René Hérault: Réception d'un Frey-Maçon

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Réception d’un Frey-Maçon

René Hèrault: Réception d’un Frey-Maçon“; frz. 1737; dt. 1738

Aus der Fraktur in die lateinische Schrift transkribiert von Roland Müller.


Aus: Die Neue Europäische Fama, Welche den gegenwärtigen Zustand der vornehmsten Höfe entdecket. Der 32. Theil 1738, Seiten 663-667


Die Sache wird folgender Massen erzehlet: Mademois. Carton, eine Operistin, habe auf eine listige Weise einen ihrer Liebhaber dahin vermocht, daß er ihr das Geheimniß der Frey-Mäurer entdecket, sie habe darauf die gantze Schrifft, die dieser ihr einhändigen müssen, dem Lieutenant-General de Police, Mr. Herault, zu fernerer Untersuchung überantwortet.

Wir sehen uns genöthiget, denen Gönnern der Frey-Mäurer und andern, die sich an dergleichen Sachen ergötzen, zu gefallen, hier gleichfalls die Nachricht mit einzuverleiben, welche in allen öffentlichen Blättern bekannt, und wie man uns bereden will, auf Verordnung des Herrn General-Lieutenants de Police, durch den Druck gemein gemacht worden, und folgenden Inhalts ist:

Es muß einer anfangs van einem aus der Brüderschafft der Loge als ein guter Unterthan oder ein gutes Sübjectum vorgeschlagen werden, Auf seine Antwort wird er zugelassen, sich zu stellen. Der Aufzunehmende wird durch den Proponenten, der sein Pathe, in eine Stube von der Loge geführet, wo kein Licht ist, und wo man ihn fragt, ob er den Beruff habe, aufgenommen zu werden? welches er mit Ja beantwortet. Hierauf fragt man nach seinem Nahmen, Zunahmen und Zustand. Man nimmt ihm alles Metall und alle Pretiosa, so er an und bey sich hat, als Schnallen, Knöpffe, Ringe, Tabatieren und dergleichen. Man entblösset ihm das rechte Knie, lässet ihn den lincken Schuh als einen Pantoffel anziehen, verbindet ihm die Augen, und behält ihn in solchem Zustand ohngefehr eine Stunde lang, da er seinen eigenen Gedancken nachhängen mag.

Hierauf klopfft der Pathe dreymahl an die Thüre des Receptions-Zimmers, wo der ehrwürdige Obermeister der Loge ist, welcher von innen mit 3 andern Schlägen an die Thüre antwortet, und sie öffnen lässet. Sodann, spricht der Pathe, daß sich hiermit einer, N. N. genannt, stellt, so aufgenommen zu werden verlange. (Hierbey ist noch zu mercken, daß vor und in dem Zimmer Brüder mit blossem Degen in der Hand stehen, um die Fremden abzuhalten.) Der Obermeister, der um den Hals ein blau Band hat, wie ein Triangel geschnitten, spricht weiter: Fragt ihn, ob er den Beruff habe? welches der Pathe thut. Wenn der Aufzunehmende mit Ja geantwortet, befielt der Obermeister, ihn eintreten zu lassen.

Hierauf wird er eingeführet, und man lässet ihn dreymahl in der Stube um einen auf dem Boden bezeichneten Raum herum gehen, wo auf 2 Säulen die Rudera des Salomonischen Tempels vorgestellet sind. Zu beyden Seiten des Platzes ist ein grosses J u. ein grosses B gezeichnet, wovon man die Auslegung erst nach der Aufnahme giebt, und in der Mitte stehen 3 grosse brennende Lichter, in Form eines Triangels, darein man bey Ankunfft des Novitii Pulver oder Hartz.Pech wirfft, um ihn dadurch zu erschrecken.

Wenn er dreymahl herum gegangen, wird er in die Mitte des oben beschriebenen Platzes in drey Schritten vor den Obermeister geführet, der hinter einem Arm-Stuhl aufrechts stehet, worauf das Evangelium St. Johannis liegt. Hier fragt er ihn: Empfindet ihr den Beruff? und auf seine mit Ja gegebene Antwort sagt der Obermeister: Lasset ihn das Licht schauen, es ist lange genug, daß er dessen beraubt gewesen. Sofort nimmt man ihm die Decke von den Augen. Alle Brüder, die in einem Kreise um ihn stehen, nehmen den Degen in die Hand, und man lässet ihn in 3 Schritten sich bis zu einem Tabouret nahen, so unten bey dem Arm-Stuhl stehet. Hier sagt der Bruder, der die Stelle des Sprechers vertritt, zu ihm: Ihr nehmt einen ehrwürdigen Orden an, der weit ernstlicher ist, als ihr denckt: es ist nichts darinn wider die Gesetze, Religion und gute Sitten, noch etwas, das wider den König oder den Staat sey. Das übrige wird euch der ehrwürdige Obermeister eröffnen. Zugleich lässet man ihn mit dem rechten Knie, das entblösset ist, auf die Hütsche knien, und den lincken Fuß in die Höhe halten. Hierauf sagt der Obermeister zu ihm: Ihr solt versprechen, das Geheimniß der Frey-Mäurer und der Frey-Mäurerschafft niemahl einem andern als einem Bruder in der Loge und in Gegenwart des Obermeisters vorzustellen, zu schreiben oder zu offenbaren.

Sodann entblösset man ihm den Hals, um sein Geschlechte zu erkennen. Man stellet ihm auf die lincke Brust einen Zirckel, den er selbst hält, und nachdem er die rechte Hand auf das Evangelium geleget, schwöret er den End mit folgenden Worten: Ich bin es zufrieden, daß mir, wenn ich meyneidig handle, die Zunge ausgerissen, das Hertz zerfleischet, mein Leib verbrannt, und die Asche davon in die Lufft zerstreuet werde, damit man unter den Menschen nicht mehr von mir reden möge; So wahr mir Gott helffe!

Nach diesem abgelegten Eyd, und nachdem er das Evangelium geküsset, lässet ihn der Obermeister an seine Seite kommen, wo er das Frey-Mäurer-Schurtz-Fell empfängt, das vom weissem Leder ist, ingleichen ein Paar Manns-Handschuhe für sich, und ein Paar Frauenzimmer-Handschuh für dasjenige Frauenzimmer, das er am höchsten schätzet. Man giebt ihm auch die Auslegung von dem auf dem Boden gezeichneten J und B, so die Losung sind, woran die Brüder sich erkennen. Das J bedeutet Jakhin, und das B Bojaes. Bey den Zeichen, so die Frey-Mäurer unter einander geben, stellen sie diese beyde Worte also für, daß sie die rechte Hand gegen die lincke Seite des Kinns halten, wovon man sie in gleicher Linie bis zur rechten Seite ziehet. Man schlägt so dann auf die Schösse des Kleids, ebenfalls zur rechten Seite, und reichet sich die Hand, also, daß man den rechten Daumen auf das starcke Gelencke des ersten Fingers von der Hand seines Cameraden legt, wobey man das Wort Jakhin hinzufügt. Man schlägt sich beyderseits mit der rechten Hand auf die Brust, und nimmt sich wieder bey der Hand, also, daß einer wie der andere mit dem rechten Daumen das erste und starcke Gelencke des Mittel-Fingers berührt, bey welchem Zeichen man das Wort Bojaes spricht. Wenn diese Ceremonie zu Ende, und die Auslegung davon gegeben, wird der Aufzunehmende von ihnen Bruder genennet.

Hierauf setzet man sich zu Tische, und trincket mit Erlaubniß des Obermeisters die Gesundheit des neuen Bruders. Jeder hat seine Flasche. Wenn man trincken will, spricht man: Gebt Pulver; das ist, Wein ins Glas. Der Obermeister spricht: legt die Hand an das Gewehr! Hierauf trinckt man die Gesundheit des Bruders, und setzet in dreyen mahlen das Glas an den Mund. Bevor man es wieder auf den Tisch setzet, hält man es an die lincke Brust, hernach an die rechte, und ferner vorwerts, alles zu dreyen mahlen. Man setzt es in 3 andern Wendungen gerade auf den Tisch nieder, klopfft dreymahl in die Hand, und rufft zu dreyen mahlen: Vivat! Man hat stets darauf acht, damit 3 in einen Triangul gestellte Lichter auf dem Tische stehen. Wenn man merckt oder nur argwohnt, daß sich ein verdächtiger eingeschlichen, zeigt man es mit den Worten an: Es regnet; weiches bedeutet, daß man nichts sagen soll.

Da nun einige die Zeichen entdecket, welche die Worte Jakhin und Bojaes bedeuten, so erkennet man einen Frey.Mäurer, wenn man ihn bey der Hand oben beschriebener massen nimmt, und J spricht, worauf der andere A antwortet, der erste saget K und der andere H, der erste J und der andere N, welches Jakhin heisset. Eben so verhält es sich mit Bojaes.“

frz. Original: http://reunir.free.fr/fm/divulgations/herault.htm

Eine andere deutsche Übersetzung in:

Gründliche Nachricht von den Frey-Maurern. Frankfurt am Main: Andreae 1738; 2. Aufl. 1740, 83-88: http://digital.wlb-stuttgart.de/digitale-sammlungen/seitenansicht/?no_cache=1&tx_dlf[id]=41&tx_dlf[page]=94&Seite=&cHash=e49883a331d586ce4b444a40ea70a2e6 Anhang zum Constitutionen-Buch der Frey-Maurer, 1743, 73-78 http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/29118/77/cache.off Der sich selbst vertheidigende Freymäurer. Franckfurt und Leipzig 1744, 24-28: http://digital.bibliothek.uni-halle.de/hd/content/pageview/522462 http://vd18.de/de-ulbsa-vd18/content/pageview/6880764 und 121-124: http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/1677485 http://vd18.de/de-ulbsa-vd18/content/pageview/6880932

Siehe dazu Jan A. Snoek: A Manuscript Version of Hérault's Ritual [1744]. In Richard Caron, Joscelyn Godwin, Wouter J. Hanegraaff, Jean-Louis Vieillard-Baron (Hrsg): Ésotérisme, Gnoses & Imaginaire Symbolique: Mélanges offerts à Antoine Faivre, (Gnostica 3), Peeters, Leuven 2001, 507-521.