Tempelarbeit: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Tempelarbeit'''
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Wer zum ersten Mal einen freimaurerischen Tempel betritt sollte sich klar machen, dass er sich nicht in einem Heiligtum befindet. Vielmehr baut sich der Tempel aus der Mitte der Lebenswelt der Mitglieder ein Loge auf. So sind Tempel an verschiedenen Orten auch unterschiedlich ausgestattet. Nur weniges bleibt immer Gleich: Die Ausrichtung von Ost nach West und der freie Platz für einen Arbeitsteppich, der umgeben ist von drei Kerzen auf großen Säulen. Auf jeder Stufe freimaurerischer Arbeit wechseln die Symbole und zusätzlichen Einrichtungsgegenstände. Immer erinnern sie an elementare Daseinsweisen des Menschen und an die vorausschauende Einteilung der verfügbaren Zeit: den Eintritt ins Leben, den Prozess der Entwicklung, die Vollendung des Lebens mit dem Tod.
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Die Tempelarbeit ist der Rahmen, in dem sich das rituelle Leben der Freimaurerei ereignet. Sie enthält viele an die christliche Liturgie erinnernde Elemente (Wechselgespräche, Zeichen, Rede, Gesang), aber es fehlen – zumindest in den humanitären Logen – das Gebet und die Ehrerweisung gegenüber einem bestimmten und personalen Gott. In der freimaurerischen Tempelarbeit treten die den Menschen betreffenden Bestandteile von Religion hervor. Dadurch und weil Freimaurerei selbst keine Religion ist, werden die auf Jenseitiges bezogenen Messfeiern im freimaurerischen Ritual umgewandelt in eine Feier des Menschen. Allerdings steht nicht der Mensch in unbestimmter Allgemeinheit im Zentrum der Arbeit, sondern insofern er unvollkommen ist und die Möglichkeit zur Vervollkommnung (Perfektibilität) in sich birgt.
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Während liturgische Praktiken theistischer Religionen stets auch eine Gotteserfahrung vergegenwärtigen sollen, stellt die Tempelarbeit der Freimaurer alles rituelle Geschehen in den Dienst der Selbsterfahrung des Menschen. Hierbei vereinigen sich liturgische Elemente beider christlicher Kirchen mit säkularen Vorstellungen vom Fortschritt des Menschen in moralischer Hinsicht, wie er durch sein eigenes Tätigsein erreichbar ist.
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Dem Wort „Arbeit“ kommt besondere Bedeutung zu. Es benennt diejenige Form des Schaffens, wodurch die Welt verändert werden könne: nicht durch Beten und abwartende Demut gegenüber einem jenseitigen Wesen allein, sondern durch Einsatz der gestalterischen und werktätigen Fähigkeiten der Menschen. Mit einem gewissen Recht ist der Freimaurerei - vor allem von katholischer Seite - immer wieder vorgehalten worden, dass sich in diesem Anspruch, die Welt selbst verändern zu wollen, die verwerfliche Hybris des Menschen ausspreche. Hier greife der Mensch nach der allein Gott gemäßen Macht zur Erlösung der Welt. Wo sich der Mensch in deren Besitz wähne, gebe sich zu erkennen, dass er sein wolle wie Gott. Freilich wissen wir nicht, ob es dem Menschen allein gelingen werde, sein diesseitiges Schicksal zu bewältigen. Aber die rituelle Praxis der Tempelarbeit erinnert an die Möglichkeit dieser Aufgabe. Dass auch ein Gott die Menschen erlösen könnte, wird in der Tempelarbeit nicht ausgeschlossen, aber auch nicht eigens thematisiert. Entscheidend ist allein, dass der Mensch sich auf Erden immer irdischer Methoden zur Verfügung bedienen muss. Auch demjenigen, dem ein überirdisches Dasein beschieden sein möge, steht für sein Wirken in der Welt nur die Nutzung irdischer Kräfte zur Verfügung.
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Ebenso berechtigt wie von einer Hybris könnte man auch von einer Erniedrigung des Menschen im Zusammenhang mit der Tempelarbeit sprechen; denn Ausgangspunkt aller veredelnden Tätigkeit ist die Einsicht in die irdische Unvollkommenheit. Während vor allem christliche Religion diese Unvollkommenheit mit Verweis auf einen anfänglichen Sündenstand des Menschen begründet, verzichtet Freimaurerei auf eine ausdrückliche Antwort auf die Frage nach der Herkunft der Unvollkommenheit des Menschen. Die Tempelarbeit setzt diesen Zustand als naturgegeben voraus; denn gerade so, wie kein Stein in der Natur dem andern gleicht und deswegen ungeeignet scheint zum Errichten eines großen Werkes, sind die Menschen aus „krummem Holz“ (Immanuel Kant) geschnitzt. Das große Werk nennen die Freimaurer den Salomonischen Tempel. Er ist für sie der unvollendete Bau der Menschheit: das humane Zusammenhalten der einzelnen Individuen, die sich, um den Bau zu tragen, allererst aus dem Zustand ihrer Rohheit herausarbeiten sollen.
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Daher vergegenwärtigen die Tempelarbeiten symbolisch Praktiken und Vorstellungen, in denen der Prozess der Vervollkommnung einzelner Bausteine sichtbar gemacht werden kann. Dies ist in seiner elementarsten Form bereits die Tätigkeit eines Steinmetzes, der mit seinem Werkzeug einem rauen Stein diejenige Form verleiht, durch die er sich in ein größeres Ganzes einfügen kann. Auch andere Symbole der Entwicklung von weniger Vollkommenem zu Vollkommenerem vergegenwärtigen die verschiedenen Tempelarbeiten. Schon mit der Abfolge der drei Grade in den Johannislogen - Lehrling, Geselle und Meister - ist eine solche Entwicklung bezeichnet. Sie ist mit den Lehrjahren, der Wanderzeit und den Jahren der Reife versinnbildlicht. Zugleich kann man in dieser Abfolge von Graden der beruflichen Entwicklung überhaupt den Werdeprozess eines sozialen Wesens wiedererkennen: Die Initiation simuliert den Eintritt in die Gemeinschaft der Erwachsenen, die Wanderschaft weckt Vertrautheit mit dem Fremden und zuletzt - mit der Erhebung in den dritten Grad - stellt sich das Bewusstsein der Endlichkeit des eigenen Daseins ein. Fast immer besteht das Ritual aus szenischen Darstellungen, in denen das gesprochene Wort von einer Handlung begleitet wird, um den Charakter der Praxis, des tätigen Lebens zu unterstreichen. Nicht Worte allein verändern die Welt, sondern Taten.
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Allerdings werden Tempelarbeiten in der Hochgradfreimaurerei, wie sie etwa auch der Schottische Ritus pflegt, von der Darlegung langer Textpassagen getragen. Diese wesentlich jüngeren freimaurerischen Institutionen lassen dadurch erkennen, dass sie dem bestehenden Ritual hinzugefügt worden sind. Das wechselseitige Durchdringen von Form und Inhalt ist in diesen Systemen weniger weit fortgeschritten. Gleichwohl beinhalteten vor allem die Tempelarbeiten des Schottische Ritus' eine Ausweitung der symbolischen Betrachtung des Prozesses der Vervollkommnung. Historische Ereignisse und einzelne Etappen im fortschreitenden Prozess der Wissenschaften werden dort herangezogen, um der Vorstellung einer Perfektibilität bildhaften Ausdruck zu verleihen.

Version vom 17. Dezember 2009, 22:36 Uhr

Tempelarbeit

Freimaurer sind sich bewusst, daß sie sich während ihrer "Tempelarbeit" nicht lediglich in einem steinernen Gebäude befinden, sondern in allererster Linie in einem geistigen Gebäude. Nur, wenn die Herzen aller Brüder von der freimaurerischen Arbeit erfüllt sind, hat die Freimaurerei in der Gemeinschaft eine geistige und emotionale Bedeutung.

Jeder Bruder kennt die Momente, in denen man spürt, daß auch der letzte begriffen hat, daß sie ein Gebäude aus Empfindungen aufzubauen imstande sind, dann wenn jeder sich auf den anderen Bruder verlassen kann und ein tiefgreifendes Gefühl entsteht, für das es in der profanen Welt keine Entsprechung gibt. Es ist schwer zu vermitteln, daß genau hierin das besteht, was man als "freimaurerische Arbeit" bezeichnet.

Eine gute Tempelarbeit gleicht einem Mysterienspiel. Man greift auf Symbole zurück, eine sinnbeladene Ikonographie , auf metaphorische Erläuterungen, phantasievolle Legenden und strenggeordnete rituelle Abläufe.

Diese Hilfsmittel treten bei guten, bei starken und emotionsgeladenen Tempelarbeiten völlig in den Hintergrund. Die selbstgestaltete Würde, die herzerfüllende Läuterung, die von den Brüdern selbst gebildet wird weil sie begriffen haben, daß sie selbst es sind, die den vorgegebenen Metaphern entsprechen - diese Situation macht alle Vorgaben entbehrlich. Aber natürlich gibt es auch die Routine und die Regelfälle, durch die notfalls der Bestand einer Loge gesichert werden kann.



Definition im QC-Wiki

Tempelarbeit

Wer zum ersten Mal einen freimaurerischen Tempel betritt sollte sich klar machen, dass er sich nicht in einem Heiligtum befindet. Vielmehr baut sich der Tempel aus der Mitte der Lebenswelt der Mitglieder ein Loge auf. So sind Tempel an verschiedenen Orten auch unterschiedlich ausgestattet. Nur weniges bleibt immer Gleich: Die Ausrichtung von Ost nach West und der freie Platz für einen Arbeitsteppich, der umgeben ist von drei Kerzen auf großen Säulen. Auf jeder Stufe freimaurerischer Arbeit wechseln die Symbole und zusätzlichen Einrichtungsgegenstände. Immer erinnern sie an elementare Daseinsweisen des Menschen und an die vorausschauende Einteilung der verfügbaren Zeit: den Eintritt ins Leben, den Prozess der Entwicklung, die Vollendung des Lebens mit dem Tod.

Die Tempelarbeit ist der Rahmen, in dem sich das rituelle Leben der Freimaurerei ereignet. Sie enthält viele an die christliche Liturgie erinnernde Elemente (Wechselgespräche, Zeichen, Rede, Gesang), aber es fehlen – zumindest in den humanitären Logen – das Gebet und die Ehrerweisung gegenüber einem bestimmten und personalen Gott. In der freimaurerischen Tempelarbeit treten die den Menschen betreffenden Bestandteile von Religion hervor. Dadurch und weil Freimaurerei selbst keine Religion ist, werden die auf Jenseitiges bezogenen Messfeiern im freimaurerischen Ritual umgewandelt in eine Feier des Menschen. Allerdings steht nicht der Mensch in unbestimmter Allgemeinheit im Zentrum der Arbeit, sondern insofern er unvollkommen ist und die Möglichkeit zur Vervollkommnung (Perfektibilität) in sich birgt.

Während liturgische Praktiken theistischer Religionen stets auch eine Gotteserfahrung vergegenwärtigen sollen, stellt die Tempelarbeit der Freimaurer alles rituelle Geschehen in den Dienst der Selbsterfahrung des Menschen. Hierbei vereinigen sich liturgische Elemente beider christlicher Kirchen mit säkularen Vorstellungen vom Fortschritt des Menschen in moralischer Hinsicht, wie er durch sein eigenes Tätigsein erreichbar ist.

Dem Wort „Arbeit“ kommt besondere Bedeutung zu. Es benennt diejenige Form des Schaffens, wodurch die Welt verändert werden könne: nicht durch Beten und abwartende Demut gegenüber einem jenseitigen Wesen allein, sondern durch Einsatz der gestalterischen und werktätigen Fähigkeiten der Menschen. Mit einem gewissen Recht ist der Freimaurerei - vor allem von katholischer Seite - immer wieder vorgehalten worden, dass sich in diesem Anspruch, die Welt selbst verändern zu wollen, die verwerfliche Hybris des Menschen ausspreche. Hier greife der Mensch nach der allein Gott gemäßen Macht zur Erlösung der Welt. Wo sich der Mensch in deren Besitz wähne, gebe sich zu erkennen, dass er sein wolle wie Gott. Freilich wissen wir nicht, ob es dem Menschen allein gelingen werde, sein diesseitiges Schicksal zu bewältigen. Aber die rituelle Praxis der Tempelarbeit erinnert an die Möglichkeit dieser Aufgabe. Dass auch ein Gott die Menschen erlösen könnte, wird in der Tempelarbeit nicht ausgeschlossen, aber auch nicht eigens thematisiert. Entscheidend ist allein, dass der Mensch sich auf Erden immer irdischer Methoden zur Verfügung bedienen muss. Auch demjenigen, dem ein überirdisches Dasein beschieden sein möge, steht für sein Wirken in der Welt nur die Nutzung irdischer Kräfte zur Verfügung.

Ebenso berechtigt wie von einer Hybris könnte man auch von einer Erniedrigung des Menschen im Zusammenhang mit der Tempelarbeit sprechen; denn Ausgangspunkt aller veredelnden Tätigkeit ist die Einsicht in die irdische Unvollkommenheit. Während vor allem christliche Religion diese Unvollkommenheit mit Verweis auf einen anfänglichen Sündenstand des Menschen begründet, verzichtet Freimaurerei auf eine ausdrückliche Antwort auf die Frage nach der Herkunft der Unvollkommenheit des Menschen. Die Tempelarbeit setzt diesen Zustand als naturgegeben voraus; denn gerade so, wie kein Stein in der Natur dem andern gleicht und deswegen ungeeignet scheint zum Errichten eines großen Werkes, sind die Menschen aus „krummem Holz“ (Immanuel Kant) geschnitzt. Das große Werk nennen die Freimaurer den Salomonischen Tempel. Er ist für sie der unvollendete Bau der Menschheit: das humane Zusammenhalten der einzelnen Individuen, die sich, um den Bau zu tragen, allererst aus dem Zustand ihrer Rohheit herausarbeiten sollen.

Daher vergegenwärtigen die Tempelarbeiten symbolisch Praktiken und Vorstellungen, in denen der Prozess der Vervollkommnung einzelner Bausteine sichtbar gemacht werden kann. Dies ist in seiner elementarsten Form bereits die Tätigkeit eines Steinmetzes, der mit seinem Werkzeug einem rauen Stein diejenige Form verleiht, durch die er sich in ein größeres Ganzes einfügen kann. Auch andere Symbole der Entwicklung von weniger Vollkommenem zu Vollkommenerem vergegenwärtigen die verschiedenen Tempelarbeiten. Schon mit der Abfolge der drei Grade in den Johannislogen - Lehrling, Geselle und Meister - ist eine solche Entwicklung bezeichnet. Sie ist mit den Lehrjahren, der Wanderzeit und den Jahren der Reife versinnbildlicht. Zugleich kann man in dieser Abfolge von Graden der beruflichen Entwicklung überhaupt den Werdeprozess eines sozialen Wesens wiedererkennen: Die Initiation simuliert den Eintritt in die Gemeinschaft der Erwachsenen, die Wanderschaft weckt Vertrautheit mit dem Fremden und zuletzt - mit der Erhebung in den dritten Grad - stellt sich das Bewusstsein der Endlichkeit des eigenen Daseins ein. Fast immer besteht das Ritual aus szenischen Darstellungen, in denen das gesprochene Wort von einer Handlung begleitet wird, um den Charakter der Praxis, des tätigen Lebens zu unterstreichen. Nicht Worte allein verändern die Welt, sondern Taten.

Allerdings werden Tempelarbeiten in der Hochgradfreimaurerei, wie sie etwa auch der Schottische Ritus pflegt, von der Darlegung langer Textpassagen getragen. Diese wesentlich jüngeren freimaurerischen Institutionen lassen dadurch erkennen, dass sie dem bestehenden Ritual hinzugefügt worden sind. Das wechselseitige Durchdringen von Form und Inhalt ist in diesen Systemen weniger weit fortgeschritten. Gleichwohl beinhalteten vor allem die Tempelarbeiten des Schottische Ritus' eine Ausweitung der symbolischen Betrachtung des Prozesses der Vervollkommnung. Historische Ereignisse und einzelne Etappen im fortschreitenden Prozess der Wissenschaften werden dort herangezogen, um der Vorstellung einer Perfektibilität bildhaften Ausdruck zu verleihen.