Rezension: René Schon & Kai Stührenberg - Einheit in der Vielfalt

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Version vom 12. November 2021, 15:25 Uhr von Rudirabe37 (Diskussion | Beiträge)
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René Schon und Kai Stührenberg über „Toleranz, Offenheit und Brüderlichkeit als Herausforderung für die Freimaurerei der Zukunft“

An diesem anregenden Buch gefällt mir besonders die auf jeder Seite spürbare Annäherung der beiden Autoren an ihr Thema: Zum einen wirkt der Inhalt geerdet und nicht ins abstrakt Wolkige abgehoben, wozu die Freimaurerei leider verleiten kann; René und Kai sprechen also Themen an, die Bruder Max Mustermaurer, der kein quasi hauptberuflicher Freimaurer ist und sich dennoch immer wieder mal damit beschäftigt, gelegentlich durch den Kopf gehen. Und zweitens berücksichtigen sie sehr stark, dass es die Freimaurerei schlechthin gar nicht gibt, sondern - wie der Fachausdruck heißt - differente Lehrarten sowie von Land zu Land verschiedene Traditionen; sogar jede einzelne Logen hat ein Innenleben, das sich von den Nachbarlogen oft unterscheidet. Daher der sehr passende Titel „Einheit in der Vielfalt“.
Eine Rezension von Rudi Rabe.

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Obwohl das Buch kaum mehr als hundert Seiten hat, bietet es 18 Kapitel mit allen möglichen Einzelthemen. Die ersten sind eher erklärend und reflektierend, aber etwa ab der Hälfte des Buches arbeiten sich die Autoren von Kapitel zu Kapitel deutlicher an ihr eigentliches Anliegen heran, nämlich Anregungen für eine breite Diskussion zu liefern, deren Ziel eine Art Update der Freimaurerei sein könnte. Ich vermeide bewusst das Wort Modernisierung, weil es abgelutscht ist und den falschen Eindruck erwecken könnte, René und Kai möchten die für die Logen so wichtige Tradition entsorgen. Das wollen sie keineswegs: Es geht ihnen „eher um einen Spagat zwischen der Tradition und der neuen, modernen Zeit - das ist unsere Vision.“

In der ersten Hälfte des Buches sinnieren sie über so delikate Fragen wie, ob Freimaurer bessere Menschen sind (in den sozialen Medien jedenfalls nicht) oder über Glaube und Atheismus in der Freimaurerei (beides ist ok). Diese beiden Kapitel sind eine Spur länger als die anderen; im zweiten Fall wohl auch weil die beiden Autoren, wenn es um diesen Themenbereich geht, unterschiedlich ticken und das aber auch deklarieren: „René ist Atheist und könnte sehr gut ohne Religion in der Freimaurerei leben. Er propagiert eine zunehmende Ausrichtung auf einen rein ethisch moralischen Bund. Kai ist eher ein Mystiker und sieht in der Freimaurerei primär einen esoterisch spirituellen Weg. Einig sind wir uns, dass wir uns von allen Dogmen befreien müssen.“

Provokative Gedankenspiele

Wie gesagt: das Buch ist vielfältig und - siehe oben - frei von Dogmen; immer wieder werden Argumente gegeneinander abgewogen und das Ergebnis offen gelassen. Dennoch mündet alles schließlich in ein längeres Schlusskapitel, in dem auf 17 Seiten neun anregende „Thesen zur Reformierung der Freimaurerei“ diskutiert werden - mit jeweils vielen Pros und Kontras. Wobei: Den beiden „Freimaurern aus Leidenschaft“ ist sehr bewusst, dass „einiges“ in ihrer Thesenliste für nicht wenige Freimaurer „provokativ klingt.“ Außerdem: „Wir wissen, dass diese Ansichten nicht den aktuellen Stand der Freimaurerei in den Großlogen wiedergeben, aber es ist ein Gedankenspiel, wohin man sich entwickeln könnte.“ Die Thesen lauten:

  1. Wir sollten in den Logen politischer werden („Auf alle Fälle sollten wir üben, über Politik in der Loge zu sprechen.“)
  2. Wir sollten spiritueller werden („Unsere Rituale leiten uns nicht nur zum kognitiven Erkennen an, sondern ebenso zum intuitiven Erfahren.“)
  3. Wir sollten unsere Rituale erhalten und das Ritualverständnis fördern („Nicht wenige Brüder erleben das Ritual nur als schönes Schauspiel, ohne die dahinterstehenden tiefen Inhalte für sich zu erfassen.“)
  4. Wir sollten unser Verhältnis zu den Frauen in der Freimaurerei ändern („Wir denken, dass im Jahr 2021 … auch Brüder und Schwestern gemeinsam Ritualarbeiten abhalten und besuchen dürfen sollten.“)
  5. Wir sollten eine Elite werden („Brüder aber nur aufgrund ihres Standes oder ihrer gesellschaftlichen Position zu umwerben, halten wir selbstverständlich für falsch.“)
  6. Wir sollten transparenter werden (René meint, es wäre zeitgemäß, Rituale kommentiert, also mit den nötigen Anmerkungen auch zu veröffentlichen; Kai ist da skeptisch.)
  7. Wir sollten die Zusammenarbeit mit irregulären Logen ermöglichen (Auch in diesen „arbeiten Brüder und Schwestern im Geiste am Tempel der Humanität.“)
  8. Junge Brüder sollten mehr mitgestalten („Nur wenn wir jungen Brüdern … die Möglichkeit geben mitzuwirken, können wir als Bund jung bleiben.“)
  9. Wir sollten die Vielfalt zum zentralen Wert machen und leben („Nur wenn wir unsere kleinkarierten Auseinandersetzungen überwinden und uns nicht mehr mit Fragen wie Regularität oder Besuchsregeln beschäftigen, nur dann können wir als Bund wachsen und unsere Stärken ausspielen.“)

Fazit: Sehr lesenswert, sehr anregend, da und dort auch provokant ... weil - siehe Untertitel - angelegt als eine „Herausforderung für die Freimaurerei der Zukunft“.

„Einheit in der Vielfalt - Toleranz, Offenheit und Brüderlichkeit als Herausforderung für die Freimaurerei der Zukunft“
Von René Schon und Kai Stührenberg - Verlag tredition, 2021, 112 Seiten

Über die beiden Autoren (2021):

Kai Stührenberg (Jahrgang 1964) beschäftigt sich intensiv mit Philosophie, Esoterik, Religionswissenschaften, Soziologie, Politik und Psychologie. Als Freimaurer ist er Meister in der 3WK Loge „Zum Silbernen Schlüssel“, Matr. Nr. 638, im Orient Bremen, in die er 2014 aufgenommen wurde, sowie seit 2017 Mitglied der Albert Pike Lodge, Matr. Nr. 1067, im Orient Hannover. Außerdem ist er beim York Ritus und bei mehreren Forschungslogen. In Vorträgen und Artikeln arbeitet er daran, die spirituellen Wurzeln der Freimaurerei wieder mehr zu verstehen und den jungen Brüdern und Schwestern zugänglich zu machen. Humanismus, Aufklärung, Modernität und Spiritualität sind für ihn kein Widerspruch, sondern unteilbar miteinander verbunden.

René Schon (Jahrgang 1976) ist ein Freimaurer mit ausgeprägt humanitärem Ansatz und bekennender Atheist. Er hat bereits mehrere Bücher über Freimaurerthemen veröffentlicht. Er ist Mitglied der Loge Jacob de Molay zum Stern im Süden („Südloge“). Zudem ist er Mitglied der Freimaurer Forschungsloge Quatuor Coronati und Mitglied des Emirat Shriners in Heidelberg. Zudem betreibt er einen Freimaurer Blog (siehe Links). Die Grundlagen der Freimaurerei - Gleichheit, Toleranz, Freiheit, Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit und Humanität - bilden für ihn die Eckpfeiler dieses ethischen Bundes. Er setzt sich auch sehr für die Zusammenarbeit der verschiedenen Großlogen ein und ebenso für ein brüderliches und schwesterliches Miteinander.

Nachtrag: Einige Wochen nach Erscheinen des Buchs wurden die beiden Autoren in einem Audio-Podcast eine Stunde lang über das Zustandekommen des Buchs und vor allem auch über die darin behandelten Themen befragt - eine Mischung aus Interview und Diskussion: https://www.freimaurerimgespraech.com/post/folge-31-einheit-in-der-vielfalt?fbclid=IwAR0WSv79TqF-EibF4o35xP0gK1_2JjfK2OJHuV9cPDmsvKNodPeNQgva3Ng

Siehe auch

Sowohl Kai Stührenberg als auch René Schon kommen im Freimaurer-Wiki immer wieder als Autoren vor. Hier zwei Wiki-Links, die dann auch zu weiteren Links der beiden Autoren führen:

Links