Traktat: Gott in der Freimaurerei

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Gott in der Freimaurerei?

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Von Kai Stührenberg - Februar 2017


Mich fasziniert immer wieder der Dogmatismus in dieser Frage. Ich kann es akzeptieren, wenn Freimaurer den Bezug zur Mystik nicht ziehen und ihre freimaurerische Arbeit nur auf das Diesseits beschränken. Da wo es nur um Geselligkeit gibt habe ich Fragen, denn da bekomme ich die Notwendigkeit für die Rituale und Symbole nicht mehr auf die Reihe. Alleine die Frage, welches Licht sie denn nun suchen, könnte ich mir in diesem Kontext nicht mehr beantworten. Aber wie dem auch sei, auch die Geselligkeit ist eine legitime Motivation, Freimaurer zu sein.

Was ich aber bedaure ist die tiefe Ablehnung, ja fast schon Verachtung für alle die, die sich für die weiter zurück reichenden Einflüsse auf die Freimaurerei interessieren und die Symbole auch zur spirituellen Reife nutzen wollen. Gewisse Parallelen zu den Rosenkreuzern und anderen eher esoterisch ausgerichteten Gruppierungen sind meines Erachtens dadurch evident, dass es damals Menschen gab, die auch Freimaurer waren oder umgekehrt und dass in den Ritualen und Symbolen viele Parallelen zu erkennen sind. Einen flammenden Stern rein weltlich zu interpretieren würde mir auf alle Fälle schwer fallen.

Warum können wir nicht alle Auslegungen der Freimaurerei (mit Gott, ohne Gott, esoterisch, humanistisch usw.) als Freimaurer so tolerant behandeln, wie wir es gelobt haben? Freuen wir uns doch über die Vielfalt in der Einheit.

Aufklärung hat nicht zwangsweise etwas mit Agnostizismus zu tun. Vergessen wir nicht, dass es die Hermetiker und Rosenkreuzer waren, die entscheidende Impulse für die Aufklärung in der Renaissance gesetzt haben. Und Pythagoras, Goethe, Novalis, Hesse, Fludd, Newton, Mozart, Thomas Mann und all die anderen hoch gebildeten Geister, die sich in ihrem Werk auf mehr als das weltliche beziehen als fehlgeleitete Schwärmer zu empfinden, erscheint mir nicht angemessen. Wogegen sich die Aufklärung wendet ist der blinde Glaube und die Abhängigkeit von Autoritäten. Eine philosophisch religiöse Auffassung von Welt, Mensch und Kosmos kann schon deshalb nicht zwingend falsch sein, weil nicht alle Aufklärer jede Form von Religiösität abgelehnt haben.

So sehr ich eine ablehnende Position zu Gott bei Brüdern auch respektieren kann so entspricht eine Verachtung aller derer, die tieferen Sinn in der Freimaurerei suchen aus meiner Sicht nicht den freimaurerische Prinzipien. Es wäre auch nicht respektvoll gegenüber den Autoren, die hunderte von tiefgründigen Büchern zu dem Thema geschrieben haben und das nach jahrelangen Studien. Die Frage ist, ob manch einer, der stark wettert gegen die Schwärmerei sich überhaupt in der Tiefe mit all diesen Dinge auseinandergesetzt hat, bevor er zu seinem Urteil kam. Oder ob er sich nicht durch die rigorose Ablehnung vor dieser Aufgabe drückt? Ist es nicht so, dass je vehementer ein Urteil ausfällt, so tiefer die vorausgegangene Auseinandersetzung mit dem Thema gewesen sein sollte? Wäre man, wenn man dies nicht getan hat man nicht besser beraten, etwas vorsichtiger zu formulieren?

Eine der wenigen echten Erkenntnisse, die ich beim lesen von vielleicht 200 Büchern zu dem Thema gewonnen habe, ist die, dass ich verdammt wenig weiß, dass es viele sehr viel schlauere Menschen und Brüder als mich gibt, dass die Welt und der Kosmos voller Geheimnisse sind, dass manches zu groß ist, um es zu verstehen und dass ich mehr Fragen als Antworten habe. Wie kann ich da zu einem dogmatischen Urteil kommen und andere Positionen in Bausch und Bogen ablehnen? Als Freimaurer kann ich hier nur Demut walten lassen.

Es ist viel geschrieben worden und doch gibt es viele Lücken in der Geschichte des Bundes. Im 18. Jahrhundert sind viele Einflüsse zusammen gekommen in der Freimaurerei und wir sollten diese Vielfalt meiner Meinung nach auch schützen und bewahren, denn sie sind ein Teil der Freimaurer Historie und Identität. Einen Bereich immer weiter aus dem Bewußtsein des Bundes zu tilgen wäre schade um all die, denen die Freimaurerei genau hier etwas zu bieten hat. Die Vehemenz, in der manch einer gegen alles mystische in der Freimaurerei vorgeht kann läßt einen vermuten, dass hier und da Verdrängung eine Rolle spielt. Ohne eigene Ängste könnte man viel offener und freier damit umgehen. Man muss eine Meinung nicht teilen, um sie zu respektieren. Genau das sollten wir als Freimaurer beherrschen, denn wie sonst wollen wir ein Beispiel sein und durch unser Tun in der Welt wirken?

Wenn wir nicht mehr als ein Männerstammtisch mit Regeln wären, dann wird es meines Erachtens schwer, die Bedeutung des Bundes auf Dauer zu erhalten. Sehr wohl sollten wir aber Platz unter uns lassen, für die, denen genau danach der Sinn steht. Es ist genug Platz für alle Positionen da und genau in dieser Individualität und dem gegenseitigen Respekt liegt ein großer Wert des Freimaurerbundes.

Mein Plädoyer gilt also der Offenheit und der Toleranz und dem Bewußtsein, dass wir in der Freimaurerei einen Schatz haben, den es zu bewahren und nicht zu profanisieren gilt.