Völkerschlachtdenkmal
Inhaltsverzeichnis
Völkerschlachtdenkmal
Der Einfluss der Logen auf das Völkerschlachtdenkmal
Was haben das Leipziger Völkerschlachtdenkmal und Reclams Universal-Bibliothek gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Beide gehen auf Leipziger Freimaurerpersönlichkeiten zurück.
Das 1913 eingeweihte Völkerschlachtdenkmal erinnert noch heute eindrücklich an eine der größten Feldschlachten der Weltgeschichte. Im Oktober 1813 besiegelten die verbündeten Armeen von Österreich, Preußen, Russland und Schweden - unter ihnen zahlreiche Freimaurer - das Ende der napoleonischen Herrschaft über Deutschland und Europa. Seine Errichtung verdankt der Bau dem Wirken des Leipziger Architekten und Freimaurers Clemens Thieme. Ist das Denkmal ein Freimaurertempel und welchen Einfluss nahmen die Logenbrüder auf seine Entstehung?
Das freimaurerische Erbe
Leipzig als Stadt des Handels, der Bildung und der Kultur blickt auf ein reiches freimaurerisches Erbe zurück. Ausgehend von den Anfängen, der 1741 gegründeten LogeMinerva zu den drei Palmen, entwickelte sich die Stadt bis 1933 zu einer Hochburg der Königlichen Kunst in Deutschland. Freimaurerische Werte wurden im bürgerschaftlichen Handeln von Kaufleuten, Gelehrten, Baumeistern, Musikern oder Verlegern weit über die Stadtgrenzen hinaus getragen.
Ein Buch über die Leipziger Freimaurer
- Alexander Süß
- Leipziger Freimaurer in Wort und Stein
- Der Einfluss der Logen auf das Völkerschlachtdenkmal und die Verlagsstadt
Welchen Anteil haben Unternehmer wie Breitkopf, Tauchnitz, Reclam oder Weber am einzigartigen Ruf der Verlagsstadt Leipzig? Das Buch nimmt den Leser mit auf eine Entdeckungsreise zu freimaurerischem Wirken in Wort und Stein. Anlass seines Erscheinens war die 2. Buchloge, die März 2009 im Völkerschlachtdenkmal stattfand, und Freimaurer aus aller Welt in Leipzig zusammenführte.
Salier Verlag 1. Auflage 2009 Hardcover cello., 14 x 19,5 cm 200 Seiten, zahlr. Abbildungen ISBN 978-3-939611-44-8 EUR 16,90
»Verborgene Zeichen«
Das Völkerschlachtdenkmal, die Freimaurer und die Legenden.
Mit Genehmigung der Autoren und Leipzigforscher Günter Martin Hempel und Otto Werner Förster. Der Artikel stammt von den Leipziger Recherchen: ein von Otto Werner Förster gestalteter Webauftritt für „Vergessenes und Verdrängtes, Verschwiegenes und Neues zur Leipziger und Mitteldeutschen Geschichte“.
Seit Jahrzehnten verbreiten »Geheimnisaufklärer« sagenhafte Geschichten über das Leipziger Völkerschlachtdenkmal: ein »Testament der Freimaurer« soll es sein, ein »Tempel für Tod und Freiheit«, ein »Freimaurer-Tempel« gar. Die Tatsachen sind weniger spektakulär:
Clemens Thieme, der Erbauer des Denkmals, war Freimaurer in der Leipziger Loge »Apollo« im Meistergrad, nicht »hammerführender Logen-« oder »Altlogenmeister«. Im Kreis der Bruderschaft entstanden unter seiner Federführung die Ideen und Gestaltungselemente für die Umsetzung der Denkmalsidee, hundert Jahre nach dem Sieg über die napoleonische Bedrückung. Freimaurerisches floss ein auf der Ebene der Symbolik – »Heimlichkeiten«, wie es Freimaurer Lessing nannte. Die Bildsprache der freimaurerischen »Hochgrade«, jenseits der bekannten Winkel und Zirkel etc., die auch den meisten »normalen« Freimaurern nicht geläufig war und ist, unterstreicht den humanistischen Anspruch und Charakter des Bauwerks.
Diese freimaurerische Komponente ist aber für eine profane Deutung entbehrlich.
Das Monument ist als symbolische Trauerstätte für mehr als 100.000 Opfer, als Erinnerung an »das Werden des deutschen Volkes« nach Jahrhunderten der Zersplitterung, nach sieben Jahren napoleonischer Fremdherrschaft und der furchtbaren Folge von Schlachten 1813 unter Beteiligung zahlreicher europäischer Mächte, zu verstehen. »Kommenden Geschlechtern ein Mahnzeichen« sollte es sein.
Clemens Thieme und seine Mitstreiter in der Loge »Apollo« haben im »Deutschen Patriotenbund« selbstverständlich ihre alten, aufklärerischen, freimaurerisch-humanistischen Ideale von Toleranz, Menschenwürde und gegenseitiger Achtung mit Hilfe der freimaurerischen Symbol- und Formensprache in den Bau eingebracht. Außerhalb wusste kaum jemand, dass sie Freimaurer waren. Alle Schichten und Gruppierungen sollten für die Denkmalsidee angesprochen und gewonnen werden: Schüler, Lehrer und Gesangsvereine; Kriegsveteranen, Turner und humanistische Burschenschaften, Apothekerverbände und Fabrikarbeiter, jedermann.
Eine Offenlegung dieser ausdrücklich nicht »im Geheimen wirkenden Gemeinschaft der Brüder« als Initiator und ideeller Bauherr hätte das Bauwerk sicherlich unmöglich gemacht. Insofern ist es mehr als schlicht gedacht, zu fragen, warum von den »listigen Brüdern« nirgends zu lesen war, weder in »Sitzungsprotokollen« noch in »zeitgenössischen Presseartikeln« ... Kommt man über die große Freitreppe auf das Plateau vor dem als Erzengel ausgewiesenen Sanct Michael, steht man zuerst vor einer kleinen unscheinbaren Tür, dem jetzigen Eingang. Dieser Zugang war bis vor wenigen Jahren mit drei großen, unbehauenen »rauhen« Steinblöcken verschlossen. Ungeachtet des bestehenden Denkmalschutzes, ist dieses Türsymbol mit Beschluss der Stadt Leipzig vom 18.01.2006 brachial durchbrochen worden. Das Kunstwerk, Kulturerbe der Welt, ist seitdem substantiell beschädigt.
Links und rechts der Tür sind zwei scheinbar verspielte Jugendstilornamente in den Granitporphyr gemeißelt:
»j« für Jachin und »b« für Boas. Es sind die Namen von zwei Säulen vor dem Tempel Salomos aus dem Alten Testament, I. Könige, die im freimaurerischen Brauchtum unverzichtbar sind. Die Rituale der Freimaurer leben vor allem von Symbolik und beziehen sich sowohl auf die mittelalterlichen Steinmetzbruderschaften in den symbolischen Graden Lehrling-Geselle-Meister, als auch auf die uralte Natur-Symbolik Licht, Kosmos, Gestirne u.a.m. Ein Löwenrachen umschließt die »Tür«. Darüber wacht Erzengel Sanct Michael aus dem Alten Testament mit dem Flammschwert und gebietet Ruhe auf dem Totenfeld. Zugang erhält man nur, wenn man das rechte »Wort« kennt, das Passwort.
Symbole der Hochgrade: In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelten sich die »Hochgrade« oder auch »philosophischen« Grade der Freimaurerei neben den grundlegenden Lehrling – Geselle – Meister: Man nahm die Legenden um die im 14. Jahrhundert verbotenen und verfolgten Tempelritter, die Beschützer Jerusalems und der Pilgerwege, zur Grundlage für weiterführende Freimaurergrade. Auf die Welt der Tempelritter können deshalb die meisten der plastischen Arbeiten, so die Rittermotive, zurückgeführt werden. Ebenso die Tierreliefs Adler, Schlange, Löwe usw. Der gesamte Denkmalskomplex ist bis ins Detail in sich geschlossen unter freimaurerischen Sichtweisen konzipiert und gestaltet. Mehrheitlich geht es um Gedankengut aus dem 13. und 18. Grad, wie 18 x 18 z.B. die Anzahl von 324 Berittenen im Innern des »Königlichen Gewölbes« ergibt.
Außen ist im Hauptsims in Stein die Inschrift eingelassen »18. Oktober 1813«. Es war der opferreichste Tag der Schlacht, ausdrücklich nicht der Tag des Sieges. Das erwähnte Passwort ziert ebenfalls das Denkmal: »Gott mit uns«, hebräisch: Immanuel; Altes Testament, Jesaja. Unterhalb der Denkmalskrone mit den steinernen Zeichen »TAU« (T) nach vier Himmelsrichtungen halten 12 Ritter mit gesenktem Schwert Friedenswacht. Sie tragen um den Hals an einer Kette ein Medaillon (Kettenglied), so wie die Freimaurer das »Bijou«, ihr Erkennungszeichen. Die Kette der 12 Wächter symbolisiert die Verbindung der Freimaurer weltweit, »Weltbruderkette« genannt. Und so geht es fort und fort in der für jedermann sichtbaren Symbolik. Das »offenbare Geheimnis«, sagt Freimaurer Goethe ...
Eine zweite Abhandlung von Günter Martin Hempel und Otto Werner Förster aus den Leipziger Recherchen zum Thema Völkerschlacht und Denkmal:
Freimaurer und die Völkerschlacht
Freimaurer, die erste demokratische, aufklärerisch-tolerante Gemeinschaft, waren maßgeblich beteiligt an der Völkerschlacht bei Leipzig, und das schon im Vorfeld. Den Begriff »Völkerschlacht« hat der Freimaurer und preußische Offizier Friedrich Carl Ferdinand Freiherr von Müffling geprägt – im Generalstabsbericht vom 19. Okt. 1813: »... So hat die viertägige Völkerschlacht vor Leipzig das Schicksal der Welt entschieden«.
Die Völkerschlacht »bey Leipzig« im Jahre 1813 markiert den Höhe- und Wendepunkt der europaweiten Erhebung vor allem von großen Teilen der preußischen Bevölkerung, aber auch in Spanien, Rußland und Österreich, gegen die rüde agierenden Besatzer Napoléons. Für die Empörer, Verschwörer, zahllosen Freiwilligen ging es tatsächlich um einen »Befreiungskrieg«: Für einen Augenblick ihrer Geschichte treten Teile der Bevölkerung in deutschen Ländern als Souverän auf: sie beenden im Verein mit Kämpfern anderer europäischer Völker unter zahllosen Opfern die napoléonische Fremdherrschaft. Die Fürsten – der preußische König, der österreichische Kaiser und der schwedische Kronprinz Carl Johann – mußten sozusagen erst zum Jagen getragen werden, nachdem Yorck eigenmächtig eine Vereinbarung mit Rußland ausgehandelt hatte, die Konvention von Tauroggen. Für sie waren es Kriege um Machterhalt und Machtzuwachs, um die Neuaufteilung Europas.
An der Spitze dieser Erhebung stehen Freimaurer wie Blücher, Boyen, Carlowitz, Fichte, Gneisenau, Hardenberg, Kleist von Nollendorf, Nostitz, Mellenthin, Müffling, Scharnhorst, Schenkendorf, Stein, Thielmann und viele andere. Sie verstehen sich als Europäer. Gneisenau an seine Frau am 18.10.1813, 5 Uhr: »Ich schreibe Dir am Morgen einer Schlacht, wie sie in der Weltgeschichte kaum gefochten ist ... Diese Schlacht wird über das Schicksal von Europa entscheiden«.
Der Wettiner Friedrich August I. war der treueste Verbündete Bonapartes; Napoléon warnt eine Leipziger Bürgerdeputation unmißverständlich: »... euer König ist mein Verbündeter... und wenn ihr gegen sein System euch auflehnt, dann seid ihr Rebellen«. Stadtkommandant Macon bezeichnet Leipzig bereits zu Beginn der Besatzungszeit als »Frankreichs gefährliche Feindin«.
In Preußen wirken u.a. der »Tugendbund«, Logenbrüder und die Freikorps, in Leipzig seit 1808 konspirativ die »Deutsche Verbindung« mit den Freimaurern Bose, Gräff, Müller, Pückler, Carl Heinrich Reclam, Schultze und Schönfeld – dabei ist auch Johann Gottfried Seume. Sie treffen sich geschützt vor der Geheimpolizei im Logenhaus. In Altenburg besuchen die Freimaurer Blücher, Ribbentrop, Scharnhorst vor der Schlacht bei Großgörschen im Mai 1813 die Loge »Zu den drei Reissbretern«. Die Leipziger Brüder Wilhelm Müller, Johann (Iwan) Schwarz, August Mahlmann treten offen gegen die napoléonische Besetzung auf. Mahlmann wird in Festungshaft genommen. Die Besatzungsmacht sieht sich gar genötigt, während des Belagerungszustandes sämtliche Logendegen in den Leipziger Logen zu beschlagnahmen. In Weimar tagen Freimaurer im Geheimbund »Rose«. Herzog Carl August von Sachsen-Weimar konspiriert in den böhmischen Bädern mit sächsischen Offizieren gegen Napoleon. Der preußische Karl August Varnhagen von Ense, Freimaurer und Mitglied der »Lesenden Gesellschaft«, in der sich die Patrioten insgeheim versammeln, bezeugt das in seinen Erinnerungen.
Obwohl hunderte deutsche Freimaurer als Offiziere an der Völkerschlacht teilnehmen, auf napoleonischer Seite auch zahlreiche vertreten sind, u.a. die Marschälle Mortier, Augereau, Macdonald, Ney, Poniatowski, gelingt es nicht, mit freimaurerischem Handeln das große Morden zu verhindern. Und der Diktator selbst gefällt sich in der Rolle des Protektors der französischen Logen. Sämtliche Versuche, die Katastrophe abzuwenden, zuletzt des Parlamentärs der Stadt Leipzig, August Wichmann, am Morgen des 19. Oktober, schlagen fehl. Die Freimaurerwelt befindet sich in tiefer Krise.
Mit dem Wiener Kongreß 1814/15 und der »Heiligen Allianz« kommt die Restauration auch über Sachsen: Mit restriktiven Gesetzen und Verordnungen, Geheimpolizei und Haftstrafen, um die Herrschaft des Königs »von Gottes Gnaden« zu sichern. Wieder sind es Freimaurer, die trotz Verbot der Völkerschlacht gedenken, die Denkmalsidee pflegen. Es entspricht ihrem humanistischen Verständnis, Leipzig und seine Bürger von den nationalen Siegesfeiern des »19. Oktober« weg zum Gedenken an den »18. Oktober« zu bewegen, dem Tag der größten Opfer. Statt eines kriegsverherrlichenden Triumphbogens, errichtet Leipzig ein den Opfern gewidmetes Volks-Denkmal, ein Antikriegs-Symbol ohnegleichen. Und es bedarf tatsächlich einer 100jährigen Auseinandersetzung, um dieses volksfinanzierte Bauwerk gegen alle Widerstände durchzusetzen. Weitere 100 Jahre später steht das Denkmal wie zuvor in der geistigen Auseinandersetzung. Freimaurerische Trauerarbeit in Stein.
Am 18. Oktober 1913 weiht Denkmalschöpfer und Freimaurer Clemens Thieme das Mahnmal. Der wilhelminischen Geschichtsauffassung diametral entgegengesetzt, umreißt er sowohl den Charakter der Befreiungskriege als auch des Denkmals: »Dem Werden des deutschen Reiches ging ein Werden des deutschen Volkes voraus, und hier ist die Geburtsstätte, heute der Geburtstag!« Der Friedens- und Versöhnungsruf, die Botschaft aus Leipzig, wird von den europäischen Herrscherhäusern ignoriert. Mit der Teilnahme von Kaiser Wilhelm II. an der Einweihung des Denkmals und dessen gleichzeitiger imperialer Vereinnahmung beginnt der bis heute anhaltende Missbrauch des Denkmals und seiner Idee. Den Leipzigern ist es zu danken, der Welt ein einzigartiges Monument geschenkt und bewahrt zu haben.
Videos
- Luftaufnahme
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Siehe auch
Links
- Mitteldeutsche Wahrzeichen - Das Geheimnis des Völkerschlachtdenkmals, auf mdr.de http://www.mdr.de/doku/wahrzeichen102.html
- Recherchen von Otto Werner Förster http://www.leipziger-recherchen.de/ Leipziger
- Video von Hanno Neustadt "Dabei ab zwei" http://www.mdr.de/dabei-ab-zwei/video154850.html