Traktat: Lilo Almog – Frauen als Freimaurer: Unterschied zwischen den Versionen

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Seit 20 Jahren bin ich Mitglied des österreichischen ‚[[Droit Humain|Droit Humain (DH)]]’. Als die Möglichkeit des Beitrittes an mich herangetragen wurde, gab es für mich genau EINE Freimaurerei, und die war den Männern vorbehalten. Erfreut über die sich eröffnende Perspektive in einen gemischten Orden einzutreten, habe ich gerne zugesagt, mich offenen Herzens befragen lassen und wonnig ins Aufnahmeritual gestürzt.
  
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*Website von Lilo Almog: http://www.lilo-almog.at/bio.html
 
*Website von Lilo Almog: http://www.lilo-almog.at/bio.html
 
  
 
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Version vom 10. Januar 2016, 10:47 Uhr

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Lilo Almog ist eine erfahrene Schwester im österreichischen ‚Droit Humain’.
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Einführung: Frauen und Männer in der Freimaurerei

Dies war von Anfang an ein Thema in der Freimaurerei. Als sie in England um 1600 entstand, war sie ein Werk der Männer. Klar: In der Barockzeit hatten die Frauen das Haus zu hüten. In feinen Kreisen führten sie vielleicht einen Salon, aber vereinsartige Treffen in Wirtshäusern waren ihnen verwehrt. Das führte schon damals zu Problemen weil der Ausschluss der Frauen nicht so recht zu den freimaurerischen Grundsätzen passte. Es gab dann Hilfskonstruktionen wie die Adoptionslogen, aber je mehr sich die Frauen ihren Anteil am öffentlichen Leben erkämpften, desto unbefriedigender wurde die Lage. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts führte das schließlich in Frankreich zur Gründung des ‚Droit Humain’, des ersten Freimaurersystems für Frauen UND Männer. Weitere Gründungen folgten, auch von rein femininen Logen, so dass die Welt der Freimaurer heute aus männlichen (immer noch die große Mehrheit), aus weiblichen und aus gemischten Obödienzen besteht. Jeder Mensch, der den Kontakt zu Freimaurern sucht, kann sich aussuchen, welche der drei Varianten für ihn am besten passt.

Diese Entwicklung ändert natürlich nichts daran, dass in der Freimaurerei gelegentlich diskutiert wird, ob es in der Art, wie Männer und wie Frauen damit umgehen, Unterschiede gibt. Und wenn ja, welche. Eine Frage, die wohl jeder und jedem bekannt vorkommt, wird sie doch auch in vielen anderen Lebensbereichen immer wieder aufgeworfen.

Die österreichische Freimaurerin Lilo Almog hat dazu im Juni 2011 in einem Workshop der österreichischen Loge ‚Lux Rosenau’ einen ganz persönlichen Vortrag gehalten.

Die ‚Lux Rosenau’ ist eine Deputationsloge im Verband der ‚Großloge von Österreich’. Mehrmals im Jahr veranstaltet sie im österreichischen Freimaurermuseum Rosenau Symposien zu Fragen innerhalb und außerhalb des freimaurerischen Themenkreises. 2015 hat sie die Vorträge eines Jahrzehnts im internen Protokollbuch „Auf den Flügeln der Morgenröte“ abgedruckt. Den folgenden im Einvernehmen mit der Autorin gekürzten Vortragstext entnehmen wir diesem mehr als sechshundertseitigen großformatigen Werk.

Das Freimaurer-Wiki dankt Lilo Almog und der Loge ‚Lux Rosenau’ für die Erlaubnis, den Vortrag hier wiedergeben zu dürfen. Rudi Rabe.


Der Droit Humain Österreich: von Frauen dominiert

Lilo Almog ist eine vielseitige bildende Künstlerin. Sie beschäftigt sich besonders mit Modekunst und Bühnenkunst im weitesten Sinn.

Seit 20 Jahren bin ich Mitglied des österreichischen ‚Droit Humain (DH)’. Als die Möglichkeit des Beitrittes an mich herangetragen wurde, gab es für mich genau EINE Freimaurerei, und die war den Männern vorbehalten. Erfreut über die sich eröffnende Perspektive in einen gemischten Orden einzutreten, habe ich gerne zugesagt, mich offenen Herzens befragen lassen und wonnig ins Aufnahmeritual gestürzt.

Seither habe ich viel dazugelernt, mein Wissen und meine Ansichten erweitert und variiert und bin sicher nicht am Ende meiner Weisheit. Betrachtet also bitte diesen Vortrag als Zwischenbericht.

Über den Droit Humain

Zunächst möchte ich einige Worte über meinen Orden sagen: Der DH wurde in Paris 1893 von Maria Deraismes und Georges Martin gegründet. Der DH-Österreich wurde 1922 ins Leben gerufen; wir haben also bald einen runden Geburtstag.

Die vier Säulen des DH sind, seit Anbeginn und unverrückbar:

  • Internationalität (Oberster Rat in Paris mit erheblichem Weisungsrecht)
  • Durchgängig der Schottische Ritus vom ersten bis zum 33°
  • Für Männer und Frauen
  • Laizität: es steht uns frei an ein höheres Prinzip zu glauben oder nicht zu glauben ebenso wie an ein Weiterleben oder Nichtweiterleben nach dem Tod.

Ich halte den Punkt „Laizität“ und den implizierten Verzicht auf die „vertikale Transzendenz“ mittlerweile für den am schwersten wiegenden Unterschied zu anderen Obödienzen. Uns eröffnet sich hier mit der Konzentration auf „horizontale Transzendenz“ die Perspektive der Arbeit mit und am Menschenbild und nichts Anderem. Das heißt auf die radikale Forderung einer ausschließlich humanbezogenen Ethik.

Aber heute bin ich ja hier um über die Genderfrage zu sprechen und dem werde ich mich bald zuwenden.

Zuvor noch ein Wenig zur Entwicklung des DH: Sehr bald nach der Geburt aus dem Geist der französischen Tradition – mehr Offenheit für Frauen, Weltzugewandtheit, Säkularität – hat sich, vom hin-und herschwappenden Zeitgeist angelockt, ein ganz anderes Element hinzugesellt. In Gestalt der Anna Besant, lange Jahre Sekretärin der Madame Blawatsky, hat sich die Theosophie Eingang verschafft. Bis heute stellt sich der DH bipolar dar, eine Ellipse mit einem Fokus in der Aufklärung und einem in einer ziemlich eklektizistischen Esoterik. Ich gestatte mir das sehr subjektive Urteil, dies mit dem Bild der 13. Fee an der Wiege des Neugeborenen zu beschreiben. (Die 13. Fee ist jene, welche das Königskind Dornröschen mit einem Fluch belegte, weil sie nicht zur Taufe eingeladen wurde. R.R.)

Die Entwicklung des Droit Humain in Österreich

Zur Geschichte des DH-Österreich möchte ich in Hinblick auf mein heutiges Thema folgende Bemerkungen machen:

Wir wissen alle ganz genau, dass jede Nation die Freimaurerei hat, die sie verdient, sachlicher ausgedrückt, dass die Freimaurerei nichts anderes kann als die gesellschaftliche Realität widerzuspiegeln. Das heißt, dass in der ersten Phase des österreichischen DH, also zwischen Gründung und fast völliger Vernichtung durch den Nationalsozialismus, die Gewichtung zwischen Männern und Frauen im Sinn der Hoffnung auf Fortschritt ziemlich ausgeglichen war.

Das ändert sich mit der Wiedergründung im Jahr 1955. Dem allgemeinen Nachkriegs-Flashback in der Frauenfrage hatten die von Westeuropa inspirierten WiederbegründerInnen nicht lange Widerstand zu bieten. In einer Vor-Email-Epoche war die Kommunikation, der Austausch im Aufbau doch vorwiegend aus lokalen Quellen gespeist, das heißt der Einfluss der wohlmeinenden Brüder/Gemahle hat sowohl inhaltlich gewirkt als auch was die Geschlechterzusammensetzung der Gruppe betraf.

Bis heute tragen – ich sage gleich grad heraus „schleppen“ wir Einsprengsel aus der Kultur der Großloge von Österreich, die bekanntlich nur Männer aufnimmt, ebenso mit wie den Umstand, dass der DH-Österreich erst seit den späten 1990iger Jahren auch tatsächlich Männer aufnimmt. Und es werden jedes Jahr mehr.

Lange Jahre war es Usus, die Gemahlinnen bei uns zu parken, wohlmeinend, um ihnen auch Zugang zum eigenen Wertesystem und Erleben zu ermöglichen; und weniger wohlmeinend, um sie beschäftigt zu halten und einen weiteren freien Abend in der Woche zu haben.

Aber nicht die freimaurerische Realität zu beweinen, sondern sie zu rühmen bin ich hier. Und ruhmreich ist, dass wir immer wieder Wege der Verständigung und der gemeinsamen Reflexion finden, wie eben hier und heute. (Zu den Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen der ‚Lux Rosenau’ sind regelmäßig alle Obödienzen eingeladen. R.R.).

Der DH-Österreich als frauendominierte Organisation: genug von der Vergangenheit, wie sehe ich unsere Realität heute und in der Zukunft?

Der österreichische Droit Humain heute

Wir sind eine wachsende Bewegung: in „meinen“ 20 Jahren sind wir von drei auf 16 blaue und sechs Hochgradlogen angewachsen. Drei weitere sind in Gründung. (Diese Zahlen beziehen sich auf 2011, als Lilo Almog diesen Vortrag hielt. Inzwischen ist der österreichische DH weiter gewachsen: Infos hier).

Wir sind hungrig und vom Konzept her dynamisch: Unsere Internationale Konstitution MUSS in regelmäßigen Abständen überarbeitet werden, ebenso die nationalen Reglements. Zu jedem Internationalen Konvent (alle 5 Jahre in Paris) gibt es Arbeitsgruppen, die sich mit neuen Gedanken beschäftigen.

Wir sind – immer noch – im Stadium der kollektiven Unschuld indem wir nach wie vor keine Pfründe zu vergeben haben und daher jeglicher Verdacht der „Geschäftemaurerei“ an uns abprallt. Wir sind - ein erstes Schlaglicht auf die Frage ob es biologisch/psychologisch unterschiedliche Präfigurationen gibt – ganzheitlicher in unserer Beurteilung von Persönlichkeiten: Wir sind weit weniger beeindruckbar durch brillante Baustücke/Zeichnungen und dann gesonnen, über offensichtliche moralische Defizite hinwegzusehen. Das führt zum berechtigen Vorwurf mangelnder Sachlichkeit, es macht uns aber auch weniger korrumpierbar.

Wir stammen - wie es die Gesamtschau auf die heutige Freimaurerei ja überhaupt zeigt – in der überwältigenden Mehrheit aus einer recht dünnen gehobenen Mittelstandsschicht, die sich nicht durch Progressivität auszeichnet. Wir sind also auch tief verstrickt in ein recht konservatives weibliches Selbstverständnis und heben nur zaghaft unsere Köpfe. Aber wir heben sie. Zunächst um erschreckt festzustellen, wie viel an vorauseilendem Gehorsam, an unreflektierter Duldung und unter allerlei Rechtfertigungen verborgene Ängstlichkeiten uns daran hindern, unserem selbstgewählten Auftrag, freie Menschen guten Rufes zu sein, zu folgen. Dieses Schicksal teilen wir aber weitgehend mit unseren Brüdern, hier in dieser immer noch katholisch-konservativen, autoritär geprägten Gesellschaft. Uns im Ringen um die Freiheit gegenseitig zu unterstützen sind wir Freimaurer geworden. Mögen wir es nie vergessen.

Spezifisch weiblich? Spezifisch männlich?

Wenn ich mich nun – endlich – dem Kern meines Themas zuwende, nämlich ob die von Frauen dominierte Realität des DH-Österreich den Schluss auf eine „weibliche Freimaurerei“ zulässt, so tue ich das unter folgender Prämisse: Wir sind noch so weit von der Auflösung gesellschaftlich-historisch bedingter Verstrickungen unserer Rollenbilder entfernt, dass Spekulationen über die eventuell vorhandenen unverrückbaren biologischen Grundlagen mir müßig erscheinen. Alles, was mich im Folgenden beschäftigen wird, ist die Auseinandersetzung mit veränderbaren Bedingungen – als ein wahrhaft freimaurerischer Ansatz beim Glauben an den Fortschritt der Menschheit.

Ich glaube auch nicht an spezifisch weibliche oder männliche Symbole und wenn der Gedanke geistert, die Werkzeuge des Steinmetzes seien doch der Natur der Frau fremd, halte ich das für sexistisch. Und wenn davon die Rede ist – und ich gestehe, so einen Ausritt habe ich mir in meiner Vergangenheit selbst einmal erlaubt – dass zum Beispiel die Bilderwelt der Gärtnerei der Gebärerin und Hegerin viel besser entspricht, so lade ich heute meine Brüder dazu ein, vielleicht auf diesem Wege ihrer eigenen weiblichen Seite näher zu treten.

Es geziemt sich für uns als Freimaurer beiderlei Geschlechts, das Verrückbare über das Unverrückbare zu stellen und trotz des zähen Widerstandes, der uns aus der jahrhundertelangen Geschichte fesselt, an der Verwirklichung des Bildes von freien und gleichen Menschen zu arbeiten. Etwa indem wir den Frauen Zugang zu ihren männlichen und den Männern Zugang zu ihren weiblichen Anteilen eröffnen. Und uns alle endlich zu freien Bürgern machen.

Nun zu ein paar konkreten Denkansätzen: Ich erinnere mich an das Baustück eines Bruders, in dem er konsequent ausführte, dass die von der symbiotischen Beziehung zwischen Mutter und Tochter ausgehende geringe Seinsspannung des weiblichen Menschen ein Initiationserlebnis grundsätzlich unmöglich mache.

In meinem Weltbild bedeutet „Initiation“ einen Vorgang, in dessen Verlauf eine Person durch festgelegte rituelle Handlungen einer physischen und psychischen Erschütterung unterworfen wird, deren Ziel die Eingliederung in eine Gemeinschaft ist. Diese Eingliederung erfolgt unter einer bestimmten Erwartungshaltung, der Erwartung, innerhalb des Wertesystems dieser Gemeinschaft einen bestimmten Status (zum Beispiel den des Erwachsenen) zu erfüllen. Die Beschreibung dieser Rolle ist Teil des Diskurses dieser Gemeinschaft und somit eine Definitionsfrage - sie ist keine naturgegebene Größe oder die Verfügung einer transzendenten Autorität. Sie ist Teil der gesamten Selbstdefinition der Gruppe und Bestandteil des Erziehungssystems. Das Ziel der Erziehung ist die Erreichung dieses Rollenbildes, das durch die Initiation mehr oder weniger schockartig zur Vollendung gebracht wird.

Beschreibt nun eine Gesellschaft ein handlungsfähiges Mitglied als Subjekt, dessen erwünschte kreative Leistung aus der Spannung zwischen „Ich“ und „Welt“ seine Kraft schöpft, so wird sie einerseits ihren Nachwuchs darauf hin erziehen, und anderseits ihre Initiationsriten darauf abstimmen. Wenn unsere Welt Rollenbilder für kreative Frauen vorsieht, werden wir initiationstauglich sein. Dies zur Frage des unmittelbaren Eintritts in die Freimaurerei.

Die weitere Orientierung eines neuen Mitgliedes der Kette ist wesentlich von der Neigung bestimmt, sich eher dem rationalen, der Aufklärung verpflichteten Brennpunkt der Ellipse zu nähern oder dem esoterisch-spirituellen. Beide Kondensationskerne sind Antwort auf die historische Situation der Begründung der spekulativen Maurerei und stellen in ihrer Wechselwirkung den anhaltenden Zauber der Freimaurerei dar.

Mag sich diese Wahl für den Einzelnen oder die Einzelne als ganz und gar persönliche Entscheidung darstellen, so ist sie doch wesentlich beeinflusst von allgemeinen Parametern der materiellen und historischen Situation, der kulturellen Herkunft, der ethnischen und religiösen Vorgeschichte, vom biologischen und mehr noch vom sozialen Geschlecht.

Könnte es nun sein, dass Frauen sich eher der esoterischen als der ratio-betonten Seite der Freimaurerei zuwenden?

Rationales und Esoterik in der Freimaurerei

Die Gründungsgeschichte der spekulativen Maurerei stellt sich mir als weises Angebot dar, etwas vom mit der Religion verloren gegangenen Geheimnis dort wiederzufinden, wo es aufzuspüren wir bis heute beschäftigt sind - in unserem Inneren. Der kühne Schritt aus der Gottgehaltenheit in die Selbstbestimmtheit des eigenverantwortlichen Handelns ist doch von einem kalten Wind begleitet, der uns leicht zurückdrängt in die alten Sicherheiten.

Der mutige Aufbruch der Aufklärung drohte ohne entsprechende Abpolsterung der Notwendigkeiten des Gemüts rasch zu enden im vollständigen Zurückkriechen in eine halbherzige Restauration. Da gibt die Einbindung in die uralten Formen des Mysterienkultes Halt und Geborgenheit, eines Kultes, der im alten Rom aus dem Osten kommen mit seinen schwebend leichten Seidenschleiern, seinen schwülen Düften und seinen hochgezüchteten Früchten große Erfolge feierte. Sein Raffinement und seine subtile Tiefenwirkung ließ die schlichte Bauern- und Ahnenreligion der Sieger blass aussehen.

Das Verbindende des Rituals ist der Ausdruck menschlicher Gemeinschaft, in einer kollektiven Anstrengung Moral und Weltbild als dauerhaft sinnstiftend zu konstituieren. Schon die frühen Schritte des Geistes in die Unabhängigkeit einzubinden, in die Verantwortlichkeit gegenüber den Mitmenschen und der Welt, ist eine ethische Leistung von größter Nachhaltigkeit. Freimaurerei erhält das Strahlen der Aufklärung, in dem sie zur Unabhängigkeit des Denkens ermutigt, aber das Abgleiten in den enthemmten, egoistischen Rationalismus durch die Verbindlichkeit einer humanen Ethik verhindert.

Sie bedient sich zur Erreichung dieser Absicht der poetischen Sprache, die älter und weiterreichend ist als das Christentum und die Chance bietet auf eine Ergriffenheit, die unsere vernunftbegründeten guten Absichten in der irrationalen, wirkmächtigen Tiefen unserer Persönlichkeit verankern kann.

Diese Bilder von Symbol und Mysterium dienen der Anbindung der als recht und richtig erkannten Haltung an tiefere, dem „Licht des Verstandes“ weitgehend entzogene Anteile unseres Seins. So stehen an der Wiege unserer heute praktizierten, neuzeitlichen Maurerei ganz verschiedene Feen und reichen Gaben, die einander gerade durch ihre verschiedene Herkunft wirkmächtig ergänzen.

Es erscheint mir richtig, sich den Weg des menschlichen Geistes seit seinem Erwachen und Bewusstwerdens seiner selbst als einen Prozess der Verinnerlichung zu verstehen. Im Animismus früher Kulturen ist alles belebt und alles mit allem verbunden. Alles spricht. Die Welt ist ein Gesang. Später sprechen nur noch die Götter. Noch später bloß noch EIN Gott, durch seine Propheten. Dann verstummt auch er – lässt den Menschen zurück im einseitigen Monolog des Gebetes, SEINE Stimme ist nun in uns: das Gewissen. Zuletzt emanzipiert sich auch das Gewissen als eine eigene, innere Instanz der individuellen moralischen Entscheidung. Eine Funktion des Über-Ichs.

So wie das physische Entstehen des Individuums zu begreifen ist als das geraffte Durchlaufen unserer gesamten Entwicklungsgeschichte mit beibehaltenen Fragmenten aller Stadien erscheint mir auch unsere soziokulturelle Geformtheit gut darstellbar als Wiederholung des Allgemeinen im Individuellen. Auch als Kulturwesen tragen wir die Stadien des Werdens mit und sind auf den Ebenen unseres Gewordenseins ansprechbar. Deshalb ist es im Sinn einer ganzheitlichen Selbstformung zu einem wahrhaft menschlichen Wesen sicher richtig, eine Sprache zu finden, die ihren Widerhall in diesen unseren alten Anteilen findet. Das Echo aus den tiefen Brunnenschächten der Zeit macht den Klang der Seele voll und reich.

Dazu gehört das Spiel mit dem Elitären des von Wenigen, von Auserwählten geteilten Geheimnisses ebenso wie die alten Bilder der Sehnsucht nach dem Licht und das dunkle Rauschen des Rades von Tod und Wiedergeburt. In diesen Zitaten liegt das Esoterische der Freimaurerei, das subtile Balancieren mit dem Ein-und-Ausgeschlossen-Sein, die Verschworenheit der Dazugehörenden und die Abgrenzung gegenüber denen draußen.

Gewinnen diese Zitate aber die Oberhand gegenüber dem eigentlichen Text, ist die Grenze zum Sektierertum überschritten. Wenn die Einrichtung in üppigen Ritualen, weltflüchtigen Symbolgebäuden und wärmespendenden Unterwerfungsgesten unter eine väterliche Autorität das Ringen um die eigene Mündigkeit überwuchern, ist es wahrscheinlich Zeit zu einer kritischen Reflexion.

Diese meine Überlegungen befassen sich mit den Inhalten und Methoden der Freimaurerei auf einer geschlechtsneutralen Ebene. Nun möchte ich mich der Möglichkeit des besonderen, weiblichen Zugangs zuwenden.

Frauen sind formal strenger und neigen zur Esoterik

Es ist mir wichtig, ein weiteres Mal den subjektiven, spekulativen Charakter zu betonen. Ohne aufwändige Studien über einen längeren Zeitraum bleiben meine Beobachtungen Beschreibungen des Atmosphärischen und die Schlüsse daraus sind als Anregung zur weiteren Auseinandersetzung gedacht. Noch dazu ist mir ja der direkte Zugang zu den Arbeiten der männlichen Logen verwehrt, der Vergleich also auf Berichte beschränkt.

Insgesamt ergibt sich das Bild, dass Frauen mehr Strenge im Formalen walten lassen und der esoterischen Seite zugeneigt sind.

Trifft das zu, so passt es zu den Erfahrungen, die ich über Jahre in verschiedenen Bereichen gemacht habe, in denen Frauen unter sich sind. Auch die Freimaurerei gehört zu den erst vor kurzem erschlossenen Gebieten weiblicher Tätigkeit. Das mit der Eroberung neuen Terrains verbundene Streben nach Perfektion hat sicherlich den frischen Glanz der Sehnsucht nach Reinheit. Aber es besteht auch die Sorge, dass der Eifer der neu Hinzugekommenen zu einer gewissen Rigidität führen kann, zu formalistischer Starre, die die nötige Freiheit im Zugang zu den wahren Inhalten behindert.

Meine vorangegangene Analyse zeigt Esoterik als häufig bestimmt von der Absicht, auf schwer erträgliche Konflikte mit den Fragen nach Sinn und Eigenverantwortlichkeit in eine pazifizierende, behübschende, „höhere“ Ordnung zu entfliehen. Es könnte auch sein, dass Frauen sogar in ihrer biologischen Determination einen konsensuelleren, harmonischeren und kommunikativeren Zugang zur Welt haben als Männer. Geraten sie aber an den Abgrund der Seinsfragen, trifft sie der Schmerz der Verlassenheit sicher nicht anders - und ihre Betroffenheit über die Unzulänglichkeit des menschlichen Zusammenlebens ist bestimmt nicht geringer. Aber die Jahrhunderte lange spezielle Sozialisation von Frauen schafft andere Voraussetzungen, mit diesen Konflikten umzugehen.

Das Selbstvertrauen, neue Wege zu beschreiten, die Lust an der eigenen Gestaltungsfähigkeit, den Mut, für eine Idee in den Kampf zu ziehen, das Durchhaltevermögen, an sich zu glauben über eine lange, lange Zeit der Anfeindungen, alle diese Tugenden der Weltverbesserer sind uns Frauen zwar auch in die Wiege gelegt, aber nicht mit uns gemeinsam aus der Wiege herausgewachsen. Die Biographien besonderer Frauen zeigen, dass sie die Benachteiligung des geringeren Selbstwertgefühls oft nur mit einer verstärkten emotionalen Aufrüstung wettmachen können. Dieses Gefühlsfeuer macht sie aber bei bedrohlichen Konflikten noch angreifbarer und die Neigung, sich gleichsam als Rückendeckung das Bewusstsein einer höheren Sendung zu holen, kann sich leicht verselbständigen. Wird der Druck zu hoch, bricht die Selbstbestimmung zusammen und die Rettung liegt in der Flucht in die entlastende Autorität.

Auch die zum lange bewährten Bild der Frauen gehörende Zuständigkeit für das Schöne verleitet dazu, sich im Schöngeistigen heimisch zu machen. Es ist meine Überzeugung, dass diese und weitere Züge des Lebens und Handelns von Frauen Ausdruck ihrer derzeitigen Situation und das Produkt generationenlanger Erziehung sind. Die Schwierigkeiten Netzwerke zu bilden, sich in Hierarchien zurechtzufinden, Loyalitäten zu bilden und durchzuhalten – alle diese Defizite sind immer wieder auch bei anderen Angehörigen unterprivilegierter Gesellschaften anzutreffen. „Sklavenmentalität“ – das ist ein hartes Wort, aber es beschreibt, was ich ausdrücken möchte. Es ist auch nicht damit getan, den Stiefel vom Nacken zu nehmen und zu sagen „stehe auf und wandle!“

Der Selbsterziehungsprozess – und nur ein solcher kann es sein – wird wohl noch lange dauern. Es ist Arbeit am rauen Stein. Es ist unsere Arbeit. Seit mehr als Hundert Jahren arbeiten wir daran im Rahmen des „Droit Humain“ – das ist der Weg, der hinter uns liegt, voll Hoffnung blicken wir auf den Weg vor uns.

Mein ganz persönliches Résumé

Zum Abschluss möchte ich meine Gedanken in folgenden Punkten zusammenfassen:

  • FreimaurerInnen verstehen sich als Elite in der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Sie glauben an den Fortschritt der Menschheit. Zur Erreichung ihrer Ziele bedienen sie sich der initiatorischen Elemente und Rituale der Mysterienkulte. Esoterik ist Teil und Instrument der Arbeit.
  • Parallel zur Verinnerlichung der Instanzen zur Beantwortung der Seinsfrage geht die Annahme der Eigenverantwortlichkeit.
  • „Geheimnis“ meint das im Wort nicht Ausdrückbare, nicht das dem Verstehen Entzogene – daher die Suche nach dem Wort.
  • Die Spannung, die zwischen der Idee und ihrer Verwirklichung entsteht, verleitet gelegentlich zur Preisgabe des kritischen Ansatzes zugunsten einer pseudoreligiösen Gottgehaltenheit.
  • Auf Grund ihrer historischen und soziokulturellen Bedingtheit sind Frauen möglicherweise der eskapistischen Seite der Esoterik eher zugeneigt.
  • Es ist Teil der maurerischen Arbeit, sich auch die Möglichkeit zum rationalen, die Gesellschaft gestaltenden Zugang besser zu erschließen.
  • Der Internationale Freimaurerorden für Männer und Frauen ‚Le Droit Humain’ setzt sich seit seiner Gründung dafür ein, konstruktive Rahmenbedingungen für diese Entwicklung zu schaffen. Wir, die Mitglieder, geben diesem Orden Gesicht und Gestalt.

Mögen wir dem Auftrag gerecht werden.

ÖFlag.jpg

Siehe auch


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