Traktat: Freimaurerei und Frauenlogen

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Freimaurerei und Frauenlogen

von Dr. Renate Schatzke-Bienert

Text aus dem Begleitband zur Ausstellung im Historischen Museum Hannover:
Freimaurer—Geheimbund oder Ethikschule? (4.9. 2012 – 6.1.2013)
(Zahlen 2015 aktualisiert)


Weltweit gibt es zunehmend mehr Freimaurerinnenlogen: in Europa und den USA, in Australien, Afrika, Asien und sogar in China.
Diese Tatsache löst immer wieder Erstaunen aus, denn ursprünglich versteht sich die Freimaurerei explizit als Männerbund, der sich nach etablierter Vorstellung mit der Gründung der englischen Großloge 1717 konstituierte.

Historischer Hintergrund

1723 legte der Freimaurer Reverend Anderson mit den so genannten Alten Pflichten die Grundlagen dieses Bundes dar: „Die als Mitglieder einer Loge aufgenommenen Personen müssen gute und aufrichtige Männer sein, von freier Geburt, in reifem und gesetztem Alter, keine Leibeigenen, keine Frauen, keine sittenlosen und übel beleumdeten Menschen, sondern nur solche von gutem Ruf“.
Abgesehen davon, dass vor 289 Jahren nur eine kleine Minderheit der männlichen Bevölkerung Englands als frei gelten konnte, entsprach der Ausschluss von Frauen durchaus ihrer damaligen gesellschaftlichen Stellung. Frauen waren unfrei, denn sie hatten keine gleichen Rechte und blieben vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Sie besaßen in der Regel weder eigenes Geld noch konnten sie lesen und schreiben. In der Argumentation, Frauen seien historisch gesehen niemals Steinmetze, Architekten oder Maurer gewesen, sah und sieht dieser sich aus der Tradition der mittelalterlichen Bauhütten ableitende Bund einen weiteren Grund für den Ausschluss von Frauen.
Tatsächlich gab es in mittelalterlichen Steinmetzgilden auch Frauen. Oft waren es Ehefrauen und Witwen, Töchter oder Schwestern von Steinmetzen. Namentliche Nennungen sind selten, denn die Arbeiten der Steinmetzinnen wurden dem jeweiligen Mann zugeordnet.1 Auch in der spekulativen Freimaurerei gab es bereits im 18. Jahrhundert Frauen, die in maskuline Logen aufgenommen wurden.
1712 wurde Elizabeth Aldworth (1693-1772) in der Loge ihres Vaters initiiert. Die Grabtafel an der Kathedrale Saint Fin Barre in Cork in Irland weist auf ihre Logenzugehörigkeit hin.2 Ein weiteres Beispiel ist die amerikanische Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hannah Mather Crocker (1752-1779). Sie war Mitglied und vermutlich Meisterin vom Stuhl der Bostoner St. Andrews Lodge in den 1770ern. Eine ihrer bekanntesten Werke ist A Series of Letters on Free Masonry.

1 Vgl. Kidd, Karen: Haunted Chambers, S.1-12.
2 Seidler, Guntram: Frauen und Freimaurerei, S.9

Adoptionslogen und gemischte Logen

Über einhundert im Rahmen der Ritualforschung der Universität Heidelberg analysierte Rituale belegen die Mitgliedschaft von Frauen in Logen bereits im 18. und im 19. Jahrhundert. Die so genannten Adoptionslogen nahmen beide Geschlechter auf und waren keineswegs eine Erfindung der Männer, um Frauen von ihrem Bestreben nach Aufnahme in eine Männerloge abzuhalten.3 Von ca. 1740 bis 1774 arbeiteten sie vielfach selbstständig und ohne Kontakt zu einer Männerloge, wobei der Begriff Adoption im freimaurerischen Kontext Zulassung bzw. Initiation bedeutet. Diese Logen arbeiteten nicht in der uns bekannten Symbolik der Werkzeuge, sondern bezogen sich auf die biblisch-christliche Tradition.
Bis zur Zeit der Französischen Revolution waren die weiblichen Mitglieder vor allem hochgebildete Aristokratinnen. So amtierte beispielsweise die Prinzessin von Bourbon von 1775 bis 1789 als Großmeisterin aller französischen Adoptionslogen.4 In der Zeit der höfischen Freimaurerbewegung kam es zu verschiedenen Ordensgründungen. Wilhelmine von Bayreuth (1709-1758), Lieblingsschwester Friedrich II. und Gesprächspartnerin der Freimaurer Voltaire und Christian Wolff, gründete als geistreiche und gesellschaftspolitisch aktive Frau der Aufklärung den Eremitenorden. Die Kurfürstin Maria Antonia von Sachsen (1724-1780) war Gründerin des Ordens der Freundschaft.5 Wie groß das Interesse von Frauen schon im 18.Jahrhundert an der Freimaurerei war, zeigen eine Reihe von Theaterstücken und nicht zuletzt die Zauberflöte des Freimaurers Mozart.

Grand Orient de France
Musée de la Franc-maçonnerie, coll. GODF

1774 gab die französische Großloge ‚Grand Orient de France‘ den Adoptionslogen neue Regeln. Männer wurden fortan nur in maskulinen Logen initiiert. Nach 1815 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kamen die Mitglieder zunehmend aus dem Bürgertum. 1882 wurde die Schriftstellerin Marie Deraismes in die Männerloge Les Libres Penseurs bei Paris aufgenommen. Sie gründete 1893 gemeinsam mit dem Freimaurer Georges Martin die erste gemischtgeschlechtlich arbeitende Großloge, den Orden Le Droit Humain mit heute 40.000 Mitgliedern weltweit. Mit dieser Organisation hatten beide den Grundstein für die spätere Entstehung von Frauenlogen gelegt.

The Order of Women Freemasons

Die in eine Pariser Loge des Droit Humain aufgenommene Theosophin Annie Besant brachte die gemischte Freimaurerei (Co-Masonry) nach England und 1902 entstand die erste Loge dieses Ordens in London. 1908 gründete eine den französischen Einfluss im Droit Humain ablehnende Gruppe den ebenfalls gemischten Orden The Honourable Fraternity of Antient Masonry, der sich seit 1935 als reine Frauengroßloge versteht und heute unter dem Namen The Order of Women Freemasons weit über die Britischen Inseln hinaus mit über 10.000 Mitgliedern in 358 Logen arbeitet. 1999 wurde diese Frauengroßloge von der maskulinen englischen Großloge (UGLE) als freimaurerisch regulär arbeitend erklärt—bis darauf, dass sie Frauen sind.6
In Frankreich gründete die Grand Loge de France 1901 erneut Adoptionslogen, aus denen sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Frauengroßloge von Frankreich Grand Loge Feminine de France mit heute 12.000 Mitgliedern entwickelte.
1921 gründete die Großloge Droit Humain in Frankfurt/Main die erste Loge in Deutschland, in der Frauen und Männer gleichberechtigt aufgenommen wurden. Insgesamt sind derzeit vier gemischte Großlogen mit etwa 18 Logen in Deutschland vertreten.

3 Vgl. Snoek, Jan: Die Adoptionslogen des 18. Jahrhunderts – ein Spielchen für Mädchen?, S.2.
4 Ebd., S.10.
5 Vgl. Jessen, Elsje: Freimaurerische Rituale in gemischten und feminien Orden, S.108.
6 Vgl. http://www.masonicinfo.com/women.htm

Feminine Freimaurerei in Deutschland

Anders als in England und Frankreich entwickelten sich die Frauenlogen in Deutschland nicht aus den gemischten Logen heraus. Nachdem die maskuline Freimaurerei ab 1933 bis 1945 zwangsaufgelöst und mitgliedermäßig erheblich ausgeblutet wurde, begann die freimaurerische Arbeit nach dem Krieg in den Westzonen mit Unterstützung der West-Allliierten. In West-Berlin hatten einige wenige Brüder erkannt, dass der freimaurerische Gedanke kein männliches Monopol ist. Trotz der ablehnenden Haltung westdeutscher Großmeister setzten die Berliner Brüder 1949 nach einer Flut von Anmeldungen interessierter Frauen den freimaurerisch arbeitenden Frauenzirkel Zur Humanität in Berlin in Arbeit. Dieser Zirkel sollte später die erste Loge der Frauengroßloge von Deutschland werden. Die Brüder gaben den Frauen Unterricht über die Geschichte und Inhalte der Freimaurerei, nahmen an allen Tempelfeiern teil, gaben Rituale fragmentarisch weiter, übten die Oberaufsicht aus. Die Frauen der ersten Stunde hatten einen besonderen Einsatz zu leisten. Ritualgegenstände wie Teppiche, Kerzen, Blumen bis März 1953 mussten für jede Tempelfeier zum Teil aus größerer Entfernung mit dem Handwagen herangeschafft werden und jede Frau brachte zum Heizen des Ofens ein Stück Kohle und ein Stück Brennholz mit.7
In den 70er Jahren intensivierten Berliner Schwestern den Kontakt zu interessierten Frauen in der Bundesrepublik. Frauen aus Westdeutschland wiederum traten mit dem Wunsch nach freimaurerischer Arbeit immer wieder den weiten und durch die Teilung Deutschlands auch beschwerlichen Weg nach Berlin an, denn dort fanden damals alle Aufnahmen statt.

7 Vgl. Chronik der FGLD, S.76 und 52.

Die Frauen-Großloge von Deutschland

Im Jahr 1982 waren genug Frauen in Berlin eingeweiht worden, so dass das Gründungsritual der nunmehr drei Frauenlogen sowie die Einsetzung der Stuhlmeisterinnen ausgeführt werden konnte, ebenfalls von Brüdern.
Mit drei Logen wurde 1982 endlich die Frauengroßloge von Deutschland gegründet. 2015 arbeiten cirka 450 Schwestern in 24 Frauenlogen selbstständig, selbstbewusst und rituell getrennt in respektvoller Zusammenarbeit mit Brüdern in Logenhäusern der maskulinen Logen. Im gleichen Jahr gibt es sieben Arbeitskreise mit dem Ziel der Logengründung. Schwestern arbeiten gezielt in Gremien der Frauengroßloge wie dem Ritualkollegium und der Ritualkonferenz und in einem Forschungs- und Bildungskolleg.
Es bestehen gute und informelle Kontakte zur Repräsentanz der maskulinen Freimaurerei in Deutschland, den Vereinigten Großlogen von Deutschland VGLvD. Dies drückt sich in wechselseitigen Einladungen zu Versammlungen und Treffen aus, wie zum Beispiel den Tagungen der Akademie Forum Masonicum oder der maskulinen Forschungsloge Quatuor Coronati, wo intensive Diskussionen über Fragen der Freimaurerei und der Gesellschaft stattfinden. Auch Tempelfeiern mit Gästen, Schwestern und Brüdern (Weiße Arbeit) fördern die Zusammenarbeit.
Die Frauengroßlogen aus Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien, Portugal, Schweiz, Spanien und der Türkei Europas sind Mitglieder eines eigenen Dachverbandes, dem CLIMAF, Centre de liaison international de la maçonnerie feminine. Dieser europäische Zusammenschluss ermöglicht den interkulturellen Gedankenaustausch sowie und die gemeinsame Bearbeitung eines aktuellen gesellschaftspolitischen Themas im zweijährigen Turnus. Die Ergebnisse dieser gemeinschaftlichen Reflexion werden auch der Öffentlichkeit präsentiert, die dadurch einen Einblick in die Arbeit der Freimaurerinnenlogen 8
Die Schwestern der Frauengroßloge von Deutschland sind sich ihrer Geschichte und ihres mit großer Kreativität und Engagement gefundenen Weges bewusst. Drei Generationen von Freimaurerinnen in Deutschland haben bewirkt, dass Frauenlogen inzwischen zum Bestandteil der freimaurerischen Landschaft gehören.

8 Vgl. http://www.freimaurerinnen.de/grossloge.html.

Literatur

  • Chronik der Frauengroßloge von Deutschland (FGLD) Teil I, hrsg. von FGLD, Berlin 2004.
  • Jessen, Elsje: Symposium für internationale Ritualforschung an der Uni Heidelberg. „Freimauerische Rituale in gemischten und femininen Orden“, in: Der Zirkel, hrsg. FGLD, Jahrg.56, Nr.3 (2005), S.108.
  • Kidd, Karen: Haunted Chambers. The Lives of Early Women Freemasons, New Orleans 2009.
  • Seidler, Guntram; Frauen und Freimaurerei. Zur Geschichte der femininen Freimaurerei, Halle 2011.
  • Snoek, Jan: Die Adoptionslogen des 18. Jahrhunderts-ein Spielchen für die Mädchen?, in: Quatuor Coronati Jahrbuch für Freimaurerforschung, hrsg. von Freimaurerische Forschungsgesellschaft e.V. und der Forschungsloge Quatuor Coronati, Bayreuth Nr.808 der Vereinigten Großlogen von Deutschland, Nr.48/2011, Bayreuth 2011.

verwendete Links

Siehe auch