Traktat: Mensch und Krieg - Leipziger Buchloge 2013

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Zeichnung zur Tempelarbeit im Ersten Grad zur Buchloge der Loge Minerva zu den drei Palmen in Leipzig am 23. März 2013 von Rasem Baban, Bruder der Minerva zu den drei Palmen.

Mensch und Krieg

Erster Weltkrieg: Der Tod kommt auf Panzerketten

Viele der hier anwesenden Brüder kennen diesen Ort unserer Tempelarbeit und in den vorangegangenen Buchlogen wurde schon viel über die Geschichte des Völkerschlachtdenkmals vorgetragen.

Erkundigt man sich bei all den Besuchern des Völkerschlachtdenkmals nach der historischen Bedeutung oder dem Zweck seiner Errichtung dieses in Europa größtem Mahnmales, dann lautet sehr häufig die Antwort, dass dies ein Denkmal und Erinnerungsstätte für eine der größten Völkerschlacht des angehenden 19. Jahrhunderts ist.

Geschichtlich Belesene wissen vielleicht noch, dass eine Verbindung aus unterschiedlichen Interessengemeinschaften unter Führung des Deutschen Patriotenbundes mit seinem Vorsitzenden und Freimauerbruder Clemens Thieme den Bau des Völkerschlachtdenkmales proklamierten und maßgeblich vorantrieben, der Entwurf des Bauwerks vom Berliner Architekten und ebenfalls Freimaurer Bruno Schmitz stammt und dass es exakt 100 Jahre nach der eigentlichen Schlacht im Jahre 1913 feierlich durch den deutschen Kaiser Wilhelm II eröffnet wurde und dass diese Schlacht von 1813 den Wendepunkt in den napoleonischen Kriegen herbeiführte infolge dessen die Vorherrschaft von Napoleon Bonaparte in Europa zerfiel.

Doch das sind nur die kalten Fakten eines Bauwerkes, wie es viele dergleichen auf der ganzen Welt gibt. Ob Mahnmal, Reiterskulptur, heroische Statuetten, Triumphbögen oder Heldengedenktafel, sie alle wollen für sich ein historisch bedeutendes Geschehen vereinnahmen und dies entweder glorifizieren oder mahnend die Nachkommen und Hinterbliebenen beeindrucken.

Aber diese zu Stein und Bronze gewordenen Erinnerungen an ein oft verklärtes Geschehen ist im Kern nichts anderes als ein trauriges Erinnern an Krieg und Elend, an Leid und Schmerzen.

Dieses von unreflektiertem Pathos und Nationalstolz durchdrungene Erinnern gleitet so häufig ab in ein unterschwelliges Erklärungsmuster für Kriege und Feldzüge so, als ob eine vom Menschen unbeeinflussbare Plage das Land durchzog und nach seinen unschuldigen Opfern verlangte.

Der Krieg wird als etwas Unvorhergesehenes, als ein unabwendbares Schicksal oder ein von unbekannten Mächten provoziertes Geschehen stilisiert, dem sich die Menschheit paradoxerweise mit kriegerischen Mitteln entgegen zu stellen hat.

Dabei ist der Krieg vollkommen menschlich. Der Mensch hat ihn sich ausgedacht, er ist es der ihn willkürlich und gezielt einsetzt und nur er kann ihn auch beenden.

Bei der pompösen und mit viel Militärpräsenz durchsetzten Einweihung des Völkerschlachtdenkmals im Jahre 1913 war es denn auch nicht die Mahnung vor dem menschengemachten Kriege, welche die zahlreichen königlich und kaiserlichen Gäste berührte, es war ein vom immer stärker aufkommenden nationalen Patriotismus geprägter Geist, den die Zeremonie vollständig durchzog.

Großmachtstreben und Verteilungskämpfe um die territorialen Reste einer durch Kolonialismus zerstückelten Welt gepaart mit dem immer weiter steigenden Hunger nach Ressourcen und Märkten durch eine sich dramatisch beschleunigenden Industrialisierung trieb die Weltengemeinschaft fiebernd vor sich her.

Wenn auch der hunderttausend Opfer der Völkerschlacht gedacht wurde so nur in dem Sinne einer verklärten Heldenverehrung in Anbetracht des aufziehenden Gewaltsturmes in Europa und der Welt. Fanatische Patrioten und blinde, pflichtbewusste Vaterlandsverteidiger waren gesucht und mussten gut vorbereitet sein für das noch kommende millionenfache Elend.

Der Mensch oder genauer gesagt, eine überschaubare Gruppe von Menschen war schon insgeheim am Planen noch größerer kriegerischer Taten, größer und umfassender als es die Völkerschlacht je war.

Da half es auch nicht, das tausendfach kalkulierte Töten und Sterben in ein bürokratisches Regelwerk zu packen. Die Haager Landkriegsordnung von 1907 war nichts anderes als ein verzweifelter Versuch, dem Grauen ein kalkulierbares Moment entgegenzustellen. Am Ende aber wurden die selbstaufgestellten Gesetze des Krieges immer als erstes geopfert. Wenn es denn je eine Regel gab dann die, dass der Krieg keine Regeln kennt.

Erster Weltkrieg: Der Tod kam von unten

Schon knapp ein Jahr später begann das, was das Mahnmal nur annähernd als steinerner Zeuge sinnloser Schlachten und Kriege den Menschen seiner Zeit als Spiegel der Erkenntnis vorhielt.

Doch es nützte nichts. Der wetteifernde Kampfesschrei und der Schlachtenlärm auf den Feldern der viel besungenen Ehre des ersten Weltkrieges war lauter als jedes bestehende Mahnmal.

In blinder Ereiferung auf der einzig wahren Seite der Gerechten zu stehen und geschickt durch die Herrschenden Führer seiner Zeit verblendet und aufgestachelt , strömten Millionen Freiwillige an die Front, auf der Koppel des Feldanzuges die Inschrift Gott mit uns, damit Sie der Mut nicht verlässt oder die Einsicht auf die Sinnlosigkeit ihres Tun sie nicht erreicht.

Die dabei viel beschworene Ritterlichkeit der Krieger in den Schlachten und die so genannten preußischen Tugenden der Soldaten diente immer nur einer falschen und perfiden Verdrehung von Wirklichkeiten.

Sie fanden seit je her ein abruptes Ende wenn zum Angriff geblasen wurde und spätestens mit dem ersten Schwerthieb erstarb jede Menschlichkeit in Anbetracht des eigenen nackten Überlebenskampfes.

Wahrer Heldenmut in den blutdurchdrängten Schützengräben blieb unerkannt, wenn nicht zugleich in den Reihen der Gegner der Blutzoll in gleicher Höhe eingefordert wurde. Die Menschlichkeit erhielt zu keiner Zeit einen militärischen Orden, denn Sie Bedarf der Friedfertigkeit was ein Anachronismus in Zeiten des Krieges bedeuten musste.

Nachdem das unvorstellbare Sterben auf den weltweiten Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges abebbte, war es wieder Zeit neue Denkmäler und Mahnmale zu errichten als zynisches Attribut an die Millionen von Toten.

Auch diese Zeit des geistigen Wundenleckens und eines ersten zarten Aufkommens für ein friedliches Miteinander in Anbetracht des neu erlebten Unfassbaren geriet schnell in eine kollektive Vergessenheit, wurde in noch monströserer Art und Weise verdrängt für einen neuen Weltenplan, den es mit noch größerer Brutalität umzusetzen galt.

Selbst als Oppenheimer von dem Licht das heller als tausend Sonnen sprach, war der Mensch durch die unwiderrufliche Existenz der Atombombe nur technisch gereift, sich und seinesgleichen noch effektiver auszulöschen.

Unbestritten erkannte die Menschheit erst jetzt, dass der Krieg nicht mehr Lokal begrenzt und weit ab vom trauten Heim und den Palästen der Herrscher und Kriegsrhetoriker zu führen war. Erst jetzt gelangten die Kriegsbefürworter zur unabwendbaren Einsicht, dass sie selbst Teil des tödlichen Plans ihrer beworbenen Kriegsszenarien würden.

Betrachtet man diese immer wiederkehrende Handlung der Menschen, erst das anscheinend unvermeidlich Schreckliche mahnend zu Verdammen um es dann mit Innbrunst herbeizusehen, dann wird man den Gedanken nicht los, dass dies nur ein Zweck hat:

Der Mensch erkennt seine irrationale Grausamkeit in solch erschreckendem Maße, dass er aus purer Ohnmacht dagegen anzukämpfen ein Mahnmal des Hilferufes errichten muss in der Hoffnung, dass ihm eine wie auch immer geartete überirdische Kraft helfen möge, auf den rechten Weg zurückzukehren. Er selbst vermag dies anscheinend nicht.

Doch diese Macht wird es nicht geben. Der Mensch ist für sein Tun allein verantwortlich. Niemand zwingt ihn, mit Gewalt voranzugehen und das Wort mit dem Schwert zu tauschen.

Kein Mensch, weder damals noch heute trägt in sich das scheinbar unstillbare Verlangen sein Gegenüber zu verstümmeln oder zu töten, Frauen zu Witwen zu machen und Kinder zu Waisen. Warum aber lässt sich der Mensch dann immer wider ein auf Kriegsspiele ohne Sinn?

Erster Weltkrieg: Die Ernte des Todes

Und so stellt sich die vielleicht rein rhetorische Frage:

Was ist eigentlich Krieg per Definition?

Ginge es nach von Clausewitz, dann ist der Krieg nüchtern betrachtet nur die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln.

Schlägt man in einer Enzyklopädie nach, dann wird Krieg so erklärt:

Krieg ist ein organisierter und unter Einsatz erheblicher Mittel mit Waffen und Gewalt ausgetragener Konflikt, an dem mehrere planmäßig vorgehende Kollektive beteiligt sind.

Nirgendwo steht aber, dass dies Menschenleben kostet und am Ende das Problem oder den Konflikt – wenn überhaupt – nur oberflächlich bzw. temporär gelöst hat.

Aber warum werden Kriege denn überhaupt geführt?

Seit der Mensch sein Leben und Wirken schriftlich festhalten kann, hat er über 14.000 Kriege geführt und dabei 3,5 Milliarden seiner Artgenossen getötet.

Im Jahre 2013 finden derzeit weltweit über 34 offizielle Kriege statt und ein Ende ist nicht absehbar.

Die Gründe sind so vielfältig wie die bestehenden Kriegsdenkmäler und Mahnmale:

Imperialismus, ideologisches Hegemoniestreben, natürliche Ressourcen, ethische Konflikte, Fanatismus, Nationalismus, Dogmatismus, Totalitarismus, Militarismus, Durchsetzung von diktatorischen Systemen und so weiter und so fort.

Der Krieg hat viele Namen und er passt sich jeder Situation an.

Der Krieg ist wie ein Chamäleon, er tarnt sich mit prächtigen Idealen und heeren Zielen, er umschmeichelt das Ego der Menschen und verspricht goldene Zeiten und ewigen Ruhm für den Sieger.

Der Krieg benennt den Feind mit klaren einfachen Worten und in Zeiten großer Veränderungen und Umbrüche die immer auch mit Unsicherheit und Zweifel einhergehen ist es scheinbar gut für die menschliche Seele einen Schuldigen für das mögliche Versagen und Misslingen in peto zu haben.

Und der Krieg verspricht aus einfachen Menschen ewige Märtyrer und zeitlose Helden zu machen.

Am Ende ist der Krieg aber immer nur Ausdruck eines niedrigen Beweggrundes, häufig geleitet nur von Gier nach Macht und Geld und gesteuert durch krankhafte Geltungssucht oder paranoide Angst.

Diese vage Erkenntnis mag vielleicht der Grund dafür sein, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in seinem Artikel 26 mit klaren Worten bestimmt:

„Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

Es stellt sich nun natürlich immer die Frage, wie es um die aktive Verteidigung der Freiheit bestellt ist.

Dass wir aktiv für unsere Freiheit und unsere freiheitlichen Ideale einstehen sollen steht außer Frage.

Gerade wir Freimaurer proklamieren für uns die Werte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität und am Ende einer jeden Tempelarbeit mahnt uns der Meister vom Stuhl mit den Worten „Wehret dem Unrecht wo es sich zeigt, kehrt niemals der Not und dem Elend den Rücken“ auch dafür persönlich einzustehen.

Zu Beachten sei hierbei aber, dass Freiheit ohne Beachtung der vier anderen Werte nutzlos ist.

Freiheit ohne Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Menschenliebe ist wie ein Baum ohne Wurzeln und Erde.

Was aber, wenn behauptet wird, dass die eigene Freiheit und die der anderen bedroht sei und man sich dagegen verwehren soll?

In diesem Fall muss man immer sehr genau unterscheiden und analysieren, wer das behauptet und ob es hier wirklich nur um die Verteidigung der Freiheit und ihrer Werte geht oder ob dieses unbestrittene Hohe menschliche Gut nur ein Feigenblatt ist für weit niedrigere Absichten.

Wie schnell ist die Freiheit bedroht wenn zugleich, rein zufällig oder nicht, in der besagten Krisenregion wertvolle Ressourcen vermutet werden oder geopolitische und wirtschaftsstrategische Vorteile vorliegen.

Wie schnell hat man einen Schuldigen oder gut gepflegten Feind beim Namen genannt, um losschlagen zu können, weil dies viel einfacher ist, als die Ursachen in sich selbst zu suchen?

Wie schnell wird die Politik dazu verleitet, unbemannte aber deswegen nicht weniger unmenschliche Kampfdrohnen als „ethisch vertretbare Mittel“ zu bezeichnen?

Wieso erfährt ein ehemaliger Bundespräsident soviel Ablehnung in seiner ehrlichen Aussage, wonach es bei den militärischen Einsätzen in den Ecken dieser Welt auch um die Verteidigung von wirtschaftlichen Interessen und Handelswegen geht?

Wieso spricht die Gesellschaft nach jahrelangen militärischen Kampfeinsätzen in den Krisenregionen dieser Welt von friedenserhaltenden Maßnahmen, anstatt das ehrlichere Wort Krieg zu benutzen, auch wenn der Frieden herbeigesehnt wird?

Ist es nicht opportun zu Fragen, warum eine internationale militärische Intervention in Mali, Irak und Libyen durch gewunken wird und Staaten wie Somalia, Kongo oder Syrien in ihrem Freiheitskampf alleine gelassen werden?

Was für ein Menschenbild hat unserer Gesellschaft, wenn sie die unschuldigen zivilen Toten in Kriegsgebieten als Kollateralschaden bezeichnet?

Gibt es demnach unterschiedliche Definitionen von Freiheit oder hat die Freiheit einen Preis?

In den Allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 heißt es in Artikel 3 eindeutig:

„JEDER hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“

Halten wir uns immer daran?

Hermann Hesse schrieb einmal: „In der ganzen Welt ist jeder Mensch sehr für Revolution, für Vernunft und Niederlegung der Waffen - nur beim Feind, ja nicht bei sich selbst“ und weiter sagt er treffend: „…. da wo von Frieden so laut gesungen und geschrien wird, da sind oft die geballten Fäuste in den Taschen …“.

Wenn wir also für unsere Ideale und Werte einstehen wollen, dann müssen wir bei uns selbst anfangen diese zu leben.

Wir dürfen uns nicht weiter blenden lassen von offensichtlich falschen Aussagen und populistischen Meinungen anderer, wir müssen als freier Mann von gutem Ruf und im hellsten Lichte der Erkenntnis unser eigenes Urteil bilden und dafür einstehen.

Ob unserer Freimaurerbrüder Thieme und Schmitz bei der Errichtung des Völkerschlachtdenkmales dies alles bedacht haben und ob sie frei waren von blindem Patriotismus und verklärendem Heldenpathos wird eine offene Frage bleiben.

Und so können vielleicht die tonnenschweren Steine über uns dennoch ein Symbol dafür sein, dass wir alle eine schwere Verantwortung in uns tragen, derer wir uns immer bewusst sein sollen.

Sollte uns das gelingen, dann hat vielleicht dieses Mahnmal doch etwas in uns bewirkt und damit seinen wahren Zweck erfüllt.

Rasem Baban


Minerva zu den drei Palmen i. O. Leipzig am 23. März 2013