Kronauers Freimaurer-Album aus der Mozart-Zeit

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Johann Georg Kronauers Freimaurer-Album aus der Mozart-Zeit

Eine Untersuchung des österreichischen Freimaurers Gerhard Dorfer von der Loge ‘Rudolf II’ in St. Pölten.


Die Österreichische Nationalbibliothek in Wien besitzt ein handschriftliches Album mit der Signatur 209 979-A, betitelt: „Den hochwürdigen würdigen und lieben Brüdern und Freyenmaurern gewidmet von B. Kronauer, 5783.“

Eine Faksimile-Ausgabe dieses Stammbuchs habe ich vor einigen Jahren von unserem inzwischen verstorbenen Bruder Gerhard Tötschinger zum Geburtstag geschenkt bekommen. Mit ihm hat mich eine über 50-jährige Freundschaft verbunden und es ist mir daher ein Anliegen, diese Untersuchung seinem ehrenden Andenken zu widmen.


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Bei den Recherchen über diesem Album bin ich dann auf das Buch „Mozart and Masonery“ von Paul Nettl gestoßen. Ein Kapitel seines Buches widmet er diesem Album. Dieses Kapitel habe ich als Hauptquelle für diese Untersuchung herangezogen. Ebenso eine unverzichtbare Hilfe war mir Günter Kodeks Buch „Brüder, reicht die Hand zum Bunde“, das Verzeichnis der Mitglieder der Wiener Freimaurer-Logen von 1742 bis 1848.

Doch zurück zum Inneren des Albums: Die zitierte Inschrift auf der Titelseite wird umgeben von Maurerischen Enblemen: dem sechszackigen Stern, dem abnehmende Halbmond, Spitzhammer, Akazie, Lotwaage und Zirkel. Danach folgen auf ungefähr 70 Seiten Eintragungen von Freimaurer-Brüdern.


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Über den Besitzer des Albums Bruder Johann Georg Kronauer wissen wir nicht sehr viel. Er wurde 1743 in Waldeck bei Winterthur in der Schweiz geboren und starb am 2. März 1799 in Wien. Kronauer hat sich nach seinem Geburtsort „von Waldeck“ genannt. Er war in Wien als Lehrer für Französisch tätig. Schon vor 1784 wird er als Schottischer Meister geführt, 1784-85 war er Mitglied der Wiener Loge „Zur gekrönten Hoffnung“, und 1786 bis 1792 Mitglied der Sammel-Loge „Zur neugekrönten Hoffnung“.

Sein Album enthält eine große Anzahl Namen von Personen, die für Mozarts Leben von Bedeutung waren. Mit Sicherheit können wir davon ausgehen, daß er mit den Personen, die sich hier eingetragen haben auch persönlich bekannt war. Das Register am Ende des Albums umfasst 74 Namen.

Die für uns interessanteste Eintragung ist wohl die mit der Nummer 63: Mozart. Compositeur. Sie beginnt auf Englisch: „Patience and tranquillity of mind contribute more tu cure our distempers as the whole art of medicine“. Frei übersetzt etwa: Geduld und Gelassenheit tragen mehr zur Heilung unseres Unbehagens bei als die ganze Kunst der Medizin. Dann setzt er auf Deutsch fort: „Wien, den 30ten März 1787. Ihr wahrer aufrichtiger Freund und O:.Br:. Wolfgang Amadé Mozart Mittglied der sehr Ew:.L Zur neugekrönten Hoffnung im O:.v:.W:.“


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Das Überraschendste an dieser Eintragung ist ihre Abfassung in englischer Sprache, geschrieben in lateinischer Schrift anstelle der üblichen Kurrentschrift, die von Mozart gewöhnlich benutzt wurde. Es sieht so aus, als habe er zu dieser Zeit sein Englisch aufpolieren wollen. Einmal bezeichnet er sich selbst als einen „arch-Englishman“ (etwa: Erz-Engländer), und er hat wohl auch an der „Anglomanie“, die damals in Wien gerade in Mode gekommen war, teilgenommen. Mozart hat sich damals intensiv mit dem Plan beschäftigt, für einige Zeit nach England zu gehen. Eine Absicht übrigens, der sich Vater Leopold erbittert widersetzte. Wolfgang wollte dem Vater die Kinder nach Salzburg schicken die dann dort bei den Großeltern leben sollten, während er sich in England aufhielt. Davon wollte Leopold nichts wissen. Mozart hatte zu dieser Zeit mehrere Schüler von den Britischen Inseln: den irischen Tenor Michael Kelly, den englischen Komponisten Thomas Attword und den Musiker Steven Storace, dessen charmante Schwester Nancy die erste Interpretin der Susanna im „Figaro“ war.

Eine weitere interessante Eintragung in das Album ist die von Otto von Gemmingen: „Natura sequere ducem. 21.III.86 Br.Otto von Gemmingen Mstr.v.Stuhl der s.Ehrw. L Zur Wohltätigkeit im Or.v.Wien.“ (Lass dich von der Natur leiten.)


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Otto Heinrich Reichsfreiherr von Gemmingen stammte aus Heilbronn, wo er 1755 geboren wurde, und er starb 1836, also immerhin 81-jährig in Heidelberg. Er war Hofkammerrat am Kurpfälzischen Mannheimer Hof und schon ab 1763 langjähriger Freud Mozarts seit dessen Aufenthalt in Mannheim. Er hat Mozart finanziell unterstützt und war auch mit dem Schauspieler und freimaurerischen Reformer Friedrich Ludwig Schröder eng befreundet. 1781 bis 1787 lebte er in Wien, affilierte 1782 in die Loge Zur gekrönten Hoffnung und war 1783 Gründungsmitglied der Loge Zur Wohltätigkeit. Er war Stuhlmeister dieser Loge als Mozart dort Ende 1784 aufgenommen wurde.

Seiner Eintragung beigefügt ist eine Scherenschnitt-Silhouette, wie das auch bei Ignaz von Born der Fall ist, dessen intellektuelles Haupt eine eigene Seite schmückt.

Signiert ist der Spruch mit den ineinander verschlungenen Initialen L und B, wobei das L wohl ein seitenverkehrtes J (für Ignaz) darstellen soll. Und gegenüber steht ein Distychon geschrieben: „Omne tulit punctum qui miscuit utile dulci. Utile qui dulci miscuit, omne tulit.“ (Wer das Nützliche mit dem Angenehmen verbindet, hat jeden Preis errungen.)


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Ignaz von Born, 1742 geboren in Siebenbürgen, gestorben in Wien 1791. Er war Mineraloge und Hofrat für das Münz- und Bergwesen. Er war der Bürge von Br. Angelo Soliman und gilt als Vorbild für den Sarastro in der Zauberflöte.

Wenn man von Born spricht, dann sollte man auch den Poeten und Schriftsteller Johann Baptist von Alxinger erwähnen, der im Wien des 18. Jahrhunderts großen Ruhm genoss. In Mozarts Leben spielt er nur eine zweitrangige Rolle, die sich um Mozarts Schülerin Maria Theresia von Trattner dreht, Ehefrau des wohlhabenden Druckers und Papierfabrikanten. Madame von Trattner war, ähnlich wie Frau Gottsched und Marianne Ziegler in Leipzig, ein literarischer Blaustrumpf und Alxinger hat seinen satirischen Witz über sie ergossen. Seine Eintragung in Kronauers Album entbehrt ebenfalls nicht der Satire: „Rara est concordia fratrum“ (etwa: Ein selten Gut ist die Eintracht der Brüder.) Datiert á l`orient de Vienne 19/2/5785 und signiert: „Alxingerus Redner und Mitglied der S.E.w.L Zum Heil.Joseph im Orient v.Wien. K.K.Hof-Agent“


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Sicherlich ist dieser Eintrag charakteristisch für Alxingers Satire. Diese Worte beziehen sich ganz offensichtlich auf die skandalösen Auseinandersetzungen unter den Brüdern, ausgelöst durch die maurerischen revolutionären Umwälzungen die das Freimaurer-Patent von Kaiser Joseph II. im Jahr 1785 mit sich brachte.

Eine weitere literarische Persönlichkeit in Wien war Aloys Blumauer, den Leopold Mozart als Begleiter Borns auf einer Reise nach Gastein erwähnt. Blumauer hat sich als „Redner und Mitglied der S.Ehrw .L Zur wahren Eintracht im Orient v.Wien. K.K.Bücher Censor“ eingetragen und einen lateinischen Spruch des Horaz hinzugefügt: „Rebus angustis animosus atque fortis appare“. (In schwieriger Zeit zeige dich tapfer und stark.)


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Ein weiterer Betrag zu den literarischen Persönlichkeiten ist der von Joseph Franz Ratschky. Er unterzeichnet als: „Redner und Mitglied d.S.Ew.L Zur wahren Eintracht im Orient von Wien. K.K. Presidial Secretaire in Linz, 13.11.5784.“


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Das Datum 13.11.5784 (= 13.11.1784), mit dem Ratschky unterzeichnet, liegt ziemlich exakt einen Monat vor Mozarts Aufnahme, die am 14. Dezember 1784 stattfand. Ratschky ist der Textdichter der von Mozart vertonten „Gesellensreise“.

Als Leopold Mozart anfangs des Jahres 1784 Wien besucht hat, gab der Schauspieler und Dramatiker Johann Heinrich Müller (alias Schröter, er lebte von1738 bis 1815) ein Bankett für 21 Gäste. Das Essen wurde von Leopold gelobt, wenn auch nicht gerade mit überschwänglichen Worten. Müller war ebenfalls mit Mozart befreundet. Im Fasching des Jahres 1783 veranstaltete Mozart eine Pantomime für die er sowohl die Choreographie wie auch die Musik beitrug und zu der Müller einige Verse schrieb. Mozart betrachtete seines zukünftigen Bruders Dichtkunst eher kritisch: „Die Verse – wenn man sie so nennen kann – könnten besser sein. Sie stammen nicht von mir. Der Schauspieler Müller hat sie zusammengepfistert.“ Müller stammte aus Halberstadt und war zuvor Theologe in Halle. An das Wiener Hoftheater war er 1763 gekommen und er hatte gelegentlich mit Mozart zusammengearbeitet. Müllers Eintrag ist datiert mit 17.X.5786 und lautet so:

„Der Schatten auf der Sonnenuhr
Und ein verstellter Freud
Sind gleich. Denn beyde siehst du nur
So lang die Sonne scheint.“

Nie trübes Wetter, wenn es aber ja verhängt seyn sollte, Freunde, die man darin sieht, wünscht dem verehrungswürdigen Besitzer dieser Blätter dessen aufrichtiger Bruder und ergebener Diener J.H.F.Müller, Mitglied des K.K. Nat.Theat.

Der Sekretär des zuvor erwähnten Barons von Gemmingen war Leopold Aloys Hoffmann, ursprünglich ein eifriger und erleuchteter Maurer der sich später zu einem Judas der Freimaurerei gewandelt hat. Zu dieser Zeit war er Professor für deutsche Sprache und Literatur in Pest und Mitglied der Loge „Zur Wohltätigkeit“. Seine Eintragung stammt vom 30.X.1784, also etwa aus der Zeit von Mozarts Initiation, bei der er aber nicht als anwesend geführt wird. Der Eintrag entspricht einem Gedicht von Matthias Claudius:

„Die Welt ist ein Schauplatz. Du kommst, siehst, gehst vorüber und wirst, wer Du auch seiest, vergessen. Glücklich, wenn Dich dies nicht kümmern darf; (und das) wird es nicht, wenn Weisheit und Tugend friedlich unter Deinem Dache wohnen. Dies zum Andenken von Ihrem Freund u. Br. L.A.Hoffmann, Professor in Ofen in Hungarn, Mitglied und Secret.d.S.Ew.L Zur Wohltätigkeit im Orient von Wien. 30.X.1784.“

Dieser Leopold Alois Hoffmann betätigte sich bereits vor seinem definitiven Austritt 1786 als Denunziant und Verfasser und Herausgeber erklärt antimasonischer und antiaufklärerischer Schriften.

Ein weiterer interessanter Eintrag ist der des Königlich Schwedischen Botschafters Baron B.Engström, der sich als Mitglied der L „Zur gekrönten Hoffnung“ im Or.v.Wien mit Datum vom 9.3.1784 eingetragen hat. Sein Spruch lautet: „Oh quantum in rebus inane“. (Oh, wie viel Nichtiges gibt es in der Welt!)

Eine Seite davor ist der auf Französisch geschriebene Eintrag von Josef Martin Kraus, damals „Maitre de Chapelle“ des Königs von Schweden Gustav III. Der Eintrag ist etwas unklar datiert verm. 10. Sept.1783. Zu dieser Zeit befand sich Kraus auf Reisen und traf in Wien mit Gluck, Haydn, Albrechtsberger, Salieri und vermutlich auch Mozart zusammen.

Sein Eintrag lautet: „Les objets, ques nous voyons touts les jours, ne sont pas ceno, ques nous connaissons les mieux.“ (Die Dinge die wir täglich sehen, sind nicht die, die wir am besten kennen.)


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Kraus wird auch der „Odenwälder Mozart“ genannt. Er wurde 1756 in Miltenberg geboren (nicht wie angegeben in Mannheim) und starb 1792 in Stockholm an Tuberkulose.

Bei den Logentreffen muss Mozart auch mit dem Musiker Joseph Zistler, dem Stuhlmeister der Loge „Zur Sicherheit“ in Pressburg bekannt geworden sein. Der Index am Ende des Albums führt ihn unter der Nr.32, dort allerdings als 1. Aufseher und Capellmeister des Fürsten Grassalkowicz. (lt. englischem Kommentar „des Bischofs von Grosswardein“, und zeitgleich mit Dittersdorf.)

Der Eintrag lautet: „Der Tempel ist in dir,/ den mußt du selbsten weihen; Wennst glücklich seyn willst hier,/ und ewigkeitens Reihen. Preßburg, 27.9.5784“

Paul Nettls Text setzt fort: The so-called composer Bauernjöpl is also represented by a rather long poem and a silhouette.

Als erste Eintragung im Album findet sich gegenüber einer namentlich nicht gezeichneten Silhouette tatsächlich ein längeres Gedicht, das die ganze Seite einnimmt und mit J.B. gezeichnet ist: Joseph Baurnjöpl ?


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Das Gedicht - leicht gekürzt:

Ein Maurer ist ein Mann, der durch Vernunft, durch Redlichkeit, durch Fleiß,
Zeit, Welt, Glück, Ehr und Lust kennt und zu brauchen weiß:
Der sein vergnügtes Herz durch muntre Blicke zeiget,
frei denkt, vernünftig sprich und ungezwungen schweiget.
Der keinen Menschen drückt, der jedem gleich vergiebt,
der alle Brüder nennt, und sie als Brüder liebt. …
Der, wenn er liebet, sich und andere glücklich macht,
der Thorheit, Argwohn, Neid und Eigensinn verlacht. …
Der eine edle That an Feinden selbst verehret,
und den der Undank nie in seinem Wohlthun stöhret.
Der unverändert bleibt, und wenn die Welt zerfiell.
Der, wenn er sterben muß nicht länger leben will. …

Im schon erwähnten Register am Ende des Albums wird unter der No.4 angeführt: Baurnjöppel, Redner der S. Ewst.L „Zur Beständigkeit“ im O.v.Wien, K.K. Hof-Concipist in der vereinigten Böhmisch-u. Österreichischen Hof- und Staatskanzley.

Günter Kodek führt Joseph Michael Baurnjöpel (19.2.1739 bis 8.3.1795) ebenfalls unter dieser Berufsbezeichnung und als Schriftsteller. Hinweise auf den „so-called composer“ und eine nähere Beziehung zu Mozart sind nicht auszumachen.

Schließlich noch Wenzel Tobias Franz Epstein, Edler von Ankerberg, *1757 in Preßburg, + 1824 in Wien, laut Nettl ein Mann jüdischen Glaubens, Zweiter Aufseher und Mitglied der Loge „Zur gekrönten Hoffnung“ im Or. Wien, lt. Günter Kodek Präsidialsekretär des Gouverneurs von Tirol in Innsbruck, danach k.k.Hofsekretär in der böhmischen Hofkanzlei, Kunstkenner, Numismatiker, Sammler und Jounalist schrieb sich in das Album ein, wie folgt: „Rabbi Alieser Schamuenssohn sprach: Schäzze deine Lehrlinge, wie dich selbst, trage Achtung für deine Mitgesellen, als wären sie deine Lehrer. Verehre deinen Meister, als wäre er dir unmittelbar von Gott vorgesetzt. Aus den Originaltexten des Buches der Väter, 4te Abtheilung. Wien, am 21.III.5786


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Das war nur eine kleine Auswahl der 74 Namen im Freimaurer-Stammbuch des Johann Georg Kronauer. Es enthält nicht nur Einträge von Freimaurern, die in Wien ansässig waren, sondern auch eine Reihe von Reisenden, wie etwa Friedrich Münter aus Kopenhagen, der Hof-Medailleur Abramson aus Berlin (in hebräischer Schrift) oder der Maler H.T.Löwen auch aus Berlin. Und weitere …

Und zu guter letzt findet sich unter den 74 Eintragungen ins Album überraschender Weise auch eine Dame. Sie hat sich mit Silhouette und Papierblume eingetragen und den folgenden Vers beigesteuert:

„Auf Verlangen.
Da durch die Sympathie vom großen Bruderband
Ich unbekannterweis mit einem Mann verwandt,
weil ihn mein Oheim Bruder nennet;
So schreib ich, stolz, mein Herr! Auf ihr Gesuch
Zum Denkmal mich in dieses Maurerbuch.
Doch bleib mein Name jedem unbekannt.“


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Siehe auch

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