Freimaurerei und Transgender
Freimaurerei und Transgender
Ein für viele Menschen immer noch ziemlich neues Thema hat spätestens 2018 auch die Freimaurerei erreicht: Transgender. Vor allem der sogenannten Single-Sex-Freimaurerei bereitet diese Entwicklung Probleme, weil sie darauf festgelegt ist, entweder nur Männer oder nur Frauen aufzunehmen. Wie geht sie aber künftig damit um, dass in der Vorstellung der heutigen Gesellschaften und in deren Folge der verschiedenen Gesetzgeber die Grenze zwischen den Geschlechtern durchlässig und fließend geworden ist?
Unter dem Titel „Gender Reassignment“ hat die beispielgebende United Grand Lodge of England (UGLE) Mitte 2018 zu diesem Fragenkomplex ein Positionspapier veröffentlicht.
Von Rudi Rabe.
Was heißt Transgender?
Versuch einer Begriffsklärung, obwohl die Terminologie nicht scharf abgegrenzt ist und sich entwickelt. Sie ist auch keineswegs nur biologisch, sondern vor allem auch psychologisch. Und so beziehen sich die Begriffe „Geschlecht“, „Männer“ und „Frauen“ in diesem Text vor allem auf den Phänotyp, also das Erscheinungsbild. Die genetische Ausstattung, der Genotyp, kann ja nicht verändert werden, und er wird ja bei der Aufnahme in eine Loge auch gar nicht kontrolliert.
- Transgender kann Menschen meinen, deren gefühlte Geschlechtsidentität oder die von ihnen gelebte Geschlechtsrolle aus verschiedenen Gründen anders ist als das ihnen bei der Geburt zugewiesene Geschlecht (Transmänner und Transfrauen).
- Gender Reassignment: Einen Schritt weiter bezieht sich Transgender auf Menschen, die ihr bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht mit oder ohne Operation und/oder Hormonbehandlung gewechselt haben, und zwar rechtsverbindlich, also von der zuständigen Behörde bestätigt (Transsexuelle Transmänner und Transfrauen).
- Transgender kann schließlich auch als Überbegriff verstanden werden und dadurch intersexuelle Menschen einschließen; diese passen nicht in die binäre Einteilung, weil sie weder weiblich noch männlich sind oder sein wollen ("drittes Geschlecht").
Ergänzend sei angemerkt: Das Gegenteil von Transgender ist Cisgender (cis = diesseits; trans = jenseits). Und: Nicht zu verwechseln sind dies Begriffe mit Homosexualität, Travestie oder ähnlichem.
Bis vor etwa zwei, drei Jahrzehnten war das alles kein Thema. Es galt die binäre Geschlechterordnung, alles andere wurde als eine Art Unfall der menschlichen Natur verstanden, war stigmatisiert und wurde eher versteckt. Das hat sich jedenfalls in der westlichen Welt langsam geändert. Die Akzeptanz ist gestiegen, das Stigma ist auf dem Rückzug, und die Gesetzgeber reagierten durch Normenanpassungen, wie etwa in Deutschland, wo seit 2017 bei der Geburt eines Kindes dessen Geschlecht offen gelassen werden kann. Ebenso ist es Erwachsenen inzwischen möglich, ihr Geschlecht auch rechtlich zu ändern - seit einigen Jahren ohne Operation; es bedarf nur eines entsprechenden Gutachtens. Man spricht dann auch eher nicht mehr von "Geschlechtsumwandlung", sondern von Transition oder Geschlechtsangleichung, also Angleichung des bei der Geburt "behördlich festgelegten" an das gefühlte Geschlecht. Der Geburtsschein wird nicht geändert, sondern rückwirkend neu ausgestellt.
Was bedeutet Transgender für die Freimaurerei?
Für sie ist das Thema höchst brisant, weil die meisten Großlogen nur einem Geschlecht offen stehen (Single-Sex-Freimaurerei): Die große Mehrheit nimmt nur Männer auf, eine Minderheit nur Frauen, und nur eine weitere Minderheit sind sogenannte gemischte Logen (Co-Freimaurerei). Durch die wachsende gesellschaftliche Akzeptanz und die nachfolgenden neuen Rechtsvorschriften für Transgender-Menschen haben sich vor allem für die beiden ersten Gruppen Probleme aufgetan.
Am Beispiel der Männerlogen: Das Selbstverständnis als Single-Sex-Organisation und die daraus folgende Nichtaufnahme von Frauen ist trotz aller Anti-Diskriminierungs-Gesetze zwar rechtlich akzeptiert, aber was ist zu tun, wenn ein Bruder nach seiner Aufnahme durch eine Geschlechtsumwandlung zur Frau wird? Sie zum Austritt zu nötigen, kann in vielen Ländern eine gesetzwidrige Diskriminierung sein. Oder was ist zu tun, wenn ein Bruder ohne körperliche Veränderung in seinem Selbstverständnis zur Frau wird, was sich nach aussen etwa in der Bekleidung äußern kann? Was ist zu tun, wenn sich ein Transmann als Suchender bewirbt, also ein Mann, der eine Frau war aber sich einer rechtsverbindlichen Geschlechtsumwandlung unterzogen hat? Oder ein Suchender, der körperlich weiterhin eine Frau ist, sich aber als Mann versteht? Und schließlich: Was ist zu tun, wenn sich ein Mensch bewirbt, der weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zugeordnet werden kann und/oder will?
Fragen über Fragen, die man in der konkreten Wirklichkeit noch weiter auffächern könnte. Je nachdem wie breit man Transgender definiert, nur eng anatomisch oder breiter in das gefühlte Geschlecht hinein, sind allein in Deutschland nach vorsichtigen Schätzungen tausende bis zigtausende Menschen betroffen. Im allgemeinen wird weniger als ein Promille angenommen.
Die UGLE (Großloge von England) positioniert sich
Die englische ‘United Grand Lodge’ (7.000 Logen und 200.000 Brüder) hat Mitte 2018 einen Anfang gesetzt. Unter dem Titel „Gender Reassignment“ (Neuzuweisung des Geschlechts) hat sie ein Positionspapier veröffentlicht, das sich so zusammenfassen lässt:
- Ein Suchender, der in eine Loge der UGLE aufgenommen werden will, muss ein Mann sein. Menschen, die nach dem Gesetz Frauen sind, werden in den UGLE-Logen weiterhin nicht aufgenommen; sie können einer Loge der beiden englischen Frauen-Großlogen beitreten. Aber Achtung: Eine Loge darf einem Suchenden auf sein Geschlecht bezogen nicht Fragen stellen, die ihm unangenehm sein könnten.
- Wenn sich ein Transmann als Suchender bewirbt, also einer, der eine Frau war und eine Geschlechtsumwandlung durchgemacht hat, wird er behandelt wie jeder andere Mann.
- Ein Freimaurer, der nach seiner Aufnahme aufhört, ein Mann zu sein, eine Transfrau also, bleibt ein Bruder. Sie muss also die Loge nicht verlassen.
- Jede Loge kann aus wichtigen Gründen weiterhin Mitglieder ausschließen. Keine wichtigen Gründe wären jedoch: Wenn ein Bruder legal zur Frau wurde, oder wenn ein Bruder seine Geschlechtsumwandlung eingeleitet hat. Eine Loge darf einen Bruder, auf den das zutrifft, auch nicht zum freiwilligen Austritt überreden.
- Wenn ein Bruder Freimaurer sein Geschlecht ändern möchte, steht ihm das Recht auf seine Privatsphäre und brüderlicher Beistand ganz besonders zu. Überredungsversuche wären gesetzwidrig und unfreimaurerisch. Alles was damit zusammenhängt, soll in Treue zu den Gesetzen, in Toleranz, Sensibilität und in Liebe zu den Menschen entschieden werden.
- In einer zusätzlichen Klarstellung (FAQ) heißt es: Transfrauen, die in der Loge bleiben, werden weiter als „Bruder“ angeredet. Sie dürfen sich bei den rituellen Tempelarbeiten anders kleiden als es in den UGLE-Logen für die Männer üblich ist, etwa mit einem eleganten dunklen Rock und einem entsprechenden Oberteil („smart dark skirt and top“).
- Die UGLE versteht ihre Positionierung derzeit nicht als bindende Regeln für ihre Logen. Es sind Empfehlungen, die den Verantwortlichen in den Logen helfen sollen, wenn sie entsprechende Entscheidungen treffen müssen. Es ist der UGLE auch klar, dass weitere Fragen auftauchen werden, dass sich das Thema Transgender weiter entwickeln wird, und dass auch diese ihre Transgender-Grundsätze von Zeit zu Zeit erneuert werden müssen.
Auffallend im Detail: Der UGLE-Text bezieht sich nur auf amtlich bestätigte Geschlechtsumwandlungen. Menschen mit einer bloß gefühlten anderen geschlechtlichen Identität, als es der Feststellung bei der Geburt entspricht, kommen darin nicht vor. Ebensowenig intersexuelle Menschen bzw. Menschen mit einer „non-binären“ Haltung, also Menschen, welche die Einteilung in zwei Geschlechter aus welchem Grund auch immer überhaupt ablehnen. (Bitte das nicht als Kritik an der UGLE lesen, sondern als wertfreie Beobachtung, die ja bei diesem sehr komplexen Thema durchaus von Belang ist.)
UGLE im Original
Gender Reassignment Policy
1. SCOPE:
This policy sets out UGLE’s approach to the issues raised for Freemasonry by gender reassignment.
It is intended to help guide Lodges in their decision making. It does not impose binding rules and
although it gives some general guidance on discrimination law it does not constitute legal advice.
This Policy does not attempt to address all the issues relating to gender which may arise as gender
reassignment and gender transition become more prevalent in a changing society and when they do
they will need to be addressed in accordance with Masonic principles of lawfulness, kindness and
tolerance.
2. GENERAL:
It is important that any situation involving gender reassignment of a Freemason is treated with the
utmost compassion and sensitivity and that the individual is supported throughout the process.
If a Freemason who is a member of UGLE wishes to change gender and become a woman we expect
that the Freemason would receive the full support of their brethren. The privacy of the individual
should be respected and there will normally be no requirement to inform the applicable
Metropolitan, Provincial or District Grand Secretary or the Grand Secretary about this change.
3. APPLICATIONS FOR ADMISSION:
A candidate for admission to Freemasonry under the jurisdiction of UGLE must be a man. Should a
person who has undergone gender reassignment and has become a man apply to become a
Freemason then his application must be processed in the same way as for any other male candidate.
Any qualified candidate for admission may be proposed for membership of a private lodge in
accordance with the provisions in the Rules contained in the Book of Constitutions. No candidate
should be subjected to questions about their gender which could make them feel uncomfortable.
4. CONTINUED MEMBERSHIP: A Freemason who after initiation ceases to be a man does not cease to be a Freemason.
We expect that Freemasons will act with compassion and sensitivity towards their fellow
Freemasons.
We hope that no Freemason would engage in unwanted conduct relating to another Freemason’s
actual or perceived gender reassigment or gender transition. Such conduct would not only be
unmasonic but is also unlawful if it has the purpose or effect of violating the dignity of, or creating
an intimidating, hostile, degrading, humiliating or offensive environment for, the victim.
5. RESIGNATION FROM THE CRAFT:
A Freemason who becomes a woman is not required to resign from the Craft.
If a person resigns from the Craft then they and their dependants might no longer be eligible for
some of the benefits provided by the Masonic charities now or in the future.
6. EXCLUSION FROM A LODGE: A Lodge may vote to exclude any member for sufficient cause. The following grounds would constitute unlawful discrimination and so could never constitute sufficient cause:
- The fact that a member has legally become a woman;
- A mistaken belief that a member has legally become a woman;
- The fact that a member is in the process of transition from male to female; or
- A mistaken belief that a member is in the process of transitioning from male to female.
Similarly a Lodge must not attempt to persuade a member to resign from the Lodge or discriminate
against a member based on any of these grounds. A Lodge must not at any time require a member
to prove that they are legally a man.
7. AMENDMENT: The law and what is considered best practice in this area are developing rapidly. This policy may be
amended from time to time and so please ensure that you are referring to the latest version.
Date adopted: 17 July 2018
Resümee Juli 2018
Freimaurer können sich der gesellschaftlichen Entwicklung und der Änderung von Einstellungen über das richtige Leben nicht entziehen. Das war schon in der Vergangenheit so, und das wird auch in Zukunft so sein. Man kann also die Positionierung der UGLE in dieser schwierigen Frage als rechtzeitige Klarstellung verstehen - getrieben allerdings auch von Gesetzen gegen Diskriminierung. Wegen der jahrhundertelangen Tradition lassen diese die grundsätzliche Single-Sex-Politik der UGLE bei Neuaufnahmen zwar weiter zu, sie schützen aber Mitglieder, die bereits aufgenommen wurden vor Diskriminierung. Die Klarstellung der UGLE soll wohl verhindern, dass in irgendeiner der siebentausend UGLE-Logen irgendwann etwas passiert, was dann zum großen Skandal werden könnte, der alle Vorurteile gegen die (Männer-)Freimaurerei scheinbar bestätigte. Kurz gesagt: aktive strategische Kommunikationspolitik.
Man kann es zusätzlich aber auch so sehen, dass die Single-Sex-Freimaurerei durch diese Entwicklung in völlig neue vor allem innere Schwierigkeiten hineinrutschen wird, und dass die Positionierung der UGLE dies eher verstärkt. Vor allem die Festlegung darauf, dass Transfrauen Brüder bleiben können, kann zu inneren Zerwürfnissen bis hin zur Spaltung inklusive aller medialen Folgen führen. Diese Meinung scheint auch der ebenso kundige wie einflussreiche amerikanische Freimaurer-Blogger Christopher Hodapp zu vertreten. Hier ist sein Blogeintrag vom 2. August 2018 zu diesem Thema:
https://freemasonsfordummies.blogspot.com/2018/08/england-issues-transgender-policy.html
▶️ Postskriptum im Herbst 2018
Die Veröffentlichung der Großloge von England im Juli hat natürlich zu einer lebhaften Diskussion englischer Brüder in den Sozialen Medien geführt. In der Herbstausgabe des UGLE-Magazins „Freemasonry Today“ hat UGLE-Großsekretär David Staples mit dem folgenden Kommentar reagiert. - Hier die Übersetzung von Rudi Rabe mit einem Dankeschön an Brother David, dass wir seinen Text im Freimaurer-Wiki wiedergeben dürfen.
FREEMASONRY TODAY: Grand Secretary's Column - Autumn 2018
Tuesday, 11 September 2018
Als Bruder Rudyard Kipling 1886 in Lahore in die ‚Lodge of Hope and Perseverance‘, Nr. 782, aufgenommen wurde, war er erst 20 Jahre alt. Acht Jahre später, als er in Vermont Bruder Sir Arthur Conan Doyle begegnete, dem Schöpfer des berühmten Sherlock Holmes, schrieb er ein Gedicht für die ‚Pall Mall Gazette‘ mit dem Titel "The Mother Lodge". Es ist eines meiner Lieblingsgedichte, feiert es doch das große freimaurerische Prinzip der Gleichheit. Gleichheit ohne Unterschied von Rang, Rasse, Glaubensbekenntnis, Beruf oder Klasse.
"The Mother Lodge" erzählt von den verschiedenen Charakteren in dieser Lodge, von ihrer Herkunft und ihren Überzeugungen. Während der Blütezeit des kolonialen Indiens trafen sich in der Lodge Hindus mit Katholiken, Juden, Muslimen und Anglikanern; Offiziere saßen bei gewöhnlichen Soldaten und Buchhalter bei Eisenbahnern. Das Gedicht kontrastiert die Standesunterschiede in der damaligen Öffentlichkeit mit dem egalitären Leben in der Loge, wo diese Differenzen hinweggefegt wurden.
Genauso wie heute hatten die Brüder jener Zeit klare Ansichten über eine breite Palette von Themen. Zweifellos glaubten die katholischen Brüder Kiplings, dass der größte Teil ihrer Loge nach dem Tod buchstäblich zur Hölle fahren würde - ein sehr realer und unangenehmer Ort für einen Katholiken des 19. Jahrhunderts! Und dennoch scheint ihre gemeinsame Stärke die gegenseitige Akzeptanz gewesen zu sein, ihre erlebte brüderliche Humanität. Und ihr Wunsch, Gefühle und Überzeugungen beiseite zu lassen; zu versuchen, Unverständliches zu verstehen.
Ich habe in den Sozialen Medien die große Bandbreite der Debatten mit Interesse verfolgt, seit die ‚United Grand Lodge of England’ ihre Politik der Geschlechterdiversität veröffentlicht hat. Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die denken, dass der Wunsch, „eine Tomate zu sein, dich noch lange nicht zu einer Tomate macht", bis weit hinüber auf die andere Seite, wo Menschen das Gefühl haben, ein Wechsel des Geschlechts sollte so einfach sein wie das Wechseln der Unterwäsche.
In unserer großartigen Organisation gibt es genug Raum für diese Meinungsvielfalt, und so war es auch vor 130 Jahren in Lahore in einem kleinen, schwach beleuchteten und staubigen Freimaurertempel. Die Freimaurerei ist so viel größer als das, was jeder von uns glaubt, und wir müssen nicht alle das Gleiche denken. - Dr David Staples, Grand Secretary
Auszug aus dem Gedicht „The Mother Lodge“ von Rudyard Kipling:
- Outside – “Sergeant! Sir! Salute! Salaam!”
- Inside – “Brother,” an’ it doesn’t do no ’arm.
- We met upon the Level an’ we parted on the Square,
- An’ I was Junior Deacon in my Mother-Lodge out there!
- Outside – “Sergeant! Sir! Salute! Salaam!”
Das ganz Gedicht auf Englisch und weitere Gedichte von Rudyard Kipplig mit freimaurerischen Bezügen gibt es hier.
Und hier eine Übersetzung von Oskar Posner.
▶️ Ein weiteres Postskriptum im Winter 2018/19: THE HOT TOPIC
DAS HEISSE THEMA: Unter diesem Seitentitel beschäftigte sich die Winterausgabe des offiziellen UGLE-Magazins „Freemasonry Today“ neuerlich mit diesem Fragenkomplex. Daraus kann man wohl schließen, dass die die Diskussionen, die Unsicherheiten und wohl auch die Meinungsdifferenzen in den Logen der UGLE angehalten zu haben.
Diesmal meldete sich Donald Taylor, Leiter der Rechtsabteilung der United Grand Lodge, zu Wort. Unter CHOICE MATTERS legte er die Motive der UGLE dar und versuchte, Fragen zu beantworten, die sich daraus für das praktische Logenleben stellen.
Der als Interview gestaltete Artikel geht über eine ganze Seite. Hier die Übersetzung von Rudi Rabe.
Warum hat sich UGLE mit dem Thema Neuzuweisung eines Geschlechts beschäftigt und Empfehlungen für ihre Logen formuliert?
Wir wollen den Mitgliedern helfen, die neuen gesetzlichen Vorschriften zu verstehen und danach zu handeln. Diese sind nicht mit anderen Vorgaben für die Antidiskriminierung vergleichbar, bei denen leicht zu verstehen ist, was rechtens ist und was nicht. Einfach weil das Thema Transgender für viele von uns außerhalb unseres Errfahrungshorizonts liegt.
Der zweite Grund für diese Richtlinien ist, dass wir uns auch in diesem Bereich gegenüber den Medien klar positionieren wollen, weil wir sonst leicht missinterpretiert werden. Dadurch können wir viele Vorurteile zurückdrängen, die es in der Öffentlichkeit gegen uns gibt. Zwar haben wir Freimaurer zu diesem Thema durchaus verschiedene Ansichten, letztlich sollten wir alle aber sehr stolz auf unsere Sensibilität sein und auf die Art, wie wir andere Menschen behandeln.
Was sind die entscheidenden Punkte der UGLE-Politik zu diesem Thema?
Es geht um zwei Problemebenen. Erstens darum, wen wir aufnehmen: nämlich nur Männer. Durch die gesetzlichen Anti-Diskriminierungs-Vorschriften sind wir nun aber angehalten, genau zu definieren, was wir unter „Mann“ verstehen.
Dafür können wir nur auf das Gesetz zurückgreifen: Ein Mann ist jemand, der als Mann geboren wurde; ebenso aber jemand, dessen Geburtsurkunde „weiblich“ lautet, der sich aber später dem rechtlichen Prozess einer Neuzuweisung seines Geschlechts unterzogen hat. Wenn ein Mensch als Frau geboren wurde, später jedoch sein Geschlecht rechtskonform verändert hat, dann ist er genauso wie jeder andere Mann berechtigt, von uns aufgenommen zu werden, sofern er die anderen Voraussetzungen erfüllt.
Die zweite Problemebene betrifft Mitglieder, die als Männer geboren und von uns als Männer aufgenommen wurden. Zwar erlaubt das Gleichstellungsgesetz Körperschaften wie Freimaurerlogen, bei der Aufnahme nur ein Geschlecht zu akzeptieren - es wäre jedoch eine ungesetzliche Diskriminierung, jemand, der bereits aufgenommen worden ist, nach der Neuzuweisung seines Geschlechts wieder auszuschließen. Das bedeutet, dass ein männlicher Freimaurer, der nach allen gesetzlichen Regeln eine Frau wurde, das Recht hat, weiter ein Mitglied seiner UGLE-Loge zu bleiben.
Was sollte eine Loge tun, wenn ein Freimaurer ankündigt, sein Geschlecht ändern zu wollen?
Nichts. Wir sammeln keine Informationen über das Geschlecht, es ist eine private Angelegenheit für den Einzelnen. Dessen Privatsphäre sollte respektiert werden. Üblicherweise besteht auch keine Verpflichtung, logenübergeordnete freimaurerische Instanzen zu zu informieren.
Sollte ein Freimaurer, der sein Geschlecht neu zugewiesen bekommen hat, bei uns ausscheiden und sich von einer Frauenloge aufnehmen lassen?
Wenn so jemand um Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit der weiblichen Freimaurerei braucht, werden wir ihn, wenn er das wünscht, unterstützen. Der Wunsche muss aber von ihm kommen. Kein Freimaurer darf unter Druck gesetzt werden, wann und weil er nicht mehr männlich ist. Ob dieses Mitglied bei seiner Loge bleiben oder zu den Freimaurerinnen übersiedeln will, ist ganz allein seine/ihre Wahl.
Muss ein Freimaurer, der sich sein Geschlecht neu zuweisen lässt, den Logensekretär informieren?
Das ist allein seine Sache. Wenn dieses Mitglied der Loge mitteilen will, dass es seinen Namen oder Anrede geändert hat, ist das in Ordnung; aber es bleibt ihm überlassen.
Was sollten die andere Freimaurer tun, wenn ein Mitglied ihrer Loge das Geschlecht geändert hat?
Dies kann eine schwierige Zeit sein, weil diese Menschen oft Unterstützung brauchen und manchmal auch Freunde oder gar Familienmitglieder verlieren. Wenn also eine Lodge Unterstützung bietet, ist dies eine wunderbare Sache.
Natürlich können sich manche Brüder in so einem Fall unwohl fühlen. Ihre Ansichten und Gefühle sind zu respektieren, aber ein Freimaurer sollte immer danach streben, anderen Menschen freundlich und entsprechend den Gesetzen zu begegnen.
Ist dies das letzte Wort der UGLE in dieser Frage?
Nein. Gesetze in diesem Bereich können sich ändern, ebenso Verordnungen und sonstige Richtlinien. Aber unsere Prinzipien bleiben, unsere freimaurerischen Werte und unsere Sensibilität für jene, die von diesem Thema persönlich betroffen sind - zumindest so lange, bis wir gut genug erkennen können, welche Kommentare oder auch Scherzworte dazu akzeptabel sind und welche nicht.
Warum beschäftigt sich die UGLE überhaupt mit diesem Thema?
Obwohl es letztendlich ein Thema ist, das viele Logen nicht berührt und keine Gefahr für die Freimaurerei und ihre Werte darstellt, müssen wir sicherstellen, dass wir das Gesetz korrekt anwenden.
Außerdem ist es ein Thema, bei dem wir der Öffentlichkeit die gemeinsamen Werte der Freimaurerei demonstrieren können. Die UGLE schreibt niemandem vor, was er zu denken oder zu fühlen hat, wohl aber müssen wir den Gesetzen gemäß handeln.
Und so sehr ein Freimaurer mit einem anderen nicht einverstanden sein mag, er sollte ihn dennoch mit Respekt, Würde und Mitgefühl behandeln.
Siehe auch
- UGLE/United Grand Lodge of England
- England 2024: Transfrau wird Stuhlmeister
- Traktat: Transsexualität und Freimaurerei
- Traktat: Freimaurerei und Transgender
Links
Ergänzende FAQs zum Positionspapier der UGLE - Stand Mitte 2018:
http://www.pglwilts.org.uk/media/files/1533399446ugle-gender-reassignment-faqs-2018.pdf
Analoge Erklärung des englischen Order of Women Freemasons:
https://www.owf.org.uk/_webedit/uploaded-files/All%20Files/Gender%20Reassignment%20Policy.pdf
Weitere Medienberichte zum Thema in den Tagen nach Veröffentlichung des UGLE-Positionspapiers:
- https://www.bbc.co.uk/news/uk-45030075
- https://www.theguardian.com/uk-news/2018/aug/01/freemasons-to-admit-women-but-only-if-they-first-joined-as-men?CMP=fb_gu
- https://www.telegraph.co.uk/news/2018/07/30/gender-equality-campaigner-defends-freemason-membership/
- http://www.dailymail.co.uk/news/article-6013141/Freemasons-break-tradition-allow-women-join-brotherhood-born-male.html
- https://www.nytimes.com/2018/08/01/world/europe/uk-freemasons-transgender.html
- https://www.huffingtonpost.co.uk/entry/freemasons-to-allow-women-members-if-they-joined-as-men_uk_5b617fbfe4b0de86f49c5e34?guccounter=2
- http://zurzeit.eu/artikel/bruder-stephanie-englands-freimaurer-regeln-mitgliedschaft-von-transgender-personen_2463
- https://www.ggg.at/2018/08/01/england-trans-frauen-duerfen-freimaurer-bleiben/
- https://bloguniversalfreemasonry.wordpress.com/2018/09/24/what-is-the-role-of-gender-in-esotericism-and-freemasonry/
Andere Links:
- Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität: https://www.dgti.org
- Trans-Austria: http://www.trans-austria.org