Tschechien

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Tschechische Nation

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)

Von einer tschechischen Freimaurerei kann erst vom Jahre 1918 an gesprochen werden, als wenige Tage vor dem Zusammenbruch des österreichischen Staates einzelne tschechische Freimaurer in Prag die Loge "Jan Amos Komensky" errichteten. Die Mehrzahl der Gründer hatte bis dahin der in deutscher Sprache arbeitenden der symbolischen Großloge von Ungarn unterstehenden Loge "Hiram zu den drei Sternen" in Preßburg (Prag) angehört. Ein lückenloses Verzeichnis jener Tschechen, die vor dem [Ersten] Weltkriege dem Freimaurerbunde angehörten ist deswegen schwer zu geben, weil die Mehrzahl in ausländischen Logen verstreut war, und nur einige wenige zu den damals in Böhmen bestehenden deutschen Freimaurervereinigungen Beziehungen unterhielten. Bemerkt sei hier, daß ein Tscheche, der Rechtelehrer Professor Jaromir Hanel (s. d.), aufgenommen in der Loge "Archimedes" in Altenburg, durch viele Jahre der geistige Führer der deutschsprachigen Freimaurerei in Böhmen war. Von Persönlichkeiten tschechischer Nationalitat aus der österreichischen Ära seien genannt:

Gerstner, Franz J., * 1756, † 1832,
Ingenieur, Mathematiker und Astronom, Mitbegründer des ersten polytechnischen Instituts in Prag (Loge "Wahrheit und Einigkeit zu den drei gekrönten Säulen" in Prag).
Hurdalek, Josef Fr., * 1747, † 1833,
bedeutender katholischer Gesinnungsgenosse und Freund Bolzanos. mußte deshalb sein Bistum in Leitmeritz aufgeben.
Nàprstek, Vojta (Fingerhut), *1826 † 1894,
eine in der tschechischen Kulturbewegung führende Persönlichkeit, Vorkämpfer für die Frauenrechte. Er hatte lange Jahre in Amerika gelebt, wo er auch in den Bund eintrat. Er ist der Begründer des nach ihm benannten Gewerbemuseums in Prag.
Pelcl, Frant. M., * 1734, † 1801,
Erzieher im gräflichen Hause Sternberg, dann Bibliothekar bei Graf Nostiz, einer der Wiedererowecker des tschechischen Schrifttums, Mitarbeiter Dobrovskys.
Prochàzka, Georg, Dr., * 1749, † 1820,
Proffesor der Anatomie, Physiologie und Augenheilkunde an der Prager Universität (Loge "Wahrheit und Einigkeit").
Purkyne, Jan Ev., * 1787, † 1869,
berühmter Physiologe der Prager Universitat, stand mit Goethe in Verkehr. Aufgenommen in eine Breslauer Loge, wurde er unter der Ministerpräsidentschaft des Grafen Leo Thun mehrfach wegen seines Freimaurertums in Untersuchung gezogen und blieb erst unbehelligt, als er versprach, an freimaurerischen Arbeiten nicht mehr teilzunehmen
Riha, Bernard, nobilis de Lauro, * 1740, † 1794,
Magister der Philosophie und Arzt, Verfasser einer Schrift "Armenbesorgungsanstalten in der kgl. Kreisstadt Pilsen".
Royko, Kaspar, * 1744, † 1819,
Dr. theol. et phil., Verfasser eines vierbändigen Werkes "Geschichte der Großen allgemeinen Kirchenversammlung zu Kostnitz", war Mitglied der Loge "Wahrheit und Einigkeit" in Prag.
Strnad, Anton, * 1749, † 1799,
Mathematiker und Astronom an der Sternwarte des Prager Klementinums, Mittlied der Loge "Wahrheit und Einigkeit" in Prag.

Die lange strittige Frage, ob der Slavist Josef Dobrovski ("der blaue Abbé") dem Bunde angehört hat, ist nach den gründlichen Untersuchungen von Dr. Josef Volf, Prag, im negativen Sinne erledigt. Ebenso ist die Zugehörigkeit des Slavisten Jungmann zweifelhaft.

Der Dichter Neruda kam durch eine Schilderung einer Pariser "Tenue blanche", die im Jahre 1866 erschienen ist, in den Ruf, Freimaurer gewesen zu sein. Zu Unrecht, wie heute bekannt ist. Auch Smetana, der Komponist der "verkauften Braut", wird mitunter als Freimaurer genannt. Er gehörte in Zweden zu einer Art schlaraffischer Tafelrunde und nahm an Orchesterkonzerten teil, die in den Rahmen einer Loge stattfanden. Freimaurer war er aber nicht. Dagegen gehörte der Komponist Oskar Nedbal (s. d.) der Wiener Loge "Goethe" an. In der gegnerischen Literatur wird seit Wichtl die Unabhängigkeitsbewegung der Tschechen als rein freimaurerische Aktion bezeichnet. Dem sei entgegengestellt, daß in der großen deutschnationalen Publikation von 1918 "Das Verhalten der Tschechen im Weltkriege" ebenso in den Protokollen des Prozesses und im Urteil gegen Dr. Kramar, der nie dem Bunde angehört hat, usw., das Wort Freimaurerei überhaupt nicht vorkommt. Eine national-tschechische Freimaurerei entwickelte sich erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1918. Von den führenden Persönlichkeiten der tschechischen Auslandsmission war nur Stefanik (s. d.) Mitglied einer (französischen) Loge. Masaryk (s. d.) war nie Freimaurer. Dr. Benes (s. d.) ist erst nach dem Weitkriege Mitglied einer tschechischen Loge in Prag geworden.

Tschechoslowakische Republik

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)

I. Großloge "Lessing zu den drei Ringen"

Durch den Zerfall der österreichischungarischen Monarchie (Oktober 1918) wurde auch die Freimaurerei in Böhmen und Mähren vor neue Verhaltnisse gestellt. Seit dem Jahre 1870 waren in Böhmen und Mähren in Karlsbad, Saaz, Reichenberg, Haida, Pilsen, Bodenbach-Tetschen, Eger und Asch, Teplitz-Schönau und in den Landeshauptstädten Prag und Brünn Brudervereinigungen entstanden, die untereinander in loser Verbindung standen. In Prag war 1908 die Loge "Hiram zu den drei Sternen" unter der Symbolischen Großloge von Ungarn gegründet worden, die ihre ritualistischen Arbeiten auf ungarischem Gebiete in Preßburg abhielt. Die Gesamtzahl der Freimaurer, die in nichtpolitischen Vereinen unter behördlicher Genehmigung arbeiteten, betrug nicht ganz 300.

Die Freimaurer in Böhmen gehörten mehrheitlich reichsdeutschen Logen an, ein Teil auch Wiener Grenzlogen (vor allem der "Humanitas") und ungarischen Bauhütten. Nach der Ausrufung der Tschechoslowakischen Republik am 28. Oktober 1918 verhielten sich die deutschen Freimaurer abwartend, erhielten jedoch in Kürze die Zusage, daß der Errichtung von Logen keinerlei Schwierigkeiten würden bereitet werden. Daher wandelten die Brr. der Karlsbader Gruppe bereits am 28. November 1918 ihr Kränzchen unter einem Patente der Großloge "Zur Sonne" in Bayreuth in eine Loge um. Die Große Landesloge von Sachsen gab neu errichteten Logen in Sazz, Prag und Reichenberg die Gründungsurkunden.

Da nunmehr fünf Logen regelrecht eingesetzt waren, wurde an die Gründung einer eigenen Großloge geschritten die unter dem Namen "Freimaurergroßloge Lessing zu den drei Ringen in der tschechoslowakischen Republik" am 23. Oktober 1920 in Arbeit gesetzt wurde. Erster Großmeister wurde der seit 40 Jahren um die Samnlung der freimaurerischen Kräfte in Böhmen besonders verdiente Saazer Stuhlmeister Adolf Girschick (s. d.). Dieser neu gegründeten Großloge schlossen sich nunmehr vier Logen an, die in der Slowakei, dem ehemals ungarischen Gebietsteil (Preßburg (Bratislava), Banska Bystrica und Kaschau (Kosice)) arbeiteten. Ein in Böhmen bestehender bereits in einer Großloge "Bohemia" organisierter Seitenzweig deg irregularen "Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne" in Nürnberg suchte ebenfalls Anschluß und wurde regularisiert, worauf sich die Großloge "Bohemia" auflöste.

Im Laufe der ersten zehn Jahre ihres Bestandes wuchs die neue Großloge teils durch Gründung neuer Logen in Teplitz, Brüx, Gablonz, Prag, Pilsen, Brünn, Marienbad, Olmutz, Mahr.-Ostrau, Aussig a. d. E., teils durch Wiederbelebung ehemals ungarischer Logen in Presov, Lucence und Eesmark auf 23 Logen mit gegen 1200 Mitgliedern an. Die junge Großloge, die ein sehr reges, geistiges Leben an den Tag legt, hat sich durch zahlreiche publizistische Leistungen, sowie durch eine in ihrem Auftrage von der Reichenberger Loge "Latomia" herausgegebene Zeitschrift "Die drei Ringe" in der internationalen Freimaurerei gut eingeführt. Aus ihr hervorgegangen ist die wissenschaftliche Vereinigung Academia Masonica (s. d.), sowie eine historische Quatuor-coronati-Vereinigung in Prag, die durch die Herausgabe von Neudrucken und durch die Inangriffnahme der Vorarbeiten für die Fortsetzung der Bibliographie von Wolfstieg über den engeren Rahmen hinaus Bedeutung erlangt hat. In den letzten Krisenjahren haben die charitativen Leistungen der einzelnen Logen, besonders in der Arbeitslosenfürsorge, auch öffentliche Anerkennung gefunden.

II. Narodni Velika Loze Ceskoslovenska

In der deutschen Loge "Hiram" in Prag hatten in den letzten Jahren vor dem Kriege auch mehrere Angehörige der tschechischen Intelligenzkreise Aufnahme gefunden. Zwei Tage vor dem Umsturz, am 26. Oktober 1918, traten 15 tschechische Brr. zur Gründung einer eigenen nationalen tschechischen Loge zusammen, der sie den Namen "Jan Amos Komensky" gaben. Diese Loge unterstellte sich dem Grand Orient de France. Kurze Zeit nachher entsendete die Großloge von Italien einen Delegierten nach Prag, der in der zweiten Hälfte 1920 dort drei Logen nach dem A. u. A. Schottischen Ritus einsetzte. 1922 wurde ein Oberster Rat dieses Ritus errichtet, dessen Rechtmäßigkeit vom Kongreß der Obersten Rate in Lausanne am 8. Juni 1922 anerkannt wurde. Nachdem auch im Juni 1922 in Pilsen eine Loge errichtet worden war, traten die französische und italienische Gruppe zusammen und begründeten am 27. Oktober 1923 eine National-Großloge, die von einer Delegation der Großloge von Jugoslawien eingesetzt wurde. Diese neue Großloge, die "Narodni Velika Loge (Ceskoslovenska", konnte weitere Logen in Preßburg, Paschau, Prag und Brünn einsetzen, so daß sie 1930 zehn Logen mit gegen 500 Mitgliedern zählte.

Diese beiden, in der Tschechoslowakischen Republik bestehenden Großlogen betrachten es als ihre vornehmste Aufgabe, zur Abschwächung der bestehenden nationalen Gegensätze nach Kräften beizutragen. Der gegenseitige Verkehr wird daher besonders gepflegt, gemeinsame Interessen, wie beispielsweise Studien auch auf dem Gebiet der freimaurerischen Landesgeschichte, sowie die Angelegenheiten der Allgemeinen Freimaurerliga werden im besten Einverständnis gemeinsam verhandelt. Es hat in der Öffentlichkeit nicht geringes Aufsehen erregt, daß der tschechische Außenminister Dr. Eduard Benes im Februar 1928 in einer deutschen Prager Loge einen viel beachteten Vortrag hielt. Die Freimaurerei vollzieht in der Tschechoslowakischen Republik die ihr in den "Alten Pflichten" gesetzte Aufgabe, indem sie Menschen, die das Leben ansonst getrennt hatte einander näher bringt. Diese vielversprechenden Anfange einer nationalen Verständigungstätigkeit werden von den Freimaurern beider Gruppen mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt und haben um so größere Bedeutung, als diese Beziehungen im Gegensätze zu bestehen den internationalen Berufsgruppen von rein ideellen Beweggründen geleitet werden.