Gerd Scherm: Die poetische Kabbala 5

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Die poetische Kabbala 5

Quelle: Von Gerd Scherm http://www.scherm.de/index.php?option=com_content&task=view&id=68&Itemid=99999999


Nach der überirdischen Triade und nach Da'ath beginnt die Zone des Konkreten und damit der Bereich der ambivalenten Sefiroth. Den bereits erwähnten Abyss in jeder Sphäre könnte man als Ambivalenzlinie bezeichnen, jene Markierung, wo eine positive Eigenschaft ins Negative kippt oder umgekehrt.

In der vierten Sphäre Chesed, Barmherzigkeit, finden wir daher zum Beispiel die umsichtige Führungspersönlichkeit ebenso wie den Tyrannen, die Weitsicht ebenso wie die Engstirnigkeit. In der fünften Sphäre Geburah, Stärke, finden sich nebeneinander das Schwert des Henkers und das Skalpell des Chirurgen, das Gesetz, das Freiheit gibt, aber auch den Schuldigen bestraft, die Grausamkeit des Krieges wie die Kraft zu Überleben. Doch dazu später mehr im poetischen Teil, der diesem ambivalenten Sachverhalt besser gerecht werden kann.

Wenn man sich der Qualitäten der einzelnen Sphären, sprich Sefiroth, bewusst ist, kann man gezielt mit ihnen arbeiten. Der aufrichtige Kabbalist wird dabei darauf achten, dass keine Sefirah ein Übergewicht in seinem Denken und Handeln erlangt und so ein Ungleichgewicht entstehen würde. Vielmehr geht es ihm um eine Ausgleichung der Elemente und eine Harmonisierung des Gesamtgefüges.

Bevor ich zum dritten und letzten Teil meiner Ausführungen komme, möchte ich hier noch erwähnen, dass die zehn Sefiroth und die 22 Pfade die Grundlage des Tarot sind, jenes alten Wahrsage-Systems, das sich heute wieder zunehmender Beliebtheit erfreut. Die Zahlenwerte As bis Zehn entsprechen dabei den Sefiroth in ihren vier verschiedenen Elementaspekten – Feuer, Erde, Wasser und Luft, aus denen sich die vier Spielkartenfarben entwickelten. Die 22 Bilder des sog. „Großen Arkanums“ entsprechen den Qualitäten der 22 Pfade des Lebensbaums.

Ein poetischer Gang durch die Sphären der Kabbala

Ich hatte schon bemerkt, dass die Kabbala ein Haus mit vielen Türen ist. Hinter ihnen finden sich vielfältige Gebiete – die Mystik, die Magie, die Numerologie, die Lehre von den verborgenen Worten und den geheimen Namen, die Engelsgestalten und auch die Dämonen. Man kann mit Hilfe kabbalistischer Methoden analysieren und verändern. Einige der neuzeitlichen psychologischen Hilfsmittel wie NLP (neurolinguistische Programmierung), Quatrinity oder gezielte Meditationen sind aus kabbalistischer Sicht Wiederentdeckungen oder „Neuerfindungen des Wasserkochens“. Es gibt Schlüssel zu jeder Tür des großen Gebäudes „Kabbala“, man muss sie nur suchen und finden.

Da ich Schriftsteller und Dichter bin, mich dem Logos und dem Mythos gleichermaßen verpflichtet fühle, versuche ich die Eigenschaften der Sefiroth auf meine, poetische Weise darzustellen. Denn ich weiß, dass die Poesie oft mehr offenbaren kann, als die gescheitesten theoretischen Abhandlungen. Ich habe mich der Kabbala mit Kopf und Bauch genähert und hoffe, dass in meinen Worten etwas von der Kraft zu spüren ist, die mich zu meinen Gedichten inspiriert hat. (9)

Ich lade daher ein zu einem poetischen Gang durch die Qualitäten der Sefiroth, oben beginnend bei Kether, deutsch Krone. Wie bereits erwähnt, wird in etlichen grafischen Darstellungen des Ots Chaim Kether von drei Schleiern umgeben. Diese Darstellungen gehen davon aus, dass auch Kether selbst einen Ursprung haben muss. Dieser Ursprung ist jedoch so fern der Vorstellungskraft des menschlichen Geistes, dass er nicht fassbar ist. Man bezeichnet diese drei Schleier als ain, ain soph und ain soph aur, d.h. „Nichts“, „Nichts wird“ und „Nichts ist“. Kether wird auch „der Alte der Alten“ genannt oder einfach Urpunkt. Die Farbe von Kether ist Weiß.

Fußnoten:

(9) „Die poetische Kabbala", Lyrik, Gerd Scherm, Edition Nunatak, Fürth 1992

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