Johann Heinrich Jung-Stilling

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Johann Heinrich Jung-Stilling

Quelle: Wikipedia

Johann Heinrich Jung (genannt Jung-Stilling) (* 12. September 1740 in Grund im Siegerland; † 2. April 1817 in Karlsruhe) war ein deutscher Augenarzt, Wirtschaftswissenschaftler und Schriftsteller.

Leben

Sein Vater war der Dorfschneider Johann Helmann Jung (1716–1802), der in der Lebensgeschichte „Wilhelm“ genannt wird, seine Mutter Johanna Dorothea geborene Fischer („Dortchen“, evtl. auch Dorte genannt; * 1717) verstarb am 19. April 1742, als Jung 18 Monate alt war. Jung wuchs in einer der damals üblichen Großfamilien auf. Diese zählte zum unteren Mittelstand; neben dem Einkommen des Vaters und Großvaters besaß die Familie ein eigenes Haus und eine teilselbstversorgende Landwirtschaft.

Jung wechselte nach dem Besuch der Dorf- zur Lateinschule, die er mit 14 Jahren verließ. Nach seiner Konfirmation erhielt Jung die erste Schulmeisterstelle. So war er nun regelmäßig von donnerstags bis samstags als Lehrer in Dörfern seiner Heimat tätig. An den übrigen Wochentagen arbeitete er in der Schneiderei seines Vaters.

Nach der Wiederverheiratung des Vaters verließ er als 22-Jähriger seine Heimat. Sieben Jahre hindurch war Jung die rechte Hand des Fabrikanten und Fernhandelskaufmanns Peter Johannes Flender (in den Erzählungen als „Herr Spanier“ bezeichnet) in Kräwinklerbrücke im Bergischen Land. Jung wirkte bei Flender als Kaufmannsgehilfe sowie als Lehrer der Kinder des Patrons und lernte auch selbst weitere Sprachen (Französisch, Griechisch, Hebräisch). Nach einem kurzen Medizinstudium in Straßburg, wo er Johann Wolfgang Goethe und Johann Gottfried Herder begegnete, ließ er sich als praktischer Arzt in Elberfeld (heute zu Wuppertal) nieder. Dort begann er auch mit der augenärztlichen Chirurgie; bis an sein Lebensende operierte Jung-Stilling an die 3.000 Patienten.

Aufgrund mehrerer technischer und ökonomischer Aufsätze in der Fachliteratur erhielt Jung einen Ruf als Professor an die Kameral Hohe Schule in Lautern. Er gab daher seine Tätigkeit als Arzt auf und lehrte ab 1778 in Lautern als Professor der Landwirtschaft, Technologie, Fabriken- und Handelskunde sowie Vieharzneikunde. Als die Kameral Hohe Schule 1784 mit der Universität Heidelberg vereinigt wurde, zog er erneut um. Nach einigen Jahren in Heidelberg lehrte Jung von 1787 bis 1803 als Professor für ökonomische Wissenschaften an der Universität Marburg und wurde 1803 durch Karl Friedrich von Baden, später mit dem Rang eines Geheimen Hofrats in Geistlichen Dingen, zum Berater ohne ein öffentliches Amt berufen. Im Jahre 1798 gründete er zusammen mit dem Oberforstmeister Friedrich Ludwig von Witzleben die Forstlehranstalt zu Waldau.

Wirken in Marburg

Jung-Stilling wohnte im geräumigen Fachwerkhaus Hofstatt 11 in Marburgs Oberstadt. Jung war nach dem Tod seines Schwiegervaters, des Theologen und Philosophen Johann Franz Coing (1725–1792), von der früheren Wohnung am Ende der Barfüßerstraße in das Familienanwesen seiner dritten Frau Elise (1756–1817) in der Hofstatt umgezogen. Hier wirkte er bis zu seiner Entlassung 1803 und dem Wechsel in badische Dienste. Sein Roman „Heimweh“ entstand 1793/94 noch in Marburg.

Jung war der Begründer des Staatswissenschaftlichen Instituts in Marburg 1789. Seine Ernennung verdankte er dem Umstand, dass der für die Professur vorgesehene Leipziger Professor Nathanael Gottfried Leske (1751–1786) auf dem Weg zum Dienstantritt bei Cölbe verunglückte und wenig später in Marburg verstarb. Als Professor für Ökonomie, Kameral- und Finanzwissenschaft wurde Jung 1787 nach Marburg berufen, ein „Selfmademan“, der, aufbauend auf Erfahrungen und Beobachtungen in der heimatlichen Siegerländer Eisenwirtschaft, autodidaktisch umfangreiche Fachkenntnisse erworben hatte. In der Lehre vertrat er anhand selbst verfasster Kompendien Gebiete wie Staatswissenschaft, Forstwissenschaft, Landwirtschaft, Technologie, Handels- und Finanzwissenschaft sowie Polizeiwissenschaft (Verwaltungswissenschaft); auch Tierarzneikunde gehörte zu seinem Ressort. Seine augenärztliche Tätigkeit als erfolgreicher Operateur des grauen Stars, der seine Patienten bis hin in die Schweiz aufsuchte, setzte er ebenfalls in Marburg fort. Jung unterrichtete, wie an vielen Universitäten bis ins 19. Jahrhundert hinein üblich, in einem im eigenen Haushalt eingerichteten Auditorium. „Sein Vortrag ist natürlich, frei, deutlich und lebhaft.“, berichtete 1789 der Pädagoge und „Universitäts-Bereiser“ Friedrich Gedike (1754–1803) an seinen Auftraggeber, den preußischen König Friedrich Wilhelm II. Jungs ab 1798 herausgegebene missionarische Volkszeitschrift „Der Graue Mann“ erregte den Verdacht der Kasseler Aufsichtsbehörden und setzte in Marburg eine Vorzensur für Universitätsschriften in Gang.

Von 1806 bis zu seinem Tod lebte er als Großherzoglich Badischer Geheimer Hofrat Johann Heinrich Jung, genannt Jung-Stilling, in Karlsruhe von einer Pension des Kurfürsten. Warum sich Jung den Namen „Stilling“ beilegte, ist nicht genau bekannt; „still“ bedeutete zu seiner Zeit in erster Linie „friedlich“. Andere Erklärungen verweisen darauf, dass er wegen seiner Zugehörigkeit zu den Stillen im Lande, den Pietisten, Jung-Stilling genannt wurde.

Hohe Bekanntheit erlangte Jung durch seinen Freund Johann Wolfgang von Goethe, der ohne Jungs Wissen den ersten Band von dessen Lebenserinnerungen veröffentlichen ließ: Henrich Stillings Jugend. Eine wahrhafte Geschichte, eine zeitüblich verschlüsselte Autobiographie und wichtiger Vorläufer des Entwicklungsromans.

Die Romane – Geschichte des Herrn von Morgenthau (1779), Geschichte Florentins von Fahlendorn (1781) und Leben der Theodore von der Linden (1783) – zeigen ihn als Vertreter des „empfindsamen“ Erziehungsromans. Mit dem Roman Das Heimweh (1794–1796 in vier Bänden erschienen) begann Jung-Stillings religiöses Spätwerk, das sich durch deutlich vertretene pietistische Positionen auszeichnet. Als einer der einflussreichsten Vertreter des Spätpietismus wurde Jung-Stilling zu einem Wegbereiter der Erweckungsbewegung. Insbesondere durch die Periodika Der graue Mann (1795–1816) und Des christlichen Menschenfreunds biblische Erzählungen (1808–1816) wurde Jung-Stilling zum führenden Erbauungsschriftsteller der Erweckungsbewegung und zu einem der meistgelesenen religiösen Schriftsteller überhaupt.

Freimaurer

Johann Heinrich Jung-Stilling war ein aktives Mitglied im Bund der Freimaurer. Seine Loge war die Karl August zu den drei flammenden Herzen in Kaiserslautern. Um 1812 war er der persönliche Bürge von Max von Schenkendorf bei dessen Aufnahme. Trotzdem konstatiert der Historiker Gerhard Schwinge eine zunehmende Distanzierung Jung-Stillings von der Freimaurerei um 1787.

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