Wien: "Humanitas" und "Hermetica" - eine turbulente Geschichte

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Wien: "Humanitas" und "Hermetica" - eine turbulente Geschichte

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Diese beiden kleinen österreichischen Großlogen für Frauen und Männer sind Geschwister. Am Anfang standen der Austritt einiger Brüder aus dem französisch geführten ‚Droit Humain’ und die Suche nach einem eigenen Weg; das war 1960. In den Jahrzehnten danach gab es Gründungen und Spaltungen, harmonische Zeiten, neuerliche Trennungen und Umbenennungen. Seit der Jahrtausendwende erscheint die Lage stabil: Es gibt die ‚Großloge Humanitas Austria’ und den ‚Universalen Freimaurerorden Hermetica’.

Es folgt nun die "turbulente Geschichte" - nach den Erinnerungen langjähriger Mitglieder der beiden Obödienzen. Recherchiert und niedergeschrieben wurde sie von Bruder Leon und Rudi Rabe.

In den fünfziger Jahren hatten die Franzosen das Sagen

Am Anfang stand der österreichische ‚Droit Humain’. Einige seiner Mitglieder entwickelten das Gefühl, zu sehr von ausländischen Einflüssen abhängig zu sein. Bis zum Jahr 1958 unterstanden die deutschen und österreichischen Logen des streng hierarchisch gegliederten französischen ‚Droit Humain’ der niederländischen Föderation. Beim Obersten Rat in Paris wurden ihre Interessen von niederländischen Delegierten wahrgenommen. Auf Drängen der deutschen und österreichischen Logen wurde zwar im Februar 1958 eine selbständige deutsch-österreichische Jurisdiktion mit einem eigenen Delegierten konstituiert, aber dieser Delegierte war nicht von den Logen selbst gewählt sondern vom Obersten Rat in Paris ernannt worden. Die neue Jurisdiktion krankte also von Anfang an daran, dass sie keineswegs selbständig sondern von Frankreich abhängig und in ihrer freimaurerischen Arbeit und bei ihren personellen Entscheidungen den Weisungen aus Paris unterworfen war, was zu entsprechenden Konflikten führte.

Die Folge in Deutschland: Austritt und Selbständigkeit

Im Februar 1959 erklärte zunächst die Frankfurter Loge ‚Goethe zum Flammenden Stern’ ihren Austritt aus dem ‚Droit Humain’ und konstituierte sich als selbständige Loge. Diesem Beispiel folgte im September 1959 die Münchner Loge 'Henri Dunant' des ‚Droit Humain’, die sich gleichzeitig in 'Mozart zu den drei Rosen' umbenannte. Die beiden Logen schlossen sich auf einer Gründungsversammlung am 24. Oktober 1959 in Frankfurt zur Großloge ‚Universaler Freimaurerorden Humanitas’ zusammen (seit 2003 'Humanitas - Freimaurergroßloge für Frauen und Männer in Deutschland': siehe unten Wiki-Link).

Ein neues Ordensgrundgesetz, jetzt Konstitution genannt, wurde verabschiedet. Mit seiner demokratischen Konzeption löste es die hierarchische Struktur des ‚Droit Humain’ ab. Seitdem werden die Großbeamten (= Vereinsvorstand) alle drei Jahre in freier Wahl von der Mitgliederversammlung neu gewählt. Die einzelnen Logen haben volle Autonomie und wählen ihre Beamten ebenfalls demokratisch.

Auf der Gründungsversammlung wurde außerdem beschlossen, dass die Logen nur die ersten drei Grade bearbeiten: die sogenannten blauen Grade. Weiterführende Hochgrade werden in einer von den ‚blauen’ Graden völlig unabhängigen und eigenständigen Organisation bearbeitet. Dadurch wurde jede Abhängigkeit von einem Obersten Rat ausgeschlossen.

1960: Österreicher folgen nach

Im Jahr nach den deutschen Austritten schieden auch zehn Mitglieder der österreichischen Loge ‚Harmonie’ des ‚Droit Humain’ aus. Sie gründeten in Wien mit Hilfe der Frankfurter Loge ‚Goethe zum flammenden Stern’ am 10. November 1960 die österreichische selbständige Freimaurerloge ‚Lux Danubiana’.

Ähnliche Bestrebungen zur Loslösung vom ‚Droit Humain’ wurden auch in den Niederlanden in die Tat umgesetzt. Diese neu gebildeten selbständigen und gemischten Großlogen von Deutschland, Österreich und den Niederlanden schlossen sich 1961 zum internationalen Dachverband ‚International Masonic Union CATENA’ zusammen, so dass schon sehr früh die Möglichkeit zur Begegnung und zum geistigen Austausch mit Freimaurern über die Landesgrenzen hinaus gegeben war. Großlogen anderer Länder traten später ebenfalls der CATENA bei.

In weiterer Folge wurden in Österreich neue Logen gegründet, und zwar nicht nur in Wien sondern auch in anderen Städten: zuerst ‚Viribus Unitis’ in Wien, dann 1966 die gemischte Loge ‚Tamino’ in Linz, 1968 die gemischte Loge ‚Pythagoras’ ebenfalls in Linz, 1969 die Loge ‚Fama Fraternitatis’ (heute Mitglied des Ordens ‚Hermetica’), 1970 die gemischte Loge ‚Zur Wahren Eintracht’ in Wels und 1972 die Loge ‚Lux Lentia’ in Linz, so dass schließlich im Jahre 1972 eine von Deutschland unabhängige Obödienz eingerichtet werden konnte: der ‚Österreichische Orden Humanitas für die gemischte Freimaurerei für Männer und Frauen’.

1975 wurde schließlich in Wien die Loge ‚Lux Vindobona’ gegründet, 1976 die ‚Zu den Alten Pflichten’.

In den siebziger Jahren: Den Gründungen folgen Spaltungen

1976 trat die Gründungsloge ‚Lux Danubiana’ aus dem ‚Österreichischen Freimaurerorden Humanitas’ aus und nannte sich ‚Lux Danubiana Austria’. 1978 folge ihr die Linzer ‚Lux Lentia’; sie änderte ihren Namen auf ‚Lux Lentia Austriaca’. Die beiden Logen bildeten dann am 15. November 1978 mit Unterstützung der ‚Gran Loggia d’Italia’ die ‚Großloge Humanitas Austria der gemischten Freimaurerei für Männer und Frauen’.

Im Österreichisches Freimaurerorden Humanitas verblieben die Logen ‚Zu den Alten Pflichten’, ‚Lux Vindobona’, ‚Viribus Unitis’ und ‚Fama Fraternitatis’. Die Zusammenarbeit mit der CATENA wurde ausgesetzt.

Anlässlich des CATENA-Jubiläums 1981 in Edinburgh sprach sich der Großmeister der ‚Gran Loggia d’Italia’ für die Rückkehr Österreichs in den Dachverband aus. Laut den Satzungen konnte allerdings aus jedem Land nur eine Obödienz Mitglied in der CATENA werden. In Österreich existierten jetzt jedoch zwei Großlogen mit Namen ‚Humanitas’, die beide die Mitgliedschaft in der CATENA anstrebten.

Harmonie in den achtziger Jahren

Zu den oben erwähnten vier Logen des ‚Österreichischen Freimaurerordens Humanitas’ gehörten zu dieser Zeit 32 Mitglieder. 26 Mitglieder bekannten sich zur ‚Großloge Humanitas Austria’: Diese bestand jetzt aus den ebenfalls oben erwähnten zwei Logen und einer dritten: der 1985 gegründeten H.I.R.A.M..

Bald gab es zwischen den getrennten Geschwistern wieder eine Annäherung: Am 13. Oktober 1984 gründeten sie die gemeinsame ‚Union für die Gruppen der gemischten Freimaurerei in Österreich’. Diese konnte 1985 wieder Mitglied in der CATENA werden. 1989 folgte der Beitritt zur internationalen Freimaurer-Vereinigung CLIPSAS.

Zur Jahrtausendwende trennten sich die Wege wieder

Im Jahre 1999 zerbrach diese Union erneut. Nur die ‚Großloge Humanitas’ verblieb in der CATENA. Der Orden hingegen wählte den neuen Namen ‚Universaler Freimaurerorden Hermetica’, um künftige Verwechslungen zu vermeiden, vor allem aber auch um seine hermetisch-philosophische Ausrichtung zu betonen.

Im Jahr 2001 wurde in der ‚Hermetica’ das Licht in die Loge ‚Dao Stellaris’ eingebracht. Über das Schicksal der einstigen Logen „Zu den Alten Pflichten“, „Lux Vindobona“ und „Viribus Unitis“ liegen keinerlei Aufzeichnungen oder Berichte vor; sie sind wohl als erloschen zu betrachten.

Die Rituale der beiden Obödienzen sind einander sehr ähnlich. Die Logen des ‚Universalen Freimaurerordens Hermetica’ bearbeiten die drei blauen Grade des AASR. Die Ritualtexte weichen nur in wenigen Einzelheiten von denen der ‚Großloge Humanitas Austria’ ab: Sie entsprechen im Wesentlichen dem in den Dreißigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts im Freimaurerorden ‚Le Droit Humain’ bearbeiteten Schottischen Ritus. Den Brüdern und Schwestern Meistermaurern des Ordens steht es frei, sich in Perfektionsgrade berufen zu lassen; der Orden selbst betreibt kein eigenes Hochgradsystem.

Und dennoch: Aufbauhilfe bei den ehemals kommunistischen Nachbarn

Diese über Jahrzehnte durchaus turbulente Entwicklung hinderte einige Logen nicht daran, auch in den ehemals kommunistischen Nachbarländern aktiv zu werden. Vor allem die 1969 gegründete Loge ‚Fama Fraternitatis’ bemühte sich sogar schon ab 1984 um verbliebene Freimaurer in der CSSR, also noch vor dem Zusammenbruch des Kommunismus. Das war nicht ungefährlich: Die Freimaurerei war in den kommunistischen Ländern strikt verboten. Dennoch gelang es der ‚Fama Fraternitatis’, mehrere Brüder der früheren ‚Jan Amos Komensky’ in Prag und der ‚Dobrovsky’ in Pilsen zusammen zu bringen. Diese beiden tschechischen Logen waren 1918 gegründet worden. Beim Nazi-Überfall auf die Tschechoslowakei wurden sie 1939 stillgelegt. Die Kommunisten übernahmen bald nach dem Zweiten Weltkrieg das Freimaurerverbot der Nazis und so wurden die Logen nicht mehr reaktiviert. Die ‚Fama Fraternitatis’ unterlief dieses Verbot: Heimlich nahm sie einige Brüder dieser beiden geschlossenen tschechischen Logen noch vor der politischen Wende 1989 in ihre Reihen auf: „damit das Licht in Prag nicht erlösche“.

Nach 1989 entstanden in Prag ganz offiziell wieder gemischte Logen. 1993 wurde die ‚Großloge Humanitas Bohemia’ gegründet und mit Hilfe der Österreicher auch CATENA-Mitglied. Die ‚Hermetica’ wurde später auch in Slowenien aktiv: 2007 nahm sie die Loge ‚Saint Germain’ im Orient Tabor bei Celje/Cilli auf. 2012 wurde diese zum Gründungsmitglied des ‚Veliki Orient Slovenije’ (Großorient von Slowenien); damit endete ihre Mitgliedschaft in der ‚Hermetica’ wieder.

Der Tempel des Ordens HERMETICA in Wien.

Der Status beider Großlogen im Jahr 2018

Zum ‚Österreichischen Universalen Freimaurerorden Hermetica’ bekennen sich über 40 Mitglieder. Zwei Drittel davon sind Männer. Drei Logen in Wien gehören dazu: die ‚Fama Fraternitatis’, die ‚Dao Stellaris’ sowie die ‚Zur Feder der Ma’at’; letztere ist zur Zeit noch ein Triangel (eine Loge in statu nascendi). Als hermetische Lehr- und Forschungsloge bearbeitet sie ausschließlich den Meistergrad (nach einem modifizierten AASR-Ritual).

Der Oberste Rat des Ordens Hermetica legt Wert auf die Feststellung, dass die Arbeit seiner Logen (abgesehen von der Aufnahme von Frauen, die er sich vorbehält) im Bogen der „Basic Principles“ der ‚United Grand Lodge’ von 1929/1989 steht.

Zur ‚Großloge Humanitas Austria für Männer und Frauen’ gehören drei Logen in Wien. Es sind dies die Logen ‚Lux Danubiana’, ‚Weg im Licht’ und ‚Zu den Sieben Rosen’ (letztere schlafend). Gemeinsam haben sie etwa 40 Mitglieder. Zwei Drittel sind weiblich und ein Drittel männlich.

Siehe auch

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