beruhte, zu groß waren. Man mußte schließlich, weil sich eben Wasser und Feuer, oder konservative mit fortschrittlich-demokratischer Geisteshaltung nicht unter einen Hut bringen lassen, schweren Herzens resignieren“.

Diese Zeilen wurden kurz nach dem Kriege verfasst, sie strahlen noch spürbar die Verbitterung und den Schmerz der Kriegserlebnisse aus und sind in diesem Sinne allzu verständlich. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in der deutschen Freimaurerei zweifellos große strukturelle Veränderungen. Es würde den Rahmen dieses Textes sprengen, wollten wir auf die entstandenen und wieder aufgelösten Strukturen und Organisationen eingehen. Wir konstatieren nur, dass es nach langwierigen Versuchen und mit Hilfe (Druck) der Großloge von England schließlich im Jahre 1958 zur Gründung der Vereinigten Großlogen von Deutschland (VGLvD) kam. Nachdem im Jahre 1959 verfassten „Brüderlichen Abkommen“ traten zunächst 25 Johannislogen der GNML 3WK den VGLvD bei, wobei die 3WK nicht als Großloge, sondern als Provinzialloge einbezogen wurde. Erst im Jahre 1970, nach einer Änderung der Magna Charta, traten die GNML 3WK sowie die Großlogen der britischen und der amerikanisch-kanadischen Freimaurer als eigenständige Großlogen bei. Heute wissen wir, dass ein Nebeneinander der christlich und der religiös un gebundenen Logen möglich und geboten ist. Unter dem Dach derVGLvD können die beteiligten Großlogen in gegenseitigem Respekt,Toleranz und auf gleicher Augenhöhe ihren Diskurs brüderlich führen.

Wenn es um die Veredlung und Vervollkommnung des Menschen geht, gibt es eben mehrere Wege, die nach Rom führen...Obige Ausführungen stellen keine Rezension im üblichen Sinne dar, sondern einige Gedanken als Handreichung zum Lesen des Buchs, das ich hiermit empfehle, damit sich möglichst viele interessierte Brüder ihr eigene Meinung bilden können. Einziger Wermutstropfen: Grün verfasste eine interessante philosophische Abhandlung mit weitläufiger Beweisführung vorwiegend als Kampfschrift gegen die GLL.

(P. Carelos / Redaktion)

Siehe auch

Und zu dem hier besprochenen Buch:

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