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Version vom 10. November 2015, 19:24 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
In Zeiten der voranschreitenden Digitalisierung und eines nahezu unerschöpflichen Zugangs zu Wissen erscheint es besonders wichtig, Objekte von zentraler historischer Bedeutung für Hamburg besonderen Raum einzuräumen. Die Stiftung Historische Museen Hamburg will damit die Ikonografie der Hamburger Geschichte vertiefen und in das allgemeine Bewusstsein zu bringen. Dabei geht es um Objekte, in denen sich die jeweiligen historischen Zusammenhänge in außerordentlicher Weise verdichten und die somit besonders geeignet sind diese Zusammenhänge zu repräsentieren. Dabei ist auch die ästhetische Erfahrung ein wichtiges Moment für den Zugang zu dem jeweiligen Thema. Mit der Publikationsreihe „Spitzenobjekte der Historischen Museen Hamburg“ soll der Präsentation der Objekte in der Ausstellung eine weitere Wissens- und Erfahrungsdimension hinzugefügt werden.
Mit dem vorliegenden Buch über den „Salomonischen Tempel“ liegt nun ein
zweiter Band in dieser Reihe vor. Eröffnet wurde die Reihe mit dem „Hamburger
Lukaspokal“. Im Gegensatz zum Lukaspokal ist der Salomonische
Tempel aber keine Neuerwerbung. Dieses spektakuläre Objekt ist nun schon
mehr als 100 Jahre in der Sammlung des Hamburg Museums. Nicht nur die
Entstehung des Modells, sondern auch sein Schicksal in den vergangenen
Jahrhunderten sind spannende Geschichten, die in diesem Band erzählt
werden. Die Geschichte hat auf dem empfindlichen Objekt ihre Spuren hinterlassen.
Deswegen ist es ein besonders glücklicher Umstand, dass der Salomonische
Tempel nun Dank der Unterstützung der Kulturstiftung der
Länder in seinem Erhaltungszustand sehr gründlich konserviert werden
konnte.
Der Tempel präsentiert sich nun in einer angemessenen und frischen Form, wie es eine so umfassende Konservierung mit sich bringt. Damit kann er der Öffentlichkeit auch wieder vollumfänglich präsentiert werden und seinen Zweck in der Ausstellung des Hamburg Museums erfüllen: Den Besuchern einen Zugang zu der Geschichte seiner Entstehungszeit zu ermöglichen, ästhetisch zu wirken und die Phantasie anzuregen.
Börries von Notz
Das Modell des Salomonischen Tempels
Das im Hamburg Museum bewahrte Modell des Salomonischen Tempels stellt das einzige Exemplar von Modellen dieses Bauwerks dar, das sich bis in unsere Zeit erhalten hat. 1 Mit seinem heutigen Grundmaß von knapp 3,50 x 3,50 m ist es gleichzeitig das größte bekannte Modell eines einzelnen Gebäudekomplexes aus historischer Zeit – ursprünglich war es, wie historische Quellen angedeutet hatten 2 und die neuesten Untersuchungen zeigen, noch deutlich größer. 3
- 1 Zum Hamburger Tempelmodell allgemein vgl. Hans Reuther: Das Modell des salomonischen Tempels im Museum für Hamburgische Geschichte. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, Bd. 19, 1980, S. 161 – 198. Bernd Vogelsang: „Archaische Utopien“. Materialien zu Gerhard Schotts Hamburger „Bühnenmodell“ des Templum Salomonis. Phil. Diss Köln 1981. Gisela Jaacks: Abbild und Symbol. Das Hamburger Modell des Salomonischen Tempels. Hamburg 1982. Michael Korey: Der Tempel Salomonis im Dresdner Zwinger. Facetten und Spiegelungen eines barocken Architekturmodells. In: Dresdener Kunstblätter, 4/2009, S. 248 – 259.
- 2 Vgl. hierzu Korey 2009, S. 258, Anm. 2. Angegeben werden hier „20 Fuß Seitenlänge und 6 Fuß Höhe“. Eine in London im Jahre 1724 gedruckte Beschreibung spricht von „20 Foot square, and 12 Foot high“; vgl. die abgedruckte Quelle in: Fragmente der Erinnerung. Der Tempel Salomonis im Dresdner Zwinger. Hg. von Michael Korey und Thomas Ketelsen. Begleitband zur Ausstellung in Dresden 2010, Dresden 2010, S. 97.
- 3 Die Sonderpräsentation des Modells im Hamburg Museum vom 20.10.2015 – 10.1.2016 unternahm den Versuch, die ursprüngliche Größe anzudeuten, indem an den Nord- und Südseiten einige Teile der erhaltenen Umfassungsmauern an etwa der Stelle eingefügt wurden, an denen sie sich nach dem zur Vorlage genommenen Grundriss befunden haben werden. Die in den Quellen angegebenen 20 Fuß bzw. 6 m Breite im Quadrat wurden hierbei aus Platzgründen nicht ganz erreicht. Aus denselben Gründen wurde auf die Anstückungen an der Ost- und Westseite verzichtet wie auch auf die Vermittlung der ursprünglichen Höhe.
Aufbau und Dekoration
Das Modell bildet nicht wie die meisten bekannten Beispiele seiner Art eine real gebaute oder geplante Architektur ab, sondern formuliert im Sinne eines Idealmodells die Vorstellung von dem in der Bibel beschriebenen Tempel, den König Salomo (um 965 – 926 v.Chr.) gemäß der Überlieferung als Wohnung Gottes auf Erden und zur Bewahrung der Bundeslade in Jerusalem errichten ließ, dem wichtigsten Heiligtum der Juden.
Dieser in der Antike bereits einmal zerstörte und wiederaufgebaute und ein weiteres Mal neu- bzw. umgebaute Tempel wurde schließlich im Jahr 70 n. Chr. weitgehend zerstört. Seine konkrete Gestalt war deshalb in der Neuzeit unbekannt, auch als das Modell um 1680/90 in Hamburg angefertigt wurde. 4 Die Frage nach dem Aussehen dieses für viele Kulturkreise und Religionen bedeutsamen Gebäudes hat die Menschen jedoch jahrhundertelang beschäftigt und zu Rekonstruktionen angeregt. 5
Das einstige zentrale Heiligtum der Juden wird als „realer wie imaginärer Raum“, wie Michael Korey zuletzt schrieb, heute „von drei Weltreligionen beansprucht“ und stellt damit eines „der aussagekräftigsten und zugleich am meisten umkämpften Gebäude der Welt“ dar.6 Das traditionelle Judentum erwartet den Wiederaufbau des Tempels im messianischen Zeitalter, die Christen sehen hier den Ort der Entstehung eines neuen geistigen Zentrums nach der Zerstörung des alten Tempels sowie ein Abbild des himmlischen Jerusalems und für die Muslime ist dies die Stelle, von der Mohammed in den Himmel aufstieg.
Das Tempelmodell besteht überwiegend aus Holz. Der Korpus ist aus massiver Eiche gefertigt, der für norddeutsche Holzarbeiten der Renaissance und des Barock charakteristischen Holzart.
Für das hier verwendete Material konnte durch das Verfahren der Dendrochronologie ein Fälldatum in der Mitte des 16. Jahrhunderts ermittelt werden.7 Es handelt sich also um sehr gut abgelagertes Holz, das qualitätvoll und teuer war, eventuell auch aus einer Zweitverwendung. Die dekorativen Applikationen in kontrastierenden helleren Farbtönen bestehen aus Hainbuchenholz, Obsthölzern und Birkenrindenfasern, die Kapitelle der Halbsäulen und die Fenstergitter aus Metall.
Insgesamt ca. 400 Bauteile sind mittels hölzerner Steckverbindungen ineinander gefügt und erlauben einen Auf- und Abbau des Modells. Dekorationselemente sind aufgeleimt bzw. mittels Stiften befestigt.
Der Gebäudekomplex stellt eine Vierflügelanalage mit quadratischem Grundriss dar. Durch die Einfügung von Quergebäuden entstehen neun Innenhöfe, von denen acht ebenfalls quadratisch sind, während der letzte größere, dem kein Quergebäude vorgelagert ist, den Inneren Tempel, das eigentliche Heiligtum, aufnimmt.
- 4 Zur Entstehung und zum Auftraggeber vgl. unten. Nachrichten hierzu erhalten wir aus einer frühen schriftlichen Quelle, den Reiseberichten Conrad von Uffenbachs über seine Reise nach Hamburg und die dortige Besichtigung des Tempelmodells im Jahre 1710. Zacharias Conrad von Uffenbach: Merkwürdige Reisen durch Niedersachsen Holland und Engelland. Zweyter Teil, Ulm 1753, S. 115 – 117.
- 5 Zu Geschichte und Bedeutung des Salomonischen Tempels vgl. etwa: Paul von Naredi-Rainer: Salomos Tempel und das Abendland. Monumentale Folgen historischer Irrtümer. Köln 1994. William J. Hamblin/David Rolph Seely: Salomos Tempel. Mythos und Geschichte des Tempelberges in Jerusalem. London/Stuttgart 2007.
- 6 Michael Korey: Der Tempel als Ort und Vision. In: Begleitband Ausst. Dresden 2010, S. 7 – 11, hier S.7.
- 7 Vgl. das Gutachten durch das Institut für Holzbiologie der Universität Hamburg vom 6.9.1990, Hamburg Museum, Archiv. Der jüngste gemessene Kernholzjahrring stammt nach einem Vergleich mit einer Chronologie für den Raum Polen/Baltikum aus dem Jahr 1530.
Sammlungsobjekt des Hamburg Museums
So schön war der „Salomonische Tempel“ noch nie zu sehen! Das etwa zwischen 1680 und 1690 angefertigte Modell des Salomonischen Tempels, eines der größten existenten Architekturmodelle der Barockzeit (knapp 3,50 x 3,50 m), stellt eines der bedeutendsten Sammlungsobjekte des Hamburg Museums dar. Es gibt die Vorstellung von dem in der Bibel beschriebenen Tempel in Jerusalem wieder, der unter König Salomo im 10. Jahrhundert v. Chr. errichtet worden war, dem wichtigsten Heiligtum der Juden. Bis auf einen Teil der Substruktionsmauer, die heute unter dem Namen „Klagemauer“ bekannt ist, ist von dem antiken Gebäude nach seiner Zerstörung um 70 n. Chr. nichts erhalten.
Auftraggeber des bis heute sehr eindrucksvollen Modells war der Hamburger Jurist und spätere Ratsherr Gerhard Schott (1641 – 1702), der im Jahre 1677/78 Hauptbegründer der Hamburger Gänsemarktoper war und das Modell in einem Nebenraum des Opernhauses aufstellen ließ. Dort konnte es damals schon besichtigt werden.
Nach Schotts Tod gelangte das Tempelmodell zunächst nach Dresden in die Kunstkammer Augusts des Starken und nach weiteren Stationen im Jahre 1910 schließlich wieder nach Hamburg zurück.
Eine gründliche Bestandsaufnahme im Rahmen eines Werkstattprojekts von 2012 hatte deutlich gemacht, welch hoher konservatorischer Bedarf am Tempelmodell durch die wechselvolle Geschichte und die zahlreichen Belastungen entstanden war. Durch die großzügige Unterstützung der Kulturstiftung der Länder konnte das Modell umfassend restauriert und konserviert werden.
Die Sonderpräsentation des „Salomonischen Tempels“ bietet nun die Gelegenheit, dieses
außerordentliche Objekt, das der Frankfurter Reisende Zacharias Conrad von Uffenbach
1710 als „ein Kunstwerk“ beschrieb, „das verdienet gesehen zu werden“, in restaurierter
Form zu bestaunen und auf zahlreiche Neuentdeckungen, die während der Restau-
rierung gemacht worden sind, hinzuweisen.
Durch den erlebnisorientierten Rahmen der Präsentation in Form filmischer Dokumen-
tationen wird außerdem die Möglichkeit geboten, das Modell des Salomonischen
Tempels aus vielen und auch aus neuen Perspektiven zu betrachten.
Begleitpublikation
In der Reihe „Spitzenobjekte der Historischen Museen Hamburg“ ist begleitend zur
Sonderpräsentation die Broschüre „Der Salomonische Tempel“ von Dr. Claudia Horbas
zum Preis von 6,- Euro erschienen. Die Broschüre ist im Museumsshop erhältlich
Pressekontakt
Matthias Seeberg
Pressesprecher der Historischen Museen Hamburg
Tel. 040 428 135 2678
matthias.seeberg@shmh.org
Historische Museen Hamburg
Hamburg Museum
Holstenwall 24 | 20355 Hamburg
dienstags bis samstags von 10 bis 17 Uhr
sonntags von 10 bis 18 Uhr
Eintritt 9 Euro | erm. 5,50 Euro
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt
Telefon 040 42 81 32 100 | Fax 040 42 81 32 112
info@hamburgmuseum.de | www.hamburgmuseum.de
facebook.com/HamburgMuseum
Begleitprogramm zur Sonderpräsentation des „Salomonischen Tempels“
Blicke hinter die Kulissen
am Sonntag, dem 25. Oktober 2015 von 14 bis 15 Uhr, Museumseintritt
Der Salomonische Tempel
Im Gespräch mit den Restauratorinnen Britta Winkelsen und Kristin Goda
Kunst im interreligiösen Dialog zu Gast im Hamburg Museum
am Donnerstag, dem 29. Oktober 2015 um 19 Uhr, Museumseintritt
Gebetsräume – Was bedeuten sie in verschiedenen Religionen?
Gäste im Dialog: Özlem Nas, SCHURA, Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg,
e.V.; Felix Baritsch, Tibetisches Zentrum Hamburg; Michael Nüssen, Liberale Jüdische
Gemeinde Hamburg, Jüdische Gemeinde Hamburg. Moderation: Marion Koch
Eine Veranstaltungsreihe der Hamburger Kunsthalle in Kooperation mit der Akademie
der Weltreligionen und in Zusammenarbeit mit dem Hamburg Museum.
Musik im Museum
In Zusammenarbeit mit der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg
Sonntag, am 29. November 2015 von 16 bis 17 Uhr, Museumseintritt
Konzerte im Zeichen des Barock
Sonntag, dem 6. Dezember 2015 von 16 bis 17 Uhr, Museumseintritt
Wege zum Barock
Sonntag, 13. Dezember 2015, 16 bis 17 Uhr, Museumseintritt
Konzerte im Zeichen des Barock
In Zusammenarbeit mit der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg
Museumsgespräche
Museumsgespräche zum Salomonischen Tempel können über den Museumsdienst
Hamburg gebucht werden, info@museumsdienst-hamburg.de, www.museumsdienst-
hamburg.de, Tel. 040 – 428 1310.
Kontakt
Historische Museen Hamburg
Museumstraße 23, 22765 Hamburg, T +49 40 428 135 80, F +49 40 427 929 400
info@shmh.org, www.historische-museen-hamburg.de
Weitere Informationen
Buch "Der Salomonische Tempel im Wandel von 3000 Jahren"
siehe Tempel Salomos#Quellen