Traktat: Was wir heute von einem Mann lernen können, der wegen einer verführerischen Frau seinen Kopf verlor

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Was wir heute von einem Mann lernen können, der wegen einer verführerischen Frau seinen Kopf verlor

Zeichnung von RK zum Johannisfest 2015 der Distriktsloge Hamburg


Ich rede von Johannes dem Täufer, der gestern vor fast zweitausend Jahren als Sohn des schon betagten Priesters Zacharias und dessen Ehefrau Elisabeth in Ein Kerem im heutigen Israel geboren wurde. Wir wissen von ihm durch die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, aber auch durch einen römischen Historiker mit Namen Flavius.

Seine dramatische Geschichte berührt. Er ist ein Zeitgenosse Jesu Christi, fast gleichaltrig, wie das Neue Testament erzählt, exakt sechs Monate vor Christi Geburt, die wir an Weihnachten feiern, also am 24. Juni geboren. Erst als Endzwanziger macht er Geschichte. Er kommt aus der Wüste und predigt die Ankunft des Erlösers und damit das Ende der Zeitrechnung. Wer gegenüber dem jüngste Gericht bestehen wolle, der müsse jetzt Buße tun, umkehren und bereuen.

Er muss charismatisch auf die Menschen gewirkt haben und verstärkte diesen Eindruck durch sein Gewand und das, wovon er sich ernährte: Nach dem Markus-Evangelium war er nur mit einem Gewand aus Kamelhaar mit einem lederner Gürtel um seine Lenden bekleidet. Ernährt haben soll er sich danach von Heuschrecken und wildem Honig.

Am Jordan taufte er alle, die bußfertig waren mit dem reinigenden Wasser. König Herodes ließ ihn zunächst durch seine Soldaten schützen. Als Johannes der Täufer aber denselben König Herodes des Ehebruchs mit der Frau seines Bruders zieh, ließ er ihn ins Gefängnis werfen. Für Herodes war diese Sache damit erledigt, nicht aber für die Ehebrecherin mit dem Namen Herodias. Sie verfolgte von da an Johannes den Täufer mit ihrem Hass.

Bei einer Feier tanzte die Tochter der Herodias - ihr Name war Salome - den Tanz der sieben Schleier. König Herodes war davon so angetan, nach Richard Strauß vor allem, weil auch der siebte - und letzte Schleier - dabei fiel, dass er Salome versprach, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Die fragte ihre Mutter um Rat und forderte dann den Kopf des Johannes des Täufers. Die Evangelien schildern, dass Herodes wohl mit diesem Wunsch nicht gerechnet hatte, aber zugleich einsah, dass er jetzt nicht mehr zurückkonnte. Auf seinen Befehl hin verlor damit Johannes der Täufer noch im Gefängnis und wohl noch am selben Tag, am Tag des Schleiertanzes, seinen Kopf.

Soweit der dramatische Teil der Geschichte von Johannes dem Täufer. - Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir mit dem Johannisfest nicht diesen Aspekt der Agenda von Johannes dem Täufer feiern.

Bleibt die Frage, welchen dann?

Nicht nur für die christlichen Kirchen ist Johannes der Täufer eine bedeutende Persönlichkeit. Er gilt als Prophet, der letzte vor Jesus Christus und auch der Islam sieht in ihm einen bedeutenden Propheten. Und wenn man sich die vier Evangelien anschaut, stellt man sehr schnell fest, dass keiner anderen Person, außer natürlich Jesus Christus, darin soviel Raum gewidmet wird, wie Johannes dem Täufer.

Für die christlichen Kirchen gilt er als Heiliger und damit zugleich als Schutzpatron. In unserem Lehrlingskatechismus heisst die Antwort auf die Frage: Warum heißen alle Logen Johannes-Logen? - Weil die alten Freimaurer Johannes den Täufer zu ihrem Schutzpatron erwählten.

Unsere Frage heute könnte sein: warum? Warum haben sie gerade ihn erwählt?

Die Auskunft von Wikipedia ist dabei wenig tröstlich, denn viele Gewerke haben sich Johannes den Täufer zu ihrem Schutzpatron erkoren. Darunter die Gastwirte, die Winzer, die Sattler, die Schornsteinfeger und nicht zuletzt - ich verbeuge mich vor unseren musizierenden Brüdern - die Musiker. Für uns wichtig sind dabei die Architekten und die Maurer.

Und doch gibt es da einen sehr bedeutenden Unterschied zwischen den Angehörigen der Dombauhütten und den Lehrlingen, Gesellen und Meister anderer Gewerke. Die Dome, Klöster, Kirchen und Kapellen, die aus dem Wissen und dem packenden Handwerk der „alten Maurer“ heraus entstanden, dienten einem Zweck: der Nähe zu Gott, für uns Freimaurer: der Nähe zu dem Großen Baumeister aller Welten.

Es liegt nahe, dass da kein anderer Schutzpatron in Frage kam und hätte er sich noch so standhaft und tapfer für die Verbreitung des Evangeliums mit Mund und Körper eingesetzt.

Dafür gibt es Belege. Dazu fand ich in der Zeichnung eines Bruders namens Freiherr von Wedekind aus dem Jahr 1818 diesen Hinweis.

„… wissen wir auch aus deutschen Maurerurkunden und kann aus den Nachrichten von dem 1277 angefangenen Bau des Straßburger Münsters her bewiesen werden, aus welchen ich nur Folgendes ausführen will:

Die Direktion des Baues führten bald mehr, bald weniger Baumeister. Aus diesen wurde jährlich einer als Vorsitzender der über die Vorfälle und Angelegenheit der Hütte, oder Loge, entscheidenden Versammlung gewählt. Dieser Meister thronte unter einem Baldachin und führte ein bloßes Schwert in einer Hand, zum Zeichen der ihm verliehenen Gerichtsbarkeit. … Traten neue Bauleute hinzu, so mussten sie auf dem Evangelium und bei dem heiligen Johannes demTäufer die Statuten …beschwören.…“

Exakt das geschah dann auch bei der Gründung der ersten Grandlodge in London und natürlich nicht irgendwann 1717 sondern exakt am Geburtstag Johannes des Täufers am 24. Juni.

Auch in England hatten die politischen Verhältnisse dazu geführt, dass Menschen, die das freie Wort und gleichgesinnte Zuhörer suchten und sich dabei vor den Spitzeln des politischen Systems schützen wollten, die mittelalterlichen Bauhütten wieder entdeckten. Sie baten um Annahme und von da an verzeichneten die Bauhütten freie Maurer und angenommene Maurer. Die Bezeichnung unserer Großloge, kurz AFAM, ist also keinesfalls zufällig.

Die Männer von vier Bauhütten hatten sich am Johannistag des Jahres 1717 in der Taverne „Goose and Gridirion“ zu Deutsch „Gans und Bratrost“ versammelt, um sich zukünftig gemeinsam unter dem Dach einer Großloge zu treffen. Es fällt auf, dass alle vier Logen keine eigenen Namen führten, sondern einfach unter den Namen der Tavernen, in denen sie sich trafen, auftraten. Drei der vier Bauhütten bestanden aus nicht viel mehr als 15 Maurern: die aus der „Ganz und dem Bratrost“, die aus dem Ale-House „At the Crown, die aus der Taverne „At Be Apple-Tree. Nur die vierte Loge, die sich in der Taverne „At the Rummer and Grapes“ traf, zählte gute 70 Maurer und wenn man sich die Namen der Männer vom „Rummer and Grapes“ ansieht, erkennt man, dass das Leben dieser Bauhütte vor allem auf den vielen inzwischen „angenommenen“ Maurern beruhte: ich nenne hier nur einige, wie zB den Duke of Richmond und den Duke of Queensbury, Lord Paisley und Lord Waldgrave, den Count La Lippe und den Earl de Lorraine - und nicht zuletzt James Anderson, der wenige Jahre später mit seinen „Alten Pflichten“ Geschichte schrieb.

Mit der Gründung der ersten Johannes-Großloge in London am Johannistag des Jahres 1717 vollzog sich damit sichtbar die Wandlung von der operativen Freimaurerei zur spekulativen.

In den folgenden Jahren versuchte man die „alten Gebräuche der Bruderschaft in eine feste Ordnung zu bringen“, schreibt der bereits zitierte Bruder Freiherr von Wedekind in seiner Zeichnung. Die Verordnung Nr. 22 legte dabei fest, dass zukünftig am 24. Juni eines jeden Jahres mit dem Johannisfest das höchste Fest der Freimaurerei gefeiert werden sollte. .

Die Frage bleibt: was wollten die Freimaurer an Johannes dem Täufer ehren. Was an ihm ließ ihn als Schutzheiligen erste Wahl werden?

War es vielleicht seine Standhaftigkeit, die ihn letztlich den Kopf kostete? Er hatte es gewagt seinen König Herodes zu kritisieren, als der die Frau seine Bruders zur Geliebten nahm. Der machte kurzen Prozess und ließ ihn ins Gefängnis werfen. Interessanterweise hatte Herodes dabei nicht vor, ihn töten zu lassen. Dafür war nach der Bibel der Hass der Ehebrecherin names Herodias verantwortlich. Sie konnte Johannes nicht verzeihen. Das kostete ihn den Kopf, wobei des Neue Testament deutlich macht, dass König Herodes den Befehl, Johannes zu enthaupten, nur höchst widerwillig gab.

Johannes ließ sich den Mund nicht verbieten. Er sprach aus, was nach seiner - und sicherlich auch unserer - Auffassung nach Unrecht war, weil unmoralisch. Ehebruch ist eine Sünde, das steht bereits in den zehn Geboten.

Und doch. Ich meine, Johannes hätte hier besser den Mund gehalten und nichts gesagt. Er hatte, wie uns die Bibel berichtet, eine wichtigere Aufgabe. Er sollte dem kommenden Heiland den Weg ebnen. Und wir, damit gebe ich eine erste Antwort auf mein Thema, könnten daraus lernen, dass wir stets abwägen, bevor wir handeln, uns erforschen, bevor wir etwas tun, das andere oder uns in Gefahr bringt.

Der bereits zitierte Bruder Freiherr von Wedekind ist da anderer Ansicht. Er wettert in seiner Zeichnung gegen alle die, die aus Bequemlichkeit „Gott einen guten Mann sein lassen“ oder, wie er es formuliert: „Unser Johannes wurde ein Opfer seiner Geradheit. Lasst uns darum sein Andenken ehren, weil man wohl fragen darf, wie es denn in der Welt aussehen werde, wenn alle Männer, denen Wahrheit und Recht lieber ist, als ihr Haupt, unter uns aussterben sollten?“

Das ist das wunderbare an der Freimaurerei, dass es darin keine festen Wahrheiten gibt, dass wir stets aufgefordert bleiben, uns mit Ansichten auseinanderzusetzen. Entscheidet selbst: wer hat mehr Recht, Bruder von Wedekind oder ich - und fürchtet nicht, dass ihr darauf vielleicht keine eindeutige Wahrheit findet.

Seid ihr mir soweit gefolgt? - Dann folgt mir noch bei einer weiteren Überlegung, mit der ich herausfinden möchte, inwieweit uns dieser Mann auch heute noch als Vorbild dienen kann.

Dazu müssen wir auf die Umstände der Geburt Johannes des Täufers blicken. Ähnlich wie bei Maria, war auch hier „ein Engel des Herrn“ im Spiel, der den - wie es im Neuen Testament dargestellt wird - betagten Eltern von Johannes des Täufers die Schwangerschaft und die Geburt eines Sohnes in Aussicht stellte. Er machte zugleich deutlich, dass dem Kind eine wichtige Aufgabe zukommen sollte. Er sollte Jesus Christus den Weg ebnen. Und das tat er dann auch, indem er die Menschen dazu aufrief, umzukehren und Buße zu tun.

Johannes der Täufer muss um die 30 Jahre alt gewesen sein, als er immer mehr Zulauf erhielt. Die Menschen strömten herbei und ließen sich von ihm im Jordan taufen. Der Evangelist Markus erzählt das so: „Und es ging zu ihm hinaus das ganze jüdische Land und alle Leute von Jerusalem und ließen sich von ihm taufen.

Auch Jesus Christus machte sich zu ihm auf, um getauft zu werden. Das lehnte Johannes zunächst ab. Ihm war sein Erfolg nicht zu Kopf gestiegen. Er hatte seinen Auftrag, angesichts der Bewunderung, die ihm von den Menschen entgegen gebracht wurde, nicht aus den Augen verloren. Er war nicht der Heiland, den die Propheten des Alten Testaments angekündigt hatten. Seine Aufgabe war schlichter.

Das ist es, was wir heute und in Zukunft von ihm lernen können, und was die Steinmetzbruderschaften des Mittelalters und die Freimaurer der Aufklärung und der Neuzeit in ihm verehrten: wir sollen uns nicht von gesellschaftlicher Anerkennung blenden lassen, sondern den rauen Stein in uns nicht aus dem Auge verlieren. Er symbolisiert die Aufgabe, die uns für unser Leben im Diesseits gestellt ist. Dann vergessen wir auch nicht, dass wir die Ecken der Unvollkommenheit glätten, damit der Stein irgendwann eingepasst werden kann, leicht und recht.

Ich erinnere mich bei diesem Bild an einen Bruder unserer Loge, Wolf Stoffes, der einmal über sich gesagt hat: Er strebe nicht an eine prachtvolle Säule für den Tempel der Humanität zu werden, er werde zufrieden die Werkzeuge aus der Hand legen, wenn sein Stein zusammen mit anderen solide unseren Tempelbau stützen würde.

Ich will meine Zeichnung abschließen mit dem Hinweis auf ein Gemälde Matthias Grünewalds, den Isenheimer Altar. Die mittlere Altartafel beherrscht der gekreuzigte Jesus Christus. Seine Haut ist von dem fahlem Grün eines schwer kranken Menschen. Die Mönche, die dieses Altarbild in Auftrag gegeben hatten, wollten die Kranken, die sie aufgenommen hatten, darauf hinweisen, dass nicht nur sie zu leiden hatten. Sie sollten Trost und Heilung aus der Gewissheit schöpfen, dass ihr Heiland ebensolche Qualen erlitt und überwunden hat. Rechts von Jesus Christus sieht man Johannes den Täufer. Er hebt seine rechte Hand. Ein fast übernatürlich langer Finger deutet auf Jesus Christus im Mittelteil dieses Altars.

Er will uns damit sagen: schaut nicht auf mich. Mein Beitrag ist nicht entscheidend. Seine Lebensleistung ist wichtiger. Schaut auf den gekreuzigten Jesus Christus.

Diese Bescheidenheit möge uns auszeichnen, eine Bescheidenheit in der Zuversicht, dass wir auch weiterhin verlässlich den Aufgaben nachkommen, die uns das Leben stellt. Daran wollen wir uns immer wieder erinnern, wenn wir - wie heute - das Johannisfest feiern.

Es geschehe also!

Siehe auch