Steinertsche Loge

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Steinertsche Loge

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)


im Lefeverischen Haus "Zum weißen Löwen" am Salzgries in Wien, Alchimistenloge mit freimaurerischem Gebrauchtum, gestiftet und geleitet von einem Bauchredner und Taschenspieler Steinert, um 1781, der nach seiner Ausweisung aus Wien einer der Hauptagenten des preußischen Staatsministers Wöllner (s.d.) und seines Freundes Bischofwerder (s.d.) gewesen sein soll, in deren Auftrag er bei den rosenkreuzerischen Geisterbeschwörungen vor Friedrich Wilhelm II eine Rolle spielte.

Die Löwenbraut

Quelle: Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen - Kapitel 68, Loewes Verlag Ferdinand Carl

Moritz Bermann


Außerhalb Simmerings, gegenüber dem großen Leichenfelde Wiens, liegt das sogenannte Neugebäude, ein umfangreicher Bau, welcher jetzt als Pulvermagazin und Niederlage für Kriegsbedarf benutzt wird. An dieser Stelle soll während der ersten Türkenbelagerung der Stadt (1529) das kostbare Zelt des Sultans Soliman gestanden haben. Als steinerne Nachbildung desselben ließ Kaiser Rudolf II. im Jahre 1587 mit vielem Aufwand ein Lustschloß bauen, welches samt dem umgebenden Garten von einer hohen Mauer eingeschlossen war, die zehn in weiten Abständen stehende niedere Türme unterbrachen. Im Mittelteil der rückwärts liegenden Hauptseite befand sich ein dreitürmiges Gebäude, umgeben von einer gewölbten Galerie, an deren Enden abermals turmähnliche Anbauten angebracht waren, welche durch einen bedeckten Gang auf der Oberseite miteinander in Verbindung standen.

Außer dem zierlichen Lustgarten gab es hier auch einen Tiergarten mit den seltensten und reißendsten Tieren, welche in stark vergitterten Zwingern gehalten wurden. Im Nebengebäude fanden manche glänzende Festlichkeiten und Lustbarkeiten statt. An einem schönen Maientag versammelten sich in den ebenerdigen Hallen die Mitglieder der kaiserlichen Familie, umgeben von ihren Edelleuten, um das Geburtsfest eines holden Prinzeßleins zu feiern.

Nach mancherlei prächtigen Aufzügen und Maskeraden erschien ein Gesangschor, welcher ein Lied vortrug. Hierauf trat aus einer Rosenlaube ein vierjähriges Mädchen, Berta, die Tochter des Schloßverwalters Georg Glüheisen, hervor; sie war gekleidet als Schutzgeist von Österreich; in den Armen ein Füllhorn tragend, nahte sie dem Thronhimmel und sprach einen Glückwunsch. Dann jubelten Trompeten und donnerten Kanonen, als plötzlich all das Getöse durch herzzerreißende Schreckensrufe übertäubt wurde.

Es war nämlich ein gelbweißer Berberlöwe, das wunderbarste Exemplar des ganzen Tiergartens, durch den Lärm zur Wut gebracht, aus seinem Käfig gebrochen, stürzte sich windesschnell in die Laubgänge des Gartens, kam zum Lustschloß und in den Tempelsaal, wo er verdutzt die Versammlung anstarrte. Die Wachen eilten mit den Feuerrohren herbei, die Edelleute zogen ihre Degen und drangen auf den König der Tiere ein. Da warf sich der kleine Schutzgeist, Berta, an den Hals des Tieres, umschlang es mit seinen Ärmchen und rief flehend: »Nichts tun, meinem guten Hans, nichts tun, geht schon wieder nach Haus mit mir!«

Der Löwe ließ ein sanftes Grollen hören, schmiegte sich demütig zu den Füßen des Kindes und ließ sich dann ruhig in denselben Käfig zurückführen, dessen starken Bau er wutentbrannt zertrümmert hatte.

»Ein merkwürdiges Beispiel, wie Milde die Kraft zu bezähmen vermag!« rief der Kaiser aus. »Wir sehen darin eine glückliche Vorbedeutung für unser schönes Land, das Wohl vom stürmischen Wogendrange bedroht werden kann, doch der Schutzgeist des Landes wird alle Stürme beschwichtigen. Dem holden Mägdlein sei der Löwe geschenkt und sie führe – bis in späteren Jahren ein wackerer Jüngling sie nach Hause nimmt – von nun an den Beinamen: »die Löwenbraut«. –

Jahre vergingen, Berta war inzwischen eine reizend erblühte Jungfrau geworden, ohne daß das zärtliche Freundschaftsbündnis mit dem Löwen aufgehört hätte; ja es war, wenn möglich, noch inniger geworden; denn das Tier duldete nicht, daß ein männlicher Begleiter mit Berta seinem Käfig nahte, ohne durch dumpfes Brüllen seine Eifersucht zu erkennen zu geben. Da wurden aber auf einmal die Besuche des Mädchens am Käfige seltener.

Ein wackerer Jüngling, ihr Jugendgespiele Hans Rechberger, der Sohn des vermöglichen Gastwirtes auf dem Salzgries – die Väter waren alte Freunde – hatte um ihre Hand geworben und sowohl bei den Eltern als bei dem Mädchen gute Aufnahme gefunden. Die Hochzeit wurde bestimmt; da gab es viel zu schaffen, so daß die Braut ihren Löwen immer seltener zu besuchen kam. Das Tier merkte dies genau, denn es zeigte bei jedesmaligem Erscheinen ungewöhnliche Traurigkeit in seinen Gebärden und Liebkosungen, welche Berta oft bis zu Tränen bewegten.

Es kam die Stunde der Vermählung. Im weißen Brautkleide, das Haupt mit Myrten bekränzt, erschien sie noch zuvor beim Käfig, um Abschied von dem treuen Tiere zu nehmen. Der Wärter schloß die Türe auf, Berta trat ein, und der Löwe schmiegte sich sogleich huldigend zu den Füßen derjenigen, die bisher sein alles gewesen und die er so lange schmerzlich vermißt hatte. Die »Löwenbraut« beugte sich über das treue Tier, schloß die Arme um das Mähnenhaupt und sprach bewegt einige Worte des Abschiedes zu ihrem Liebling, den sie nie wiedersehen sollte. Der Löwe mußte sie verstanden haben. Seine Augen erglühten in unheimlichem Feuer, die Rute machte einen Halbbogen und ein drohendes Gebrüll verkündete nahe Zornesausbrüche.

Der Tierwärter sah die Abschiedsszene, ihm bangte für das Mädchen, und er ermahnte dasselbe, sich zu entfernen. Berta drückte den letzten Kuß auf die majestätische Stirne und wollte gehend da erhob sich der zürnende Löwe in aller Majestät und trat vor den Ausgang, ihr den Weg verbietend. Nicht Schmeichelkünste, nicht Drohungen bewogen den Löwen, sich zu entfernen, er wollte seine untreue Braut nicht ziehen lassen zum Ehebund mit einem anderen.

Der Wächter rief Hilfe herbei. Mit Blitzesschnelle kam der junge Rechberger, sein Bräutchen mit bewaffneter Faust zu holen; einen Dolch, den er in der Eile aufgerafft, in der Hand, so stürzte er zu dem Käfig. Der Löwe erblickte ihn, mochte sein Vorhaben instinktmäßig ahnen, sprang mit einem Satze auf die Jungfrau los, schlug sie mit der Tatze machtvoll zu Boden und riß ihr eine tiefe Wunde am Herzen, so daß ihr Lebensstrom mit einem letzten Seufzer entfloh und das weiße Brautkleid sich zum dunkelroten Totengewand färbte. Widerstandslos ließ er sich dann von des Jünglings Dolch durchbohren und sank blutend auf den Körper seiner Braut hin.

Hans Rechberger küßte den letzten Atemzug von den Lippen der teuren Braut und leistete den Schwur ewigen treuen Angedenkens. Sein Haus, worin sie als glückliche Frau hätte einziehen sollen, nannte er »zur Löwenbraut«, welche Bezeichnung erst im siebzehnten Jahrhundert in die »zum Weißen Löwen« umgewandelt wurde. Dieses Gasthaus ist eines der ältesten der Stadt Wien.

Dem Dichter Chamisso hat aber die hier erzählte Geschichte den Stoff zu seiner schönen Ballade »Die Löwenbraut« geliefert.