Kosmos: Eigenart: Unterschied zwischen den Versionen

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das letzte Wort hat – auch eine kluge Methode, die Diskussion
 
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zu entspannen, damit sie für alle, den Hörern wie den aktiven Teilnehmern, zu einem Gewinn wird.
 
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Version vom 23. April 2013, 20:36 Uhr

Eigenart

Festschrift aus Anlass des 40-jährigen Jubiläums der Johannis-Freimaurerloge Kosmos im Orient Königswinter, Arbeitssitz Bonn, vereinsrechtlich gemeldet im Vereinsregister der Stadt Köln. Die Publikation fällt nicht unter die freimaurerische Deckung. Alle Namensnennungen erfolgen unter Zustimmung der betroffenen Personen.

Bücher des heiligen Gesetzes

Das so genannte Buch des Heiligen Gesetzes nimmt in der freimaurerischen Tradition unter den verwendeten Symbolen eine besonders wichtige Position ein, gilt es neben Winkelmaß und Zirkel, den beiden wohl bekanntesten Symbolen der Freimaurerei, als drittes so genanntes Großes Licht der Freimaurerei.

Aber auch in der freimaurerischen Geschichte spielt es eine wichtige Rolle, steht es doch im Zusammenhang mit einer internen Debatte um die Bedeutung des religiösen Glaubens für die Freimaurerei, die zum bedeutsamsten Schisma in der dreihunderjährigen Geschichte der institutionellen Freimaurerei geführt hat.

In der Ritualpraxis von Kosmos, nicht nur die Bibel, sondern auch Tora und Koran „aufzulegen“, reflektieren sich beide Aspekte, der symbologische wie auch der geschichtliche, es zeigt sich aber zugleich auch die Begrenztheit dieser Praxis.

Wie christlich ist das Buch des heiligen Gesetzes

Traditionell werden in der Freimaurerei auf einem Tisch vor dem Meistertisch die so genannten Drei Großen Lichter der Freimaurerei aufgelegt, dabei handelt es sich um das Winkelmaß, den Zirkel und das Buch des Heiligen Gesetzes. In der Praxis bedeutete dies, dass auf dem „Altar“ der Loge die christliche Bibel zu finden war, es gab gelegentlich sogar Vorgaben, an welcher Stelle die Bibel im Zuge der rituellen Eröffnung der Loge aufzuschlagen sei, womit die Verwendung der christlichen Bibel geradezu unvermeidlich wurde.

Eine solche Vorgabe gibt es aktuell im Ritual der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, zu der die Loge Kosmos gehört, nicht. Somit sprach auch nichts dagegen, als die Brüder von Kosmos sich dazu entschlossen, zusätzlich zur Bibel auch den Koran und die Tora mit auf den Altar zu legen.

Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die Loge ihre Mitglieder nicht auf eine spezifische Religion festlegen wollte, darin einer Auslegung der ältesten Konstitutionen der Freimaurerei folgend, nämlich den Alten Pflichten von James Anderson, nach der die Mitglieder von Freimaurerlogen nur auf jene Religion verpflichtet werden, in der jeder Mensch übereinstimme.


Die Religion in den Alten Pflichten

In den zwischen 1721 und 1723 im Auftrag der englischen Großloge entstandenen und von James Anderson verfassten Alten Pflichten ist ausdrücklich nicht davon die Rede, dass das Bekenntnis zu einer wie auch immer institutionell ausgeprägten Religion die Bedingung für die Aufnahme in einer Loge ist, lediglich „dumpfen Atheisten“ („stupid atheist“) und „religionsfeindlichen Wüstlingen“ („irreligious libertine“) ist der Zutritt zur Gemeinschaft verwehrt, da sie Ausdruck eines Missverständnisses sind; wörtlich heißt es: „Wenn er das Handwerk recht versteht, wird er weder dumpfer Atheist noch religionsfeindlicher Wüstling sein“. Im englischen Original steht „art“, was nur unzureichend mit „Kunst“ zu übersetzen ist, denn hier liegt der lateinische Begriff der „ars“ zugrunde, der eher die Bedeutung von Kunstfertigkeit als Ergebnis einer Einübungspraxis im Zuge einer langjährigen Ausbildung hat, die den Sachverständigen zu einem angemessenen Umgang mit naturgesetzlichen Grundlagen seiner Tätigkeit führt.

In der in der gleichen Epoche entstandenen wissenschaftstheoretischen Schrift „Novum organon“ (1620) von Francis Bacon ist ausdrücklich von einem Gehorsam gegenüber (der Ordnung) der Natur die Rede, die die Voraussetzung für erfolgreiches Handeln ist („Natura enim non nisi parendo vincitur“, F. Bacon, Novum organon, Erstes Buch, Nr. 3), eine Wortwahl, die nahelegt, dass es hier nicht nur um nüchterne Einsicht, sondern auch um Respekt, Anerkennung einer vorgängigen, nämlich nicht vom Menschen gemachten Ordnung geht, die durchaus religiös interpretierbar ist, auch wenn dies sich uns Heutigen nicht so nahelegt wie den Menschen des 17. und 18. Jahrhunderts. Hier geht es, so wage ich zu interpretieren, nicht mehr notwendig um eine Religion, die sich einer göttlichen Offenbarung verdankt, zumindest nicht in dieser ersten Version der Andersonschen Programmschrift.

Dass James Anderson, selbst schottisch-presbyterianischer Prediger, sich so weit von einer Bestimmung von Religion entfernt, die auf göttlich geoffenbarten Inhalten basiert, ist auch dann noch erstaunlich, wenn man die geschichtliche Erfahrung im England seiner Zeit einrechnet, die gerade schwerste, meist politisch angefachte Konfessionskonflikte überwunden hatte.

Dass die englische Großloge schon kurze Zeit später in einer Textrevision diesen Religionsbegriff in Richtung eines eher christlichen modifizierte (es wird dann von einem Glauben an den geoffenbarten Gott und an das ewige Leben die Rede sein), macht die Provokation des Grundgedankens einmal mehr deutlich.


=== Verzicht auf Religiosität als Aufnahmevoraussetzung in Belgien und Frankreich ===

150 Jahre später wird zunächst der Grand Orient de Belgique (1872), dann auch der Grand Orient de France (1877) auf eine religiöse Überzeugung als Voraussetzung für die Aufnahme in die Freimaurerei formell verzichten; diese Bedingung war ohnehin im politisch angefachten Antiklerikalismus in Frankreich und Belgien im Aufnahmeverfahren in der Praxis schon länger ignoriert worden.

Diese Entscheidung der führenden belgischen und französischen Obödienz führte schnell zum Ausschluss aus dem Anerkennungssystem der englischen Großloge, mit der Konsequenz der Aufhebung des gegenseitigen Besuchsrechtes. Dieses Schisma lastet bis heute auf der kontinentalen Freimaurerei und beeinträchtigt nachhaltig die Glaubwürdigkeit der Freimaurerei, wenn die Rede von der universellen Bruderkette ist.

Im Kontext dieser in den ursprünglichen Alten Pflichten geforderten Religiosität steht natürlich auch die Praxis, die Bibel als Buch des Heiligen Gesetzes rituell im Logenöffnungsritual aufzuschlagen. Auf ihr werden bei Aufnahme eines Suchenden auch die Versprechen abgelegt. In den freimaurerischen Körperschaften hingegen, die auf Bedingung der Religiosität verzichtet haben, etablierte sich oft die Praxis, ein Buch mit weißen Seiten oder, alternativ, das Konstitutionsbuch der Körperschaft selbst zu verwenden.


=== Drei Bücher des heiligen Gesetzes bei Kosmos – ein Schritt weiter, aber dennoch ein Kompromiss ===

Mit der Entscheidung, bei Kosmos gleich drei heilige Bücher aufzulegen, wird die Enge der traditionellen Bindung an das Christentum gelockert, es wird aber auch die unverbindliche Unterbestimmung eines Buches mit weißen Seiten vermieden. Gleichwohl bringt diese Entscheidung Probleme mit sich, nämlich dort, wo Mitglieder sich auf Distanz zu Offenbarungs- bzw. Buchreligionen sehen. Eine solche Kritik wurde im Kreis der Mitglieder von Kosmos auch schon angesprochen.


Wie eine Lösung dieses Problems aussehen könnte, ist noch offen. Gleich wie sie aussehen könnte, sie müsste gleichwohl die traditionelle Formulierung mit ihren Interpretationsspielräumen berücksichtigen.

Die Rede vom Buch des Heiligen Gesetzes umfasst nämlich, nimmt man die Formulierung beim Wort, eine ganze Reihe von symbolischen Aspekten: der Buchcharakter, die Heiligkeit und die Gesetzesförmigkeit. Alle drei Aspekte können enger oder weiter ausgelegt werden. In einem engen Sinne wäre dann der Buchcharakter im Blick auf eine göttliche Offenbarung zu verstehen, die sich materiell manifestiert; ebenso kann er aber auch — wie in der Metapher vom Buch der Natur — als allgemeine verstandesmäßige Zugänglichkeit der Wirklichkeit verstanden werden, die die Einsicht und Wirklichkeitserkenntnis nicht an soziale oder religiöse Sonderprivilegien bindet.

Heiligkeit scheint in einem unmittelbaren religiösen Zusammenhang zu stehen, entsprechend sind jene Gegenstände und Personen heilig, die in besonderer Nähe zu Gott oder einem Göttlichen stehen, doch auch hier ist eine andere Interpretation möglich, bedeutet doch der Begriff „heil“ in den germanischen Sprachen (z.B. noch erkennbar im englischen „whole“) „ganz“, „gesund“, „unversehrt“, sekundär auch „glücklich“. Den Gesetzescharakter kann man im Sinne moralischer Normen verstehen, an die sich die Menschen zu halten haben, aber ebenso legitim ist es, ihn auf Wirklichkeit zu beziehen, die wir als von Naturgesetzen geordnet verstehen.

Die rituelle Praxis in der Loge Kosmos, drei Bücher des heiligen Gesetzes aufzulegen, öffnet das traditionelle Symbol zwar auf zwei andere Offenbarungsreligionen, verharrt aber dennoch in der engen Auslegung des Buchund Heiligkeitscharakters. Die höhere Integrationsleistung erzeugt aber auch eine neue Ausgrenzung und macht den provisorischen Charakter dieser, bei Kosmos gepflegten Variante der rituellen Repräsentation des Symbols vom Buch des heiligen Gesetzes deutlich.



Mit der Entscheidung, bei Kosmos gleich drei heilige Bücher aufzulegen, wird die Enge der traditionellen Bindung an das Christentum gelockert, es wird aber auch die unverbindliche Unterbestimmung eines Buches mit weißen Seiten vermieden.



Comparitie - Freimaurerische Gesprächskultur

Der Begriff Comparitie wird in der niederländischen Freimaurerei verwendet, um die Eigenart freimaurerischer Gesprächskultur zum Ausdruck zu bringen. Er stammt aus der Rechtssprache und kann mit „Vergleich“ im juristischen Sinne übersetzt werden. Im Gegensatz zur Diskussion ist die Comparitie nicht auf die Durchsetzung einer Position in einem Meinungsstreit ausgerichtet, sondern auf Ergänzung, auf Erweiterung des Horizontes aller Beteiligten. In diesem Sinne ist der Begriff sehr gut geeignet zur Bezeichnung dessen, was Kosmos als Diskussion im Tempel praktiziert.

Zu den kulturgeschichtlich interessantesten Aspekten der Freimaurerei gehört, dass es sich bei der Gemeinschaft der Loge um eine solche handelt, die nicht wie die meisten nicht-familiären Gruppen durch gemeinsame Interessen oder gemeinsame Überzeugungen gebildet wird. An die Stelle einer inhaltlichen Bindung bildet sich die Gemeinschaft in einer Loge durch die gemeinsame Durchführung des Rituals.

Der eine oder andere Leser wird nun einwänden, dass die Freimaurerei doch gemeinsame Werte vertritt. Diese Werte – üblicher Weise denkt man hier an Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Humanität und Toleranz – sind weitestgehend unbestimmt, und man sollte sich auch unter Freimaurern nicht sicher sein, dass man die Begriffe in auch nur ähnlicher Weise bestimmen wird.

Wenn aber die Gemeinschaft über das Ritual gestiftet wird anstatt über einen Konsens, somit also die Meinungsverschiedenheit nicht nur irgendwie geduldet, sondern sogar für die Gruppe konstitutiv ist, dann bekommt der Austausch zwischen den Mitgliedern eine besondere Bedeutung: Der Austausch bekommt den Charakter einer Selbstversicherung der Gemeinschaft ihrer Meinungsvielfalt, ihrer menschlichen Vielfalt, die es in keiner Weise zu überwinden gilt, sondern – im Gegenteil – die um ihrer selbst willen geschätzt werden soll. Dies kann nur gelingen, wenn der Austausch zwischen den Mitgliedern nicht den Charakter einer kontroversen Diskussion bekommt.

Die freimaurerische Gesprächskultur als nicht-kontroversielle Begegnung wird in den Logen auf vielfältige Weise gepflegt. Viele Logen besprechen den Vortrag in der Loge (die so genannte Zeichnung) an der Weissen Tafel, also nach oder vor dem gemeinsamen Essen im Anschluss an die Tempelarbeit. Jedem, der Stellung beziehen will, darf dies erst nach ausdrücklicher Worterteilung. Andere Logen pflegen das Kerzengespräch, in dem jeder Teilnehmer während der Zeit seiner Ausführungen eine brennende Kerze hält, die er dann an seinen Nachbarn weiterreicht. Nur derjenige hat das Wort, der die Kerze hält.

Die Loge Kosmos praktiziert die Diskussion im Tempel und übernimmt darin eine Tradition, die für einige der liberalen französischen Großlogen typisch ist. Die Einführung dieses Austausches während der Tempelarbeit war nicht unumstritten, und dies schon unter den Mitgliedern der Loge selbst, zu sehr fürchtete man, dass die durch das Ritual bewirkte Eintracht bedroht sei.

Es bedurfte einer Gewöhnungszeit, in der die neue Errungenschaft durchaus auch drohte, zur Disposition gestellt zu werden. Als Bruder, der lange nach Einführung der Diskussion Mitglied wurde, ist eine Tempelarbeit ohne Diskussion fast nicht mehr vorstellbar. Wenn ich als Besucher in einer anderen Loge nach der Zeichnung die Worte des Meisters vom Stuhl zur Schließung der Loge hört („Meine Brüder, ich gedenke die Loge zu schließen“), dann beschleicht mich auch heute noch, nach so vielen Besuchen in anderen freimaurerischen Systemen, das Gefühl, mir werde ein wichtiges Element der Maurerei vorenthalten.

Und damit die Diskussion den Charakter einer Comparitie bewahrt, gilt eine strenge Redeordnung, die sowohl sicherstellt, das der gerade sprechende Bruder nicht unterbrochen wird als auch eine gelegentlich notwendige Entschleunigung bewirkt. Wortbeiträge müssen beim Aufseher (von denen es für jede der beiden Sitzreihe einen gibt) angekündigt werden, dieser meldet dem Meister vom Stuhl die Ankündigung, letzterer bittet nun den Aufseher das Wort zu erteilen; erst dann erhebt sich der Bruder und trägt „in Ordnung“ (also in der pro Grad sich unterscheidenden und nach aussen geheim gehaltenen Form) stehend seine Meinung vor. Dabei kann es durchaus sein, dass er in der Redeordnung eine Weile warten muss, so dass er seine Position selbst überdenken kann; genauso kann es sein, dass seine Meinungsäußerung sich unterdessen durch einen anderen Beitrag erledigt hat.

Diese Redeordnung hat noch einen Seiteneffekt, der vielleicht gar nicht beabsichtigt war. Die Lehrlinge, die während ihrer Lehrlingszeit „schweigen“ müssen (was konkret bedeutet, dass ihnen im Tempel das Wort nicht erteilt wird), lernen im Laufe der Zeit alle Lieblingsthemen der Brüder langsam kennen, vielleicht ebenso ihre heiklen Punkte. Insofern könnte diese Schweigezeit auch als Einübung in Achtsamkeit verstanden werden.

Ebenso wie die Diskussion im Tempel gehört auch die so genannte „conclusion“ zur liberalen französischen Tradition. Der Redner der Loge fasst im Anschluss an Vortrag und Diskussion die ihm wesentlichen Punkte zusammen und rückt sie in einen weiteren Horizont. Wie in der mittelalterlischen conclusio magistralis steht also fest, wer das letzte Wort hat – auch eine kluge Methode, die Diskussion zu entspannen, damit sie für alle, den Hörern wie den aktiven Teilnehmern, zu einem Gewinn wird.




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