Rezension: Harald Schrefler - Der Papst und die Freimaurer

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Harald Schrefler: Der Papst und die Freimaurer

Ein wissenschaftlicher Diskurs, Edition zum rauhen Stein im Studienverlag Innsbruck, 2010

Rezension von Rudolf Nagiller

Fast zweieinhalb Jahrhunderte lang hatten die Päpste die Freimaurerei kritisiert, abgelehnt, verdammt. Doch nach den Zivilisationskatastrophen der beiden Weltkriege, nach Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus, begannen diese Verdikte auch für viele engagierte Katholiken immer unverständlicher zu werden. Und so wollte der Vatikan 1968 nach dem Konzil, das der Kirche einen Modernisierungsschub bescherte, von mehreren Bischofskonferenzen wissen, wie sie es denn mit den Freimaurern hielten.

Das war in einigen Ländern der Beginn von Gesprächen hochrangiger Kirchenleute mit hochrangigen Freimaurern. Die Schilderung dieser Entwicklung ist wohl der wichtigste Teil des Buches von Harald Schrefler. Natürlich beschreibt er Philosophie, Ethik und den rituellen Charakter der Freimaurerei, und ebenso natürlich streift er durch die Geschichte der päpstlichen Antifreimaurerbullen, die im 19. Jahrhundert mit Pius IX. und Leo XIII. absurde Höhepunkte erreichten. Doch das könnte man auch woanders nachlesen. Wissenschaftliche Verdienste erwarb sich Harald Schrefler aber mit den 150 Seiten (die Hälfte des Buches), auf denen er die letzten Jahrzehnte zusammenfaßt und mit vielen Originaltexten dokumentiert, wie es in Deutschland lief und wie in seinem Heimatland Österreich: völlig konträr.

Im deutschen Episkopat setzte sich offenbar unter dem Einfluss des damaligen Augsburger Bischofs Josef Stimpfle die alte Ablehnungslinie durch: „Die gleichzeitige Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche und zur Freimaurerei ist ausgeschlossen“, meldet die deutsche Bischofskonferenz 1980 nach Rom. Ganz anders in Österreich: Nach der Aufforderung des Vatikans entwickelte sich ab 1968 ein intensiver, ja geradezu brüderlicher Dialog zwischen dem Wiener Kardinal Franz König und dem von der Großloge delegierten deputierten Großmeister Kurt Baresch aus Linz. Die beiden trafen sich über viele Jahre hinweg 53mal, es gab 104 ausführliche Telefonate und 216 Briefe.

Die Darstellung des gemeinsamen Kampfes dieser beiden Männer um eine längst fällige Normalisierung ist wohl das Herzstück des Buches. Streckenweise liest sich das wie eine Mischung aus Krimi und Tragödie. ‚Krimi‘ wegen der vielen kleinen Diskussions- und Klarstellungsschritte, die scheinbar logisch einem guten Finale zustrebten, und ‚Tragödie‘, weil es dann ganz anders kam: Im Vatikan setzte sich für die beiden Österreicher völlig überraschend die deutsche Linie durch. Zwar hatte es Kardinal König geschafft, dass 1983 die Verdammung und die automatische Exkommunikation der Freimaurer aus dem neugefaßten Codex Juris Canonici, also dem obersten kirchlichen Gesetz, entfernt wurde. Aber einen Tag vor dem Inkrafttreten veröffentlichte die römische Glaubenskongregation unter dem damaligen Kardinal Josef Ratzinger aus heiterem Himmel eine den Wiener Kardinal desavouierende aber letztlich die Bischöfe bindende Anti-Freimaurer-Deklaration. Statt wie früher Kirchenfeindlichkeit wurde den Freimaurern jetzt vorgeworfen, sich „der Lehre der Kirche“ nicht zu unterwerfen. Daher befinden sich katholische Freimaurer „im Stand der schweren Sünde und können nicht die heilige Kommunion empfangen.“

Schockstarre in Österreich. Doch die beiden gaben nicht auf. Es folgten Auslegungen und Gutachten der Deklaration: weitere Briefe hin und her. Kardinal König lehnte sich weit aus dem Fenster, er versuchte, Ratzingers „Sündhaftigkeitserklärung“ anders zu interpretieren. Doch in den Dialog der beiden, die längst zu Sie-Freunden geworden waren, schleicht sich ein trauriger Unterton ein. Besonders tragisch Kurt Baresch: Eine Mischung aus konstruktivem Trotz und Verzweiflung grundieren jetzt seine Handlungen und Schriftstücke, sein Lebenswerk scheint mißlungen.

Harald Schrefler zeichnet diese Entwicklung mit dokumentarischer Akribie und mit Herz nach. Und so kann er gegen Ende des Buches auch wieder Zeichen der Hoffnung ausmachen, wenn er zum Beispiel beschreibt, wie sich 2008 der damalige österreichische Großmeister Michael Kraus vor der Fernsehkamera mit Gregor Henkel-Donnersmarck trifft, dem Ratzingerfreund und einflußreichen Abt von Heiligenkreuz bei Wien: Auch auf eine klaren Nachfrage der Reporterin gibt es keine Verurteilung. „Die Fronten beginnen zu bröckeln“, titelt der ORF seinen Bericht.

Es ist unklar, für wie viele Brüder das alles überhaupt wichtig ist. Für Kirchenfreie wohl nicht. Auch für Protestanten nicht: Die deutsche evangelische Kirche hat schon 1973 ihre letzten Vorurteile aufgegeben. Und die katholische Kirche hat auch ihre Vorzüge: In der religiösen Praxis ist sie im Gegensatz zu ihren theoretischen Pirouetten zu erstaunlichen Kompromissen fähig.

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