Eine frühe Verteidigung der Freimaurerei, engl. 1730; dt. 1741

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Eine frühe Verteidigung der Freimaurerei, engl. 1730; dt. 1741

Aus der Fraktur in die lateinische Schrift transkribiert von Roland Müller.


Vertheidigung Der Frey-Maurerey, so durch eine kleine Schrifft, Unter dem Titul: Zergliederte Frey-Maurerey, veranlasset worden.

Rarus sermo illis, & magna libido tacendi.
Juven. Sat. 2.


Engl.: Defence of Masonry, Occasion’d by a Pamphlet called Masonry Dissected. 1730
dt in: Neues Constitutionen-Buch, 1741:
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/anderson17410377?sid=1eb2312a6befe4f4519484728ad741ee
dt. in Der sich selbst vertheidigende Freymäurer. Franckfurt und Leipzig 1744, 24-50;
http://digital.bibliothek.uni-halle.de/hd/content/pageview/522511
http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/1677369
http://vd18.de/de-ulbsa-vd18/content/pageview/6880813

(hier benützt) ein identischer Text in:
Neues Constitutionen-Buch
Der Alten Ehrwürdigen Brüderschaft
Der Frey-Maurer,
worin die Geschichte, Pflichten, Reguln &c. derselben
auf Befehl der Grossen Loge,
aus ihren alten Urkunden, glaubwürdigen Traditionen und Loge-Büchern,
zum Gebrauch der Logen verfasset worden,
von Jacob Anderson, D. D.
Aus dem Englischen übersetzt.
Dritte vermehrte Auflage.
Franckfurt am Mayn, In der Andreäischen Buchhandlung 1762.
Seiten 413-440.

Auszüge auch in:
Der neu-aufgesteckte Brennende Leuchter des Freymäurer-Ordens, 1746, 160-171.

Besprochen und mit einem kurzen Zitat wiedergegeben in:
Freymäurer-Bibliothek. Erstes Stück. Zweyte Auflage. 1782, 84-86.

Das l. Capitel.

Unter den ausserordentlichen Entdeckungen der gegenwärtigen Zeit ist nichts mit grösserem Vergnügen aufgenommen worden, als etliche wenige Blätter, welche, wie es scheinet, ohne Partheylichkeit geschrieben sind, und die Aufschrifft:

Zergliederte Frey-Maurerey,

führen.
Das grosse Geheimniß, welches den Angriffen der Versuchung lange widerstanden, und weder durch Geld, als den Haupt-Schlüssel des Hertzens, noch durch starcke Geträncke, welche die Seele selbst eröffnen, noch durch Hunger, welcher durch steinerne Mauren bricht, noch durch Durst, ein schweres Uebel für einen arbeitenden Maurer, ans Licht gebracht werden können, ist endlich unter einem Eyd, zu grosser Erleichterung eines zärtlichen Magens, zum ewigen Anstoß der Brüderschafft, und zum Besten des gemeinen Wesens, welches man niemahls hindansetzen muß, ausgeplaudert worden.
Die Absicht war nicht weniger, ein beschwertes Gewissen zu entladen, als der Welt zu zeigen, daß niemahls ein so lächerlicher Betrug unter den Menschen-Kindern zum Vorschein gekommen, und um so manche unschuldige Personen, welche in eine so schädliche Gesellschafft gezogen worden, zu warnen.

Was den Zergliederer zu Uebernehmung dieses Eydes, oder die Obrigkeit zur Verstattung bewogen habe, soll vorjetzo nicht entschieden werden. Indessen muß ich der Welt ihre Freude, wegen einer so merckwürdigen, ansehnlichen und umständlichen Entdeckung, gönnen. Es hatte sich eine gewaltige Sehnsucht geäussert, und selbige ist ohne Zweiffel durch diese Anatomische Abhandlung recht wunderbar gestillet worden. Es muß dieses seyn; es kan nichts anders seyn. Es ist, wie wir uns jederzeit eingebildet, ein fantastlscher Betrug, welcher durch grosse Namen unterstützet worden, um die Narren anzulocken, welche, wenn sie einmahl ihr Geld eingebüsset, den Streich geheim halten, um andere ins Garn zu ziehen.

Ich gestehe, daß ich dieser Art Vorwürffe zu machen unmöglich beypftichten kan; und es ist, meinem Bedüncken nach, kein artiger Weg, einer gantzen Gesellschafft zu begegnen, wenn man dem gemeinen Ruff nachläufft, ohne zu untersuchen, ob diese Vorwürffe sich auf einige schlimme oder lächerliche Umstände des Geheimnisses (wie es jetzo vorgestellet ist) gründen. Denn diese einfältige Beschuldigung, als ob man die Narren wegen ihres Geldes anlocke, kan in gegenwärtigem Fall kein Gewicht haben, inmassen die Brüderschafft, wie sie jetzo beschaffen ist, hauptsächlich aus Mit-Gliedern von grosser Ehre und Ansehen bestehet, die über dergleichen geldgeitzige und niederträchtige Absichten weit erhaben sind.

Gesetzt demnach, saß diese Zergliederung alle Geheimnisse der Frev-Maurerey einhielte, gesetzt, daß ein jedes Wort darin richtig und dem Buchstaben nach wahr wäre, und daß der gantze Abriß nicht mehr noch weniger in sich faßte, so kan ich dennoch bey allen diesen Einräumungen, Vorurtheilen und nachtheiligen Folgerungen, nicht umhin, zu glauben, daß es lächerliche Arten des Betrugs gegeben, wodurch man die Menschen-Kinder hintergangen, und daß manche in eine schädlichere Gesellschafft gezogen worden.

Ich wolte hierbey nicht gern das Ansehen haben, als wenn mir auf einige Weise daran gelegen sey, ob diese Zergliederung sich wahr oder falsch befinde, oder ob der Credit der Frey-Maurerey dadurch geschmälert werde, oder nicht? Diese Betrachtungen können mir keine Unruhe erwecken. Meine Absicht gehet dahin, dem verständigen und ernsthafften Theil des menschlichen Geschlechts einige unparthevische Anmerckungen über diese Zergliederung mitzutheilen, ohne daß ich eines Theils für den guten Ruff der Frey-Maurerev mich bemühen, oder andern Theils auf den Zergliederer meine Betrachtung wenden solte.

Das II. Capitel.

Der fürchterliche Vorwurff welcher dem bessern Theil der Menschen einen Anstoß gegben, ist die Abschlifft des Eydes, wie er in der Zergliederung lieget. Man hat sich gewaltig verwundert, daß so viele Personen von grosser Frömmigkeit, engem Gewissen und untadelicher Eigenschafft, sich wegen einer so geringen und nichts bedeutenden Sache unter eine so feyerliche Verbindung, und unter so schreckliche und erstaunliche Straffen, begeben selten.

Diesem Vorwurfs zu begegnen, mercke ich an, daß der Zweck, sittliche Verstand und Inhalt der Frey Maurerey, wie solche in der Zergliederung beschrieben worden, diese sind, unsere Leidenschafften zu bezwingen, unsern eigenen Willen nicht zu thun, täglich in einer löblichen Kunst weiter fortzugehen, die Sittlichkeit, Liebe, gute Gesellschafft, Freundlichkeit und Leutseligkeit, zu befördern. Dieses scheinet das Wesen der Sache zu seyn, es mag mit der Form oder Vehiculo eine Bewandniß haben, wie es immer wolle.

Was die zur Bau-Kunst, Geometrie und Mathematic gehörige Wörter betrifft, welche man durch die gantze Zergliederung ausgestreuet befindet, so würde es einen befremden, wenn eine Gesellschafft von solcher Benennung schlechterdings ohne selbige bestehen könte: wiewohl selbige (mir zum wenigsten) viel eher Kunst-Wörter und Formuln, (so vielleicht durch lange Tradition hergebracht sind) als wesentliche mit dem grossen Vorhaben verknüpfte Ausdrücke zu seyn scheinen.

Wo ist nun die Gottlosigkeit, Lasterhafftigkeit oder Thorheit, wenn eine Anzahl Menschen, in eine Gesellschafft zusammen tritt, deren vornehmster Endzweck ist, in rühmlicher Wissenschafft und Erkänntniß zuzunehmen, und die allgemeine Gutthätigkeit und die geselligen Tugenden des menschlichen Lebens unter der feyerlichen Verbindung eines Eydes zu befördern? Und zwar solches in was für Form, unter was für geheimen Einschränckungen, und mit was für unschuldigen Ceremonien sie es für gut befinden?

Dieser Freyheit gemessen alle vereinigte Gesellschafften ohne Hindernis und Aufsehen. Ein Lehrling ist verbunden, die Geheimnisse seines Meisters zu bewahren; einem zunfftmäßigen Burger (Freeman) lieget ob, das Interesse seiner Gesellschafft vor Augen zu haben, und die Geheimnisse ihres Gewerbes nicht öffentlich darzustellen: Geheimen Committeen und Geheimen Raths-Versammlungen wird feyerlich auferleget, ihre Unterredungen und gefaßte Schlüsse nicht auszuplaudern.
Es erhellet hieraus, daß etwas der Maurerey (wie solche der Zergliederer beschreibet) gleichkommendes in allen regelmäßigen Gesellschafften, wie sie immer Namen haben mögen, angetroffen werde. Sie werden allesamt durch eine Art von Kütt, durch Verbindungen und Gesetze, zusammen gehalten, welche einer jeden von denselben eigen sind, wenn man von den höchsten anfänget, und bis zu den geringsten Zechen und nächtlichen Zusammenkünfften einer besondern Nachbarschafft herunter gehet. Es werden allda Eyde und zuweilen feyerliche Verbindungen zur Verschwiegenheit gebrauchet:

Es befinden sich daselbst ein Meister, zwey Vorsteher, und eine Zahl von Bevsitzern, um in den Versammlungen der Stadt dasjenige, was der Zergliederer (wenn es ihm so gefällt) eine vollkommene Loge nennen mag, auszumachen. Man hat allda die Stuffe der Lehrlinge, der Meister ihres Gewerbes oder Gesellen, und der Meister, oder Vorsteher der Gesellschafft. Da sind Constitutionen und Ordnungen, und ein Stuffen-weise folgender Genuß der Aemter, nach den verschiedenen Reguln und Schrancken der Aufnahme.

Man wendet aber ein, daß das allgemeine Absehen der Maurerey rühmlich, oder zum wenigsten unschuldig seyn, und gleichwohl ohne die Solennität eines Eydes, zumahl unter so fürchterlichen Strafen, zu eben demselben Aufnehmen gebracht werden könne.

Zur Beantwortung dessen mercke ich an, daß nicht die Frage ist, ob die Absicht der. Maurerey eben so wohl ohne einen Eyd zu erhalten sey? sondern ob ein Eyd in gegenwärtigem Fall rechtmäßig sey, und mir gutem Gewissen könne abgenommen oder geleistet werden?
Und diese Schwierigkeit zu heben, will ich die Meynung des Bischofs Sanderson, des scharffsinnigsten Casuisten, so jemahls die Materie der Eydschwüre abgehandelt, anführen, welcher saget (Sanderson de Obligatione Juramenti, Praelect. 3. Sect. 15):

Wenn eine Sache durch kein Göttlich oder menschlich Gebot oder Verbot fest gesetzet ist, sondern ein jeder Mensch, pro hic & nunc, nach seiner eigenen Wahl etwas thun oder unterlassen ka, wie er es zuträglich findet: so mag er thun, was er will, er sündiget nicht, 1. Cor. 7, 36. Als wenn Cajus schwören würde, sein Land-Gut an den Titius zu verkauffen, oder ihm hundert Cronen zu leihen: so ist die Antwort .kurtz, daß ein Evd in diesem Fall rechtmäßig und verbindlich sey.

Nun möchte ich gern wissen, welches Göttliche oder menschliche Gebot über die in der Zergliederung enthaltene Dinge etwas verordnet habe? Und ob die allgemeine Absicht der Maurerey, wie sie vorgestellet ist, nicht zum wenigsten von gleichem Nutzen und Wichtigkeit in Ansehung des gemeinen Wesens sey, als das Darlehn von hundert Cronen an einen Privat-Menschen?
Die Antworten auf diese Fragen sind leicht zu finden, und die Folge ist eben so deutlich, daß ein Eyd in Ansehung der Maurerey zum wenigsten zu verantworten und rechtmäßig sey.

Was das Schrecken der angehängten Straffe anbetrifft, so stehet die Welt hierbev in einem allgemeinen Irrthum; denn die Solennität des Eydes füget nichts zu der Verbindlichkeit hinzu, oder, mit andern Worten, der Eyd ist eben so verbindlich, wenn gar keine Straff Drohung dabey stehet. Eben derselbe Casuist hat diese Äusdrückung (Idem Praelect. 5. Sect. 12.):

Ein feyerlicher Eyd ist an sich selbst und seiner Natur nach nicht verbindlicher, als ein schlechter Eyd, weil die Verbindlichkeit eines Eydes eigentlich daher rühret, daß Gott als ein Zeuge und Rächer angeruffen wird, welches in einem schlechten Eyde nicht weniger, als in dem solennen und cörperlichen, geschiehet; denn die Anruffung wird eigentich durch das Aussprechen der Worte (welches in dem schlechten und feyerlichen Eyde einerley ist) verrichtet, und nicht durch einige cörperliche Bewegung oder begleitendes Zeichen, als worin die Solennität des Eydes bestehet.

Ich schreibe für verständige Leser, und halte daher für unnöthig, die angeführte Stelle zu erklären.

Wenn aber ferner der Eyd in der Zergliederung von allen Maurern bev ihrer Aufnahme gefordert wird, so darff kein Mitglied der Brüderschafft, unter einigem Vorwand, die Verbindlichkeit desselben verletzen, ohne sich des Meineyds schuldig zu machen; gesetzt auch, daß die Maurerey läppischer und gleichgültiger wäre, als solche nach der Zergliederung immer zu seyn scheinen mag. Solte demnach das Betragen des Zergliederers einem oder andern von der Brüderschafft, wegen Beobachtung dieses Eydes, einen Gewissens-Scrupel erwecket, oder ihn verleitet haben, mit der Krafft desselben seinen Schertz zu treiben; so hoffe ich, er werde in Zeiten davon abstehen, damit er nicht in der That meineydig werden möge.

Dieser Fall wird von gedachtem Casuisten (Idem Praelect. 4. Sect. 11) also entschieden:

Ein freiwilliger Eyd ist um desto verbindlicher, weil er freywillig ist; denn es ist keine schärffere Verbindlichkeit, als diejenige, so wir von freyen Stücken übernehmen:

Und an einem andern Ort (Idem Praelect. 3 Sect. 15.) lässet sich der Casuist noch deutlicher heraus:

Wo eine Sache so gering ist, daß sie die Ueberlegung eines weisen Mannes nicht verdienet, oder nicht eines Strohhalms werth daran gelegen ist, ob es geschehe oder nicht, als z. E. einen Span aufzuheben, oder einem an den Bart zu greiffen; oder, wenn die Sache selbst so schlecht ist, daß man sie gar nicht achtet, als einem Knaben einen Apfel zu schencken, eine Steck-Nadel zu leihen: so ist ein Eyd in einer Sache von der geringsten Erheblichkeit verbindlich, weil wichtige und geringe Dinge eine gleiche Verhältniß gegen Wahrheit und Falschheit haben, und weil ein jeder schwörender Theil verbunden ist, alles Versprochene, soferne er darzu fähig, und die Handlung erlaubet ist, ins Werck zu setzen., Nun ist es möglich und erlaubet, einem Knaben einen Apfel zu geben, er ist also verpflichtet, solches zu rhun, und seinen Eyd zu erfüllen.

Das III. Capitel.

Nachdem das Gewicht dieses grossen Vorwurffs gehoben worden, so ist in diesem Capitel meine Absicht, eine Beschuldigung, welche offtmahls mit grosser Kühnheit getrieben worden, abzulehnen, nemlich: Die Grundsätze und das gantze Wesen der Frey-Maurerey sind so schwach und lächerlich, daß es Leuten von dem geringsten Verstande nachtheilig ist, sich damit einzulassen. Nun aber, sprechen lustige Köpfe, erhellet augenscheinlich aus der Zergliederung, daß es also damit beschaffen sey, massen dieselbe weiter nichts, als, einen unverständlichen Hauffen von seltsamem Zeug und rothwelschem Gewäsch ohne Vernunfft und Zusammenhang darstellet.

Ich gestehe, daß ich einer andern Meynung bin, obgleich der Abriß der Maurerey, wie er von dem Zergliederer dargestellet ist, zu gewissen Einwürffen Anlaß zu geben scheinet. Auch kommt mir die Sache nicht so klar vor, daß sie bey dem ersten Anblick, und wenn man bloß auf die buchstäbliche .Zusammensetzung der Worte Achtung gibt, völlig verstanden werden solte. Ich räume auch dieses ein, daß die Verfassung, wie sie in den ordentlichen Logen vorgetragen wird, einige überflüßige oder mangelhaffte Dinge enthalte, worzu die Unwissenheit oder Nachläßigkeit der alten Mitglieder Anlaß gegeben. Und gewiß, wenn man erweget, durch was für Dunckelheit und Finsterniß das Geheimniß fortgepflantzet worden, die vielen Jahrhunderte, so es erlebet, so manche Länder und Sprachen, Secten und Partheyen, welche es durchlauffen; so haben wir eher Ursache, uns zu verwundern, daß es nicht mit noch grösserer Unvollkommenheit bis auf diese Zeiten gebracht worden.
Kurtz, ich bin fast der Meynung, daß die Maurerey (wie sie jetzo erkläret wird) in einigen Umständen von ihrer ursprünglichen Reinigkeit abgewichen sey. Es hat selbige lange Zeit durch schlammichte Ströme, ja fast unter der Erde, ihren Lauf nehmen müssen. Allein, ohngeachtet des starcken Rosts, womit selbige umzogen sevn mag, und des verborgenen Lichts, worein sie. der Zergliederer gesetzet, so ist dennoch (wo ich recht urtheile) noch vieles von der alten Fabrick vorhanden; man kan die wesentlichen Pfeiler des Gebäudes durch den Schutt entdecken, obgleich das darauf gebauete mit Moos und Epheu überzogen, und die Steine, durch Länge der Zeit, aus einander gerissen worden.
Gleichwie dennoch das Brust-Bild eines alten Helden unter Kennern von grossem Werth ist, ob es gleich ein Auge, die Nase oder die rechte Hand verlohren: also muß die Frey-Maurerev, bey allen ihren beygelegten Flecken und widrigen Zufällen, keinesweges für lächerlich geachtet, sondern (meinem wenigen Bedüncken nach) mit einiger Aufrichtigkeit um) -Hochachtung, wegen ihres Alterthums, angesehen werden.

Es war mir ungemein lieb, da ich fand, daß der Zergliederer die ursprüngliche Scene der Maurerey in dem Osten, einem jederzeit wegen symbolischer und verschwiegen gehaltener Wissenschafft berühmten Lande, aufgeschlagen habe. Ich konte nicht umhin, dabey alsobald an die alten Egyptier zu dencken, welche die vornehmsten Geheimnisse ihrer Religion unter Zeichen und Bildern, Hieroglyphica genannt, verborgen gehalten: Und ihre Hochachtung für das Stillschweigen und die Verschwiegenheit war so groß, daß sie eine Gottheft, Harpocrates genannt, hatten, welche sie mit besonderer Venerarion verehrten.

Es hat uns ein gelehrter Schrifftsteller (vid. Vincent. Chartarii Imagines Deorum) von diesem Abgott folgende Beschreibung mitgetheilet:

Harpocrates, der Gott des Stillschweigens, war also vorgestellet, daß er seine rechte Hand nahe bey dem Hertzen liegen, und ein Fell, so mir Augen und Ohren angefüllet, vor sich hatte; wodurch angedeutet ward, daß man vieles sehen und hören, aber wenig reden solte. Und unter eben diesem Volck hatte ihre grosse Göttin Isis (welche mit der Minerva, Göttin der Starcke und Weisheit unter den Griechen, einerley ist) jederzeit das Bildniß eines Sphinx in dem Eingang ihres Tempels stehen, weil ihre Geheimnisse unter heiligen Verhüllungen sotten bewahret werden, damit selbige so wenig, als die Rätzel des Sphinx, zu der Wissenschafft des gemeinen Mannes gelangen möchten.

Pythagoras wurde auf seiner Reise nach Egypten in den Geheimnissen dieser Nation unterrichtet, und legte allda den Grund zu aller seiner svmbolischen Wissenschafft. Diejenigen Schrifftsteller, (vid. Jamblichus in Vita Pythagorae. Laertius in Vita Pythagorae. Porphyrius. Clemens Alexandr. Strom.) welche, von diesem Weltweisen Meldung gethan, und von seiner Secte und Lehrsätzen Bericht ertheilet, haben mich völlig überzeugt, daß die Frey -Maurerey, wie sie von dem Zergliederer vorgestellet worden, mit der alten Pythagoräischen Disciplin sehr genau verwandt sey. Und ich bin versichert, daß sie in gewissen Umständen daher gar füglich ihren Ursprung leiten möge.
Nur einiger zu gedencken, so wurde ein Lehr-Schüler bey seiner Aufnehmung durch einen feierlichen Eyd verpflichtet, die Geheimnisse vor dem gemeinen Mann und solchen Personen, die nicht eingeweyhet waren, zu verheelen.

Die vornehmsten und kräffrigsten von ihren Lehr-Sätzen wurden (wie Jamblichus meldet) stets unter ihnen geheim gehalten, ohne Schrifft fortgepflantzet, und allein durch das Gedächmiß auf ihre Nachfolger gebracht, welchen sie dieselben, als Geheimnisse der Göttter mittheilten.
Sie redeten mir einander durch Zeichen, und hatten besondere Worte, welche sie bey ihrer Aufnehmung empfiengen, und welche mir grosser Ehrerbietung, als die besondere Merckmaale ihrer Secte, bewahret wurden.
Denn (wie die scharffsinnige Anmerckung des Laertius lautet) gleichwie sich die Feldherren gewisser Losungs-Worte bedienen, um ihre eigene Soldaten von andern zu unterscheiden: also ist es gar dienlich, denen aufgenommenen besondere Zeichen und Worte, als unterscheidende Merckmaale einer Gesellschafft, mitzutheilen.

Die Pvthagoräer bezeugten eine grosse Hochachtung für dasjenige, was der Zergliederer die vier Gründe der Maurerey nennet, nemlich einen Punct, eine Linie, eine Oberfläche und ein Solidum; und sonderlich hielten sie dafür, daß ein Quadrat ein sehr bequemes Sinnbild des Göttlichen Wesens wäre. Die Götter, sagten sie, (vid. Proclus in Euclidem Lib. 11. def. 2. & 34.) welche die Urheber aller in Weisheit, Stärcke und Schönheit festgegründeten Dinge sind, werden nicht unfüglich durch die Figur eines Quadrats vorgestellet.

Noch viele andere Exempel mehr könten angeführet werden, wenn es die Schrancken meines Vorhabens zuliessen. Ich will nur dieses melden, daß ein, falscher Bruder, Namens Hipparchus, von dieser Secte gewesen, (vid. Clemens Alexandr. Strom. 5.) welcher, aus Feindseligkeit und Mißvergnügen, das Band seines Eydes zerrissen, und die Geheimnisse der Gesellschafft schrifftlich aufgesetzet, um die Lehre in Verachtung zu bringen: Er wurde hierauf alsofort als eine höchst-schändliche Person aus der Schule gestossen, und, als ein zu aller Empfindung der Tugend und Redlichkeit Erstorbener, hindan gesetzet, ja die Pythagoräer machten, ihrer Gewohnheit nach, für ihn ein Grab, als wenn er würcklich todt gewesen wäre. Diese Schande und Unehre, so auf diese Verletzung seynes Eydes billig folgte, versetzte den armen Tropf in solche Wuth und Verzweiffelung, daß er sich selbst die Kehle abschnitt, und durch seine eigene Hände umkam.
Und was mich am meisten Wunder nimmt, so ward sein Gedächtniß nach dem Tode dergestalt verabscheuet, daß sein Cörper auf dem Ufer der Insul Samos liegen blieb, und kein ander Grab, als in dem Sande des Meers, erlangte.


Die Essener unter den Juden waren eine Are von Pythagoräern, und kamen in vielen Umständen mit den Gebräuchen der Brüderschafft, wie sie in der Zergliederung vorgetragen sind, überein. Zum Exempel, wenn ein Mensch in ihre Gesellschafft eingenommen zu werden verlangte, muste er durch zwey Probe-Stuffen gehen, ehe er ein vollkommener Meister ihrer Geheimnisse werden konnte. Wenn er in die Classe der Lehrschüler (Noviviorum) aufgenommen ward, muste er sich in einer langen weissen Kleidung darstellen, und wenn er lange genug einige zureichende Proben seiner Verschwiegenheit und Tugend abgeleget, ward er zu fernerweitigen Erkänntniß zugelassen: er muste aber immer noch in Beweisung seiner Aufrichtigkeit und guten Sitten fortfahren, und ward alsdenn völlig in die Gesellschafft aufgenommen.
Ehe er aber als ein rechtes Mitglied zugelassen ward, muste er vorher durch

feyerliche Verbindungen und Angelöbnisse versprechen, Gerechtigkeit zu üben, kein Unrecht zu thun, gegen alle Menschen Treu und Glauben zu halten, die Wahrheit anzunehmen, seine Hände vor Diebstahl und betrüglichen Händeln rein zu bewahren, vor seinen Mit-Bekennern keines von den Geheimnissen zu verheelen, hingegen keines derselben den Ruchlosen zu offenbaren, wenn er gleich sein Leben damit erhalten könnte, nichts mitzutheilen, als was er empfangen, und sich dahin zu bestreben, dass er die von ihm bekannte Grund-Lehren bewahren möge. (vid. Philo de Vita contemplativa. Josephus Antiqu. Lib. 8. Cap. 2)
Sie essen und trinken an einen gemeinsamen Tische, und die Brüderschafft, so von einigem andern Ort dahin kommt, wird mit darzu gelassen. Sie kommen in einer Versammlung zusammen, und man leget die rechte hand auf den Theil zwischen dem Kinn und der Brust, da indessen die lincke Hand auf ihrer Seite herunter hänget.

Die Cabbalisten, eine andere Secte, (vid. Basnage Hist. Des Juifs, voc. Cabbala. Collier Diction. voc. Cabbala. [engl. Collier’s Dictionary on the Word Cabale, Basnage’s History of the Jews, Chap. on the Cabala]) hatten mit verborgenen und Geheimniß-vollen Ceremonien zu thun. Die Juden hielten grosse Stücke auf diese Wissenschafften, und bildeten sich ein, vermittelst derselben ungemeine Entdeckungen zu machen. Sie theilten selbige in die betrachtende und würckende (speculativam & operativam).
David und Salomon sind, ihrem Vorgeben nach, vollkommen darinnen geübet gewesen, und anfänglich unterstund sich niemand, etwas davon in Schrifften zu verfassen: Allein (was zu gegenwärtigem Vorhaben am meisten zu dienen scheinet) die Vollkommenheit ihrer Kunst bestund in demjenigen, was der Zergliederer buchstabiren heisset, oder da sie die Buchstaben eines Worts auf eine besondere Weise setzten.

Das letzte Exempel, so ich anführen will, ist der Druiden (vid. Caesar Commentar. Lib. 6. Samms History of Britain L. 1. C. 4.) in unserer eigenen Nation, welche die eintzige Priester unter den alten Britten gewesen. Bev ihren Solennitäten waren sie weiß gekleidet, und ihre Ceremonien endigten sich allezeit mit einem herrlichen Gastmahl. Pomponius Mela erzehlet von ihnen, daß ihre Wissenschafft bloß eine Bemühung des Gedächtnisses gewesen; denn sie schneben gar nichts auf, und wiederholten immer viele Verse, die sie durch mündliche Fortpflantzung empfangen hatten.
Caesar mercket an, daß sie ein gewisses Haupt oder Anführer gehabt, welcher mit unumschränckter Gewalt versehen gewesen; dieser Präsident habe eine Art von Excommunication, so mit schrecklichen Straffen begleitet, wider diejenigen vollzogen, welche ihre Geheimnisse entweder unter die Leute gebracht, oder enrheiliget hätten.

Wenn wir also wegen des Zwischen-Raums der Zeit, des Orts und anderer dazwischen gekommenen Zufälle, die Sache nicht so genau nehmen, so entdecken die vorhergehenden Sammlungen etwas, das zum wenigsten der Maurerey gleich kommt, wo anders die Zergliederung dergleichen Dinge in sich fasset.

Das IV. Capitel.

Es mögen nun über die wenigen Anmerckunqen, so in diesem Capitel folgen, allerhand Urtheile gefället werden, welche entweder von überflüssigem Witz, oder von widriger Neigung herrühren, so werde ich mich wenig darum bekümmern, und selbige dem Gutachten des verständigen Lesers gäntzlich überlassen. Ich begehre nur von demselben, sich zu erinnern, daß man in keinem Fall mehr erwarten müsse, als die Natur desselben in vernünfftiger Weise zulässet. Ich bekenne frey, dass ich ein grosses Vergnügen bey obiger Sammlung empfunden, und über die Entdeckungen, welche einem forschenden Auge klärlich vorkommen müssen, oftmahls recht erstaunet bin.

Die Uebereinstimmung zwischen den Gebräuchen und Grundsätzen der Maurerey (wo anders die Zergliederung richtig ist) und den vielfältigen Gewohnheiten von Ceremonien der Alten muss einen jeden, der nur einigen Geschmack und Lehr-Begierde hat, recht ergetzen, wenn er wahrnimmt, dass einige Ueberbleibsel der alten Gebräuche und Gelahrtheit von einer Gesellschafft, ohne Bücher oder Schrifften, bloß durch mündliche Fortpflantzung, so lange erhalten worden.


I. Die Zahl Drey wird in der Zergliederung zum öfftern angeführet; und ich finde, dass die Alten, sowohl Griechen, als Lateiner, für diese Zahl eine besondere Hochachtung bezeugen. Theocritus (Idyll. B. [engl. Idyll. C]) führet eine Person, die mit geheimen Künsten umgehet, also redend ein:

Dreimal gieß' ich den Trank und sprech' o Erhabene, dreimal.

Und Ovidius (Ovidius Metamorphos. Lib. 7.):

Verbaque ter dixit.

Ingleichen Virgilius (Virgilius Ecloga 8.):

Necte tribus nodis ternos, Amarilli, colores.

Ob diese Einbildung deswegen von der Zahl Drey herrühre, weil selbige einen Anfang, Mittel und Ende in sich fasset, und alle Dinge iii der Welt zu bedeuten scheinet: oder weil die Pvthagoräer und andere Weltweisen in Ansehung ihrer Triados oder Dreyfaltigkeit so viel auf selbige gehalten: oder zuletzt (anderer Meynungen nicht mehr zu gedencken) weil diese Zahl bequem ist, die Macht aller Götter, welche in drey Classen, himmlische, irdische und höllische, getheilet wurden, anzuzeigen? solches will ich andern zu entscheiden überlassen.

Die Götter hatten eine sonderbare Neigung für diese Zahl, wie Virgilius (Idem ibid.) bezeuget:

Numero Deus impare gaudet.

Wir finden drey Lebens-Göttinnen, (Parcen) drey Furien, drey Namen und Erscheinungen der Diana, wie abermahl Virgilius (Idem Aeneid. Lib. 4.) meldet:

Tria virginis ora Dianae.

Die Söhne des Saturnus, welche die Herrschafft der Welt unter sich getheilet, waren .Drey an der Zahl: Und aus gleichem Grunde lesen wir von des Jupiters dreygespitztem Donner-Keil, und von des Neptuns Dreyzack; verschiedener anderer Zeichen der Ehrerbietung, welche sie für diese besondere Zahl trugen, nicht zu gedencken.


II. Eine besondere Ceremonie in Ansehung des Eydes (wovon der Zergliederer meldet) zeuget von einer genauen Uebereinstimmung mit einer Art zu schwören unter den Alten, welche von einem gelehrten Schrifftsteller (Alexander ab Alexandro Lib. V. Cap. 10) angeführet wird:
Die Person, welche den Eyd ablegte, muste auf entblößten Knien mir einem blossen Schwerdt, dessen Spitze auf die Kehle derselben gerichtet war, erscheinen, und Sonne, Mond und Sterne, als Zeugen der Wahrheit, welche sie beschwor, anruffen.


III. Einige Stücke von dem Unterricht der Maurer enthalten eine Menge von eitelem Schertz und Spaß, ja von dem niederträchtigsten und verächtlichsten Gewäsch, womit sich vernünfftige Menschen jemahls eingelassen.
Die knöcherne Büchse und die Tau-Linie haben zu wunderlichen Anmerckungen Anlaß gegeben; Ich halte aber dafür, daß in dem letzten Capitel des Prediger-Buchs einige Verse vorkommen, welche dieser Art von Ausdrückung gleichförmig sind. Ich will solche hier anführen, und die Meynung der Gelehrten darüber beyfügen, ohne jedoch eine besondere Anwendung derselben zu unternehmen. Sie lauten also: (Pred. Salom. 12, 3, 4, 6.)

Zur Zeit, wenn die Hüter im Hause zittern, und sich krümmen die Starcken, und müßig stehen die Müller, daß ihr so wenig worden ist, und finster werden die Gesichte durch die Fenster: Und die Thüren auf den Gassen geschlossen werden, daß die Stimme der Müllerin leise wird, und erwachet, wenn der Vogel singet, und sich bücken alle Töchter des Gesangs. Ehe denn der silberne Strick wegkomme, und die güldene Quelle verlauffe, und der Eimer zerlechze am Born, und das Rad zerbreche am Born. (Cisterne)

Die Ausleger (Bischoff Patrick, Doctor Smith, Forsterus, Melanchthon ad h. l.) dieser Verse sind in ihrer. Meynung meistens einig, daß sie folgender Gestalt müssen erkläret werden: Die Hüter im Hause sind die Schultern, Arme und Hände eines menschlichen Cörpers: Die Müller sind die Zähne: Die Gesichte durch die Fenster sind die beyden Augen: Die Thüren sind die Lippen: Die Strassen sind der Mund: Die Stimme der Müllerin ist der Schall der Stimme: Der Gesang des Vogels ist das Hahnen-Geschrey: Die Töchter des Gesangs sind die beyden Ohren: Der silberne Strick ist die Sehne der Zunge: Die güldene (Quelle ist die Pia Mater im Gehirn: Der Eimer am Born ist das Hertz, der Brunn des Lebens: Der Born ist die grosse Arterie, und die Cisterne ist der lincke Ventriculus des Hertzens.


IV. Es könte unmöglich ein nachdrücklicher Zeichen der Liebe, Freundschafft, Redlichkeit und Ehrbarkeit vorgebildet werden, als die Zusammenfügunq der rechten Hände, eine Ceremonie, so bey allen wohlgesitteten Völckern als ein Merckmaal eines getreuen und aufrichtigen Hertzens gebrauchet worden.
Fides oder die Treue, war eine Gottheit bey den Alten, von welcher uns ein gelehrter Scribent (vid. Vincent. Chartarii Imagines Deorum.) folgende Beschreibung, mittheilet:

Der eigentliche Sitz der Treue war, nach ihrer Lehre, in der rechten Hand, daher diese Gottheit zuweilen durch zwey zusammenqefügte rechte Hände, zuweilen durch zwey kleine Bilder, die einander die rechte Hand drückten, vorgestellet zu sehen; daß also die rechte Hand von den Alten für eine heilige Sache geachtet worden.

Und hiermit stimmen folgende Ausdrückungen bey dem Virgilio (Virgilius Aeneid. Lib. 4.) überein:

En dextra fidesque!

gleich als wenn das Drücken der rechten Hand ein unzertrennliches Kennzeichen eines redlichen Hertzens wäre.
Und ferner: (Idem ibid. Lib. 1.)

Cur dextrae jungere dextram
Non datur, & veras audire & reddere voces?

In allen Contracten und Verträgen - saget der Ertzbischoff Potter (Potter in Antiqu. Graec. Vol. I. p. 251.) - war gebräuchlich, einander bey der rechten Hand zu fassen: Und dieses war die Art, sich zur Treue zu verpflichten. Dieses geschahe entweder aus Absicht auf die Zahl Zehen, weil an beyden Handen zehen Finger sind; oder weil

eine solche Zusammenfügung ein Zeichen der Freundschafft und Eintracht war: Daher sie bey allen freundschafftlichen Zusammenkünfften einander die Hände gaben, um dadurch die Vereinigung ihrer Seelen anzudeuten.

Es war eine von den Reguln, so Pythagoras seinen Schülern gab: Gebet wohl Achtung, wem ihr eure rechte Hand darreichet; welches Jamblichus (Jamblichus in vita Pythagorae.) also erkläret:

Fasset niemand bey der rechten Hand, ohne nur die Eingeweyheten, das ist, auf die geheime Art; denn der gemeine Mann und die Ruchlosen sind allesamt dieses Geheimnisses unwürdig.


V. Da ich befand, daß der Zergliederer offtmahls der Zahl Sieben gedachte, so fielen mir gleich die alten Egyptier bey [im Englischen hier ein Quellenverweis: Pignorius in Mens. Isiac.], welche die Zahl Sieben für heilig hielten, und insonderheit glaubten, daß, wenn ihr siebentägiges Fest gehalten ward, die Crocodils ihre natürliche Grausamkeit verlöhren. Und Leo Afer (Leo Afer descript. Africae Lib. 8.) meldet, daß noch zu seiner Zeit die Gewohnheit, sieben Tage und Nächte hindurch ein Fest zu halten, wegen der glücklichen Ueberschwemmung des Nils, beobachtet worden.
Die Griechen und Lateiner bezeigten eben dergleichen Hochachtung für diese Zahl, welches durch viele Exempel könte erwiesen werden.


VI. Die zufällige Begebenheit, durch welche der Leichnam des Meisters Hiram nach seinem Tode gefunden ward, scheinet in einigen Umständen auf eine schöne Stelle des Virgilii (Aeneid. Lib. 6. [dt. Verse 136-146]) zu zielen. Anchises war schon vor einiger Zeit mit Tode abgangen; und sein Sohn Aeneas empfand eine so starcke Sehnsucht gegen seinen verstorbenen Vater, daß er bey der Cumanischen Sibylle sich Raths erholte, ob es möglich wäre, daß er sich hinunter zu den Schatten verfügte, um denselben zusprechen? Die Prophetin machte ihm einen Muth, dahin zu gehen, zeigte ihm aber zugleich an, daß ihm sein Vorhaben nicht gelingen würde, wo er nicht vorher einen gewissen Ort besuchte, und einen güldenen Ast oder Strauch abbräche, welchen er in seiner Hand tragen, und durch dieses Mittel eine Anweisung, wo sein Vater anzutreffen wäre, erlangen solte.

Die Worte des Poeten lauten also:

... Latet arbore opaca
Aureus & foliis & lento vimine ramus,
Junoni infernae dictus sacer: hunc tegit omnis
Lucus, & obscuris claudunt convallibus umbrae.
Sed non ante datur telluris operta subire,
Auricomos quam quis decerperit arbore foetus.
Hoc sibi pulchra suum ferri Proserpina munus
Instituit: primo avulso non deficit alter,
Aureus, & simili frondescit virga metallo.
Ergo alte vestiga oculis, & rite repertum
Carpe manu; namque ipse volens facilisque sequetur.


… Golden mit zähen
Reisern und Blättern versteckt sich ein Zweig auf schattigem Baume:
Iuno, der stygischen, ist er geweiht; es bedeckt ihn der ganze
Hain, und schattiger Wald umschließt ihn im dunkelen Tale.
Doch ist keinem erlaubt, in die Tiefen der Erde zu dringen,
Wenn er zuvor nicht des Baums goldhaarige Sprossen gepflückt hat,
Die zum Ehrengeschenk sich die schöne Proserpina weihn lässt.
Pflückt man den Zweig, so wächst sogleich nach dem ersten ein zweiter,
Golden wie jener; es schlägt ein Reis von demselben Metall aus.
Spähe daher hoch aus mit dem Blick und, wenn du ihn findest,
Pflück ihn ab mit der Hand; denn er folgt dir leicht und von selber.


Anchises, der grosse Erhalter des Trojanischen Namens, konte auf keine andere Art entdecket werden, als durch Hülffe eines Asts, welcher mit leichter Mühe von dem Baum abgebrochen ward: Gleicher Gestalt scheinet es, daß Hiram, der Großmeister der Maurerey, nicht anders gefunden wäre, als durch die Anleitung eines Strauchs, welcher (wie der Zergliederer saget) geschwind in die Höhe kam. Die vornehmste Ursache, warum Aeneas in das Schatten-Reich hinabstieg, war diese, daß er von seinem Vater die Geheimnisse des Schicksals, welches dereinst unter seinen Nachkommen sich ereignen würde, erfahren möchte. Die Absicht, warum die Brüder so ämsig ihren Meister suchten, war diese, damit sie von ihm das geheime Wort der Maurerey, welches ihrer Brüderschafft in folgenden Zeiten solte mitgetheilet werden, empfangen möchten.

Hernach folget dieser merkwürdige Vers [a. a. O. 149-150]:

Praeterea jacet exanimum tibi corpus amici,
Heu nescis!
Übrigens liegt auch noch - was du selbst nicht weißt - die entseelte
Leiche des Freundes dir nah

Misenus, welcher ermordet und unter einem erhabenen Hügel (rnonte sub aereo [engl. aerio]) begraben worden, ist (nachdem Bericht des Zergliederers) der Meister Hiram gewesen.

Es findet sich aber noch eine andere Begebenheit in dem Virgilio, welche mit dem Zufall des Hiram, und mit dem zufälligen Umstand, wodurch er, dem Vorgeben nach, entdecket worden, noch näher übereinkommt, Priamus, König zu Troja, übergab seinen Sohn Polvdorus, bey dem Anfang des Trojanischen Krieges, der Vorsorge des Königs in Thracien, Polymnestor, und schickte ihm zugleich eine grosse Summe Geldes: Da aber Troja erobert war, brachten die Thracier den jungen Printzen, wegen des Geldes, ums Leben, und begruben ihn heimlich. Wie nun Aeneas in selbige Landschafft kam, und ohngefehr einen Strauch, der neben ihm auf der Seite eines Hügels stund, aus der Erde zog, so entdeckte er den ermordeten Cörper des Polydorus. Hier folgen des Virgilii (Virgilius Aeneid. Lib. 3 [dt. Verse 22-42]) Worte:

Forte fuit iuxta tumulus, quo cornea summo
Virgulta, & densis hastilibus horrida myrtus.
Accessi, viridemque ab humo convellere sylvam
Conatus, ramis tegerem ut frondentibus aras,
Horrendum & dictu video mirabile monstrum.

[Die folgenden 9 Zeilen fehlen in der engl. Ausgabe]

Nam quae prima solo ruptis radicibus arbos
Vellitur, huic atro linquuntur sanguine guttae
Et terram tabo maculant: mihi frigidus horror
Membra quatit, gelidusque coit formidine sanguis.
Rursus & alterius lentum convellere vimen
Insequor, & causas penitus tentare latentes;
Alter [ater] & alterius sequitur de cortice sanguis,
...
Tertia sed postquam maiore hastilia nixu
Aggredior, genibusque adversae obluctor arenae,
(Eloquar, an sileam?) gemitus, lacrymabilis imo
Auditur tumulo, & vox reddita fertur ad aures:
Quid miserum, Aenea, laceras? jam parce sepulto,

[Auch die folgende Zeile fehlt im engl. Original]

Parce pias scelerare manus.
Nahe dabei war ein Hügel, der hoch von Erlengebüschen
Und von Myrtengestrüpp mit starrenden Schäften umragt war.
Zu ihm trat ich hinan, um grünes Gesträuch aus dem Boden
Auszuziehn, den Altar mit laubigen Zweigen zu decken.
Da zeigt graunhaft mir sich ein Wunder und seltsam zu melden.
Denn an dem Baum, den zuerst mit zerrissener Wurzel ich auszog,
Perlt es von schwärzlichem Blut in Tropfen herab, dass den Boden
Schwärzt der geronnene Schmutz. Mir schüttelt die Glieder das kalte
Grausen; es starrt vor Schreck mir das eisige Blut in den Adern.
Wieder versuch ich ein anderes jetzt von den schmächtigen Reisern
Auszuziehn und genau den verborgenen Grund zu erforschen:
Und schwarz sprudelt das Blut sofort auch hier aus der Rinde.
Aber sobald ich mit schärferem Zug an dem dritten der Stämme
Hand anlege, die Knie gestemmt auf den sandigen Boden –
Sag ich's oder verschweig ich's? - da schallt aus der Tiefe der Erde
Kläglich Gewinsel empor und es dringt dies Wort mir zu Ohren:
"Was zerreißt du mich Armen, Aineias? Lass mich im Grab ruhn.
Hüt, o Frömmster, die Hand vor Befleckung.“


Die Gleichförmigkeit zwischen diesen beyden Erzehlungen ist so genau, daß es keiner weitern Erklärung brauchet.


VII. Endlich berichtet man uns, daß ein Zweiglein oder Spross von Caßia durch die Brüder zu dem Haupt von Hirams Grabe gestecket worden. Dieses beziehet sich auf eine Gewohnheit dieser Ostlichen Länder, die Todten zu balsamiren, bey welcher Handlung die Caßia jederzeit gebrauchet ward, sonderlich in Zubereitung des Kopfs und Austrockung des Gehirns, wie Herodotus [in Euterpe] ausführlicher erzehlet. Das Süss-Holtz, Rauchwerck und Blumen, so man bey den Todten-Gräbern gebrauchet, kommen in den alten Poeten so häuffig vor, daß es nur eckelhafft seyn würde, davon zu gedencken.
Ovidius (Ovid. Metamorph. Lib. 15.[Verse 395-400) beschreibet den Tod des Phönix also:

[Die erste Zeile fehlt in der englischen Ausgabe]

Haec ubi quinque suae conplevit secula vitae,
Ilicis in ramis, tremulaeque cacumine palmae,
Unguibus & duro nidum sibi construit ore,
Quo simul ac casias ac nardi lenis aristas,
Quassaque cum fulva substravit cinnama myrrha,
Se super imponit, finitque in odoribus aevum.
Hat seines Lebens fünf Jahrhunderte dieser erfüllt, dann
baut er sich selbst mit den Klaun und dem reinen Schnabel ein Nest im
Eichengezweig oder auch im Wipfel der schwankenden Palme.
Hat er Casia dort und die Ähren der schmiegsamen Narde,
gelbliche Myrrhe dazu und gestoßenen Zimt unterbreitet,
bettet er selbst sich darauf und endet in Düften sein Leben.


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