Traktat: “Wörter machen Götter” – eine orientalische Entgegnung: Unterschied zwischen den Versionen

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== “Wörter machen Götter” – eine orientalische Entgegnung ==
 
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Noch einmal zu “Wörter machen Götter” – eine orientalische Entgegnung
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'''Noch einmal zu “Wörter machen Götter” – eine orientalische Entgegnung von PD Dr. Thomas Zimmermann. Der Autor ist Archäologe und lehrt an der Bilkent Universität in Ankara.'''
  
 
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Vieles wurde schon zu [[Klaus-Jürgen Grün]]'s jüngstem Buchbeitrag “Wörter machen Götter” gedacht, gesagt und geschrieben. In einschlägigen online-Foren in teils polemischem, teils verbittertem, aber auch mit durchaus analytischem Ton dekonstruiert, anderenorts als notwendige, gar längst überfällige Publikation gepriesen, übersteigt die Resonanz auf dieses Werk bei Weitem alles, was freimaurerischen Schriften in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit zuteil werden durfte. Die Freimaurerei in Deutschland besitzt nun auch zu
Vieles wurde schon zu [[Klaus-Jürgen Grün]]'s jüngstem Buchbeitrag “Wörter machen Götter”
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guter Letzt, wie es scheint, ihre ganz eigenen “satanischen Verse”, über die logen- und lehrartübergreifend kontrovers gestritten werden darf.
gedacht, gesagt und geschrieben. In einschlägigen online-Foren in teils polemischem, teils
 
verbittertertem, aber auch mit durchaus analytischem Ton dekonstruiert, anderenorts als
 
notwendige, gar längst überfällige Publikation gepriesen, übersteigt die Resonanz auf dieses
 
Werk bei Weitem alles, was freimaurerischen Schriften in den letzten Jahren an
 
Aufmerksamkeit zuteil werden durfte. Die Freimaurerei in Deutschland besitzt nun auch zu
 
guter Letzt, wie es scheint, ihre ganz eigenen “satanischen Verse”, über die logen- und
 
lehrartübergreifend kontrovers gestritten werden darf.
 
  
 
So mag berechtigterweise die Frage gestellt werden, warum sich noch eine weitere
 
So mag berechtigterweise die Frage gestellt werden, warum sich noch eine weitere
schriftliche Stellungname anschickt, in das schillerndbunte Gedränge von Rede und
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schriftliche Stellungname anschickt, in das schillerndbunte Gedränge von Rede und Gegenrede zu Br. Grün's “Hetzschrift” (offizielle Verlautbarung der Vereinigten Grosslogen von Deutschland) einzufallen. Zwei Überlegungen haben Verf. hierzu bewogen: zum Einen vertritt Verf. die Überzeugung, das kontroverse Themen nicht unter einem Mangel an kritischem Diskurs leiden sollten, zum Anderen ist die freimaurerische Identität des Verf. durch langjährige, aktive Mitarbeit in der regulären türkischen Maurerei geprägt, die eine
Gegenrede zu Br. Grün's “Hetzschrift” (offizielle Verlautbarung der Vereinigten Grosslogen
 
von Deutschland) einzufallen. Zwei Überlegungen haben Verf. hierzu bewogen: zum Einen
 
vertritt Verf. die Überzeugung, das kontroverse Themen nicht unter einem Mangel an
 
kritischem Diskurs leiden sollten, zum Anderen ist die freimaurerische Identität des Verf.
 
durch langjährige, aktive Mitarbeit in der regulären türkischen Maurerei geprägt, die eine
 
 
alternative Perspektive auf die causa Grün möglich erscheinen lässt.
 
alternative Perspektive auf die causa Grün möglich erscheinen lässt.
Der zweigeteilte Titel des Werkes ist Programm. Der Dreiklang “Wörter machen Götter”
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Der zweigeteilte Titel des Werkes ist Programm. Der Dreiklang “Wörter machen Götter” paraphrasiert den -durchaus spannend dargebotenen- Versuch des Autors, mithilfe einer aus historischer Religionskritik, Sprachanalyse, Philosophie und Sozialpsychologie gespeister Methodik die wortgebundenen Rituale der Freimaurerei als einen geschichteten Läuterungsprozess zu klassifizieren, welcher die brüderliche Gemeinschaft auf eine diesseitige, jeglicher eschatologischer Knabenmorgenblütenträume beraubte Lebenswirklichkeit einnorden soll.  
paraphrasiert den -durchaus spannend dargebotenen- Versuch des Autors, mithilfe einer aus
 
historischer Religionskritik, Sprachanalyse, Philosophie und Sozialpsychologie gespeister
 
Methodik die wortgebundenen Rituale der Freimaurerei als einen geschichteten
 
Läuterungsprozess zu klassifizieren, welcher die brüderliche Gemeinschaft auf eine
 
diesseitige, jeglicher eschatologischer Knabenmorgenblütenträume beraubte
 
Lebenswirklichkeit einnorden soll.  
 
  
 
Die Hölle ist leer, und alle Teufel sind hier. Und diese sind,
 
Die Hölle ist leer, und alle Teufel sind hier. Und diese sind,
ebenso wie Götter, Engel, Elfen, oder die hehre Seele an sich eben nur gesprochene oder
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ebenso wie Götter, Engel, Elfen, oder die hehre Seele an sich eben nur gesprochene oder geschriebene Lautgebilde ohne wahrhaftige Substanz oder immanentem Wahrheitsgehalt. Die rituellen Übungen dienen somit einzig und allein dem Zweck, die je nach soziokultureller Konditionierung mehr oder minder stark ausgeprägten transzendenten Filter zu entfernen, und den Blick für die Belange unserer Welt zu schärfen, und nur dieser einen, die einer nach
geschriebene Lautgebilde ohne wahrhaftige Substanz oder immanentem Wahrheitsgehalt.
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derzeitiger Methodik möglichen wissenschaftlichen Prüfung ihrer Wirklichkeit und somit Wahrhaftigkeit standzuhalten vermag. Und worüber man nicht sprechen kann -man vernimmt das Raunen Ludwig Wittgensteins- darüber sollte man bitte tunlichst schweigen.
Die rituellen Übungen dienen somit einzig und allein dem Zweck, die je nach soziokultureller
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Der kämpferische Zusatz “Der symbolische Bund der Freimaurer und seine Feinde” ist nicht ohne Grund einem Werk Karl Poppers entlehnt, dem wohl einflussreichsten Wissenschaftsphilosophen des vergangenen Jahrhunderts, der auch von Br. Grün ausgiebig zitiert wird und neben dem Familientherapeuten und Kommunikationstheoretiker Paul Watzlawick einer der Grundpfeiler seiner Überlegungen ist. Die “Feinde” sind jedoch in vorliegendem Fall sehr konkret gefasst, wird doch dem Freimaurerorden bzw. seinem Dachverband, der Grossen Landesloge von Deutschland -bzw. aller v.a. im skandinavischen
Konditionierung mehr oder minder stark ausgeprägten transzendenten Filter zu entfernen,
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Raum beheimateten christlich geprägten Freimaurerlogen- nicht nur ihre freimaurerische Legitimität abgesprochen, sondern die gesamte Organisation gleich einem Kehrrichthaufen als klandestine Christussekte entsorgt. Ein bitteres Kainsmal, das, einmal eingebrannt, nur schwer zu revidieren ist.
und den Blick für die Belange unserer Welt zu schärfen, und nur dieser einen, die einer nach
 
derzeitiger Methodik möglichen wissenschaftlichen Prüfung ihrer Wirklichkeit und somit
 
Wahrhaftigkeit standzuhalten vermag. Und worüber man nicht sprechen kann -man vernimmt
 
das Raunen Ludwig Wittgensteins- darüber sollte man bitte tunlichst schweigen.
 
Der kämpferische Zusatz “Der symbolische Bund der Freimaurer und seine Feinde” ist nicht
 
ohne Grund einem Werk Karl Poppers entlehnt, dem wohl einflussreichsten
 
Wissenschaftsphilosophen des vergangenen Jahrhunders, der auch von Br. Grün ausgiebig
 
zitiert wird und neben dem Familientherapeuten und Kommunikationstheoretiker Paul
 
Watzlawick einer der Grundpfeiler seiner Überlegungen ist. Die “Feinde” sind jedoch in
 
vorliegendem Fall sehr konkret gefasst, wird doch dem Freimaurerorden bzw. seinem
 
Dachverband, der Grossen Landesloge von Deutschland -bzw. aller v.a. im skandinavischen
 
Raum beheimateten christlich geprägten Freimaurerlogen- nicht nur ihre freimaurerische
 
Legitimiät abgesprochen, sondern die gesamte Organisation gleich einem Kehrrichthaufen
 
als klandestine Christussekte entsorgt. Ein bitteres Kainsmal, das, einmal eingebrannt, nur
 
schwer zu revidieren ist.
 
  
 
Diese Sezierung der Ordensmaurerei erfolgt im Gegensatz zu Br. Grüns durchaus
 
Diese Sezierung der Ordensmaurerei erfolgt im Gegensatz zu Br. Grüns durchaus
anregenden Einlassungen zur semiotischen Dimension der Freimaurerei in einer ermüdend
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anregenden Einlassungen zur semiotischen Dimension der Freimaurerei in einer ermüdend polemisch-redundanten Art, die das Lesevergnügen erheblich schmälert. Beherzt Br. Grün im “semiotischen” Teil seiner Arbeit noch die von Karl Popper eingeforderte Klarheit der Sprache und Kohärenz im Argumentationsfluss, nimmt der eingeflochtene Sturmangriff gegen den Freimaurerorden mit zunehmender Dauer bald ehrenrührige, bald hysterische Züge an, verliert aber in seinem Verlauf durch die geradezu gebetsmühlenartige Wiederholung der immergleichen Streitpunkte erheblich an Schlag- und Überzeugungskraft. Bei manchem
polemisch-redundanten Art, die das Lesevergnügen erheblich schmälert. Beherzt Br. Grün im
 
“semiotischen” Teil seiner Arbeit noch die von Karl Popper eingeforderte Klarheit der Sprache
 
und Kohärenz im Argumentationsfluss, nimmt der eingeflochtene Sturmangriff gegen den
 
Freimaurerorden mit zunehmender Dauer bald ehrenrührige, bald hysterische Züge an,
 
verliert aber in seinem Verlauf durch die geradezu gebetsmühlenartige Wiederholung der
 
immergleichen Streitpunkte erheblich an Schlag- und Überzeugungskraft. Bei manchem
 
 
Leser mag dies eine vom Autor gewiss ungewollte Solidarisierung mit dem so arg
 
Leser mag dies eine vom Autor gewiss ungewollte Solidarisierung mit dem so arg
 
gescholtetenen Ordensbund bewirken.
 
gescholtetenen Ordensbund bewirken.
Letztendlich ist die Grün'sche Exegese des Rituals nur eine von vielen möglichen Lesarten
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Letztendlich ist die Grün'sche Exegese des Rituals nur eine von vielen möglichen Lesarten freimaurerischer Tempelarbeit. Die Reduktion des Symbols auf ein jeglicher Spiritualität entkleidetes Schattenspiel mag für einige Brüder ein reizvolles Unterfangen, für andere Brüder in den Kolonnen jedoch unbefriedigend sein. Durch die bewegten Zeiten freimaurerischen Wirkens in dieser Welt schrieb und schreibt niemand -kein Dachverband,
freimaurerischer Tempelarbeit. Die Reduktion des Symbols auf ein jeglicher Spiritualität
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keine Gruppe und kein Individuum- der Ritualgemeinschaft eine präzise Ausdeutung vor, wie das innere Erleben bzw. die emotionale wie intellektuelle Synthese der Arbeit vonstatten gehen soll.
entkleidetes Schattenspiel mag für einige Brüder ein reizvolles Unterfangen, für andere
 
Brüder in den Kolonnen jedoch unbefriedigend sein. Durch die bewegten Zeiten
 
freimaurerischen Wirkens in dieser Welt schrieb und schreibt niemand -kein Dachverband,
 
keine Gruppe und kein Individuum- der Ritualgemeinschaft eine präzise Ausdeutung vor, wie
 
das innere Erleben bzw. die emotionale wie intellektuelle Synthese der Arbeit vonstatten
 
gehen soll.
 
  
Hierbei ist interessant zu beobachten, das die strikt laizistisch agierende und jedweder
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Hierbei ist interessant zu beobachten, das die strikt laizistisch agierende und jedweder Frömmelei gewiss unverdächtige Freimaurerei in der Türkei im Jahreslauf eine ausgeprägte Hinwendung zu dezidiert spirituellen Themen offenbart. Ein Blick in das von der Grossloge der Freien und Angenommenen Maurer in der Türkei herausgegebene Periodikum “Mimar Sinan”, in der sämtliche in regulären türkischen Logen aufgelegte Zeichnungen innerhalb einer Arbeitsperiode minutiös mit Titel und Datum vermerkt sind, belegt dies nachhaltig. An der Diesseitsbezogenheit der türkischen Brüder besteht nach Meinung des Verf. trotzdem kein Zweifel, auch wenn sich eine nicht geringe Anzahl aktiver türkischer Freimaurer dem Bektaşi-Orden, Sufismus oder Schamanismus verbunden fühlt, ja sogar Ämter in den vorab genannten Glaubensgemeinschaften bekleidet. Wogegen andere mit nur einer kielbreit
Frömmelei gewiss unverdächtige Freimaurerei in der Türkei im Jahreslauf eine ausgeprägte
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Abstand am alternativlosen Atheismus entlangnavigieren. Oder als Rabbi der örtlichen jüdischen Gemeinde in Ankara vorstehen. Zur Tempelarbeit findet man sich dann in trauter Einigkeit zusammen.  
Hinwendung zu dezidiert spirituellen Themen offenbart. Ein Blick in das von der Grossloge
 
der Freien und Angenommenen Maurer in der Türkei herausgegebene Periodikum “Mimar
 
Sinan”, in der sämtliche in regulären türkischen Logen aufgelegte Zeichnungen innerhalb
 
einer Arbeitsperiode minutiös mit Titel und Datum vermerkt sind, belegt dies nachhaltig. An
 
der Diesseitsbezogenheit der türkischen Brüder besteht nach Meinung des Verf. trotzdem
 
kein Zweifel, auch wenn sich eine nicht geringe Anzahl aktiver türkischer Freimaurer dem
 
Bektaşi-Orden, Sufismus oder Schamanismus verbunden fühlt, ja sogar Ämter in den vorab
 
genannten Glaubensgemeinschaften bekleidet. Wogegen andere mit nur einer kielbreit
 
Abstand am alternativlosen Atheismus entlangnavigieren. Oder als Rabbi der örtlichen
 
jüdischen Gemeinde in Ankara vorstehen. Zur Tempelarbeit findet man sich dann in trauter
 
Einigkeit zusammen.  
 
  
 
Ein von Br. Grün skizziertes Paradigma ist nach Einschätzung des Verf.
 
Ein von Br. Grün skizziertes Paradigma ist nach Einschätzung des Verf.
den meisten Brüdern hier in der Türkei -und wohl nicht nur hier- vollkommen fremd. Was die
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den meisten Brüdern hier in der Türkei -und wohl nicht nur hier- vollkommen fremd. Was die hiesigen Logen nicht daran hindert, intensive und fruchtbare Beziehungen zu einer Vielzahl von Bauhütten im Ausland zu unterhalten, die weltanschaulich gewiss ähnlich heterogen aufgestellt sind.
hiesigen Logen nicht daran hindert, intensive und fruchbare Beziehungen zu einer Vielzahl
 
von Bauhütten im Ausland zu unterhalten, die weltanschaulich gewiss ähnlich heterogen
 
aufgestellt sind.
 
 
Persönliche Erfahrungen mögen im Argumentationstrang Klaus-Jürgen Grüns keine
 
Persönliche Erfahrungen mögen im Argumentationstrang Klaus-Jürgen Grüns keine
Gültigkeit besitzen, jedoch hatte Verf. bei seinen zahlreichen Heimatreisen mehrmals die
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Gültigkeit besitzen, jedoch hatte Verf. bei seinen zahlreichen Heimatreisen mehrmals die Gelegenheit, rituellen Arbeiten des Freimaurerordens auch in den höheren, von Br. Grün aufgrund seiner Lehrinhalte gesondert kritisierten Stufen beizuwohnen. Eine freimaurerischer Lehrinhalte komplett fernstehende, sektiererische Ritualistik konnte nicht erkannt werden. Eine
Gelegenheit, rituellen Arbeiten des Freimaurerordens auch in den höheren, von Br. Grün
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Gehirnwäsche fand nicht statt. Verf. verliess den Tempel, ähnlich wie nach vollrichteter Arbeit in den Johannisgraden humanistisch orientierter Logen, mit einem Gefühl der Erbauung und Gewissheit, die Zeit wohl genutzt zu haben.
aufgrund seiner Lehrinhalte gesondert kritisierten Stufen beizuwohnen. Eine freimaurerischer
 
Lehrinhalte komplett fernstehende, sektierische Ritualistik konnte nicht erkannt werden. Eine
 
Gehirnwäsche fand nicht statt. Verf. verliess den Tempel, ähnlich wie nach vollrichteter Arbeit
 
in den Johannisgraden humanistisch orientierter Logen, mit einem Gefühl der Erbauung und
 
Gewissheit, die Zeit wohl genutzt zu haben.
 
  
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Insgesamt hatte Verf. bislang sowohl diesseits als auch jenseits des Bosporus nie das verstörende Erlebnis, bei seinen Logenbesuchen auf weltabgewandte, pietistische Brüder im Büßergewand zu treffen. Vielmehr ist die Diesseitsbezogenheit des Bruderbundes das allzeit verbindende Element, gepaart mit der tiefen Überzeugung, durch Taten unsere Heimat Erde
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aktiv mitzugestalten, zu erhalten und ihren Lebenswert zu mehren. Und genau in diesem Punkt ist der irrlichternde, in “Wörter machen Götter” als negatives Leitmotiv eingeführte hypothetische Bruder mit seiner verschlagen-intimen Affinität zum Numinosen ein ebenso wertvoller Baustein für den Tempel der Humanität: Denn ob die oft zitierte “Verschwörung zum Guten” mithilfe eines von Br. Grün skizzierten Symbolverständnisses geschieht, oder durch ein bewusstes oder unbewusstes Hineingeheimnissen religiöser oder transzendentaler
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Motivik, ist für den sichtbaren Erfolg freimaurerischen Tuns letztendlich vollkommen belanglos.
  
Insgesamt hatte Verf. bislang sowohl diesseits als auch jenseits des Bosporus nie das
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=== Publikationen ===
verstörende Erlebnis, bei seinen Logenbesuchen auf weltabgewandte, pietistische Brüder im
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*Durchgeistete Natur. Ihre Präsenz in Goethes Dichtung, Wissenschaft und Philosophie, hg. gemeinsam mit Alfred Schmidt, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2000.
Büßergewand zu treffen. Vielmehr ist die Diesseitsbezogenheit des Bruderbundes das allzeit
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*Arthur Schopenhauer, in der von Otfried Höffe herausgegebenen Beck’schen Reihe große Denker, München 2000.
verbindende Element, gepaart mit der tiefen Überzeugung, durch Taten unsere Heimat Erde
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*Geist und Geld – Die zweite Natur des Menschen, 2001 im mentis Verlag Paderborn.
aktiv mitzugestalten, zu erhalten und ihren Lebenswert zu mehren. Und genau in diesem
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*Wozu benötigen Führungskräfte Philosophie? Autonomie und Freiheit durch methodisches Denken, Reihe Ronneburger Texte, Büdingen 2004.
Punkt ist der irrlichternde, in “Wörter machen Götter” als negatives Leitmotiv eingeführte
 
hypothetische Bruder mit seiner verschlagen-intimen Affinität zum Numinosen ein ebenso
 
wertvoller Baustein für den Tempel der Humanität: Denn ob die oft zitierte “Verschwörung
 
zum Guten” mithilfe eines von Br. Grün skizzierten Symbolverständnisses geschieht, oder
 
durch ein bewusstes oder unbewusstes Hineingeheimnissen religiöser oder transzendentaler
 
Motivik, ist für den sichtbaren Erfolg freimaurerischen Tuns letztendlich vollkommen
 
belanglos.
 
 
 
PD Dr. Thomas Zimmermann
 
 
 
Der Autor ist Archäologe und lehrt an der Bilkent Universität in Ankara
 
  
 
== Siehe auch ==
 
== Siehe auch ==
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== Links ==
 
== Links ==
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*Klaus-Jürgen Grün in der Sendung "Planet Wissen" http://www.ardmediathek.de/tv/Planet-Wissen/Die-Geheimnisse-der-Freimaurer/WDR-Fernsehen/Video?documentId=23073630
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*Interkulturelle Bibliothek http://www.bautz.de/interkulturell/3-88309-329-7.html
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*[http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/organisationen/freimaurer/video_freimaurer_gruen.jsp Video:] Klaus-Jürgen Grün ist Freimaurer. Die Zugehörigkeit zur Loge beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Treffen mit seinen Freimaurer-Brüdern. Die ethischen Grundsätze der Freimaurerei prägen sein Verhalten im Beruf und auch sein Privatleben – davon ist Grün überzeugt.
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*Deutsche Nationalbibliothek / Literatur von Klaus-Jürgen Grün: <br> https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=klaus+j%C3%BCrgen+gr%C3%BCn
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{{SORTIERUNG:Wörtermachengötter}}
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[[Kategorie:Traktate]]

Aktuelle Version vom 15. August 2018, 16:34 Uhr

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“Wörter machen Götter” – eine orientalische Entgegnung

Noch einmal zu “Wörter machen Götter” – eine orientalische Entgegnung von PD Dr. Thomas Zimmermann. Der Autor ist Archäologe und lehrt an der Bilkent Universität in Ankara.

Vieles wurde schon zu Klaus-Jürgen Grün's jüngstem Buchbeitrag “Wörter machen Götter” gedacht, gesagt und geschrieben. In einschlägigen online-Foren in teils polemischem, teils verbittertem, aber auch mit durchaus analytischem Ton dekonstruiert, anderenorts als notwendige, gar längst überfällige Publikation gepriesen, übersteigt die Resonanz auf dieses Werk bei Weitem alles, was freimaurerischen Schriften in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit zuteil werden durfte. Die Freimaurerei in Deutschland besitzt nun auch zu guter Letzt, wie es scheint, ihre ganz eigenen “satanischen Verse”, über die logen- und lehrartübergreifend kontrovers gestritten werden darf.

So mag berechtigterweise die Frage gestellt werden, warum sich noch eine weitere schriftliche Stellungname anschickt, in das schillerndbunte Gedränge von Rede und Gegenrede zu Br. Grün's “Hetzschrift” (offizielle Verlautbarung der Vereinigten Grosslogen von Deutschland) einzufallen. Zwei Überlegungen haben Verf. hierzu bewogen: zum Einen vertritt Verf. die Überzeugung, das kontroverse Themen nicht unter einem Mangel an kritischem Diskurs leiden sollten, zum Anderen ist die freimaurerische Identität des Verf. durch langjährige, aktive Mitarbeit in der regulären türkischen Maurerei geprägt, die eine alternative Perspektive auf die causa Grün möglich erscheinen lässt. Der zweigeteilte Titel des Werkes ist Programm. Der Dreiklang “Wörter machen Götter” paraphrasiert den -durchaus spannend dargebotenen- Versuch des Autors, mithilfe einer aus historischer Religionskritik, Sprachanalyse, Philosophie und Sozialpsychologie gespeister Methodik die wortgebundenen Rituale der Freimaurerei als einen geschichteten Läuterungsprozess zu klassifizieren, welcher die brüderliche Gemeinschaft auf eine diesseitige, jeglicher eschatologischer Knabenmorgenblütenträume beraubte Lebenswirklichkeit einnorden soll.

Die Hölle ist leer, und alle Teufel sind hier. Und diese sind, ebenso wie Götter, Engel, Elfen, oder die hehre Seele an sich eben nur gesprochene oder geschriebene Lautgebilde ohne wahrhaftige Substanz oder immanentem Wahrheitsgehalt. Die rituellen Übungen dienen somit einzig und allein dem Zweck, die je nach soziokultureller Konditionierung mehr oder minder stark ausgeprägten transzendenten Filter zu entfernen, und den Blick für die Belange unserer Welt zu schärfen, und nur dieser einen, die einer nach derzeitiger Methodik möglichen wissenschaftlichen Prüfung ihrer Wirklichkeit und somit Wahrhaftigkeit standzuhalten vermag. Und worüber man nicht sprechen kann -man vernimmt das Raunen Ludwig Wittgensteins- darüber sollte man bitte tunlichst schweigen. Der kämpferische Zusatz “Der symbolische Bund der Freimaurer und seine Feinde” ist nicht ohne Grund einem Werk Karl Poppers entlehnt, dem wohl einflussreichsten Wissenschaftsphilosophen des vergangenen Jahrhunderts, der auch von Br. Grün ausgiebig zitiert wird und neben dem Familientherapeuten und Kommunikationstheoretiker Paul Watzlawick einer der Grundpfeiler seiner Überlegungen ist. Die “Feinde” sind jedoch in vorliegendem Fall sehr konkret gefasst, wird doch dem Freimaurerorden bzw. seinem Dachverband, der Grossen Landesloge von Deutschland -bzw. aller v.a. im skandinavischen Raum beheimateten christlich geprägten Freimaurerlogen- nicht nur ihre freimaurerische Legitimität abgesprochen, sondern die gesamte Organisation gleich einem Kehrrichthaufen als klandestine Christussekte entsorgt. Ein bitteres Kainsmal, das, einmal eingebrannt, nur schwer zu revidieren ist.

Diese Sezierung der Ordensmaurerei erfolgt im Gegensatz zu Br. Grüns durchaus anregenden Einlassungen zur semiotischen Dimension der Freimaurerei in einer ermüdend polemisch-redundanten Art, die das Lesevergnügen erheblich schmälert. Beherzt Br. Grün im “semiotischen” Teil seiner Arbeit noch die von Karl Popper eingeforderte Klarheit der Sprache und Kohärenz im Argumentationsfluss, nimmt der eingeflochtene Sturmangriff gegen den Freimaurerorden mit zunehmender Dauer bald ehrenrührige, bald hysterische Züge an, verliert aber in seinem Verlauf durch die geradezu gebetsmühlenartige Wiederholung der immergleichen Streitpunkte erheblich an Schlag- und Überzeugungskraft. Bei manchem Leser mag dies eine vom Autor gewiss ungewollte Solidarisierung mit dem so arg gescholtetenen Ordensbund bewirken. Letztendlich ist die Grün'sche Exegese des Rituals nur eine von vielen möglichen Lesarten freimaurerischer Tempelarbeit. Die Reduktion des Symbols auf ein jeglicher Spiritualität entkleidetes Schattenspiel mag für einige Brüder ein reizvolles Unterfangen, für andere Brüder in den Kolonnen jedoch unbefriedigend sein. Durch die bewegten Zeiten freimaurerischen Wirkens in dieser Welt schrieb und schreibt niemand -kein Dachverband, keine Gruppe und kein Individuum- der Ritualgemeinschaft eine präzise Ausdeutung vor, wie das innere Erleben bzw. die emotionale wie intellektuelle Synthese der Arbeit vonstatten gehen soll.

Hierbei ist interessant zu beobachten, das die strikt laizistisch agierende und jedweder Frömmelei gewiss unverdächtige Freimaurerei in der Türkei im Jahreslauf eine ausgeprägte Hinwendung zu dezidiert spirituellen Themen offenbart. Ein Blick in das von der Grossloge der Freien und Angenommenen Maurer in der Türkei herausgegebene Periodikum “Mimar Sinan”, in der sämtliche in regulären türkischen Logen aufgelegte Zeichnungen innerhalb einer Arbeitsperiode minutiös mit Titel und Datum vermerkt sind, belegt dies nachhaltig. An der Diesseitsbezogenheit der türkischen Brüder besteht nach Meinung des Verf. trotzdem kein Zweifel, auch wenn sich eine nicht geringe Anzahl aktiver türkischer Freimaurer dem Bektaşi-Orden, Sufismus oder Schamanismus verbunden fühlt, ja sogar Ämter in den vorab genannten Glaubensgemeinschaften bekleidet. Wogegen andere mit nur einer kielbreit Abstand am alternativlosen Atheismus entlangnavigieren. Oder als Rabbi der örtlichen jüdischen Gemeinde in Ankara vorstehen. Zur Tempelarbeit findet man sich dann in trauter Einigkeit zusammen.

Ein von Br. Grün skizziertes Paradigma ist nach Einschätzung des Verf. den meisten Brüdern hier in der Türkei -und wohl nicht nur hier- vollkommen fremd. Was die hiesigen Logen nicht daran hindert, intensive und fruchtbare Beziehungen zu einer Vielzahl von Bauhütten im Ausland zu unterhalten, die weltanschaulich gewiss ähnlich heterogen aufgestellt sind. Persönliche Erfahrungen mögen im Argumentationstrang Klaus-Jürgen Grüns keine Gültigkeit besitzen, jedoch hatte Verf. bei seinen zahlreichen Heimatreisen mehrmals die Gelegenheit, rituellen Arbeiten des Freimaurerordens auch in den höheren, von Br. Grün aufgrund seiner Lehrinhalte gesondert kritisierten Stufen beizuwohnen. Eine freimaurerischer Lehrinhalte komplett fernstehende, sektiererische Ritualistik konnte nicht erkannt werden. Eine Gehirnwäsche fand nicht statt. Verf. verliess den Tempel, ähnlich wie nach vollrichteter Arbeit in den Johannisgraden humanistisch orientierter Logen, mit einem Gefühl der Erbauung und Gewissheit, die Zeit wohl genutzt zu haben.

Insgesamt hatte Verf. bislang sowohl diesseits als auch jenseits des Bosporus nie das verstörende Erlebnis, bei seinen Logenbesuchen auf weltabgewandte, pietistische Brüder im Büßergewand zu treffen. Vielmehr ist die Diesseitsbezogenheit des Bruderbundes das allzeit verbindende Element, gepaart mit der tiefen Überzeugung, durch Taten unsere Heimat Erde aktiv mitzugestalten, zu erhalten und ihren Lebenswert zu mehren. Und genau in diesem Punkt ist der irrlichternde, in “Wörter machen Götter” als negatives Leitmotiv eingeführte hypothetische Bruder mit seiner verschlagen-intimen Affinität zum Numinosen ein ebenso wertvoller Baustein für den Tempel der Humanität: Denn ob die oft zitierte “Verschwörung zum Guten” mithilfe eines von Br. Grün skizzierten Symbolverständnisses geschieht, oder durch ein bewusstes oder unbewusstes Hineingeheimnissen religiöser oder transzendentaler Motivik, ist für den sichtbaren Erfolg freimaurerischen Tuns letztendlich vollkommen belanglos.

Publikationen

  • Durchgeistete Natur. Ihre Präsenz in Goethes Dichtung, Wissenschaft und Philosophie, hg. gemeinsam mit Alfred Schmidt, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2000.
  • Arthur Schopenhauer, in der von Otfried Höffe herausgegebenen Beck’schen Reihe große Denker, München 2000.
  • Geist und Geld – Die zweite Natur des Menschen, 2001 im mentis Verlag Paderborn.
  • Wozu benötigen Führungskräfte Philosophie? Autonomie und Freiheit durch methodisches Denken, Reihe Ronneburger Texte, Büdingen 2004.

Siehe auch

Links