Rezension: Jan Assmann - „Religio duplex – Ägyptische Mysterien und europäische Aufklärung“

Aus Freimaurer-Wiki

Rezensionen.jpg

Rezension: Jan Assmann - „Religio duplex – Ägyptische Mysterien und europäische Aufklärung“

„ … in der alle Menschen übereinstimmen“

Rezension von Rudi Rabe aus Wien

In der frühen Neuzeit entstand die Vorstellung einer doppelten Religion: Neben der damals verbindlichen (christlichen) Offenbarungsreligion, die von Priestern verkündet und von der Macht benutzt wurde, entwickelte sich die Idee einer allen Menschen gemeinsamen und machtfreien Urreligion, die sich der Vernunft von selbst erschließt. Darum geht’s in diesem Buch.

Freimaurern kommt das irgendwie bekannt vor

Assmann-Religio-duplex.jpg

Klar: 1723, die 'Alten Pflichten' ('Old Charges'), der masonische Urtext aus England: Anders als früher seien Maurer nicht mehr zur Religion ihres Landes zu verpflichten, sondern zu jener, „in der alle Menschen übereinstimmen“. Religio duplex! Religionsfreiheit! Bei uns heute selbstverständlich, aber im 18. Jahrhundert ein revolutionärer Ansatz! Entsprechend wichtig war und ist das den Freimaurern.

Jan Assmann erzählt, wie sich diese Vorstellung entwickelt hat: ausgehend vom damals modischen Rückgriff auf das alte Ägypten bis zur Hochaufklärung. Höhepunkt: Lessings Ringparabel.

'Religio duplex' heißt heute: Kulturelle Differenzen akzeptieren!

Assmann übersetzt die Idee dann auch noch in unsere Zeit: Jeder von uns ist Teil einer partikularen Wertekultur und zugleich der immer konkreter werdenden Weltzivilisation. Zwischen den partikularen Wertekulturen kann es natürlich Differenzen geben. Wenn diese den weltzivilatorischen Standards nicht widersprechen, müssen wir die Unterschiede nicht nur tolerieren (dulden) sondern anerkennen: eine säkulare Religio duplex.

Der Titel verrät es nicht, aber 'Religio duplex' ist ein masonisches Buch. Schon das Inhaltsverzeichnis kündigt vier (von neun) Freimaurer-Kapitel an. Und bald wird klar: Die Wiener Freimaurer waren bei der Entwicklung dieses Gedankens besonders engagiert. Auf fast hundert (von 360) Seiten referiert Jan Assmann, was er darüber im „Journal für Freymaurer“ gefunden hat. Das Journal erschien Ende des 18. Jahrhunderts in Wien.

Siehe auch