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Version vom 18. Dezember 2013, 18:31 Uhr

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Die Etablierung der schwedischen Schottengrade

Die Etablierung der schwedischen Schottengrade 1740-1800: ein historischer Überblick
Dr. Andreas Önnerfors (IX SPL)

Einleitung

„F.: Seid Ihr Schottisch?
A.: Ich habe das Große Licht gesehen.
F.: Wo habt Ihr es gesehen?
A.: Im dritten Himmel.
F.: Wie seid Ihr zum Schotten gemacht worden?
A.: Dadurch meine Unkenntnis zuzugeben und zur Finsternis zurückzukehren um das Grosse Licht zu sehen und dort zu sein wo die Wahrheit lebt.“

Dieses Zitat stammt aus dem Fragebuch der Loge de la parfaite Union aus dem Jahr 1748, von wo aus es vom schwedischen Offizier Fredrik Horn zurück nach Schweden gebracht wurde. Die Loge de la parfaite Union war eine „wandernde“ Feldloge im Regiment Alsace Mutterstadt, in der Horn diente. Zur Zeit der Erstellung dieser Kopie des Fragebuchs war das Regiment nach Dünkirchen verlegt. Horns schottische Rituale sind eine der ersten feststellbaren Spuren des Einflusses einer Freimaurerei mit schottischen Graden in Schweden. Es ist gemeinhin bekannt das Carl Friedrich Eckleff im Jahr 1756 in Stockholm die erste schottische Loge L’Innocente gründete, doch gab es bereits davor eine Reihe schwedischer Freimaurer, die diese Grade im Ausland erhalten hatten.

Die Absicht meines Vortrags ist die Etablierung der schwedischen Schottengrade in den Jahren 1740-1800 genauer zu beleuchten. Man kann diese Periode grob in drei Phasen einteilen:

1) 1740-1756: einzelne schwedische Freimaurer werden in „kontinentalen“ schottischen Logen aufgenommen, einige schottische Grade werden in Schweden unsystematisch erteilt.
2) 1756-1770er Jahre: Eckleffs Andreasfreimaurerei ist die in Schweden vorherrschende Arbeit. Diese wird durch das Clermontsche System und die Strikte Observanz beeinflusst.
3) 1770er Jahre – 1800: Im Kontakt mit der Strikten Observanz und möglicherweise anderen frm. Riten wird das schwedische Andreasritual weiter entwickelt und erhält nach 1782 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts seine jetzige Form.

Vier neue Bücher zur schwedischen Freimaurerei

Doch bevor ich weiter auf diese Phasen der Entwicklung eingehe, möchte ich einleitend auf nicht weniger als vier neue Bücher zur schwedischen Freimaurerei hinweisen, die in diesem Jahr 2010 in Schweden erschienen sind. Anlässlich des 275. Jubiläums der ersten Aufnahme auf schwedischem Boden in Stockholm im März 1735 hat die schwedische Forschungsloge Carl Friedrich Eckleff das Buch „Herzog Carl und die schwedische Freimaurerei“ herausgegeben. Dieses korporative Projekt, im Jahr 2002 wurde ein Buch über das 250. Jubiläum des Freimaurer-Waisenhauses in gleicher Weise ediert, vereinigte Autoren aus dem Kreis der Forschungsloge, die in einer Redaktionsgruppe mit kollegialer Kritik Aufsätze zu verschiedenen Aspekten der Zeit und Person Herzog Carls (1748-1818) erarbeiteten.

Hier finden sich Studien zur Person des Herzogs und späteren Königs, seiner Gemahlin, der esoterischen und „aufklärerischen“ Seite der schwedischen Freimaurerei, den diplomatischen Verbindungen nach England und zur schwedischen Adoptionsfreimaurerei. In privater Initiative hat der Historiker und Freimaurer Göran Anderberg Ende 2009 ein Buch über den „Freimaurer Gustav III“ herausgegeben, das die freimaurerischen Aspekte seines Lebens ausführlich durchleuchtet und in vielen Bereichen neue Erkenntnisse präsentiert.

Als Resultat einer genauen Katalogisierung der vorrangig esoterischen Bestände des Archivs des Schwedischen Freimaurerordens ist weiter ein Titel „Gustavianische Mystik“ von Kjell Lekeby, Freimaurer und Archivar im Svenska Frimurare Orden (SFMO), erschienen. Hier gibt es hochinteressante Details zu den mystischen Interessen führender Freimaurer in Schweden und sehr interessante Verknüpfungspunkte zur Entwicklung der Andreasfreimaurerei gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Schließlich ist diesen Monat der Titel „Brüderschaft der Geheimnisse: über die Geschichte der schwedischen Freimaurer“ erschienen.

Der Autor und professionelle Historiker Peter Ullgren ist kein Freimaurer, aber hat den lobenswerten Versuch unternommen, die fast dreihundertjährige Geschichte der schwedischen Freimaurerei zusammenzufassen. Leider leidet das Buch unter schlechter Grundforschung und manchen seltsamen Kommentaren und Schlussfolgerungen. Die erste Rezension, die in Svenska Dagbladet erschienen ist (21.10.2010), ist sehr kritisch. Eines steht jedoch fest: die Forschung zur schwedischen Freimaurerei und seiner Entstehungsgeschichte hat mit diesen vier Werken einen bedeutenden Schritt vorwärts gemacht.

Rituelle Entwicklung innerhalb der Andreasgrade

Doch zurück zur rituellen Entwicklung innerhalb der Andreasgrade. Meine These ist: für den schwedischen Ritus nehmen diese Grade eine zentrale Stellung ein. Sie sind nicht nur eine Übergangsphase zwischen Arbeitsgraden und Kapitel, sondern überbrücken und transformieren die Symbole von der einen zur anderen Phase innerhalb des schwedischen Ritus und gerade daher ist ihr Charakter der Transformation von so immenser Bedeutung. Schon im Jahr 1761 wurde diese Stellung im parallelen Clermontschen System so ausgedrückt:


Titelblatt des Rostocker Kapitels im Clermont-Rosaischen System 1761
Die Städteansicht stellt offenkundig Rostock dar, eine evt. Templerkirche lässt sich links finden. Die unterste Ordensabteilung ist der „Ordo Liberae Artis Latomicae“ der „Orden der Freien Maurerkunst“, ausgedrückt durch einen umgedrehten blauen Winkelhaken. In der Mitte befindet sich der „Ordo Equestris Sancti Andreae“, des „Sankt Andreas-Ritter-Ordens“, ausgedrückt durch ein grünes Andreaskreuz und oben der „Ordo Equestris Hierosolymitanis“, des „Jerusalem-Ritter-Ordens“, ausgedrückt durch einen roten Winkelhaken. Diese Konstruktion in drei distinkten, aber zusammenhängenden Teilen wird über das Rote Kreuz mit einem von einem Engel gehaltenen Lorbeerkranz, der das Motto „Ex Coelis Protectio“ „Aus dem Himmel Schutz“ umschließt, verbunden. Schließlich durchbricht das golden strahlende Tetragrammaton die dunklen Wolken. Diese Szenerie spielt sich ab über den Mauern und Türmen einer Stadt (offenkundig Rostock), möglicherweise mit einem imaginären Jerusalem in Verbindung zu bringen.

1740-1756: Horn und Posses Rituale

Die Ursprünge der schottischen oder Andreas-Freimaurerei sind immer noch nicht eindeutig geklärt. In der Freimaurerforschung hat seit langer Zeit die vorurteilsvolle Auffassung geherrscht, die schottischen und Rittergrade der Freimaurerei seien eine Erfindung der französischen Imagination, Ausdruck des barocken Drangs nach fabelhafter Ausschmückung oder die Konservierung standesprivilegierten Denkens des französischen Adels in einer katholischen und absoluten Monarchie. Immer wieder wird weiterhin die Entstehung der schottischen und ritterlichen Grade auf Ramsay zurückgeführt und behauptet seine Mitgliedschaft im St. Lazarus Ritterorden habe sich auf sein Denken ausgewirkt. Doch dabei wird oft übersehen das Ramsay seine Kontakte nach England weiterhin pflegte und sich in denselben Zirkeln wie die Freimaurer der Grand Lodge of England bewegte. Es ist in diesem Zusammenhang nicht auszuschließen, dass es schon frühzeitig zu einer Kommunikation des Royal-Arch-degrees nach Frankreich kam, der in wesentlichen Inhalten mit dem Schottischen Meistergrad zu vergleichen ist. Von Schmettau, der als der Initiator der schottischen Freimaurerei im Territorium des Alten Reichs gilt, hatte offenkundig ebenfalls Kontakte nach Großbritannien. Die Verbreitung der schottischen Freimaurerei erfolgte über die Loge L’Union in Berlin, die sich als Mutterloge auffasste.

Hamburg, Leipzig, Dresden, Frankfurt a.M. und Kopenhagen können wohl mit diesem System in Verbindung gebracht werden. Pierre Mollier hat die Protokolle und Matrikel der Berliner Loge ausgewertet. Ein großer Anteil ihrer Mitglieder war „ausländischer Herkunft“ und es darf wohl angenommen werden, dass dies Teil einer Strategie war, diese neue Form freimaurerischer Arbeit in Europa zu verbreiten. Der schwedische Botschafter in Berlin, Diplomat und hochkarätiger Politiker Carl Gustaf Tessin (1695-1770) war beispielsweise Mitglied der schottischen Loge L’Union. Es ist übrigens seine Aufnahme in Stockholm, die sich 2010 zum 275. Mal jährt. Wir wissen sehr wenig über die rituelle Arbeit in der Berliner Schottenloge; in einem schwedischen Privatarchiv gibt es jedoch offenkundig Beschreibungen aus der Hand Tessins, die sich der Besitzer jedoch leider vorbehält selber zu verwerten.

„Transformativer“ Ritualkomplex

Detailliertere Akten gibt es in der Kloss-Sammlung in Den Haag. Es lässt sich auch oft in der freimaurerischen Literatur finden, dass schon Carl Friedrich Scheffer (1715-1786) in Paris in die schottischen Grade eingeweiht worden sein soll. Dies wäre um die Zeit der Ausfertigung des Derwentwaters/Radclyffes Patents für Schweden um 1737 anzusetzen, doch konkrete Belege dafür haben sich noch nicht gefunden. Wenn jedoch die Entstehung eines ritterlichen Motivkomplexes für die Freimaurerei um 1740 angesetzt werden kann, ist es logisch, von der gleichzeitigen oder vorherigen Herausbildung eines „transformativen“ Ritualkomplexes auszugehen, die den Übergang von den Motiven des Handwerker-Freimaurers zum Ritter-Freimaurer glaubwürdig inszeniert. Und natürlich ist selbst der Schottische Meistergrad gewissermaßen als der erste ritterliche Grad zu betrachten. Die Aufnahme einer Anzahl von schwedischen Freimaurern in den schottischen Graden vor 1756 ist belegt. Welchen Logen diese im Einzelnen zugehörten und welche rituelle Arbeit dort befolgt wurde, steht noch aus, genauer erforscht zu werden. Auf jeden Fall scheint für die meisten der Übergang in das Eckleffsche System keine Probleme bereitet zu haben und es scheint ebenfalls eine große Toleranz gegenüber verschiedenen Systemen und Praxen gegeben zu haben.

Die Akten des eingangs zitierten Fredrik Horns und Knut Posses können als Beispiele der Arbeiten präsentiert werden, die den schwedischen Brüdern im Ausland begegnet waren. Fredrik Horn af Åminne (1725-1796) gehörte zu einer der einflussreichsten schwedischen Adelsfamilien. Er ist in seiner Berufs- und Freimaurerkarriere repräsentativ für die erste Generation schwedischer Freimaurer, weshalb sich ein ausführlicher Blick auf seine Biographie durchaus lohnt. Im Flandern-Feldzug Anfang der 1740-er Jahre wurde er für seine Tapferkeit ausgezeichnet, wurde 1745 Leutnant im schwedischen Regiment unter französischer Fahne ‚Royal Suèdois’. Gegen Ende des österreichischen Erbfolgekriegs schied er als Oberst aus französischem Dienst aus. Als General-Leutnant schloss er sich jedoch zu Anfang des Siebenjährigen Kriegs dem französischen Heer wieder an und war maßgeblich am Sieg bei Haastenbeck beteiligt, wofür er später mit dem französischen Orden ‚Pour le Mérite Militaire’ dekoriert wurde.

Nach seiner Rückkehr nach Schweden begann er eine Karriere in schwedischen Eliteregimentern, die 1778 mit der Ernennung zum General der Kavallerie und dem höchsten schwedischen Staatsorden, dem Seraphimerorden, gekrönt wurde. Gleichzeitig war von Horn auch politisch aktiv. 1758 heiratete Horn in die Plommenfelt-Familie. Sein Schwager Carl Anders Plommenfelt (1750- ca. 1790) spielte später eine entscheidende Rolle in den Verhandlungen zwischen Schweden und der Strikten Observanz sowie der Ungültigerklärung der für Zinnendorf ausgefertigten Konstitution Eckleffs. Zunächst engagierte Horn sich auf der Seite der pro-französischen Partei der „Hüte“ (mit der er auch durch seine Heirat direkten Kontakt etablierte), die auf den Reichstagen 1738-1765 die Mehrheit konstituierte. Nach 1765 schloss er sich der Hofpartei an, die im Jahr 1772 den Putsch des Freimaurers und Königs Gustav III. aktiv unterstützte. Horns Loyalität wurde jedoch während des erfolgslosen Schwedisch-Russischen Kriegs 1788-1790 auf die Probe gestellt. Er schloss sich der Adelsopposition an, aus deren Kreis im Jahr 1792 sich eine radikalere Gruppe (unter anderem Horns eigener Sohn Claes Fredrik) herauskristallisierte, die im März desselben Jahres den tödlichen Anschlag auf den König vorbereiteten und durchführten.

Horn wurde im Mai 1743 in die Feldloge des französischen Regiments Alsace (stationiert in Mutterstadt) aufgenommen, wo er im Oktober desselben Jahres den zweiten und dritten Grad erhielt. Fünf Jahre später wurde er in Metz in der Loge Frenell in die schottischen Grade aufgenommen. 1765 erhielt er die schwedischen Kapitelgrade und gehörte zu den wenigen, die vor 1800 den höchsten Grad der schwedischen Freimaurerei, das damals so genannte „Rubinkreuz“ erhielt. Im Matrikelbuch des Stockholmer Kapitels Illuminé wird er als Sub Prior Equitum mit dem Ritternamen „a Cornu Salutis“, „das Horn des Heils“ geführt. Vor, nach oder zeitgleich mit seiner formellen Aufnahme in die schottischen Grade in Metz wurden Horn in der Loge la Parfaite Union im französischen Elite-Kavallerieregiment Dauphin tiefe Kenntnisse eines freimaurerischen Systems mit schottischen und ritterlichen Graden vermittelt. 1759 gründete er eine auf Französisch arbeitende Loge in Stockholm, ebenfalls genannt L’Union, die bis 1799 existierte und hochadelige Mitglieder aufnahm, unter denen Französischkenntnisse natürlich vorausgesetzt werden konnten. Der offizielle Grund zur französischen Arbeit war, ausländischen Brüdern die Teilnahme in der schwedischen Freimaurerei zu ermöglichen. Bei ihrer Gründung verkündete der Redner programmatisch: „Französisch ist für den Freimaurer was Hebräisch für den Juden ist.“

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Siehe auch

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