Gebete

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Frühe freimaurerische Gebete

Bearbeitung Roland Müller


ca. 1390-1801


Inhalt

I. Die ältesten Gebete gemäss Knoop/ Jones: Genesis der Freimaurerei (1968; engl. 1948)

1669-1730

II. Weitere Gebete in rituellen Arbeiten

aus: Die zerschmetterten Freymäurer, 1746 (frz. 1747) Jan Van Win, drei französische Gebete von 1758 Jachin and Boaz, dt. in Auszügen 1820 (engl. 1762) William Preston: Erläuterung der Freymäurerey, 1776 (engl. 1772) Theodor Gottlieb von Hippel, 1780 Aloys Blumauer, 1782 Jean-Baptiste Willermoz, 1782 Christian Daniel Erhard, vor 1800 Joseph Michael Böheim: Auswahl von Maurer Gesängen, 1798 Friedrich Ludwig Schröder: Ritual des Lehrlingsgrades, 1801

III: Einige Gebete für Tafellogen

aus: Matthias Claudius, 1779 Johann Gottlieb Naumann: Vierzig Freymäurerlieder, 1782 Allgemeines Gesangbuch für Freymäurer, 1784 Freymaurergedichte von Alois Blumauer, 1786 Vollständiges Gesangbuch für Freimaurer, 1801 Friedrich Ludwig Schröder: Ritual des Lehrlingsgrades, 1801


siehe auch: Jean Van Win: Rite Français: Des Prières de la Franc-Maçonnerie d’Esprit Français au XVIIIe Siècle: http://montaleau.over-blog.com/article-rite-francais-des-prieres-dans-la-franc-maconnerie-d-esprit-francais-au-xviii-siecle-45575065.html



I. Die ältesten Gebete gemäss Knoop/ Jones: Genesis der Freimaurerei (1968)

Aus Douglas Knoop, Gwilym Peredur Jones: The Genesis of Freemasonry. 1948; Nachdruck London 1978, 242-248; dt.: Die Genesis der Freimaurerei. Bayreuth: Quatuor Coronati 1968, 252-256


[Das 1. Gebet (Aberdeen Ms. Von 1670) und das 4. Gebete (in John Pennell, 1730) sind auch von Laurence Dermott nachgedruckt worden, in seiner Schrift „Ahiman Rezon“ (1756),

das 1. unter dem Titel: „A Prayer used amongst the primitve Christian Masons“,

das 2. unter dem Titel: „Another Prayer, and that which is most general at Making or Opening“.

Zwei weiter Gebete, welche Dermott vorstellt tragen die Titel:

„A Prayer said at the Opening of the Lodge, etc. used by Jewish Free-Masons“

„Ahabath Olam. A Prayer repeated in the Royal Arch Lodge at Jerusalem“.]


Das Eröffnungsgebet

Ein frühes Beispiel der Änderung des maurerischen Rituals bietet uns das Eröffnungsgebet oder Aufnahmegebet, das uns in vier verschiedenen Formen überliefert ist, in zwei von definitiv operativem Ursprung und in zwei von wahrscheinlich angenommenem oder spekulativem Ursprung.


(I)

In Aberdeen ist ein Gebet vor der Versammlung in der "Maurer-Charta" (engl. Mason Charter) der Loge, dem sogenannten Aberdeen-Ms., enthalten. Diese Urkunde ist eine Fassung der Grand-Lodge-Familie der maurerischen Konstitutionsmanuskripte, und das Gebet stellt das dar, was wir auf S, 81 oben als "eine Anrufung der Dreieinigkeit" bezeichnet haben. Ein solches Gebet oder eine solche Anrufung der Dreieinigkeit findet sich in allen schottischen Fassungen der Konstitutionsmanuskripte, wenn auch meist ohne besondere Überschrift. Im Dumfries-Ms. Nr. 4 [1710] ist es als "ein Aufnahmegebet" bezeichnet.

Wir drucken das im Aberdeen-Ms. von 1670 erscheinende Gebet ab.

Ein Gebet vor der Versammlung

Die Macht des Himmelsvaters mit der Weisheit des glorreichen Sohnes und die Gnade und Güte des heiligen Geistes, diese drei Personen in einer Gottheit seien bei uns in unserem Beginnen und mögen uns die Gnade geben, uns so zu führen, daß wir in jener Seligkeit leben, die nie ein Ende haben soll.
Amen.

Anrufungen der Dreieinigkeit sehr ähnlichen Wortlauts finden sich in den Fassungen der Konstitutionsmanuskripte, die den Logen von Aitchison’s Haven, Dumfries, Kilwinning, Melrose und Stirling gehören. Wir können deshalb mit Berechtigung annehmen, daß eine solche Anrufung der Dreieinigkeit in den schottischen Logen allgemein gebräuchlich und das Urbild der späteren Fassungen des Eröffnungsgebetes war.


[siehe bereits die Einleitung des Watson Ms. von 1535 oder 1520. Die Einleitung des Dowland Ms. von ca. 1550 lautet ähnlich:

Die Macht des Vater der Könige, nebst der Weisheit seiner glorreichen Gnade, durch die Gnade der Güte des heiligen Geistes, welche da sind drei Personen in Einer Gottheit, sei mit uns bei unserm Anfang und verleihe uns die Gnade, so uns zu leiten in diesem sterblichen Leben, dass wir eingehen mögen in sein Königreich, welches niemals endigen wird.
Amen.


Die Eröffnung des Cooke Ms. (1410 oder 1450) lautet anders:

Gott sei gedankt, unserm glorreichen Vater und Gründer und Bildner von Himmel und Erde und aller Dinge darin, dass er aus seiner glorreichen Gottheit die Gnade haben wollte, so vielerlei Nützliches für den Menschen zu schaffen, ihm unterworfen zu sein und als gesunde Nahrung zu dienen.
Er gab dem Menschen auch Verstand und allerlei Kenntnisse und Fertigkeiten, womit wir in dieser Welt arbeiten können, unsern Unterhalt zu erlangen und allerlei hervorzubringen zu Gottes Wohlgefallen wie zu unserm Besten.


Noch anders ist es im Regius-Poem von 1390 formuliert:

Bitten wir nun zu Gott dem Allmächtigen
Und zur Mutter Maria, der süssen und prächtigen,
Dass wir diese Artikel halten
Und diese Punkte in allen Gestalten,
Wie vordem die heiligen Märtyrer vier,
Die der Kunst gedient zu grosser Zier,
Gute Maurer, wie sie nur jemals erlesen,
Steinschneider, Bildhauer sind sie auch gewesen.]


(II)

Ein Protokolleintrag der Loge in Edinburgh vom 27. Dezember 1708 zeigt, daß die Loge mit einem Gebete eröffnet wurde, wobei unbekannt ist, ob in extemporierter oder feststehender Form. Angesichts der engen Verbindung der Loge mit der Maurerkorporation in Edinburgh ist es ganz wahrscheinlich, daß die Loge die Eröffnungs- und Schlußgebete der Korporation verwendete, von denen Fassungen, welche die Jahreszahl 1669 tragen, auf uns gekommen sind und hier abgedruckt werden.

[Laut Albert Gallatin Mackey (The History of Freemasonry, 1898) stammen die beiden folgenden Gebete aus den „minute-books of Mary’s Chapel Incorporation for the year 1699:]


Ein beim Zusammentritt zu sprechendes Gebet

O Herr, wir flehen Dich demütigst an, bei uns zugegen zu sein in Gnade und unsere Versammlung und alle Geschäfte zu segnen, die wir jetzt behandeln.
O Herr, erleuchte unser Verständnis und leite unsere Herzen und Geister so mit Deinem guten Geiste, daß wir all unsere Absichten und Beschlüsse zum Ruhme Deines Namens und zum Wohle unserer Brüder ersinnen.
Und deshalb, o Herr, laß keine parteiischen Rücksichten auf Nahrung oder Gunst uns vom rechten Wege ablenken. Sondern gewähre uns, daß wir stets alle unsere Absichten und Beschlüsse so ersinnen mögen, daß sie Deinem Namen zum Ruhme und unseren Brüdern zum Wohle gereichen mögen.
Gewähre uns dies, o Herr, und was Du sonst noch für uns notwendig erachtest, und das nur um der Liebe Deines teueren Sohnes Jesu Christi, unseres einzigen Herrn und Erlösers willen, zu dem zusammen mit Dir, o Vater, und dem gesegneten Geiste der Gnade, wir allen Preis, allen Ruhm und alle Ehre für immer und ewig geben.
Amen.


Ein vor dem Schluß zu sprechendes Gebet

O Herr, wir erkennen demütigst Deine Güte an, Dich mit uns zu dieser Stunde zu treffen, um über den gegenwärtigen Zustand dieser Welt zu beraten.
O Herr, lasse uns auch auf den Himmel und den himmlischen Sinn bedacht sein, daß wir um unserer Seelen willen beten.
Und sei bei uns, Herr, und begleite uns am Rest dieses Tages, jetzt und für immer,
Amen.


(III)

In Pennells in Dublin 1730 veröffentlichten Konstitutionen erscheint ein "Gebet, bei der Eröffnung der Loge oder der Aufnahme eines Bruders zu sprechen", das nicht in Andersons Konstitutionen von 1723 enthalten ist, obgleich Pennell in anderer Hinsicht Andersons Buch genau folgte.


Ein Gebet, zu sprechen bei der Eröffnung der Loge oder der Aufnahme eines Bruders

Heiligster und glorreichster Herr Gott, Du großer Baumeister des Himmels und der Erde, der Du der Geber aller guter Gaben und Gnaden bist und versprochen hast, daß Du, wenn zwei oder drei in Deinem Namen versammelt sind, in ihrer Mitte sein willst, in Deinem Namen versammeln und treffen wir uns. Wir flehen Dich demütigst an, uns in allen unseren Unternehmungen zu segnen, uns Deinen heiligen Geist zu geben, unsere Sinne mit Weisheit und Verständnis zu erleuchten, auf daß wir Dich richtig erkennen und Dir richtig dienen können, damit alle unsere Taten zu Deinem Ruhme und zur Erlösung unserer Seelen beitragen mögen.

Hinzuzufügen, wenn jemand aufgenommen wird:

Und wir flehen Dich an, o Herr Gott, segne unser jetziges Unternehmen und gewähre, daß dieser unser neuer Bruder sein Leben Deinem Dienste widmen und uns ein wahrer und getreuer Bruder sein möge; statte ihn mit göttlicher Weisheit aus, damit er mit den Geheimnissen der Maurerei die Mysterien der Frömmigkeit und des Christentumes erfahren. kann.
Darum bitten wir demütig namens und wegen Jesu Christi, unseres Herrn und Erlösers.
Amen.

[Leicht anders übersetzt bei Michel Diericks, S. J.: Freimaurerei, die grosse Unbekannte. Frankfurt, Hamburg: Bauhütten-Verlag 1968, 35-36, (holl. 1967); 3. Aufl. 1975; Neuausgabe Innsbruck: Edition zum rauhen Stein 1999. Eine stark abgewandelte Übersetzung bereits in Johann Christian Gädicke: Freimaurer-Lexicon, 1818, 204, siehe unten]


Da Pennells Konstitutionen das Konstitutionsbuch der Großloge der Freien und Angenommenen Maurer von Irland waren, kann man vernünftigerweise annehmen, daß diese Fassung des Eröffnungsgebetes von den angenommenen Maurern in jenem Lande verwendet wurde und wahrscheinlich seinen Ursprung entweder englischen oder irischen angenommenen Maurern … verdankt. Es ist zu bemerken, daß das Pennell'sche Gebet wie die Aberdeener und Edinburgher Fassungen definitiv trinitarischen Charakter hat.


[Im „Internationalen Freimaurer-Lexikon“ von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932, Sp. 557) wird behauptet, es sei der Arzt Thomas Manninghan gewesen, der dieses Gebet um 1755 als Standard in die englischen Logen eingeführt habe. Die – unrichtige - Behauptung steht bereits in Albert Gallatins Enzyklopädie der Freimaurerei (1874) und geht auf George Oliver (1855) zurück.

Jean Van Win bietete eine französische Übersetzung dieses Gebets. Er datiert die erste Hälfte weit früher und behauptet: Un premier texte du XVIIe siècle peut sans aucun doute être qualifié de „prière maçonnique“. Il s’agit de la célèbre prière datée de 1663 qui fut approuvée et adoptée par l’assemblée générale de Wakefield en cette année-là.

Erin Go Bragh behauptet, dieses Gebet sei von den „Antients“ 1751 verwendet worden.

Friedrich Ludwig Schröder hat in seinem Ritual des Lehrlingsgrades (1801) eine Abwandlung dieses Gebets zweimal formuliert:

Allgütiger Baumeister der Welt! der Du das Weltall als Deinen Tempel gebaut, und den Menschen in demselben, als Dein besonderes Heiligthum gebildet hast.
Segne, was wir hier, in deinem Namen [2: in diesen Mauern] vereinigt, vornehmen.
Gieb, daß dieser Mann ein treuer Bruder werde.
Verleih ihm und uns allen richtige Erkenntniß und herzliche Liebe des wahren Guten; zu dieser Erkenntniß und Liebe, den Eifer, dieselbe auszuüben; und zu diesem Eifer Standhaftigkeit, damit der Zweck der Maurerey immer mehr erfüllt, und die Welt der Folgen derselben [2: ohne „derselben“] immer mehr theilhaftig werde!“]


(IV)

Aus etwa der gleichen Zeit sind drei undatierte Varianten eines Eröffnungsgebetes, zwei handschriftliche und eine gedruckte, auf uns gekommen, von denen keine eine besondere Erwähnung der Dreieinigkeit enthält oder ein Datum trägt. Die Sachverständigen der Bodleian Library sagen, daß es unmöglich ist, die Gebete genau zu datieren: "Das Datum ca. 1730 würde für Schrift und Typus passen, aber sie könnten ebensogut ein gut Teil jünger sein."

Der Wortlaut der Gebete zeigt, daß sie nicht bei der Eröffnung der Loge, sondern bei der Aufnahme eines neuen Bruders zu sprechen waren. Dies ist klar in der Überschrift der ersten Variante ausgedrückt, die wir hier abdrucken:


Ein Gebet, welches bei der Aufnahme eines neuen Mitgliedes in die Gesellschaft der Freien Maurer gesprochen worden sein soll, unter den Papieren eines verstorbenen Bruders aufgefunden:

O glorreichster Gott, der Du der Hauptbaumeister der Welt bist, gewähre uns, Deinen Dienern, die wir schon in diese höchst edle und uralte Bruderschaft aufgenommen wurden, daß wir standhaft und aufmerksam sein mögen und uns immer, an jene heiligen Dinge erinnern, die wir auf uns genommen haben, und uns bemühen, einander in Verschwiegenheit zu belehren und zu unterrichten, so daß nichts widerrechtlich oder gesetzwidrig erlangt werden möge, und daß dieser, Dein Diener, der jetzt dabei ist, ein Maurer zu werden, ein würdiges Mitglied sein möge.
Gib, o Gott, daß er und wir alle als Menschen leben mögen, die den großen Zweck im Auge haben, für den Du uns geschaffen hast. Und gib uns Weisheit zu erfinden und führe uns in all unserem Tun, gib uns Stärke, um uns in allen Schwierigkeiten zu stützen, und Schönheit, um jene himmlischen Wohnungen zu zieren, wo Dein Ruhm wohnt.
Gibt, o Herr, daß wir in brüderlicher Liebe und Wohltätigkeit untereinander übereinstimmen und in all unseren Taten allen Menschen Gerechtigkeit erweisen. Liebt die Barmherzigkeit und geht demütig mit Dir, unserem Gott, so daß wir schließlich zu Angehörigen eines himmlischen Jerusalem gemacht werden mögen.
Nun sei dem ewigen, unsterblichen, unsichtbaren Könige, dem einzigen weisen Gott alle Ehre, aller Ruhm, alle Macht, alle Majestät und Herrschaft, alle Danksagung und aller Preis ohne Ende erwiesen und zugeschrieben.
Amen.

[Eine französische Übersetzung findet sich in Paul Jean Girard: Recueil de prières dans la franc-maconnerie traditionnelle, 2007, 16-17.]


Die zweite auf die Rückseite der ersten geschriebene Variante trägt als Überschrift lediglich die Worte "noch eins".

Die dritte, gedruckte Variante ist überschrieben "Ein Gebet, bei der Aufnahme jedes neuen Bruders zu sprechen". Zu dieser gedruckten Überschrift ist handschriftlich angefügt "von William Dudley". Der letzte Teil der Überschrift der ersten handschriftlichen Variante, "unter den Papieren eines verstorbenen Bruders aufgefunden", erinnert uns sehr an die ziemlich ähnlichen Wendungen im Begleitbriefe zu A Mason's Examination von 1723, in dem Vorworte zu The Grand Mystery of Free-Masons Discover'd von 1724 und in dem Einleitungsschreiben zu The Mystery of Free-Masonry von 1730.

Angesichts der unanfechtbaren maurerischen Vorgänger der anderen drei Formen des oben zitierten Gebets und der unbezweifelten Zugehörigkeit Rawlinsons und Towles zur Maurerei sind wir jedoch nicht geneigt, die Rawlinson'sche Form des Gebetes mit dem Argwohn zu betrachten, den wir den gedruckten Katechismen zukommen lassen, die behaupten, eine Zusammenstellung aus dem Nachlasse eines verstorbenen Bruders zu sein. Folglich sind wir geneigt, es als ein echtes maurerisches Gebet anzusehen, das möglicherweise aus dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts stammt.

soweit Knoop/ Jones


II. Weitere Gebete in rituellen Arbeiten

In „Die zerschmetterten Freymäurer“ (1746; ursprünglich frz.: Les Francs-Maçons Ecrasés, 1747) heisst es pauschal bei der Aufnahme (im Teil IV: Von denen Baumeistern oder Schotten – also der ersten Schilderung eines sogenannten „Schottengrades“):


Der Examinator spricht mit grosser Andacht ein Gebet, darinnen er Gott um den Beystand des Heil. Geistes, und die Erleuchtung des Neuangehenden, und um die nöthige Gnade, nicht nur den Verstand der Lehre zu fassen, sondern auch Gefallen daran zu haben, und sie mit allem möglichen Eiffer ins Werck zu richten, anruft.
Der Meister … fängt zum dritten male ein Gebet an, worinnen er sowohl Gott um Beystand, bey ihren reinen und billigen Absichten, als um die Glückseligkeit des Ordens, anrufft. Wir wollen kein Exempel von diesen Gebeten anführen, weil solches denen Lesern verdrießlich seyn möchte, sondern nur anmercken, daß die Freymäurer vormahls göttliche Eingebung, Entzückungen und Uiberschattungen, vorgaben, welche sie vor wahrhaffte Enthusiasten, wenn sie es im Ernst gethan, würden gehalten haben.

Im Teil II (Von denen Dienern oder Aufwärtern) findet sich allerdings am Anfang des Eides eine Anrufung Gottes, und zwar wird dieser Text abgelegt vom Lehrling „zum Exempel zu Londen in der grossen Gesellschafft, vor dem Großmeister des Ordens; zu Berlin vor dem obersten National-Protecetor; zu Franckfurt am Mayn vor dem National-Großmeister, und in der berühmten Loge zu Hamburg.“

O Gott, grosser Baumeister der Welt [O Dieu, Grand Architecte de l’Univers], der du alle Dinge durch deine unumschränckte Macht erschaffen hast, und dessen unendliche Weisheit sie in der schönsten Ordnung, die sie zusammen hält, gesetzt: Der du den Menschen ein lehrbegierig Hertz gegeben, und in solchen den Saamen von allerlei Tugenden ausgestreuet, daß sie in ihrem Wandel Früchte des Verstandes und der Frömmigkeit hervorbringen möchten: Der du endlich ihnen die Nothwendigkeit, gesellig zu leben, eingepflantzet hast, sey du ietzo durch deine Gnade mitten unter uns, und verleihe mir N. N. die besondern Gaben und Geschencke, die diese Neigung zum geselligen Leben unterhalten können, damit ich auf solche Art die Verrichtungen, Handlungen, und die Schuldigkeit, wozu ich mich anietzt verbinde, indem ich deine Güte und Hülffe anruffe, erfüllen möge …

Die dritte Eides-Formel schliesslich lautet hier:

O Gott, grosser Erbauer der Welt [O Dieu, Grand Architecte de l’Univers], ich ruffe dich an, schwöre dir, und gelobe der vortrefflichen Gesellschafft der Freymäurer, in deren Nahmen sie hier versammlet ist, den armen Brüdern, sie mögen Fremde, oder von meiner Nation seyn, in ihrem Elend nach allem meinem Vermögen beyzustehen, sie mir brüderlicher Liebe aufzunehmen, sie zum Meister der Loge, den Beamten der Gesellschafft, zu den Brüdern und zur Versammlung selbst zu führen, damit sie bey ihnen die gewünschte Hülffe finden mögen.
Gott helfe mir und sein heiliges Evangelium.

Diese Gebete sind nachgedruckt in: Geheime Unternehmungen der Freymaurer, 1788, 96-97 und 99-100.


Jean Van Win erwähnt ein offenbar original französisches Gebet, das 1758 erstmals auftaucht und dann ab 1786/87 im Grand Orient de France verwendet wurde:

Souverain Architecte de ce vaste Univers, toy qui de ton œil divin, pénêtre les replis les plus cachés du cœur des mortels, purifie les nôtres du feu sacré de ton amour. Imprime à nos âmes le caractère de ta divine sagesse, guide et dirige nos pas dans les sentiers de la vertu.
Eloigne de ton sanctuaire adorable les impies et les pervers; fais qu’uniquement occupé du grand ouvrage de notre perfection, Elle soit le prix de nos travaux; que la Paix et la charité resserrent les nœuds de notre union et que cette Loge soit une foible image du bonheur que gouteront les Elus; donne à nostre Esprit un discernement sain pour pouvoir retirer l’yvraie du grain et ne pas nous tromper dans le choix de ceux que nous allons marquer du sceau redoutable de la perfection;
qu’Enfin nous n’ayons d’autre but que ta Gloire, nostre avancement dans le bien et le Regne de la vraie maçonnerie.
Amen…amen…amen…

Auch in Paul Jean Girard: Recueil de prières dans la franc-maconnerie traditionnelle, 2007, 32.

Das Gebet bei Schliessung der Loge lautet:

Ecoute, Grand Dieu, ma prière, qui attend avec empressement l’efficacité.
Ne dédaigne pas du haut de ton Trosne mes faibles accens pour des Enfans que tu as formé pour toy seul, fais les courir à pas de géant dans les sentiers de la vertu, que celle de nos Pères se retrace en nous, que la paix et la concorde nous fassent goûter par avance la félicité dont ils jouissent ; que le soleil de la Divine Justice nous éclaire et nous échauffe et porte dans nos âmes la consolation, la Joye et la Vie, qu’enfin zèle ferveur et constance dirigent toutes nos actions et nous fassent au bout de nostre carrière arriver au but fortuné de l’Immortalité…
Vivant…Vivant…Vivant…


Und noch ein Gebet aus dieser Zeit:

Grand Architecte de ce vaste Univers
Quitte ta céleste demeure, préside en ce jour parmi nous et daigne éclairer nos travaux
Afin que nous puissions imiter tes desseins que tu scus tracer jadis à nos premiers maçons qui travaillèrent à construire des édifices pour exalter ta Gloire.
A jamais Dirige les ouvriers que tu exerces;
Que nos ouvrages soient aussi solides que ta durée, aussy fermes que tes desseins et aussi grands que ta puissance puisse nous le permettre.
Guide-nous par ta Sagesse, contiens-nous par ta Justice.
Remplis-nous de zèle pour nos devoirs, de ferveur pour nos sacrés mistères et d’une ferme constance dans nos peines.
Répands sur nous tes précieuses lumières
Et que nos œuvres ne s’écartent jamais des bornes que tu nous as prescrites
Que nos cœurs toujours purs te soient toujours une offrande agréable
Et que nos peines nous fassent mériter de travailler tous un jour
Dans la loge des loges qui est la récompense de tout bon Maçon.

Bekannt wurde dieses Gebet durch Abbé François LeFranc: Le Voile Levé pour les Curieux, 1792, 140-141.


In: Jachin and Boaz, 1762, 15-16, steht folgendes bekanntes Gebet (wahrscheinlich auch bereits in „Three Distinct Knocks, 1760; jedenfalls nachweisbar in der 7. Ausgabe von 1775, 13-14): Die nachfolgende deutsche Übersetzung stammt von: Karl Christian Friedrich Krause: Die drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft. Zweite Auflage, Erster Band, erste Abtheilung, 1820, 143-151, im Rahmen der sogenannten „zweiten Kunsturkunde“.


O Herr Gott, du grosser und allgemeiner Mason (Baumeister) der Welt, du erster Bildner des Menschen, dass er wie ein Tempel sei; sei mit uns, O Herr, wie du versprochen hast, wenn Zwei oder Drei in deinem Namen versammelt sind, so wollest du mitten unter ihnen sein. Sei mit uns, о Herr; und segne alle unsere Unternehmungen, und verleihe, dass dieser unser Freund ein treuer Bruder werden möge!
Lass Gnade und Friede an ihm vervielfältiget sein, durch die Erkenntniss unseres Herrn Jesus Christus: und verleihe, о Herr, dass, sowie er die Hand ausstreckt nach deinem heiligen Worte, er sie auch ausstrecken möge, um einem Bruder zu dienen, (wenn es nicht ihm selbst oder seiner Familie verderblich ist;) damit wir, vermöge der grossen und werthvollen (theuren) Verheissungen, die du uns gemacht hast, Theilhaber deiner göttlichen Wesenheit werden, wann wir der Verderbniss entgangen sind, die durch die Lust in die Welt gekommen ist.
O Herr Gott, gieb zu unserem Glauben Tugend, zur Tugend Erkenntnis, zur Erkenntnis Mässigung, zur Mässigung Klugheit, zur Klugheit Geduld, zur Geduld Frömmigkeit, zur Frömmigkeit Bruderliebe, und zur Bruderliebe allgemeine Liebe; und verleihe, o Herr, dass Maurerei gesegnet sei durch alle Welt, und dein Friede über uns sei, о Herr; und verleihe, dass wir Alle vereint sein (vereinleben) mögen wie Einer, durch unsern Herrn Jesus Christus, der da lebet und regieret von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Amen.


Zwei fast gleichlautende französische Übersetzungen findet sich in Paul Jean Girard: Recueil de prières dans la franc-maconnerie traditionnelle, 2007, 17-18 und 18-19.


Dieses Gebet wurde - wie viele Inhalte aus „Jachin and Boaz“ - in etwas anderer Übersetzung in das handschriftliche Statutenbuch der Loge zu Esslingen von 1784 aufgenommen. Es ist nachgedruckt bei Johann Christian Gädicke: Freimaurer-Lexicon, 1818, unter „Gebet“, 204-205. Karl Christian Friedrich Krause: Die drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft. Zweite Auflage, Erster Band, erste Abtheilung, 1820, 314-315.

Insbesondere der zweite Abschnitt wurde dabei verändert und ausgeweitet:

Lass Gnade und Friede sich bei uns immerfort vermehren, und die Erkenntniss unsers Herrn Jesus Christus sich in unsre Herzen einprägen! Gieb auch, о Herr! dass wir dein heiliges, unverfälschtes Wort in der That erfüllen; und unsere Hände immer stärker werden, um einem Bruder-Maurer vorzüglich, hernach, aber jedem Nebenmenschen, in der Nofh zu dienen, ohne dass wir uns oder den Unsrigen dabei Schaden thun!
Stärke uns ferner, о Herr! in allen guten Werken; mache uns zur Ausübung der Tugenden geschickt, fertig und bereit, nach deinen grossen und theuren Verheissungen; damit dadurch dein hoher Name: Jehova, verehret, verherrlicht und gepriesen werde ewiglich; und damit dein Segen unter uns und in der ganzen Welt ausgebreitet werde!


Drei ganz andere Gebete finden sich in William Preston: Illustrations of Masonry, 1772, 209-210; dt. Erläuterung der Freymäurerey, 1776, 2. Aufl. 1780, 131-132.


Gebet bey Eröfnung der Loge.

Die Gnade des Himmels verbreite sich über uns, bey dieser unserer glücklichen Zusammenkunft. Möge doch das Werk mit Ordnung, Eintracht und Bruderliebe anfangen, fortgeführet und geendiget werden.
Amen.

Gebet bei Schliessung der Loge.

Die Segnung des Himmels komme über uns, und alle wahren Maurer, und verschönere, und vereinige uns, durch eine jede moralische und gesellige Tugend.
Amen.

Gebet vor der Aufnahme eines Candidaten.

Allmächtiger Vater und oberster Regierer der Welt, verleihe uns bey dieser unserer Zusammenkunft deine Hülfe, und gewähre uns, daß dieser Candidat zur Maurerey sein Leben deinem Dienste weihen und widmen möge, und ein wahrer und getreuer Bruder unter uns werde.
Begabe du ihn mit dem Strahl deiner göttlichen Weisheit, damit er durch die Geheimnisse dieser Kunst geschickt gemacht werde, die Geheimnisse deiner Einrichtungen zu entfalten, zur Ehre deines heiligen Namens.
Amen.


In Thomas Smith Webbs „Freemason’s Monitor“ (1797, 30 und 37) finden sich die drei Gebete etwas abgewandelt. In John Brownes „Master Key“ (1798) finden sie sich ebenfalls – und etwas anders übersetzt von Karl Christian Friedrich Krause: Die drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft. (Zweite Ausgabe, Erster Band. Zweite Abtheilung, 1820, 109 und 139-137 sowie 149); zusätzlich gibt es zum 3. Gebet (Ein Gebet, bei der Einweihung gebräuchlich.) eine geringfügig abgewandelte weitere Fassung: Gebet der Weihe eines Ansuchenden (Candidaten).


Theodor Gottlieb von Hippel hat für die Loge „Zu den drei Kronen“ in Königsberg ein Gebet mit dem Titel „Das gute Wort“ verfasst, das seit 1780 am Beginn der Logenarbeit durch den ersten Aufseher gelesen wird:

Wir sind dein, Urquell alles Guten, wenn wir nach deinem Vorbilde im Stillen wirken und Gutes in deiner Welt verbreiten, die Du aufrichtig gemacht hast, und die jetzt so viele Künste sucht.
Seegne unsere Kunst, die Natur und Menschheit in die heim bringen will, lehre uns alle daran arbeiten, daß Dein Reich komme, daß eine Heerde werde, die Dich als ihren alleinigen Oberhirten erkenne.
Dies Bestreben ist der gerade Gang zur Meisterschaft, die höchste Stufe der Menschenliebe.
Unser Wandel sey eine Bestätigung dieses Berufs, ein beständiger Unterricht für die, so uns umgeben …
Laßt uns nicht vergessen, daß der beste Mensch diesseits dem Grabe nur ein Lehrling sey, und daß wir dort zum vollen Lichte gelangen.
Amen!

Nach der Loge wird gelesen:

Woher? und wohin? Welche große Fragen!
Die größten Geheimnisse sind wie gar nichts gegen die Auflösung dieser Räthsel. Das Ende krönt das Werk.
Nur das Grab macht weise, stehet auf dem Wege zum-Heiligthum angeschrieben. Wer es lieset der merke darauf. Der Tod ist die höchste Stufe, die wir in dieser Welt betreten, ein Hieroglyph, den kein Mensch lösen kann. Nur der Herr der Natur kann es, der gemacht hat Himmel und Erde!
Wir leben des Todes halber, wir sterben, um zu leben Tag und Nacht, schwarze Kammer und Licht sind verwandt wie Leib und Seele. Alles was dahin fällt, aufersteht. Der Tod ist Verwandlung, nicht Ende!
Wir schließen eine Lehrlings-Loge wenn wir sterben, um eine höhere zu öffnen. Wir reisen um nach Hause zu kommen.
Wohl dem! der frey von Gewissensbeklemmungen sein Ende erwartet, der von seiner Arbeit ruhet und von dem es heißt: seine Werke folgen ihm nach.
Wohl dem! der beim Ende seiner Lebenstage vom Meister seinen Lohn empfängt, und aus einem Leben in Gott zu einer andern noch näheren Vereinigung mit dem Urquell aller Dinge eintritt!
Der Tod frägt nicht,. ob es Hochmitternacht mit uns ist! wir wollen stündlich bereit seyn, Gutes thun .und nicht müde werden, Bruderliebe und gemeine Liebe zu üben, und nach oben hinauf beten: Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf.daß wir weise werden
Amen!


Im Jahre 1782 hat Aloyis Blumauer ein sehr langes „Gebet“ gedichtet. Ob es in rituellen Tempelarbeiten verwendet wurde, ist nicht bekannt. Der Anfang lautet:

O du, dessen Weisheit diesen weiten
Weltenkreis aus Nichts hervorgebracht,
Dessen Stärke ihn für Ewigkeiten,
Dessen Liebe ihn so schön gemacht!

Erstmals ganz abgedruckt unter dem Titel „Gesinnungen eines ächten Freymäurers“ in: Erich Servati (=Heinrich Sautier): Bruchstücke zur Geschichte der deutschen Freymäurerey. Basel: Flick 1787, 413-419; ferner in: Gesangbuch für die gerechte und vollkommene Freymaurer-Loge zur aufgehenden Sonne zu Kempten, 1790, 1-9. Sammlung auserlesener Freymaurer-Lieder zum Gebrauch der Logen und andrer Freunde des Gesangs, 1790, 1-9.


Jan Van Win berichtet: Für den Rektifizierten Schottischen Ritus, der nach den Konventen von Lyon (1778) und Wilhelmsbad (1782) gebildet wurde, hat Jean-Baptiste Willermoz folgende Gebete verfasst (in der redigierten Form von 1788):

Prière rectifiée d’ouverture rituelle des travaux.

Grand Architecte de l’Univers, Etre éternel et infini, qui es la bonté, la justice et la vérité même, ô toi qui par ta parole toute puissante et invincible as donné l’être à tout ce qui existe, reçois l’hommage que les Frères réunis ici en ta présence t’offrent pour eux-mêmes et tous les autres hommes.
Bénis et dirige toi-même les travaux de l’Ordre et les nôtres en particulier.
Daigne accorder à notre zèle un succès heureux, afin que le temple que nous avons entrepris d’élever pour ta gloire, étant fondé sur la sagesse, décoré par la beauté et soutenu par la force qui viennent de toi, soit un séjour de paix et d’union fraternelle, un asile pour la vertu, un rempart impénétrable au vice, et le sanctuaire de la vérité; enfin, pour que nous puissions tous y trouver le vrai bonheur, dont tu es l’unique source, comme tu en es le terme à jamais.
Ainsi soit-il.

Auch in Paul Jean Girard: Recueil de prières dans la franc-maconnerie traditionnelle, 2007, 35.

Prière rectifiée de fermeture rituelle des travaux.

Architecte Suprême de l’Univers, source unique de tout bien et de toute perfection, ô toi qui as toujours voulu et opéré pour le bonheur de l’homme et de toutes tes créatures, nous te rendons grâce de tes bienfaits paternels, et nous te conjurons tous ensemble de nous les accorder suivant tes desseins et selon nos propres besoins.
Répands sur nous et sur tous nos Frères ta céleste lumière; fortifie dans nos cœurs l’amour de nos devoirs, afin que nous les observions fidèlement.
Puissent nos assemblées être toujours affermies dans leur union par le désir de te plaire et de nous rendre utiles à nos semblables. Qu’elles soient à jamais le séjour de la paix et de la vertu, et que la chaîne d’une amitié parfaite et fraternelle soit désormais si forte entre nous que rien ne puisse jamais l’altérer.
Ainsi soit-il.

Auch in Paul Jean Girard: Recueil de prières dans la franc-maconnerie traditionnelle, 2007, 34.


Die zweite Auflage von C- Lennings „Encyclopädie der Freimaurerei“, unter dem Titel „Allgemeines Handbuch der Freimaurerei“ (1. Band, 1863, 303) bringt folgendes Gebet von Christian Daniel Erhard, das am Ende des 18. Jahrhunderts in der Loge „Minerva zu den drei Palmen“ in Leipzig gesprochen wurden:

Vor dir, dem Weltgeist, Vater der Natur,
Erscheinen vir im heiligsten der Kreise,
Umschlungen durch der Menschheit festes Band,
Vereint, um dich zu ahnen, dich zu fühlen,
Vereint für Menschennoth und Menschenglück,
Vereint vor dir für Wahrheit, Recht und Licht.
Du, der Geschlechter und der Zeiten Geist,
Der in der Weltbegebenheiten Sturm
Und im Gewühl der Völker mächtig weht,
Doch weit erhaben über Reih' und Zeit,
Gleich nah, gleich fern, das Künftig und das Nun
Und Ehedem mit einem Blicke sieht, —
Nicht dir, nur uns, naht bald sich ein Moment,
Den sich der blöde, der begrenzte Mensch,
Gefesselt an des Körpers schwaches Uhrwerk,
Gewöhnt, nach Reihen von Gedank' und Wort,
Nach Tag und Jahr, nach Morgen und nach Abend
Die Dauer seiner eignen Existenz,
Und ganzer Völker Leben, abzumessen,
Sich denkt als Ruhepunkt im Lauf der Zeit,
Von dem, nach seinem Wahn, das ewig gleiche,
Sich ewig stetig drehnde, Rad des Schicksals
Verstärkte Kraft und neuen Schwung erhält.
Du kennst die Schwachheit endlicher Natur,
Die das durch Zahl und Raum und Worte trennt,
Was in der That ein grosses Ganzes ist.
Drum lass an diesem grossen Scheidepunkte —
(Uns ist er es) — mit ernstem Sinne nun
Uns auf das Säculum, das bald entschwindet,
Belehrt und voll Vertraun zurücke sehn!
In ihm erhob in unsrem Vaterlande
Der grosse Menschenbund sein mächtig Haupt,
Erwärmte kalte Herzen, und verband,
Was Vorurtheil und Aberglaube schieden,
Verbreitete Humanität und Lust
An Geistesbildung und an edlern Freuden,
Ward — ach! — zum Werkzeug in der Bosheit Hand,
Entehrt, geschmäht, verfolgt, mit Recht und Unrecht,
Bald angeklagt des Hochverrathes, bald
Die düstre Zuflucht feiler Schwärmerei; —
Und doch hast du, o! grosser Meister, ihn
In seiner Reinheit unter uns erhalten.
Stolz, Ewigkeiten trotzend, steht er da,
Der hehre Tempel wahrer Menschenwürde;
Und Brüder drücken an das Menschenherz
Sich traulich noch in ihm, und lernen, Menschen,
Ja, Menschen sein und Menschen wahrhaft lieben!
O! halte, grosser Meister, diesen Bund
Jahrtausende noch fest, und lass ihn still,
Doch mächtig, wirken in des Weisen Hand
Lass ihn des Edlen, des Verkannten, Zuflucht —
Lass ihn die Schule der Natur und Wahrheit —
Lass ihn der Menschenliebe Tempel sein!
Ihn müsse nie entweihn ein kaltes Herz,
Das selbstisch sich der Schöpfung Centrum wähnt
Und, wenn man hier der Eitelkeit nicht räuchert,
Mit Spott und schnödem Aberwitz sich rächt.
Der reine Strahl des Lichts ans Osten sei
Allgegenwärtig in der Obern Geist!
Gib Einheit allen, die geweihet sind,
Durch dich geweiht, und durch ein reines Herz!
Gib ihnen guten Willen, und gib Kraft
Für jede gute That, und stärke jeden
Im mächtigen Entschluss, für Menschenheil
Zu leben, und für Wahrheit, Recht und Licht!
Lass neu ihn glänzen bald, den alten Bau!
Alt ist sein Zweck: doch neu sei unser Muth!


In der Sammlung „Lieder für Freymaurer“ (1809, 8) ist unter dem Titel „Gebete“ abgedruckt, was erstmals in Joseph Michael Böheims „Auswahl von Maurer Gesängen“ (I, 1798) zu finden ist. Hier die Fassung von: „Vollständiges Gesangbuch für Freimaurer“ (1801, 206-207):

Richter frei geschaffner Geister,
großer Welten großer Meister,
blick' auf unsre Maurerei!
uns befällt ein heilig Grauen:
was wir hier im Dunkln bauen,
bleibet nicht von Fehlern frei.
Wo in abgemessnen Kreisen
dich so viele Welten preisen,
strahlet deine Majestät.
Auch in fest verschlossnen Zimmern,
ohne Strahl, bei schwachen Schimmern,
wird dein Ruhm bei uns erhöht.
Sieh auf unsre Arbeit nieder,
segne du den Fleiß der Brüder,
wenn die Eintracht sie verstärkt!
Gieb, daß auf der ganzen Erde
ihr Gebäude sichtbar werde,
das man jetzt kaum halb bemerkt.
Unaufhörlich dich zu preisen,
bleibt der letzte Zweck des Weisen,
und das Glück der Ewigkeit.
Diesem würdigsten Geschäfte opfert,
Brüder! Muth und Kräfte,
bis uns einst der Tod erfreut.


In Friedrich Ludwig Schröders Ritual des Lehrlingsgrades von 1801 lautet das Eröffnungsgebet:

Du! dessen Hand der Welten Bau gegründet,
Ihn lenkt und hält in seinem Wundergang,
Den hier der Halm, die Ceder dort verkündet,
Des Donners Hall, und Nachtigalls Gesang!
Sieh hoher Geist der Weisheit und der Stärke,
Auf unser Werk, dein schwaches Nachbild hin!
Es ist der Mensch das schönste deiner Werke,
O gib uns dann für unsere Würde, Sinn!
Das Würdigste sey stets das Ziel uns allen,
Ein Geist beleb' und treib' uns alle! Rein
laß unser Thun in diesen stillen Hallen,
Und segenvoll laß es der Menschheit seyn!

Das eindrückliche Schlussgebet von Schröder („Weisheit strahlt aus jedem Werke“) wird noch heute verwendet.


III: Einige Gebete für Tafellogen


Einige Lieder für die Tafelloge hat bereits 1729 Benjamin Cole in seiner Schrift A Book of the Ancient Constitutions of the Free and Accepted Masons zusammengestellt.


Von einem Tischgebet ist erstmals in der Zweiten Fassung der „Verordnungen“ von Georg Payne, 1738, die Rede: N. V. XXX. Der Großmeister kan selbst das Tisch-Gebet verrichten, oder einen Bruder, der ein Geistlicher ist, oder auch den Secretarium darzu brauchen, daß er vor und nach der Mahlzeit bete.


1779 dichtete Matthias Claudius ein „Schlusslied“ für die Tafelloge. Es wurde bereits gedruckt in: Allgemeines Gesangbuch für Freymäurer, 1784, 21.

Brüder! streckt nun die Gewehre,
unser Tagwerk ist gethan.
O, wer doch vollendet wäre,
und ein würklich freyer Mann!
Tag und Nacht, in Freud` und Schmerzen,
such‘ ein jeder es von Herzen,
geb‘ noch hier darauf sein Wort,
und geh‘ denn in Frieden fort.

Chor:

Geb‘ noch hier darauf sein Wort,
und geh‘ dann in Frieden fort.


Gute Nacht, und fröhlich Leben!
eh‘ wir aus einander gehen;
gute Nacht, und Gott wird geben,
daß wir uns hier wiedersehn!
Würde Einer hingenommen,
sollt‘ er hier nicht wiederkommen,
hätte Gott das so bedacht:
Auch dem Bruder gute Nacht!

Chor:

Hätte Gott das so bedacht:
auch dem Bruder gute Nacht.

Anmerkung Gewehre = Trinkgefässe; die „Gesundheiten“, Toasts, werden „gefeuert“.

Später wurde die Eingangszeile geändert:

„Brüder gebet Gott die Ehre“

beispielsweise in: Liederbuch für die Große Landes-Loge der Freimaurer von Deutschland und deren Tochter-Logen, 1869, 170-171.


Johann Gottlieb Naumann veröffentlichte 1782 „Vierzig Freymäurerlieder, in Musik gesetzt“, darunter (46-49):

Zum Schluss der Tischloge

Die Ketten, Brüder, die uns binden,
Sind Eintracht und Beständigkeit.
Den ächten Rang, den wir empfinden,
Bezeichnet unser Feyerkleid.
Beym Zoll, den wir uns selbst entrichten,
Sind wir von eklem Zwange frey.

Chor.

O! groß und edel sind die Pflichten
In der erhabnen Maurerey.
Das Losungswort der goldnen Zeiten
War thätige Rechtschaffenheit.
Itzt folgt man äusren Höflichkeiten,
Nicht innerlicher Lauterkeit.
Doch uns erkennt man an den Früchten
Der ungeschminkten Biedertreu.

Chor.

O! groß und edel sind die Pflichten
In der erhabnen Maurerey.
In unsren so verschwiegnen Wänden
Horcht kein verrätherisches Ohr.
Vor unsren unbefleckten Händen
Entweicht der Lästrer und der Thor.
Den alten Tempel aufzurichten.
Steht uns die Vorsicht mächtig bey.

Chor.

O! groß und edel sind die Pflichten
In der erhabnen Maurerey.
Wir sind der Unschuld Bundesfreunde,
Und Unschuld ist Gluckseligkeit.
Umsonst empören sich die Feinde
Der siegenden Zufriedenheit:
Der Hammer kann sie bald vernichten;
Er schlägt den niedren Stolz entzwey.

Chor.

O! groß und edel sind die Pflichten
In der erhabnen Maurerey.
Drückt unsren Nächsten Noth und Bürde;
So mildert sie der Menschenfreund,
Der, o wie glänzet solche Würde!
Des Mitleids warme Zähre weint.
Man liest in allen Weltgeschichten,
Dass dieses unsre Richtschnur sey.

Chor.

O! groß und edel sind die Pflichten
In der erhabnen Maurerey.
Die Zuversicht ruht in dem Herzen,
Aufrichtigkeit im Angesicht.
Wenn Wolken eine Sonne schwärzen;
So strahlt sie doch mit eignem Licht.
Nur Wahrheit soll uns unterrichten,
Nicht Tand, nicht Kunst der Heucheley.

Chor.

O! groß und edel sind die Pflichten
In der erhabnen Maurerey.
Selbst Grosse wählen unsre Schwellen,
Wo noch der Preis der Tugend gilt;
Wo keine Schmeichler Schlingen stellen;
Wo keine Schalkheit sich verhüllt.
Wollüstler, die sich Glück erdichten,
Erwählen Gift statt Arzeney.

Chor.

O! groß und edel sind die Pflichten
In der erhabnen Maurerey.
Wie manche Freuden schenkt dies Leben,
Wie viel die günstige Natur:
Wir kosten sie beym Saft der Reben,
Bey Liedern, bey der Blumenflur.
Wenn Schönen auf uns Blicke richten,
Fliehn sie nicht ungefühlt vorbey.

Chor.

O! groß und edel sind die Pflichten
In der erhabnen Maurerey.
Kommt, Brüder, Hand in Hand geschlungen,
Erneuert itzt der Freundschaft Band.
Welch grosses Heil, das wir besungen,
Hat uns der Himmel zugewandt!
Der Bau, den wir getreu verrichten,
Ist heilig so wie dreymaldrey:

Chor.

So heilig sind auch unsre Pflichten
In der erhabnen Maurerey.


Ein weiterer Tafelgesang aus Allgemeines Gesangbuch für Freymäurer, 1784, 32:

Des Guten Quelle! Gott des Lebens, der zu Geweihten uns erhob, zu dir, vom freudenvollen Mahle, Steig' unser Weihrauch, unser Lob!

Einer.

Doch nie vergess't der bangen Zähre, die von des Armen Auge fleust!

Alle.

Laßt sie uns trocknen, dem zur Ehre, der Raben und der Menschen speist!


In den Freymaurergedichten von Alois Blumauer (1786, 74-76) findet sich folgendes Gedicht:

Zum Schlusse der Tafelloge

Einer.

Die Freude, Brüder, die wir heut
In unsern Kreis geschlossen,
Hat über uns im Rosenkleid,
Ihr Füllhorn ausgegossen.

Alle.

Aus ihrem Becher tranken wir,
Deß freu'n wir uns, und danken ihr
Für das, was wir genossen.

Einer.

Doch pflegt sie mit noch besserem Wein
Ihr Freudenmahl zu schließen,
Und schenkt davon nur jenen ein,
Die ihrer Huld genießen.

Alle.

Sag an, wo dieser Trank gedeiht,
Der Herz und Sinn noch mehr erfreut;
Wir wollen ihn nicht missen.

Einer.

Der Wein gedeiht nicht überall,
Die Liebe muß ihn pflegen;
Er quillet nur in ihrem Stral
Dem Menschenfreund entgegen.

Alle.

Des Wohlthuns Wonne heißt der Wein:
Wir schenken ihn den Armen ein
Zum Sanct Johannissegen.


In: Vollständiges Gesangbuch für Freimaurer. Berlin: Maurer (1801, VIII) finden sich zwei kurze Tafelgebete (hier eingebettet in Erläuterungen von Gädicke, 1818):

Wenn der Bruder Freimaurer sich an die gemeinschaftliche Tafel setzt, so ist es ebenfalls seine Pflicht zu beten, und gern hört er hier die Worte:

O Quell des reinsten Lichts, o Herr der Herrlichkeit!
Groß, unbegreiflich groß sind Deiner Hände Werke!
Zum würdigen Gebrauch der Zeit
Gabst Du im Tempelbau uns Weisheit, Schönheit, Stärke;
Du giebst uns Lebenskraft, Vergnügen, Speis' und Trank:
Dir sey dafür Lob, Ehre, Preis und Dank!

Nach der Tafel erhebt er wieder seine Stimme und betet:

Gott! sey gelobt, Du hast auch heut an uns gedacht;
Gelobt für dieses Tages Segen!
O schütz uns väterlich, nach Deiner Huld und Macht,
Im Gluck, im Leid, auf allen unsern Wegen,
Und segne diese Nacht!

Diese beiden Tafelgebete sind nachgedruckt in: Johann Christian Gädickes Freimaurer-Lexicon, 1818, 205-206.


Friedrich Ludwig Schröder schlug in seinem Ritual des Lehrlingsgrades (1801) für den Auftakt der Tafelloge folgendes Gebet vor:

Als, Allmächtiger! Dein Werde!
Dieser Welt: das Daseyn gab,
Senktest in den Schooß der Erde
Nahrung, Stärkung Du herab.
Nahrung wuchs in goldnen Aehren
Aus der Erde düsterm Grab!
Und der Traube Purpurzähren
Träufeln Stärkung uns herab.
Laß bey unserm Brudermaale,
Deiner Gaben uns erfreun,
Und in des Genusses Schale
Dann des Wohlthuns Blume streun.


Für den Schluss der Tafelloge hat Friedrich Ludwig Schröder (1801) folgendes Gebet formuliert:

Nahrung haben wir empfangen
Lab' und Stärkung nahmen wir;
Und mit Rosen auf den Wangen.
Schwebte Frohsinn freundlich hier.
Mässigkeit saß bey dem Male
In den Bruderkreis gereiht,
Und mit ihrem sanften Strahle
Wärmte uns die Menschlichkeit.
Laß uns immer so genießen,
Großer Geber! laß uns so,
Unsers Lebens-Mal beschließen,
Dankbar, mäßig, menschlich, froh!