Freimaurerforschung in Österreich: Unterschied zwischen den Versionen

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Professor Binder wurde durch eine publizistische Großtat bekannt: Er hat das klassische aber längst überholte Freimaurerlexikon von Lennhof-Posner aus den 30iger Jahren bis in unsere Zeit ergänzt. Zur Freimaurerforschung kam er, weil ein Verlag ein einschlägiges Buch von ihm wollte. Daraufhin bestellte ein anderer Verlag die Aktualisierung von Lennhoff-Posner. Und so wurde dieser zum unentbehrlichen Lennhoff-Posner-Binder.
 
Professor Binder wurde durch eine publizistische Großtat bekannt: Er hat das klassische aber längst überholte Freimaurerlexikon von Lennhof-Posner aus den 30iger Jahren bis in unsere Zeit ergänzt. Zur Freimaurerforschung kam er, weil ein Verlag ein einschlägiges Buch von ihm wollte. Daraufhin bestellte ein anderer Verlag die Aktualisierung von Lennhoff-Posner. Und so wurde dieser zum unentbehrlichen Lennhoff-Posner-Binder.
 
   
 
   
In den Büchern Dieter Binders ist nachzulesen: Er ist kein Freimaurer. „Kann man masonisch forschen, ohne dabei zu sein, Herr Professor?“, frage ich bei unserem Treffen. ''„Muß ein Anarchismusexperte Anarchist sein“'', antwortet er augenzwinkernd. ''„Aber ganz im Ernst: Ich weiß, bei uns gibt es ein großes Bedürfnis nach Lagerzuordnungen, doch in der Wissenschaft ist das kein Problem. Ich werde immer von allen freimaurerischen Institutionen unterstützt, aber man wahrt das Arkanprinzip: Rituale zeigt man mir keine. Das macht nichts, ich finde das alles in öffentlichen Bibliotheken. Beitrittsangebote habe ich übrigens immer abgelehnt: eben wegen der Arkandisziplin. Und ich bin auch nicht sicher, ob ich ritualfähig wäre. Natürlich kenne ich den Wert von Ritualen als Trennungsstrich zum Alltäglichen. Doch weiß ich auch, wie nah das Erhabene und das Lächerliche beieinander liegen können: jedenfalls in öffentlichen Inszenierungen; diese vertrage ich immer weniger.“''
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In den Büchern [[Dieter Binder]]s ist nachzulesen: Er ist kein Freimaurer. „Kann man masonisch forschen, ohne dabei zu sein, Herr Professor?“, frage ich bei unserem Treffen. ''„Muß ein Anarchismusexperte Anarchist sein“'', antwortet er augenzwinkernd. ''„Aber ganz im Ernst: Ich weiß, bei uns gibt es ein großes Bedürfnis nach Lagerzuordnungen, doch in der Wissenschaft ist das kein Problem. Ich werde immer von allen freimaurerischen Institutionen unterstützt, aber man wahrt das Arkanprinzip: Rituale zeigt man mir keine. Das macht nichts, ich finde das alles in öffentlichen Bibliotheken. Beitrittsangebote habe ich übrigens immer abgelehnt: eben wegen der Arkandisziplin. Und ich bin auch nicht sicher, ob ich ritualfähig wäre. Natürlich kenne ich den Wert von Ritualen als Trennungsstrich zum Alltäglichen. Doch weiß ich auch, wie nah das Erhabene und das Lächerliche beieinander liegen können: jedenfalls in öffentlichen Inszenierungen; diese vertrage ich immer weniger.“''
  
 
Binder schreibt wissenschaftlich korrekt und zugleich wohlwollend über die Freimaurer. Seine nächsten Projekte: Die steirischen Freimaurer im 18. Jahrhundert sowie eine kommentierte Wiedergabe der Rituale jener altpreußischen-deutschen Logen, die von 1933 bis 1935 vergeblich versuchten, sich durch eine ideologische Anpassung an die Nazis zu retten.
 
Binder schreibt wissenschaftlich korrekt und zugleich wohlwollend über die Freimaurer. Seine nächsten Projekte: Die steirischen Freimaurer im 18. Jahrhundert sowie eine kommentierte Wiedergabe der Rituale jener altpreußischen-deutschen Logen, die von 1933 bis 1935 vergeblich versuchten, sich durch eine ideologische Anpassung an die Nazis zu retten.

Version vom 13. Juni 2012, 15:09 Uhr

Professores Masonicae Austriae

Wer widmet sich in Österreich systematisch der Freimaurerforschung? Die Szene ist klein und heterogen. Sie reicht vom akademischen Vollprofi über den Spätberufenen bis zu Autoren, die jedenfalls für einzelne Werke mit wissenschaftlichen Methoden recherchierten. Von Rudi Rabe aus Wien (2012).

Der DOYEN: Helmut REINALTER

Universitätsprofessor in Innsbruck (Geschichte der Neuzeit); seit 2009 emeritiert. Auf Helmut Reinalter wird im Freimaurer-Wiki in vielen Seiten Bezug genommen. Die Seite zur Person: Helmut Reinalter Und ein Link zur Universität Innsbruck: http://www.uibk.ac.at/geschichte-ethnologie/mitarbeiterinnen/reinalter.html

Helmut Reinalter ist ein ‚Polyhistor‘. So wird der Geschichtsprofessor in einer Festschrift der Österreichischen Freimaurer-Akademie charakterisiert. Ein Polyhistor, ein Universalgelehrter: Ein Teil davon ist der Freimaurerforscher. Als dieser ist er weit über die Freimaurerei hinaus bekannt; übrigens auch als Bruder: „Mitglied der Freimaurerei“ heißt es in seinem öffentlichen Curriculum Vitae bekennend.

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An die hundert Bücher hat Helmut Reinalter geschrieben oder herausgegeben; davon ein gutes Dutzend mit freimaurerischem Bezug. Darüber hinaus erklärt er die Freimaurerei auch in öffentlichen Vorträgen. Wer bei Youtube seinen Namen und ‚Freimaurer‘ eingibt, kann erleben, wie kompetent und engagiert er auftritt: In einem Symposion über Netzwerke, zu dem er bezeichnenderweise eingeladen wurde, erläutert er masonische Grundsätze und tritt Verschwörungstheorien entgegen. Der Netzwerkcharakter der Freimaurerei „wird in der nichtwissenschaftlichen Literatur maßlos übertrieben. Der Einfluß der Freimaurer ist viel geringer als man glaubt; das ist ein Mythos“, klärt er die Tiroler Zuhörer auf.

„Fast könnte einem schwindlig werden beim Lesen Ihres Curriculums angesichts der unglaublich vielen Forschungsaufträge, Gastprofessuren, wissenschaftlichen Tagungen, Veröffentlichungen und Ehrungen rund um den Globus“, eröffne ich unser Gespräch. „Ja, ich staune selbst, wie das alles möglich war“, antwortet er lachend. „Meine Uni gab mir neben den Verpflichtungen viel Freiraum, und so konnte ich schon früh wissenschaftlich arbeiten und publizieren. Bald wurde ich bekannt und in internationale Forschungsprojekte eingebunden; auch Masonische. Und Glück war natürlich auch dabei.“

Zur Freimaurerforschung kam Helmut Reinalter Jahre vor seinem Beitritt 1978: „Schon als Uni-Assistent arbeitete ich mich durch das achtzehnte Jahrhundert. Dabei stieß ich auf die aufklärenden Sozietäten jener Zeit wie die Lesegesellschaften und eben auch die Freimaurer.“

Auch nach seiner Emeritierung macht der Rastlose weiter. Geplant: Die ‚Geschichte der österreichischen Freimaurerei im 18. Jahrhundert‘. Danach soll die Zwischenkriegszeit folgen. Und weitere Bücher in anderen Verlagen.

Masonische Bibliographie: In jüngerer Zeit das Standardwerk ‚Die Freimaurer‘ und ‚Die Weltverschwörer‘.

Der PROFANE: Dieter A. BINDER

Universitätsprofessor in Graz (Neue österreichische Geschichte und Zeitgeschichte) und Budapest (Kulturgeschichte).

Freimaurerlexikon.jpg

Professor Binder wurde durch eine publizistische Großtat bekannt: Er hat das klassische aber längst überholte Freimaurerlexikon von Lennhof-Posner aus den 30iger Jahren bis in unsere Zeit ergänzt. Zur Freimaurerforschung kam er, weil ein Verlag ein einschlägiges Buch von ihm wollte. Daraufhin bestellte ein anderer Verlag die Aktualisierung von Lennhoff-Posner. Und so wurde dieser zum unentbehrlichen Lennhoff-Posner-Binder.

In den Büchern Dieter Binders ist nachzulesen: Er ist kein Freimaurer. „Kann man masonisch forschen, ohne dabei zu sein, Herr Professor?“, frage ich bei unserem Treffen. „Muß ein Anarchismusexperte Anarchist sein“, antwortet er augenzwinkernd. „Aber ganz im Ernst: Ich weiß, bei uns gibt es ein großes Bedürfnis nach Lagerzuordnungen, doch in der Wissenschaft ist das kein Problem. Ich werde immer von allen freimaurerischen Institutionen unterstützt, aber man wahrt das Arkanprinzip: Rituale zeigt man mir keine. Das macht nichts, ich finde das alles in öffentlichen Bibliotheken. Beitrittsangebote habe ich übrigens immer abgelehnt: eben wegen der Arkandisziplin. Und ich bin auch nicht sicher, ob ich ritualfähig wäre. Natürlich kenne ich den Wert von Ritualen als Trennungsstrich zum Alltäglichen. Doch weiß ich auch, wie nah das Erhabene und das Lächerliche beieinander liegen können: jedenfalls in öffentlichen Inszenierungen; diese vertrage ich immer weniger.“

Binder schreibt wissenschaftlich korrekt und zugleich wohlwollend über die Freimaurer. Seine nächsten Projekte: Die steirischen Freimaurer im 18. Jahrhundert sowie eine kommentierte Wiedergabe der Rituale jener altpreußischen-deutschen Logen, die von 1933 bis 1935 vergeblich versuchten, sich durch eine ideologische Anpassung an die Nazis zu retten.

Masonische Bibliographie: ‚Die Freimaurer‘ und ‚Die diskrete Gesellschaft‘; sowie das Lexikon: Lennhoff, Posner, Binder und Internationales Freimaurer-Lexikon

Der QUEREINSTEIGER: Günter KODEK

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Medienmensch, Verleger, Autor und auch noch Unternehmer in einer ganz anderen Branche: Mitinhaber eines chemischen Betriebes.

Üblicherweise kommt man zur Wissenschaft über die Universität. Bei Günter Kodek lief es anders: Er begann als Schriftsetzer; dort lernte er Genauigkeit. Später: Verleger, Vortragender, Autor. Die Gesamtauflage seiner Bücher erreichte eine halbe Million.

Und irgendwann beschäftigte er sich mit der Geschichte der Freimaurerei. Zuerst als Leser, dann immer tiefer bis er davon regelrecht verschlungen wurde. Und so begann er selbst in Ämtern und Archiven zu graben: in Moskau, Budapest, Bratislava und verschiedenen Orten Österreichs. Als wissenschaftlich arbeitender Freimaurerforscher ist Günter Kodek also ein Spätberufener.

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Sein ‚opus magnum‘: Nach dem Muster der legendären „Chronik Österreich“, die er früher einmal mitverfaßt hatte, baute er mit Schwerpunkt Österreich eine chronologische Freimaurergeschichte auf. Bisher gibt es zwei Bände bis 1938; und parallel dazu zwei Bände mit tausenden historischen Freimaurernamen. Kodek: „Allein diese Namen haben mich wegen der uneinheitlichen und oft unleserlichen Schreibweise viel Zeit gekostet. Ohne mein Schriftsetzertraining hätte ich vieles nicht lesen können.“ Kein Wunder, daß er an den vier Bänden ein Jahrzehnt arbeitete: „Vor der Computerzeit wäre einem Einzelkämpfer wie mir das alles nicht möglich gewesen. Das meiste habe ich zwei- bis dreimal geprüft. Dennoch kann ich einzelne Fehler nicht ausschließen.“

Jetzt beschäftigt sich Günter Kodek mit den Jahren nach 1945. Dabei ist ihm das österreichische Großlogenarchiv eine wesentliche Hilfe. Wann können wir mit den letzten zwei Bänden rechnen? „Spätestens zu meinem Fünfundsiebziger“, schmunzelt er. Das wäre am 4. Mai 2014.

Masonische Bibliographie: ‚Von der Alchemie zur Aufklärung‘ (1717-1867) und ‚Zwischen verboten und erlaubt‘ (1867-1938). Dazu die zwei Namensbände.

Der JUNGSTAR: Marcus G. PATKA

Der Mitvierziger ist der einzige, der die Forschung neben einem ausgefüllten Brotberuf betreibt. Er ist Kurator im Jüdischen Museum in Wien. Mehrere Seiten im Freimaurer-Wiki beziehen sich auf seine Arbeiten.

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Nicht unlogisch, daß seine erste Forscherzeit der Emigration gewidmet war. Doch nach eineinhalb Jahrzehnten suchte er neue Ufer, und so landete Marcus Patka bei der österreichischen Freimaurerei der Zwischenkriegszeit. Das war Neuland: „Und wenn es ein wissenschaftliches Buch, das man lesen möchte, noch nicht gibt, muß man es eben selbst schreiben“, zitiert Patka schmunzelnd einen akademischen Kalauer. „Ich bin besessen vom Publizieren. Das wissenschaftliche Schreiben ist mein Talent, dafür opfere ich jede freie Minute; selbst an den Strand nehme ich einschlägiges Material mit.“

Wobei er bald bemerkte, „dass es viel zu wenig Grundlagenforschung gibt, weil diese in den Geisteswissenschaften ganz im Gegensatz zu den Naturwissenschaften gering geschätzt und kaum von jemandem finanziert wird.“ Aber er hatte Glück: „Ohne die detailreiche Basisarbeit von Günter Kodek wäre ich nicht dort, wo ich heute bin. Vor allem habe ich dank Kodek ein umfangreiches freimaurerisches Namensverzeichnis. Jeder Name ist wie ein Faden, an dem ich ziehen und durch weiteres Quellenstudium in den verschiedensten Archiven neue Einblicke gewinnen kann.“

Längst ist auch die universitäre Zeitgeschichte auf Marcus Patka aufmerksam geworden. Nicht nur daß man ihn für Kurse an der Uni gewonnen hat, er steuert auf die Habilitation zu.

Masonische Bibliographie: ‚Österreichische Freimaurer im Nationalsozialismus‘ Rezension: Marcus Patka - Österreichische Freimaurer im Nationalsozialismus und ‚Freimaurerei und Sozialreform (1869 bis 1938)‘.

Weitere Publikationen österreichischer Autoren auf wissenschaftlicher Grundlage

Natürlich ist der Übergang zwischen einer anhaltenden wissenschaftlichen Freimaurerforschung und abgegrenzten Forschungsaktionen für einzelne Publikationen fließend. Für letzteres stehen zum Beispiel folgende Autoren, die sich bei der Erarbeitung von Büchern wissenschaftlicher Methoden bedienten:

Robert A. Minder: Rezension: Robert A. Minder: Freimaurer Politiker Lexikon

Peter Stiegnitz: Rezension: Peter Stiegnitz: Gott ohne Kirche

Harald Schrefler: Rezension: Harald Schrefler - Der Papst und die Freimaurer und Harald Schrefler - Der Papst und die Freimaurer

Walter Göhring ist ein Spezialfall: Er ist zwar kein Freimaurerforscher im eigentlichen Sinn, doch beschäftigt sich der in Warschau habilitierte Österreicher seit Jahren wissenschaftlich mit dem Friedensnobelpreisträger und Freimaurer Alfred Hermann Fried.


Robert A. Minder: 'Freimaurer Politiker Lexikon‘
Peter Stiegnitz: ‚Gott ohne Kirche - Religion und Freimaurerei‘
Harald Schrefler: ‚Der Papst und die Freimaurer‘
Walter Göhring: 'Frieden ohne Grenzen - Zu Alfred Hermann Fried'


Siehe auch