Die Freimaurerei führt zum Erhabenen

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Die Freimaurerei führt zum Erhabenen

Bearbeitung: Roland Müller


Der neu-aufgesteckte Brennende Leuchter des Freymäurer-Ordens, 1746

394-407

Das Erhabene,

worzu die Freymaurerey, ihre ächte Schüler führet, in einer Rede vorgestellt von dem Bruder Redner, an dem grossen Versammlung-Tage der Freymaurer in Halle,

1744

Nach einer kurtzen Zuschrifft an die Ehrwürdige Gesellschafft, redet sie der Verfasser folgender Gestalt an:

Dieses sind die Vorzüge Erhabener Seelen, daß Sie ihr Gemüth niemahls zu Staub und Erde verbannen lassen: Sondern ihren Geist bey jeder Gelegenheit zu ihrem Schöpfer, den weisen Baumeister Himmels und der Erden, empor richten. Dieses ist die Art dererjenigen, welche die Niederträchtigen an Irrdischen Schein-Gütern kleben sehen, daß sie durch den Bau der Welt auf die weise Vorsicht Gottes geführet, und nicht nur geführet, sondern auch dadurch die aufmercksame Betrachtung desselben innigst vergnüget werden.
Diese Geister bemercken die unzehligen Wohlthaten, welche ihnen von der weisen Regierung des Höchsten zufliessen. Sie verehren, sie loben, sie preisen, sie verherrlichen deßwegen den Nahmen dessen, von welchem sie abstammen. Diese Freude, dieses wahre Vergnügen kan unmöglich in den Hertzen verborgen bleiben. Es muß sich andern offenbaren. Besonders aber an den Tagen, welche zur Erinnerung merckwüdiger Wohlthaten bestimmt sind, als an welchen sich Andacht, Innbrunst und Danck verdoppeln, und dem Höchsten Lobes-Opfer zuwege bringen.

Weme wird also unsere Haupt Arbeit, die heute ächte Brüder zu verfertigen haben, mehr heilig seyn, als allein dem Wesen, nach welchem jeder wahrer Bruder mit Ehrfurcht und Demuth blicket, und vor welchem er in Andacht die Knie beuget? Und eben das führt uns zu dem Erhabenen der Freymaurerey. Denn wie wäre es möglich, so ausnehmende, so edle, so rührenswürdige Würckungen sich von etwas vorzustellen, ohne auf die Vorzüge dessen zu kommen, von welchen sie herrühren? Kan man nur einen Blick mit geöffneten Augen in unsere Geheimnisse thun, ohne sogleich von den edelsten Vorzügen derselben gerühret zu werden? Sie wissen, meine Brüder, die Stärke der Pfeiler, die Schönheit ihrer Auszierung, die Weisheit von ihrer Einrichtung, auf welchen unser Bau gegründet ist: Sie wissen, wie herrlich, wie mächtlg, wie majestätisch derselbe aufgeführet ist: Sie wissen, wie lange derselbe gestanden, und wie viel dem höchsten zu Ehren: in demselben verrichtet worden.

Ich werde doch wenigstens meine Kräffte darzu anwenden, daß ich aus den Würckungen der Freymaurerey, so viel erörtern kan, daß dijenigen, die in dem errichteten Tempel die Kunst desselben verehren, von seiner Pracht gerühret werden, die andern aber auch nur seinen äusern Glantz bewundern müssen

Ich werde mir diese Arbeit erleichtern, wenn ich mir einen ächten Bruder lebhafft vorstellen, und aus dessen Eigenschafften und Arbeit, das Erhabene unserer Gesellschafft finden werde.

Ein jeder unter den Sterblichen meynet etwas erhabenes in sich zu haben. Niemand ist, der sich nicht dasjenige aus Erhabenen vorstellen solte, an welchen er sich vergnüget, welches er verehret, wornach er rennet, das er sich als sein höchstes Gut vorstellet. Und doch sind die Menschen in nichts mehr als eben in dem Urtheil von Erhabenen unterschieden. Und was ist dieses Wunder? Sollen Einfalt, Thorheit und Bosheit die Gräntzen der Erhabnen bestimmen, so werden gewiß die Vorstellungen von demselben so unterschieden seyn, als unterschieden diese Menschen, von der Einfalt geblendet, von der Thorheit verführet, und von der Bosheit geplaget werden.
Die Einfalt wird ihre Unwissenheit und Blödigkeit für ihr Ruhmwürdiges ausgeben, weil sie ihren Geist an Erde, Staub und Asche, Wind, Schatten und nichts gebunden hat, und mit ihren blöden Augen, das was über ihr ist, nicht erblicken kan. Die Thorheit wird die Sclaverey ihrer Leydenschafften, als ihr Höchstes betrachten. Hier wird einer eine gläntzende. oder geschmünckte Larve, oder was seine Zunge kützelt, hoch schätzen. Dort wird ein rasend Zorniger sich über alles setzen, wenn er sich an seinen Feinde rächen, ihn drücken, verfolgen, ja wohl gar tödten kan, Die Bosheit, werden Haß, Neid, Tücke, Feindschafft, Verfolgung, Betrug, Zerrüttung, Verleumdung, Verspottung, Hersch- und Verderbunqs-Sucht als Sachen vorkommen, die allein einer Hochachtung würdig sind. Blindheit, Thorheit und Bosheit werden sich vereinigen, und sich im Geiste, oder vielmehr in der Einbildungs-Krafft starck zu seyn düncken, wenn sie sich gegen das setzen, und mit einer hönischen Mine verlachen können, was Weisheit, Vernunfft und Tugend für Erhaben ausgeben.
Diese werden die Höchsten seyn und so gar ihren Schöpfer nicht über sich erkennen wollen. Diese werden gegen das Erhabene Wesen streiten, und sich deßwegen die Erhabensten zu seyn einbilden. Wie aberwitzig sind viele der Menschen in ihren Vorstellungen?

Ein Freymaurer kan und darff und soll und will nicht unter die Zahl dieser Unmenschen, dieser Thoren, dieser Rasenden gerechnet werden. Nein! Nein! Zurück ihr Verblendeten! Zurück ihr Albernen! Zurück ihr Boshafften! Fliehet uns, fliehet unsere Heiligthümer! Fliehet die Versammlungen derer, die weit etwas Erhabeners zum Entzweck haben! Entfernet euch von denen, welche Verstand, Weisheit, Klugheit, Tugend, Gottesfurcht, voraus setzen, ehe man völlig das Erhabene, welches ihrer aller Entzweck ist, erreichen kan!
Was habt ihr, du Mißgeburt der Finsterniß und Blindheit, und du Zügel-freyer Schwarm der Thorheit, und du scheußliches Bild der Bosheit, was habt ihr bey denen zu gewarten, welche das, was ihr hoch achtet, und vor allen verachten, verwerffen, verabscheuen, und als das Niederträchtigste ansehen?

Ein Freymaurer macht sich einen gantz andern Begriff von dem Erhabenen. Er weiß, daß die gröste Vollkommenheit eines Dinges in seiner Art, das Erhabene desselben ausmache. Er weiß dahero, daß schon das Erhaben ist, was zu diesen Vorzügen einen sichern Weg bahnet. Er erkennet daraus, daß Gott das allererhabenste Wesen sey, welches nur gedacht werden kan. Er betrachtet die Creaturen, er siehet, daß sie an der Vollkommenheit unterschieden sind: Er schließt dahero, daß eine vor der andern Erhaben sey. Er hält es vor thöricht, Geschöpfe, dem Schöpfer vorzuziehen. Es kömmt ihn aberwitzig vor, den Gebrauch geringerer Geschöpfe denen Vollkommnern vorzusetzen. Er stellet sich hierauf die Vollkommenheiten eines Geistes Verstand, Willen und Freyheit vor: Er urtheilt daraus, daß diejenigen Geister in ihrer Art erhaben sind, welche diese Vorzüge, soviel ihnen möglich ist, hoch treiben.

Er thut einen Blick auf die Menschen, er schließt, sie sind Geister. Er merckt, worinn das Erhabne eines Menschen bestehet. Er nimmt bey einigen wahr, daß sie so wenig von den menschlichen Vorzügen haben, daß sie dieselben auch nicht einmahl wissen, noch sich dieselben deutlich vorstellen können. Er siehet andere, welche den Verstand zwar bearbeiten, aber den Willen nicht verbessern wollen. Er bemerckt andere, welche sich zwar mit der Tugend vermählen, aber die Erleuchtung des Verstandes verbannen wollen. Zu diesen allen gesellet sich ein Freymaurer noch nicht. Er kennet einige, die zwar einen ohnkräfftigen Vorsatz haben, Verstand, Willen und Frevheit zu verbessern, die sich aber noch, durch ihre Passionen und Angewohnheiten ziehen und weichen lassen: auch diese vermeidet er.

Endlich erblicket er mit Vergnügen einige, die mit der grösten Großmuth und Standhafftigkeit ihren Verstand erleuchten, ihren Willen vollkommen machen, und ihre Frevheit als ihr kostbares Gut betrachten. Und diese sind es, welche er sich unter den Sterblichen als Erhabne vorstellet. Diese sinds, mit welchen er sich vereiniget, diese nimmt er zu seinen liebsten und vertrautesten Brüdern an.

Wie viele sind nicht derer, die ihre Menschlichkeit vergessen, verleugnen, und die Vorzüge eines Menschen nicht kennen? Wie viel sind nicht derer, die ihre Vollkommenheiten auf solche Art suchen, die schon den unvernünfftigen Viehe unanständig wäre? Woher so viel Blindheit im Verstände? Woher soviel Thorheit und Bosheit im Willen? Woher alles, was die Menschen zu Unmenschen, zu Thoren, zu rasend macht? Kömmt es nicht daher, weil die Menschen die Vollkommenheiten eines Menschen nicht recht erkennen? Und wenn sie dieselben auch kennen, doch den Weg nicht wissen, auf welchen sie dieselben erhalten sollen: Und wenn sie ihn wissen, doch denselben nicht betreten wollen: Und wenn sie ihn betreten wollen, doch nicht auf denselben bleiben können, sondern, durch ihre unbändigen Leydenschafften sich von denselben ziehen lassen, und sich eher wieder von denselben verirren, als sie ihn recht betreten haben.

Ein Freymaurer kan und darff sich unmöglich unter die Zahl dieser Niederträchtigen zehlen lassen. Ein jeder rechtschaffner Bruder weiß, daß er ein Mensch, ein Geist sey. Er verehrt, er verfolgt deswegen alles dasjenige mit grösten Eyfer, was ihn zu den Vorzügen desselben erheben kan.

Nichts ist erhabner, als der, der über alle Himmel-Himmel erhaben ist. Das Wesen, welches durch seine Krafft, Himmel und Erde erschaffen hat, das Wesen, welches alle Dinge erhält und regieret, das Wesen, welches Macht, Weisheit und Liebe wesentlich besitzet. Dieses Wesen, dieses unendliche Wesen, welches Macht, Weisheit und Liebe wesentlich besitzet, dieses unendliche Wesen, verehret jeder wahrer Freymaurer, als den höchsten Baumeister Himmels und der Erden. Er weiß, daß dieses Wesen sein Schöpfer, sein Erhalter, sein Beschützer, sein Versorger, sein Vater sey. Er weiß, daß die edelste Baukunst, welcher er sich widmet, diesen verehrens- und anbetens-würdigen Jehovah zum Stiffter habe. Er weiß, daß alle gute und vollkommene Gaben von ihm als dem Vater des Lichts kommen. Er weiß, daß er deßwegen verbunden sey, seine Handlungen, nach den heiligsten und vollkommensten Willen Gottes einzurichten.
Er weiß, daß er mit den lebhafftesten Regungen der Liebe, der Ehrfurcht, der Inbrunst zu verehren, zu verherrlichen und zu bewundern sey. Und er weiß es nicht nur, sondern er bemühet sich auch zugleich, diesen angenehmsten Pflichten aufs genaueste nachzukommen. Er sammlet, er verdoppelt seine Kräffte um den Herrn ein Hertz zu bringen, das ihm angenehm ist.

Aber mitten in diesen Bemühungen blickt er auf sich. Er merckt den Saamen des Verderbens in sich: Er siehet, daß er von Fehlern und Schwachheiten, wie alle andere Menschen, übereilet wird. Er siehet dieses. Er betrübet, er ängstiget sich. Er sucht dieses zu hindern. Er sucht Mittel die Übel von sich zu treiben. Er betrachtet, er bewundert die Geheimnisse der Natur: Er suchet seinen Bau nach ihren Grundrissen aufzuführen. Er erkennet aber, daß sie unzulänglich sey. Er merckt, daß er vergeblich bey ihr Hülffe gewarte: Er eilet zu Gott: Er ergreifft die Offenbarung: Er verehret dieselbe, und Gott durch sie, er trauet der Gnade, da er sich selbst nicht trauen kan. Auf diese gründet er sich; durch diese sucht er seine ewige Wohlfahrt zu bauen.

Ehrwürdige Brüder! Sind dieses nicht die Gedancken, eines jeden treuen Bruders? Ist es möglich, daß ein Freymauer, der seinen Bau recht verstehet, ein Irrgeist, ein Gottes-Verleugner, ein Naturalist, ein Schwärmer seyn kan? Ist es möglich, daß ein wahrer Bruder gegen Gott gleichgültig, gegen die Religion kaltsinnig, in der Liebe zu Gott frostig, in dem Vertrauen gegen demselben schwanckend seyn kan?

Das ist freylich an dem, ele, die noch zu dem rohen Haufften niederträchtiger Seelen gerechnet werden müssen, verlangen Brüder von uns zu seyn. Sie geben sich den Nahmen unserer Bruder, und dencken alsdenn die Sache btt zu haben, wenn sie sich verstohlner Weise des Nahmens bedienen, oder sich desselben theilhafftig machen können.
Diese vorstellten Unbilder sind es, die zuweilen bey denen einige Zweiffel erregen, wechlen es noch nicht gelungen ist, in unsere Geheimnisse einen Blick zu thun. Aber warum zählet man diese unwürdigen unter die Zahl unserer Brüder. die wir selbst niemahls davor erkennen?

Die Freymaurerey gebietet ihren Schülern, dem unendlichen Wesen einen Tempel zu bauen, in welchen man demselben unter billigen Regungen der Andacht, der Ehrfurcht, der Liebe, des Lobes, des Danckes, der Demuth, den schuldigen Dienst leistet. Und eben deßwegen befiehlet sie denen ihr gewidmeten Brüdern, daß sie sich um eine gründliche Erkänntnis von Gott und göttlichen Dingen bekümmern, als wornach dieselben ihre Handlungen einzurichten haben. Da» : kömmt es, daß er seinen Verstand zu erleuchten und zu erweitern, den Wlllen aber zu heiligen suchet.

Ich würde etwas überflüßiges thun, wenn ich alle Arten derer Bemühungen, durch welche der Verstand und Wille gebessert werden muß, und welchen sich wahre Freymaurer unterziehen, anführen wolle. Es kostet nur eine mittelmäßige Überlegung, so siehet man, daß alle Wissenschaften, zu deren Erlernung sich andere Menschen verbunden erachten, auch der Gegenstand unserer Bemühungen sind.

Gleichwohl wird das allerwenigste von dem, was Erhabene Brüder unserer Zunfft wissen, bekandt gemacht. Es ist leichte, aus denen Wissenschafften, welche wir mit andern gemein haben, der Welt zu lieffern: Aber von der Kunst und Wissenschafft, welche allen, die nicht unsere Brüder sind, Geheimnis-voll ist, wird nimmermehr etwas bekandt gemacht werden.

Die Erkänntniß wird allein ein Vorzug ächter Brüder seyn, durch welche sie ihren Bau aufführen, den so viele zu sehen verlanget, aber nicht erblicket haben: Dessen Dauer beständig, und unveränderlich, dessen Zusammenfügung wunderbar, dessen Ansehen Majestätisch, dessen bequemer Gebrauch unbeschreiblich ist: durch welchen wir das erhalten, was …

Jedoch, sie wincken mir, würdige Brüder, ich erkenne daher, daß ich schweigen soll. Ich lobe die Vorsicht unserer Brüder, welche dasjenige verdeckt halten, welches sie unmöglich jemand offenbaren können, ehe sie denselben vollkommen geprüfft haben, damit die erhabenste Sache nicht von »niederträchtigen Seelen verunehret, und von unreinen Händen betastet werde.

Ein Freymaurer kan unmöglich ein gequählter Sclave der Sinnen, der Einbildungs-Krafft und der Leydenschafften seyn. Ein wahrer Bruder kan sich unmöglich so tieff erniedrigen, daß er sich unter ihr beschwerliches Joch bequemen, und sich durch dieselben beherrschen lassen solte. Nein, sein Wille schreibet diesen wütenden Feinden Gesetze vor. Er bestreitet, er besieget dieselbigen. Ein ächter Schüler unserer Kunst suchet nur deßwegen seinen Verstand hoch zutreiben, damit sein Wille gebessert werde. Der durch die Wissenschafften aufgeklärte Verstand, soll Bewegungs-Gründe zur Tugend, Klugheit und Gottesfurcht darreichen. Der Wille soll sich nach denenselben bestreben, die Handlungen zur Ehre Gottes, zur Wohlfahrt des Nächsten, und seiner eignen Ruhe und Zufriedenheit des Gemüths hervor zu bringen.
Die Leydenschafften, welche sich in ihm erregen, ihm Hindernisse legen, und ihn von dem rechten Wege wegreissen wollen, muß er standhafft unterdrücken.

Er hat allezeit sein Ziel vor Augen. Nach demselben richtet er seine Schritte ein. Bey jeden ist er gleich sorgfältig. Doch lernet er immer gewisser und hurtiger zu seinen Entzweck zu kommen. Er lasset sich durch nichts binden, wodurch diejenigen gefesselt werden, welche noch durch ihre Neigungen zu Staub und Erde verbannet sind. Eine wahre Freyheit, welche aus einem vollkommenen Willen entspringt, ist eine seiner nöthigsten Eigenschafften. Niemand kan den ersten Grund zu dem erhabnen Bau legen, den jeder wahrer Bruder aufzuführen hat, wenn er nicht durch eine vernünfftige Wahl sich selbst regieret. Noch weniger kan er in dem aufgeführten Tempel, durch die Königliche Kunst, dasjenige bewerckstelligen, was die, so draussen sind, so sehr zu wissen verlanget, aber nie erfahren haben, und wornach noch jetzo so viele lüstern sind, denen aber die Zukunfft den Vorhang nicht wegziehen wird, der sie hindert, einen Blick in dasjenige Behältniß zu lhun, in welchem ein ächter Bruder und erfahrner Meister unserer Geheimnisse, seinem Amte Genüge leistet.

Stellet euch nur das Bild eines wahren Freymaurers vor. Welch ein Unterscheid? Nichts kan seine Ruhe des Gemüths stören. Nichts kan ihm sein Vergnügen rauben: Nichts kan ihn von seinen Zwecke, den er beständig vor Augen hat, zurück halten. Ein eintziger Strahl, der ihn aus dem Tempel, den die Kunst der Freymaurer errichtet hat, in die Augen schießt, verdoppelt seine Kräffte, und hebet alle Hindernisse, die sich ihm entgegen setzen wollen. So erhaben ist die Seele eines wahren Bruders der Freymaurerey.

Kan wohl mit einer so ruhigen, zufriedenen und auf alles genau merckenden Seele, ein ungesunder Cörper verbunden seyn? Woher kömmt es, daß viele vor der Zelt den Schauplatz, den sie bewohnen, verlassen müssen? Woher kömmt es, daß viele die Nägel zu ihren eigenen Sarge schmieden, und Mörder an ihren eigenen Leibe sind? Kömmt es nicht daher, weil sie sich durch unmäßige Affecten besiegen lassen? Kömmt es nicht daher, weil viele durch eine viehische Unmäßigkeit ihren Cörper schwächen und kranck machen? Kömmt es nicht daher, weil viele durch eine unerlaubte Nachläßigkeit ihren Leib verzärteln, oder durch unordentliches und übermäßiges Arbeiten entkräfften?

Gegen alles dieses hat ein wahrer Bruder einen empfindlichen Abscheu. Sein Bau ist über diß so beschaffen, daß er beständig den Cörper stärcken, und seine Kräffte, weder vertrocknen noch verderben lassen kan, bis er endlich die von Gott und der Natur ihm bestimmte Zahl seiner Jahre erreichet hat.

Die Freymaurerey machet ihre ächten Schüler auch äuserlich glöckselig. Tausend, ja hundert tausend wahre Brüder sind ein Hertz, eine Seele. So viele, so wahre, so edele, so erhabene Brüder machen uns den Umgang allezeit süsse und angenehm. Keiner ist ein Feind des andern: Keiner verfolgt den andern, keiner drückt und unterdrückt den andern, keiner ist des andern Teuffel.

Alle hegen die zärtlichste Liebe gegen einander. Alle bestreben sich, etwas zur Wohlfahrt ihrer Brüder beyzutragen: Alle suchen die Hindernisse aus dem Wege zu räumen, welche sich der Ruhe des Gemüths entgegen sehen; Alle helffen die Noth heben, in welche ein Bruder, ohne sein Verschulden, gesetzt wird. Alle helffen an der wahren Verbesserung der Seele arbeiten: Allen kan ein Bruder seine wichtigsten Angelegenheiten entdecken und seine Fehler und Schwachheiten offenbaren. Er weiß, daß sie nicht nur mit einer ewigen Verschwiegenheit bedeckt, sondern auch durch die Hülffe eines jeden wahren Bruders erleichtert, verbessert und gehoben werden.

Ja, was noch mehr! Ein Freymaurer liebet nicht nur blos seine Brüder. Nein! Er versaget niemand den Grund der Freundschafft und Liebe, dessen er fähig ist. Er ist niemahls kalt und unempfindlich, wenn er einen Unschuldigen verachtet, verfolget, gedrückt siehet.

Und eben dadurch erhält der weltliche Staat ausnehmende Vortheile. Vernünfftige und Tugendhaffte Bürger sind allezeit feste Säulen, worauf das Wohl der Republlck sicher gegründet werden kan. Empörungen, Schand- und Laster-Thaten haben allezeit Einfalt und Bosheit zum Grunde. Wie kan man aber diese scheußliche Bilder bey einen Freymaurer suchen, der sich von allen diesen weit entfernet, und ihnen in keinem Theile gleichet?

Die Freymaurerey erhebt nicht nur ihre Kenner und Verehrer über dasjenige, was die Menschen in ihren Leben erniedrigen kan. Die Furcht des Todes wird so gar durch dieselbe entkräfftet, und besieget. Ein Freymaurer zittert nicht, wenn er den Schritt thun soll, der ihn aus der Zeit in die Ewigkeit führet. Er gehet demselben gar munter entgegen. Bey jeden Schritt, den er noch bey den Lustbarkeiten der Welt thut, stehet er etwas stille, damit nicht ein übereilter und unordentlicher Gebrauch, Verdruß und Uebel gebähre. Aber die Stunde, der Augenblick, in welchen nach den Werth der Handlungen, entweder ein ewiges Wohl, oder ein ewiges Wehe erfolget, eilet herbey, ohne daß er zurück gehalten werden kan, und ein Freymaurer ziehet seinen Fuß nicht aus Furcht des Todes zurücke. Und was ist das Wunder! Hat doch ein jeder wahrer Bruder das Mittel, welches viele Weltweisen vergeblich gesuchet haben; das Mittel, seinem Tode mit freudigen Gemüthe entgegen zu sehen. Wie ist es möchlich, daß ein ächter Bruder den Tod als ein Bild des Schreckens fürchten kan? Gott, den er über alles in seiner Seele gefürchtet und geliebet hat, kan er nicht als einen gestrengen und grausamen Richter, sondern als einen liebreichen Vater, als einen Lehrer der Königlichen Baukunst ansehen. Sein Gewissen beißt ihn nicht, seines gantzen Lebens halber. Die äuserlichen Umstände können ihn auch nicht zurück halten. Hinterläßt er Betrübte, Nothleydende Verfolgte; So werden tausend Brüder Vatertreu an ihnen beweisen.

Sammlet eure Kräfft, ihr Verehrer, Bewunderer und Anbeter dieser Erden! Versuchet alles! reitzet, locket, wie ihr wollet! Bringet alle eure Schütze, eure Ehren, eure Wollüste zusammen! haltet sie einen stertbenden Bruder vor! Erhebet ihre Vorzüge! Zeiget die Annehmlichkeiten derselben! Rühmet das Vergnügen, das sie euch geben! Thut was ihr wollet! Was werdet ihr damit ausrichten? Werdet ihr jetzo das Hertz dessen durch Sachen gewinnen, die er noch nie hochgeschätzt hat? Vergebliche Bemühungen! Er wird bey allen diesen unveränderlich bleiben.

Grosse Vorzüge! Erhabene Eigenschafften rechter Brüder!

Wer ist im Stande, sich so weit über alles zu schwingen, als ein edler Meister unserer Königlichen Kunst? Wohlan denn, meine Brüder! Die Welt, der rohe Hauffe der Menschen, mag immerhin ihres Schöpfers spotten: Sie mag immerhin in Finsterniß tappen. Sie mag immerhin sich zum Sclaven niederträchtiger Sinne machen. Sie mag immerhin in Lastern wühlen. Sie mag immerhin ihren Neben-Menschen verachten, verfolgen und unterdrücken wollen. Sie mag immerhin Zerrüttungen und Empörungen anfangen.

Aechte Brüder, wahre Kenner unser Kunst, werden sich beständig über dlß alles erheben. Aechte Brüder, werden ihr erhabenes Ziel allezeit glücklich erreichen. Aechte Brüder, werden allezeit über das siegen, von welchen niedrige Seelen unterdrückt werden. Aechte Brüder, werden allezeit ihren erhabenen Bau aufführen, und wenn er aufgeführet ist, in demselben die edelsten Verrichtungen vornehmen. Und eben hierdurch werden sie der gantzen Welt zeigen, wie erhaben dasjenige sey, worzu die Frevmaurerey ächte Brüder führet.

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