Traktat: Wer sind eigentlich die Freimaurer?

Aus Freimaurer-Wiki

Wer sind eigentlich die Freimaurer?

Ein Versuch, Fragen zum Sinn und Schaffen der Freimaurerei in der heutigen Zeit zu beantworten.

Von Kai Stührenberg

Ich schreibe in diesem Artikel in der „Wir-Form“ weise aber daraufhin, dass es sich hier um meine persönlichen Gedanken handelt und nicht um die offizielle Sichtweise der Freimaurerei.

Um kaum eine Gruppierung ranken sich derart viele Mythen und Verschwörungstheorien wie um die Freimaurer. Die vielfältigen Informationsmöglichkeiten, die uns heute zur Verfügung stehen haben diese Situation eher noch verschlimmert, anstatt zu mehr Aufklärung beizutragen. Die Frage ist, ob die Freimaurer daran vielleicht selbst schuld sind, weil sie immer noch zu zentrale Fragen wie z.B. das Ritual so ein Geheimnis machen?

Nun zunächst einmal muss man diese Frage mit „ja“ beantworten, denn wenn man etwas geheim hält, dann schafft das Raum für Spekulationen. Auch wenn heute dem ernsthaften Rechercheur alle Quellen und selbst die meisten Rituale zur Verfügung stehen, so recherchieren die meisten Menschen eben nicht, sondern bilden sich über dubiose Kanäle oder greifen Vorurteile auf und verbreiten diese weiter.

In einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 18.4.2021 wurde der Großmeister der Vereinigten Großlogen interviewt. Nach Meinung vieler Freimaurer und Freimaurerinnen konnte in dem Gespräch mit dem Journalisten der tiefere Sinn der Freimaurerei und ihre Relevanz für ihre Mitglieder nicht in vollem Umfang vermittelt werden. Im Ergebnis kommt der Autor zu dem Schluss, dass die Freimaurer wohl doch eher ein anachronistischer etwas skurriler Verein ist, in dem die Brüder und Schwestern mit Schädeln spielen, hölzerne Liturgien rezitieren, die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben und wegen mangelnder Öffentlichkeitsarbeit und unzureichender Anpassungsfähigkeit immer mehr Mitglieder verlieren.

Ob diese durchaus vorhandenen Herausforderungen den Kern des Gesprächs ausgemacht haben oder nur der Journalist hier den Schwerpunkt gelegt hat, ist nicht von Relevanz. Wohl aber die Frage, ob das Bild, das in der Zeitung gezeichnet wurde, mit den Realitäten ausreichend übereinstimmt.

Da sich viele Brüder und Schwestern in dem Artikel offensichtlich nicht wirklich wiederfinden, ist eine Erweiterung der Betrachtung vielleicht angebracht.


Was machen denn nun die Freimaurer?

In einem Satz: „Wir sind eine Internationale Gemeinschaft deren Mitglieder an ihrer Persönlichkeit arbeiten, sich in rituellen Treffen mit den Fragen des Lebens auseinandersetzen und einen respektvollen und auf Vertrauen basierenden Umgang miteinander pflegen.“

Nun, zunächst muss man sagen, dass es „die“ Freimaurerei gar nicht gibt. Es handelt sich um ein eklektisches System mit unterschiedlichen Lehrarten und darüberhinausgehend noch mit vielen individuelle Auslegungen. Das macht eine Erklärung zur Herausforderung und daher müssen wir uns auf das konzentrieren, was wohl auf das Gros der Freimaurer und Freimaurerinnen zutrifft.

Wir arbeiten tatsächlich im besten Fall an uns selbst. Ja, das mag etwas idealistisch anmuten aber ist es nicht durchaus ein zeitloses Unterfangen, an seiner Persönlichkeit zu arbeiten? Und zwar nicht nur im Sinne der Selbstoptimierung, um die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern, sondern vor allem um sich selbst auferlegten moralischen Standards anzunähern. Im Grunde dreht sich die gesamte Freimaurerei um diesen Kern. Wir sind das älteste Persönlichkeitstraining der Welt und darauf sind wir durchaus ein wenig stolz, denn es funktioniert immer noch sehr gut.

Die Instrumente die wir dafür nutzen sind die Symbolik und das Ritual. Die Symbolik ist alt und durchaus eklektisch, denn neben den Symbolen aus der Bauhüttentradition finden wir Einflüsse aus den unterschiedlichsten Richtungen, die im 17. Jhd. en vogue waren. Dazu gehören das Christentum, die Rosenkreuzer, die Hermetik, die Alchemie und der Neoplatonismus. Einige dieser Begriffe mögen dem Außenstehenden merkwürdig vorkommen und daher vermeiden wir sie in vielen Kontexten, aber letztendlich handelt es sich um zeitlose Inhalte und Botschaften, die in der Freimaurerei über Symbole vermittelt werden.

Unser Ritual, das wir einmal im Monat durchführen ist tatsächlich geprägt von einer alten Sprache. Hier und da modifizieren wir es, um es mehr an den modernen Sprachgebrauch anzupassen. Bei den Inhalten sind wir aber vorsichtig, denn die Ritualtexte enthalten sehr viele Analogien und Bedeutungsebenen, die wir erhalten wollen.

Das Ritual wirkt intellektuell, emotional und spirituell auf den Bruder oder die Schwester. Es ist tatsächlich eine Inszenierung mit Wechselgesprächen. Der Begriff „Tempel“ kommt aus alten Zeiten aber im Grunde passt er sehr gut. Auch wenn wir weder Religion, noch Religionsersatz sind, so geht es uns im Tempel auch um eine spirituelle Dimension. Das mag für manch einen nach Trivialesoterik aus der Thalia Lifestyle Ecke klingen aber letztendlich ist die Hinwendung zum Geiste, das ruhige Nachdenken und das Erspüren der eigenen Gefühle nun wirklich kein Hexenwerk, sondern etwas, wonach viele Menschen in dieser hektischen Welt suchen und was für jeden Menschen einen großen Mehrwert mit sich bringen kann.

Auf dem „Altar“ liegt bei uns die Bibel, die Thora oder der Koran. Heilige Bücher also. Aber auch bei diesen Reliquien geht es trotz der durchaus christlich geprägten Historie nicht um das Bekenntnis zu den monotheistischen Religionen, sondern um die Prinzipien, die mit diesen Büchern verbunden werden können, letztendlich wieder um Symbole.

Wir gewähren Außenstehenden keinen Einblick in unser Ritual aber das ist kein Bug, sondern ein Feature. Denn da die Bedeutung unseres Rituals sich beim zweidimensionalen Blick durch eine Kamera nicht erschließen würde und der Anblick von Männern und Frauen, die im Kerzenschein mit weißen Schurzen und Lametta um den Hals im Kreis rumrennen, manche auch noch mit Zylinder, auf den oberflächlichen Betrachter eher etwas lächerlich anmuten würde. Außerdem sind wir ein Intiationsbund und Initiation lebt nun mal vom verborgenen, von der Überraschung von der tiefgehenden emotionalen Erfahrung. Das der Öffentlichkeit preiszugeben wäre letztendlich nur Exhibitionismus und hätte für niemanden einen Mehrwert.

In anderen Ländern geht man damit offener um, und zeigt sich auch mal in Paraden auf der Straße. Diese eher etwas militärisch anmutende Form entspricht aus vielen Gründen nicht der Deutschen Freimaurer DNA.

Wir halten die Tempel und das was dort passiert also geheim, weil es sonst seinen Reiz verlieren würde und die Initiation und das emotionale Erleben nicht funktionieren würden.

Ein wichtiges Thema bei uns ist die Geselligkeit aber eben auf einem entsprechenden Niveau. Durch die Übernahme von Ämtern, gemeinsames Wirken, Vorträge und Veranstaltungen lernen wir im Dialog zu bleiben und miteinander umzugehen.

Neben den bekannten drei Johannesgraden Lehrling, Geselle und Meister gibt es auch noch eine Vielzahl von sogenannten Hochgraden. Das sind vertiefende Angebote, die man annehmen kann oder auch nicht. Sie stellen weder eine Hierarchie da, noch haben die Hochgrade mehr Einfluss als die Johannisgrade. Es sind Vertiefungen und Spezialisierungen, so wie man es aus dem Studium kennt.

Was die Geschlechterfrage angeht sind wir gar nicht mehr so altbacken wie es viele denken. Wir haben Lösungen für Transgender Brüder und Schwestern entwickelt und es gibt neben den vielen Männerlogen immer mehr Frauenlogen und auch einige gemischte Logen. Für jede Form gibt es gute Argumente.

Wir äußern uns nicht politisch, weil wir daran glauben, dass Veränderung bei einem selbst anfängt und wir Einheit in der Vielfalt leben. In unseren Reihen finden wir das gesamte politische Spektrum.

In so einem Kontext zu einer geeinten politischen Aussage zu kommen, ist ebenso unmöglich wie in einem Tennisverein. Dort, wie bei uns, geht es nicht um Politik. Diese kann jeder Bruder und jede Schwester selbst betreiben. Bei uns geht es um Werte:

Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit – Toleranz – Humanität

sind die Werte auf die wir uns alle einigen. Diese Grundwerte sind uns sehr wichtig und bilden die Basis unseres Bundes. Jeder Freimaurer und jede Freimaurerin ist gehalten, diese Werte für sich zu bewerten, auszulegen und danach zu leben. Etwas, das aus unserer Sicht gerade heute aktueller und zeitgemäßer denn je ist.

In Zeiten von Verschwörungstheorien, Rassismus, Rechtspopulismus, Neoliberalismus und zunehmendem Egoismus des Einzelnen ist die Werteorientierung ein zentraler Ausgangspunkt für eine positive Entwicklung der Gesellschaft. An diesem Punkt muss man zugeben, dass wir in Deutschland mit 15.000 Brüdern und Schwestern was die Wirkmächtigkeit angeht, nicht viel ausrichten können. Daher konzentrieren wir uns darauf, an uns zu arbeiten und so in dem jeweiligen Umfeld sei es Familie, Freunde, Job oder Politik die freimaurerischen Werte zu leben, Vorbild zu sein und die Welt dort wo wir wirken, zu einem besseren Ort zu machen. Man mag uns „Gutmenschen“ nennen und wenn wir diesen Begriff so interpretieren, dass wir Gutes tun wollen, dann können wir gut damit leben.

Worum wir uns bemühen ist eine respektvolle Diskussionskultur. Ebenfalls etwas, das in Zeiten von Social Media und zunehmend polarisierter und ad hominem geführter Debatten aus unserer Sicht von großer Relevanz ist.

Ohne Selbstreflektion und Selbsterkenntnis geht es nicht. Nur wenn wir uns selber in Frage stellen und an uns arbeiten, um unseren Idealen immer näher zu kommen, nur dann können wir diesen Weg erfolgreich gehen. Die Regeln und die Formen, die wir uns freiwillig auferlegen, helfen uns dabei das Ego immer mehr zu beherrschen und einen Rahmen für die Arbeit am rauen Stein, wie wir es nennen, zu schaffen.

Wir verbinden Tradition mit modernem Denken. Wir sind kein Club alter Männer und Frauen der hilflos vor einer neuen Welt steht, sondern wir arbeiten als Handwerker, Angestellte, Beamte, Politiker, Journalisten, Juristen, ITler, Ingenieure, Unternehmensberater, Designer, Gastronomen, Wissenschaftler und was es sonst noch alles gibt. Unser Mitgliederprofil ist breit gestreut mit einem gewissen Schwerpunkt im Mittelstand. Einflussreiche Vorstände und Regierungsmitglieder haben wir kaum, so dass eine Weltverschwörung auch kaum möglich wäre. Die neuen Rechten mit ihrem erstarkenden Antisemitismus und dem damit auch verbundenen Hass auf die Freimaurer beunruhigt uns und wir hoffen, dass dieser Spuk bald wieder vorbei geht.

Wir schätzen die Aktivitäten von Lions Clubs und Rotariern aber für uns steht Charity und Netzerk nicht im Vordergrund. Bei uns geht es um die Persönlichkeit und um gelebtes Vertrauen unabhängig vom gesellschaftlichen Status. Wir sind Teil der Weltbruderkette, weil wir in unseren Reihen alle Religionen, Agnostiker und sogar Atheisten vereinen. Wir leben Multikulturalität und bauen durch Kontakte zu Logen in aller Welt Mauern ab und Brücken auf und fördern damit auch das Verständnis für unterschiedliche Kulturen.

Und auch wenn es noch nicht zu der im Artikel zitierten Plakatkampagne gekommen ist, so sind wir was die Öffentlichkeitsarbeit angeht nicht untätig. Wir nutzen die neuen Medien intensiv. Wir haben Online Präsenzen, Social Media Seiten, Messenger Kanäle, veranstalten CLUBHOUSE Abende, drehen Videos und veröffentlichen Podcast. Nicht alles davon ist perfekt aber vieles durchaus geeignet das diverse und heterogene Bild der Deutschen Freimaurerei zu vermitteln. Diese Vielfalt macht es uns nicht leicht über uns zu sprechen und vielen fällt es daher schwer, uns richtig einzuordnen. Daher laden wir interessierte ein, sich persönlich mit uns zu treffen, So können alle Akteure am besten herausfinden, ob es menschlich passt. Denn darum geht es. Gemeinsam unterstützen wir uns bei der individuellen Arbeit am rauen Stein. Ohne Dogmen, ohne festes Programm und ohne Curriculum. Die Freimaurerei ist ein Angebot das jeder Bruder und jede Schwester nutzen kann, jeder in der Geschwindigkeit und Intensität, wie es ihm oder ihr zusagt.

Die Freimaurerei stellt an ihre Mitglieder durchaus hohe Ansprüche. Ethisch moralisch und vor allem was Verbindlichkeit angeht. Es kostet etwas Zeit Freimaurer zu sein und Zeit ist heute ein teures Gut. Wir treffen uns meist wöchentlich und für die individuelle Arbeit muss auch noch was da sein. Aber wir haben eine klare Regel: erst kommt die Familie, dann der Beruf und dann die Freimaurerei.

Wir sind keine besseren Menschen und auch bei uns gibt es hier und da Meinungsverschiedenheiten und auch sind wir nicht frei von Eitelkeiten. Aber wir versuchen uns diese Dinge bewusst zu machen und daran zu arbeiten. Und das unterscheidet uns dann doch ein wenig von der profanen Welt.

Die Verschwiegenheit sorgt dafür, dass jedes Mitglied sich darauf verlassen kann, dass nichts, was im Vertrauen gesagt wird, nach außen dringt. Auch wenn dies natürlich Raum für Spekulationen gibt, so ist diese Form von Vertrauen etwas, was heute mehr denn je einen hohen Wert haben solte. Wir bieten Männern und Frauen einen geschützten Raum in dem Vertrauen und Verschwiegenheit keine Floskeln sind, sondern gelebte Realität.

Wer so etwas sucht oder wer das Gefühl hat, dass er an sich arbeiten und sich besser kennenlernen möchte, für den steht der Weg in die Logen offen. Wenn er aufgenommen wurde hat er die Möglichkeit, interessante Menschen kennenzulernen, Neues Sichtweisen einzunehmen und sich neues Wissen anzueignen. Er kann in der Loge entschleunigen, Abstand vom Alltag bekommen und einen Rahmen für Kontemplation und geistige Anregung finden.

Wir sind durchaus ganz bewusst hier und da etwas anachronistisch und vielleicht gerade dadurch gerade sehr modern.

Die Loge „zu den drei Pfeilen“ in Fürth hat die Diskussion auf einen zentralen Punkt verdichtet:

„Die Freimaurerei bietet Raum zum denken!“

Im folgenden Video erklärt Freimaurer Andreas Plöger aus der Loge "Zu den drei Pfeilen im Orient Fürth auf sympathische Weise die Freimaurerei und die Wege zur Kontaktaufnahme mit einer Loge.