Unsterblichkeit

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Unsterblichkeit Quelle: Lennhoff, Posner, Binder

An Umfang und Genauigkeit bisher unübertroffen enthält das bis zur Gegenwart aktualisierte große lexikalische Standardwerk über die Freimaurerei neben einem lexikografischen Teil, Grundgesetzen, Chronik und Vokabularium der Freimaurerei auch Darstellungen der Leistungen ihrer Mitglieder. Die Vielzahl der Stichworte, Bibliografie und Index ermöglichen einen leichten Zugang zur immer noch geheimnisumwitterten Welt der Feimaurer. Prof. Dieter A. Binder; geboren 1953, lehrt an der Karl-Franzens-Universität Graz und der Andrassy-Universität Budapest Geschichte. Autor zahlreicher Publikationen zur Österreichischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und zur Kulturgeschichte. Bestellung: SCHOPF


Fortdauer der geistigen Persönlichkeit über den Tod hinaus, Unvergänglichkeit eines Wesens, des Menschen. Der Glaube an die U. kommt in allen Religionen zum Ausdruck. In der primitiven Form als Glaube an die Unsterblichkeit der Persönlichkeit als solcher dann an die der Persönlichkeit im geistigen Sinne, an die Unsterblichkeit der Seele. Daß psychologische Motiv ist die Todesfurcht, der Selbsterhaltungswille.

"Der Tod ist daß Tor des Metaphysischen" (Müller-Freienfels). Unsterblichkeit ist weder empirisch noch logisch beweisbar, aber erklärbar. So stellt der "Alleszermalmer" Kant Unsterblichkeit als Postulat der praktischen Vernunft auf, als Voraussetzung eines unendlichen Fortschrittes, ohne deren Annahme die Welt sinnlos ware.

Auch moderne Philosophen vertreten die Unsterblichkeit, da man "ohne sie die Welt als ein harmonisches Ganzes, als einen sittlichen Kosmos" nicht denken kann (Schiller, Oxford). Im Sinne der Als-ob-Philosophie hat der Mensch "so zu handeln, als ob eine ändere Welt ware..., sich so zu verhalten, als ob er sich künftig vor einem Richter zu verantworten hätte". Die Unsterblichkeit ist in dieser Auffassung eine unentbehrliche Fiktion.

Unsterblichkeit wird neuerdings oft als Unvergänglichkeit der wertvollen, gleichsam überindividuellen Leistung und nicht als Aufrechterhaltung der Persönlichkeit in irgendeiner Form aufgefaßt. "Jede geistige Kraft behauptet ihren unvergänglichen Wert im Werdeprozeß des Geistes" (Wundt).

Die Freimaurerei nimmt hinsichtlich der Unsterblichkeit-Frage keine einheitliche Stellung ein, zumal die "Alten Pflichten" diesbezüglich keine Forderung erheben. Die Linie geht vom Glauben an die persönliche Fortexistenz bis zum kollektiven Glauben von der Fortdauer des Werkes. Einzelne Großlogen (vor allem die nordamerikanischen) verlangen den Glauben an die Unsterblichkeit als Grundbedingung der Aufnahme.

Die Großloge von England dagegen hat daß Bekenntnis zum Unsterblichkeit-Glauben nicht mehr in ihrem Kanon der Anerkennungsbedingungen (1928) aufgenommen. Der deutsche Großmeistertag 1870 betonte, daß die Freimaurerei "von ihren Mitgliedern den Glauben an die Unsterblichkeit voraussetzt". Er konnte sich bei dieser Feststellung an die Großen deutschen Freimaurer des 18. Jahrhunderts halten: Lessing vertritt die Ansicht daß ein Gedanke, der so weit verbreitet ist, eine tief verwurzelte Ursache, und daß die Veredlung eine umfassende, über diese Welt hinausgehende Gültigkeit haben muß, oder aber gar keine. So sagt auch Herder, daß der Mensch "zur Hoffnung der Unsterblichkeit gebildet" ist, und Goethe, "daß alle diejenigen auch für dieses Leben tot sind, die kein anderes hoffen".

Die deistische Bewegung (s. Deismus), die die Freimaurerei in ihren Anfangen stark beeinflußte, glaubte ungeachtet ihres Rationalismus an die Unsterblichkeit. In der deutschen Gegenwartsmaurerei wird Unsterblichkeit als der "Schlußstein sittlichen Handelns" (Caspari, "Die Bedeutung der Freimaurerei für daß geistige Leben") aufgefaßt, wobei aber betont wird, das der Unsterblichkeit-Glaube erzieherisch nur als "ein Vollendungsglaube wirken kann" (Wolfstieg, "Die Philosophie der Freimaurerei") und daher im Sinne Schleiermachers eine Aufgabe ist.

Es wird auch auf die Hiram-Legende hingewiesen, die den Unsterblichkeit-Gedanken symbolisiert, und betont, daß der Unsterblichkeit-Glaube im Grunde die Voraussetzung des Meistergrades sei. Hierzu ist zu bemerken, daß der Unsterblichkeit-Gedanke im Meistergrad wohl symbolisch zum Ausdruck gebracht, doch keineswegs im Sinne der persönlichen Unsterblichkeit aufzufassen ist, sondern ohne jedes metaphysische Beiwerk, als Unsterblichkeit in der Form der unvergänglichen Leistung durch die Pflichterfüllung.

Die Behauptung, daß "die Freimaurerei durch nichts so gekennzeichnet ist als durch den Glauben an die Unsterblichkeit" (Caspari, "Die Bedeutung der Freimaurerei für daß geistige Leben") ist in dieser Form durchaus unrichtig, obzwar die Freimaurerei in vielen Ländern den Unsterblichkeit-Gedanken zum Dogma erhoben hat. Die Freimaurerei vertritt die Forderungen des Sittengesetzes und der Gewissensfreiheit. Sittliches Handeln ist auch ohne den Glauben an die Unsterblichkeit möglich, daß beweist daß Leben täglich zur Genüge.