Traktat: Hinweise zur Wolfstieggesellschaft von Michael Thomas Holstein

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Die Wolfstieg-Gesellschaft (gegründet 2020)

Die Wolfstieg-Gesellschaft, unabhängige Freimaurerforschung, Gründung 1913 e.V.[1] (im Folgenden WSG abgekürzt) ist ein am 3. August 2020 ins Vereinsregister eingetragener Verein[2] mit Sitz in Bad Homburg vor der Höhe. Obwohl der Name das historische Gründungsjahr 1913 einer Vorgängerorganisation prominent führt, wurde die Satzung des heutigen Vereins erst am 30. Mai 2020 errichtet[3] und der Verein am 27. Mai 2020 wiedergegründet[4].

1. Gründung und historischer Bezug

1.1. Neugründung 2020

Die Gesellschaft wurde formal am 27. Mai 2020 wiedergegründet[4], die Satzung am 30. Mai 2020 errichtet[3] und der Verein am 3. August 2020 ins Vereinsregister eingetragen[2]. Der Sitz in Bad Homburg vor der Höhe wurde gewählt, da dort laut Eigendarstellung 1926 eine Wiederbelebung der historischen Wolfstieg-Gesellschaft stattgefunden haben soll[5].

1.2. Bezugnahme auf die historische Wolfstieg-Gesellschaft (gegr. 1913)

Die heutige WSG bezieht sich auf die historische „Gesellschaft zur Förderung der freimaurerisch-wissenschaftlichen Forschung“, die 1913 im Umfeld des „Vereins deutscher Freimaurer“ gegründet wurde und erst 1926 den Namen Wolfstieg-Gesellschaft erhielt. Im Aufnahmeantrag stellt die heutige Gesellschaft die Historie wie folgt dar: Der ursprüngliche Verein habe während der Inflationszeit (1920er-Jahre) seine Arbeit „vorübergehend eingestellt“, sei aber 1926 in Bad Homburg „fortgeführt“ und wie alle freimaurerischen Organisationen 1935 verboten worden. „Im Jahr 2020 wurde er wieder ins Leben gerufen.“[5]

Durch die Angabe des Gründungsjahres 1913 im offiziellen Vereinsnamen[1] und die Darstellung ihrer Geschichte im Aufnahmeantrag[5] suggeriert die heutige WSG eine historische Kontinuität seit 1913. Faktisch handelt es sich jedoch um eine späte Neugründung im Jahr 2020[4] nach einer Unterbrechung von 85 Jahren seit dem Verbot (1935) bzw. fast einem Jahrhundert seit der wahrscheinlichen Inaktivität der ursprünglichen Gesellschaft (ca. 1922). Während dieser langen Zeitspanne ist keine institutionelle oder personelle Kontinuität zur ursprünglichen Gesellschaft nachweisbar.

Diese Diskrepanz zwischen der durch den Namen suggerierten Kontinuität und der späten Neugründung ohne direkten historischen Anschluss führt zu Bewertungen, dass es sich hierbei um eine Form der ‚historischen Aneignung‘ bzw. ‚Vereinnahmung‘ handelt. Die Wahl des Namens „Wolfstieg“ erscheint somit als strategischer Schritt, um vom Ansehen des bekannten Freimaurerforschers August Wolfstieg und der Reputation der ursprünglichen Gesellschaft zu profitieren und der Neugründung eine historische Legitimität zu verleihen, die sie faktisch nicht besitzt.

2. Organisation und Leitung

2.1. Vereinsdaten und Gründung

  • Name: Wolfstieg-Gesellschaft, unabhängige Freimaurerforschung, Gründung 1913 e.V.
  • Rechtsform: eingetragener Verein (e.V.)
  • Sitz: Bad Homburg v. d. Höhe
  • Vereinsregister: VR 2268, Amtsgericht Bad Homburg v. d. Höhe
  • Satzungserrichtung: 30.05.2020
  • Eintragung ins Vereinsregister: 03.08.2020

2.2. Vorstand

  • Vorstand vom 03.08.2020 bis 30.06.2022:
    • Vorsitzender: Giovanni Grippo.
    • Stellvertreter: Arno Moos.
    • Sekretär: Riccardo Faraldi.
  • Vorstand seit 30.06.2022:
    • Vorsitzender: Markus G. Schlegel. Bereits vor seiner Wahl zum Vorsitzenden war er für das FML Magazin verantwortlich (nach § 5 TMG, Stand Dezember 2020) und repräsentiert die WSG öffentlich.
    • Stellvertreterin: Nadine Grimmig. Grimmig (früher Nadine Klein) wird auch als Vorstandssprecherin bezeichnet. Sie hat den akademischen Grad Magister Artium (M.A.) und wird als Archäologin und Kunsthistorikerin beschrieben. Sie leitete die WSG-Abordnung Rhein-Neckar und ist als Autorin, Mitwirkende und Herausgeberin für WSG-Publikationen und Kolloquien tätig.
    • Sekretär: Riccardo Faraldi. (Weiterhin im Amt).

3. Selbstverständnis und Ziele vs. Beobachtete Ausrichtung

3.1. Dargestellte Ziele

Als Zweck des Vereins wird im Aufnahmeantrag genannt: „[...] die Förderung freimaurerisch-wissenschaftlicher Forschung, die nicht-freimaurerische Öffentlichkeit über die Freimaurerei aufzuklären sowie verschiedene in- und ausländische Forschungskreise, -gesellschaften und -logen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu vernetzen.“ Erreichen will die WSG dies, „indem sie öffentliche Vorträge und Kolloquien veranstaltet, Informationsmaterial bereitstellt und Publikationen herausgibt, mit ihren Interessen an die Öffentlichkeit tritt und Projekte Dritter oder von Vereinsmitgliedern und Fördermitgliedern unterstützt.“[5] Auf ihrer Webseite bezeichnet sie sich zudem als „unabhängige Forschungsgesellschaft“[6] und Förderer „großlogenübergreifender“ Diskussion[7].

3.2. Thematischer Fokus in der Praxis

Die Analyse der tatsächlichen Aktivitäten und Publikationen der WSG deutet jedoch auf einen thematischen Schwerpunkt hin, der von externen Beobachtern als im Widerspruch zum Anspruch einer breit gefächerten, unabhängigen Forschung stehend bewertet wird.

Die Themen der von der WSG organisierten Kolloquien und der in ihrer Publikationsreihe „Freimaurerlicht“ (FML) veröffentlichten Beiträge konzentrieren sich auffällig oft auf spezifische, eher esoterische Strömungen und historische Komplexe der Freimaurerei. Beispiele hierfür sind Kolloquien und Publikationen zur Alchemie, zu Alessandro Cagliostro und der sogenannten Ägyptischen Freimaurerei, zur Strikten Observanz und dem Templer-Mythos, zu den Freigärtnern sowie zur Symbolik des Schwetzinger Schlossgartens unter hermetischen und alchemistischen Gesichtspunkten[8]. Der Giovanni Grippo Verlag, dessen Inhaber Giovanni Grippo (siehe Abschnitt 2.2 und 4.1) eine Schlüsselrolle in der WSG spielt(e), hat einen deklarierten Schwerpunkt auf Esoterik (Kabbala, Alchemie, Hermetik, Magie etc.), Rosenkreuzertum, Golden Dawn, Templerorden und Cagliostro[9].

Diese thematische Ausrichtung auf Esoterik und spezifische Ordenstraditionen sowie die Beschäftigung mit als parawissenschaftlich bezeichneten Themen wird als Grund für Kritik an der wissenschaftlichen Seriosität der WSG genannt. Es wird argumentiert, dass dieser Fokus die bekannten Interessen von Schlüsselfiguren wie Giovanni Grippo und die Ausrichtung wichtiger Partnerorganisationen wie der Strikten Observanz der Templer (SOT) widerspiegelt (siehe Abschnitt 4). Die Forschungsagenda der WSG erscheine dadurch weniger von unabhängiger wissenschaftlicher Neugier als vielmehr von der spezifischen Ideologie des Netzwerks bestimmt.

4. Organisatorische Verflechtungen und Kooperationen

Die Wolfstieg-Gesellschaft (WSG) operiert nicht isoliert und unabhängig, sondern ist integraler Bestandteil eines engmaschigen Netzwerks von Personen, eines Verlags, Logen und anderen Organisationen. Die Analyse der vorliegenden Quellen zeigt insbesondere zentrale Verbindungen zu Giovanni Grippo, seinem Verlag und der Strikten Observanz der Templer (SOT).

4.1. Giovanni Grippo und der Giovanni Grippo Verlag

Giovanni Grippo (siehe Abschnitt 2.2) nimmt eine zentrale Stellung im Netzwerk der WSG ein. Er war nicht nur erster Vorsitzender (2020-2022) und Sekretär[1] der WSG, sondern auch Gründer (2007) und Inhaber des Giovanni Grippo Verlags[9]. Dieser Verlag publiziert die meisten Buchveröffentlichungen sowie das Magazin „Freimaurerlicht“ (FML) der WSG. Grippo tritt zudem als Autor bei der WSG auf[8].

Darüber hinaus ist Grippo in verschiedenen freimaurerischen und verwandten Gruppierungen aktiv: Er ist Stuhlmeister der Loge „Zum flammenden Schwert“ (ZfS) in Darmstadt (seit 2013)[10] und trieb die Gründung der Loge „Zum brennenden Dornbusch“ (ZbD) in Alzey maßgeblich voran (beide Logen traten aus der Großloge GLLFvD aus)[11]. Er leitet seit 2008 die unabhängige „Vereinigung von Andreasbrüdern zu Darmstadt“ (VvAb)[10], die laut eigenen Angaben die Schottische Meisterloge der SOT wiederbelebt hat und an der Gründung der WSG beteiligt war[12]. Die Verbindung dieser Darmstädter Gruppen zur WSG wird auch auf der Webseite der Darmstädter Freimaurer dargestellt[13].

Aufgrund dieser multiplen Rollen – als ehemaliger WSG-Vorsitzender, Verleger der WSG-Materialien, Autor, Leiter verbundener Logen[13][10] und Mitinitiator der SOT[12] – wird Grippo als zentraler Knotenpunkt des Netzwerks und treibende Kraft hinter dessen ideologischer Ausrichtung (insbesondere hin zu Esoterik und Neotemplertum) beschrieben. Diese Konstellation wird kritisch gesehen, da sie ein erhebliches Potenzial für Interessenkonflikte und Befangenheit bei der Auswahl von Themen, der Methodik und der Ergebnisinterpretation in den WSG-Publikationen berge. Der Verlag wird als „logistisches Rückgrat“ des Netzwerks bezeichnet, die WSG mitunter als „Verkaufsplattform“ für die Verlagsprodukte.

4.2. Verbindung zur Strikten Observanz der Templer (SOT)

Eine weitere signifikante Verbindung besteht zur Strikten Observanz der Templer (SOT)[14], einer modernen Organisation, die sich auf das historische Freimaurersystem des 18. Jahrhunderts beruft und laut Freimaurer-Wiki ihren Mitgliedern die Zusammenarbeit mit der WSG empfahl[15]. Die personellen und organisatorischen Überschneidungen sind deutlich:

  • Arno Moos (siehe Abschnitt 2.2), Mitgründer und ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der WSG, wurde im Juli 2023 zum Großmeister der Schottischen Meister (1. Abteilung) der neu gegründeten SOT ernannt[16]. Seine Loge „Zum brennenden Dornbusch“ (ZbD) gilt als Kooperationsloge der SOT[17] und wurde von ihm bei öffentlichen Veranstaltungen in Darmstadt 2025 vertreten[10].
  • Giovanni Grippo wird als Mitinitiator der Zeremonialstruktur der SOT bezeichnet, und seine Andreasbrüder-Vereinigung belebte die Schottische Meisterloge der SOT wieder[12]. Seine Loge „Zum flammenden Schwert“ (ZfS) gilt ebenfalls als Kooperationsloge der SOT[17] und wurde von ihm beim „Frühlingserwachen“ 2025 vertreten[10].
  • Weitere Verbindungen zeigen sich durch Personen wie Michael Smuda[18], der im Kontext der SOT-Struktur genannt wird und 2025 die „Vereinigung von Andreasbrüdern“ (VvAb) öffentlich vertrat[10], sowie durch Autorenbeiträge von mit der WSG assoziierten Personen wie Rüdiger Frommer[19], Ovidiu Bretan[20] und Sabine Smalian[21] auf der Webseite der SOT. Smalian trat 2025 zudem als Vertreterin der Darmstädter Loge „Zur weißen Taube“ (ZwT) in Erscheinung[10].

Diese engen Verbindungen auf Führungsebene und die Kooperation der genannten Darmstädter Logen[10] lassen den Schluss zu, dass die SOT der ideologische Kern des Netzwerks sein könnte und die WSG als Plattform zur Legitimierung und Verbreitung der spezifischen esoterischen und neotemplerischen Ausrichtung der SOT dient.

4.3. Weitere Kooperationen

Die WSG pflegt weitere Kooperationen, die ebenfalls auf das thematische Umfeld der SOT verweisen:

  • Die Forschungsloge „Les trois colonnes“ aus Frankreich, die zur „Grande Loge Écossaise de Stricte Observance“ (GLSESO) gehört, kooperiert eng mit der WSG[22]. Gemeinsam wurde beispielsweise im Juli 2023 ein öffentliches Kolloquium zum „Wilhelmsbader Konvent 2.0“ in Wilhelmsbad organisiert. Der Leiter der Forschungsloge, Laurent Bernhard, wird ebenfalls dem Kontext der französischen SOT zugeordnet.

Eine Liste weiterer „Freundschaften, Mitgliedschaften und Kooperationen“ findet sich auf der Webseite der WSG[22].

5. Wissenschaftlichkeitsanspruch und Methodik

5.1. Anspruch auf "wissenschaftliche Forschung"

Die WSG bezeichnet sich selbst explizit als „unabhängige Forschungsgesellschaft zur Förderung der freimaurerisch-wissenschaftlichen Forschung“[5][6]. Zur Umsetzung dieses Ziels nutzt sie Formate, die im akademischen Umfeld üblich sind, wie die Organisation von Kolloquien und die Herausgabe von Publikationen, darunter das Magazin „Freimaurerlicht“ (FML) und Buchveröffentlichungen, teilweise mit ISBN. Die Beteiligung von Personen mit akademischen Titeln an einzelnen Veranstaltungen wird erwähnt, jedoch ohne Beleg für eine systematische Einbindung anerkannter Wissenschaftler in die Kernarbeit oder Redaktion.

5.2. Kritik an wissenschaftlichen Standards

Dem formulierten Anspruch stehen jedoch erhebliche Kritikpunkte bezüglich der Einhaltung etablierter wissenschaftlicher Standards gegenüber. Es wird festgestellt, dass die WSG kein stringentes wissenschaftliches Konzept veröffentlicht habe und Belege für etablierte Peer-Review-Verfahren für ihre Publikationen fehlen[23].

Es wird von einer Diskrepanz zwischen der Verwendung von „Forschungsvokabular“ und der Nachahmung akademischer Strukturen einerseits und dem Fehlen transparenter Qualitätssicherungsmechanismen andererseits gesprochen. Der Mechanismus zur Sicherstellung der Qualität und des Ansehens von Publikationen, insbesondere angesichts der Abhängigkeit vom Verlag Giovanni Grippo, bleibt unklar. Die WSG wird in diesem Kontext als „alternatives ‚Forschungs‘-Ökosystem“ beschrieben, das zwar die Sprache von Forschungslogen nachahme, aber deren strukturelle Absicherungen und methodische Breite vermissen lasse. Es wird der Vorwurf eines ‚simulativen Wissenschaftsdiskurses‘ durch ‚institutionelle Mimikry‘ erhoben.

5.3. Methodische Kritikpunkte: Der Fall Cagliostro

Die Kritik an den wissenschaftlichen Standards bezieht sich auch auf die angewandten Methoden, insbesondere bei der wiederholten Beschäftigung mit der Figur Alessandro Cagliostros. Giovanni Grippo (siehe Abschnitt 2.2 und 4.1) stellt Cagliostro in öffentlichen Beiträgen als „missverstandenen, unterschätzten Visionär und Freimaurer“ dar, der über „heilende Kräfte“ verfügt habe (angeblich 15.000 Menschen geheilt) und fälschlicherweise als „Scharlatan“ abgestempelt werde[24]. Die WSG veranstaltete 2022 ein Kolloquium mit dem erklärten Ziel, „neuste Recherchen“ zu Cagliostro vorzustellen und zu seiner „Rehabilitation“ beizutragen[24][8].

Diese positive Darstellung und die Rehabilitationsbemühungen stehen im Widerspruch zum etablierten Stand der historischen Forschung. Diese identifiziert Cagliostro weitgehend mit dem Hochstapler Giuseppe Balsamo und bewertet sein Wirken als eine zeittypische Mischung aus medizinischem Geschick, Scharlatanerie, okkulten Praktiken und persönlicher Mystifikation[25]. Insbesondere Cagliostros „Ägyptische Freimaurerei“ wird aufgrund ihrer autokratischen Struktur, ihres Irrationalismus (z.B. Engelskommunikation via Medium) und ihrer magisch-okkulten Zielsetzung (z.B. Unsterblichkeit) als fundamental unvereinbar mit den Prinzipien der aufgeklärten Freimaurerei angesehen[26][25].

Der Historiker und Literaturwissenschaftler[27] Till Kinzel kritisiert in seiner Rezension[8] zum WSG-Kolloquiumsband die „reichlich gewagte These“, Cagliostro sei nicht mit Balsamo identisch gewesen, und äußert erhebliche Zweifel („zweifelhaft“, „wenig Wahrscheinlichkeit“) am Erfolg der Rehabilitationsbemühungen[8]. Es ist anzumerken, dass Kinzel als Autor für Publikationen des neurechten Spektrums gilt und seine Rezensionstätigkeit für das IFB in der Vergangenheit aufgrund möglicher politischer Schlagseiten kritisiert wurde; die hier zitierte Rezension enthält jedoch primär methodische und forschungsbezogene Kritik. Er kritisiert ebenfalls die Vermischung von Forschung und „initiatorischer“ Erfahrung, insbesondere die bei der WSG referierte Ansicht (basierend auf Rudolf Steiner), man könne Cagliostro nur mit eigenem „initiatischen Fortschritt“ beurteilen. Eine solche Haltung sei, so Kinzel, „fatal für eine genuin wissenschaftliche Auseinandersetzung“[8]. Er bemängelt zudem explizit das Ignorieren wichtiger Fachliteratur wie Klaus H. Kiefers Standardwerk mit Dokumenten zu Cagliostro (1991)[8] (siehe Fn. 8 der Rezension).

Die Förderung dieser spezifischen, von der historischen Forschung mehrheitlich abweichenden Cagliostro-Deutung durch die WSG und ihre führenden Vertreter wirft erhebliche Fragen bezüglich des im Selbstverständnis formulierten Anspruchs auf „unabhängige freimaurerisch-wissenschaftliche Forschung“ auf. Kritiker sehen hier eine Tendenz zur Ausblendung von Fakten, die nicht ins gewünschte Narrativ passen, sowie historischen Revisionismus.

5.4. Formale Kritik an Publikationen

Neben methodischen und strukturellen Aspekten wurde auch formale Kritik an den Publikationen der WSG geäußert. Berichten zufolge wurde bereits die Erstausgabe des Magazins „Freimaurerlicht“ als schlecht lektoriert kritisiert und ihr vorgeworfen, Inhalte als Forschung auszugeben, die diesen Anspruch nicht erfüllten[28].

In seiner Rezension zu zwei Ausgaben der FML-Reihe (2022/1 zu Schwetzingen und 2024/1 zu Ägyptomanie) bezeichnet Till Kinzel die Titelgestaltung als „dilettantisch“. Er kritisiert, die Publikationen hätten „kein Titelblatt, sondern nur einen Umschlagtitel“, der zudem den Inhalt „nicht präzise“ angebe[8] (siehe Fn. 2 der Rezension). Von diesem „Dilettantismus“, so Kinzel weiter, zeuge auch die „Ignorierung wichtiger Publikationen zum Thema“[8] (siehe Fn. 2 der Rezension), wie zentrale Ausstellungskataloge zu Ägypten und Freimaurerei (Hannover 2017, Gotha 2023)[8] (siehe Fn. 8 der Rezension).

6. Publikationen

6.1. Magazin "Freimaurerlicht" (FML)

Das Magazin „Freimaurerlicht“ (FML) wird von der WSG herausgegeben und richtet sich laut Beschreibung an Freimaurer und Nicht-Freimaurer[29]. Die inhaltliche Ausrichtung umfasst Berichte über Kolloquien, Logengeschichte, historische Texte, Buchvorstellungen sowie spezifische Themen, die jedoch oft den Fokus des WSG/SOT-Netzwerks widerspiegeln (Schwetzingen[8], Ägyptomanie[8], Hochgradsysteme).

Die Autorenschaft des Magazins wird dominiert von Personen, die Schlüsselrollen innerhalb des Netzwerks innehaben. Wiederkehrende Autoren sind unter anderem Markus G. Schlegel (Vorsitzender seit 2022, ehemals Mitherausgeber des FML)[30], Giovanni Grippo (ehem. Vorsitzender, Verleger, SOT-Bezug)[10], Nadine Grimmig (Stellv. Vorsitzende seit 2022, M.A., Archäologin/Kunsthistorikerin)[30], Arno Moos (ehem. Stellv. Vorsitzender, SOT-Großmeister)[10] und Rüdiger Frommer[19].

Aufgrund dieser personellen Konstellation, der thematischen Ausrichtung und der formalen Kritik (Lektorat[28], dilettantische Gestaltung[8]) wird das FML weniger als Plattform für diversen wissenschaftlichen Austausch, sondern eher als internes Kommunikationsorgan und Werbeplattform für das WSG/SOT-Netzwerk und dessen Agenda bewertet – eine Art ‚Echokammer‘.

6.2. Buchveröffentlichungen

Neben dem Magazin veröffentlicht die WSG auch Bücher, meist in Kooperation mit dem Giovanni Grippo Verlag. Auch hier spiegeln die Titel oft die spezifischen Interessen des Netzwerks wider, wie beispielsweise Publikationen zu Kolloquien über den Schwetzinger Schlossgarten[8] (FML 2022/1), zur EXPO 2022 (mit Beiträgen von Schlegel, Grippo, Frommer u.a.) oder zur Ägyptomanie und Freimaurerei im 18. Jahrhundert[8] (FML 2024/1). Weitere im Grippo Verlag erschienene Titel mit WSG-Bezug behandeln Themen wie den Wilhelmsbader Konvent, Cagliostros Rituale oder die Lehre des Tempelritter-Ordens. Die enge Verbindung zum Verlag und die thematische Ausrichtung werfen auch hier Fragen bezüglich der Unabhängigkeit und der wissenschaftlichen Objektivität auf (siehe Abschnitte 4.1 und 5).

7. Rezeption und Einordnung

7.1. Akademische Rezeption

Die Publikationen der WSG und des Giovanni Grippo Verlags finden in etablierten akademischen Kreisen der Freimaurerforschung kaum Beachtung. Dies zeigt sich in einer niedrigen Zitationshäufigkeit und dem Fehlen ihrer Werke in relevanten Bibliografien etablierter Forschungszentren (wie der Forschungsloge Quatuor Coronati in Bayreuth) und in Standardwerken. Till Kinzel weist beispielsweise auf das Fehlen wichtiger Literaturhinweise in den WSG-Publikationen selbst hin[8] (siehe Fn. 8 der Rezension). Auch in universitären Bibliothekskatalogen und Fachzeitschriften scheinen die Werke unterrepräsentiert zu sein.

7.2. Externe Kritik

Über die geringe Rezeption hinaus existiert explizite externe Kritik an der Arbeit der WSG und ihrer Protagonisten. Der Historiker und Literaturwissenschaftler[27] Till Kinzel bemängelt in seiner detaillierten IFB-Rezension[8] neben formalen Aspekten („dilettantisch“ Titelgestaltung) vor allem methodische Schwächen:

  • Eine unkritische Haltung gegenüber esoterischen Thesen (z.B. zur Person Cagliostros).
  • Die Vermischung von Forschung und Initiation (Beurteilung Cagliostros an „initiatischen Fortschritt“ geknüpft, was Kinzel als „fatal für eine genuin wissenschaftliche Auseinandersetzung“ bezeichnet).
  • Das Ignorieren wichtiger Fachliteratur (Kiefer 1991, Hannover/Gotha-Kataloge).

Zusammenfassend werden folgende Kritikpunkte an der WSG genannt:

  • Mangelnde wissenschaftliche Standards: Fehlendes transparentes Konzept, kein nachweisbares Peer-Review, formale Mängel bei Publikationen[8].
  • Methodische Probleme: Ignorieren von Fachliteratur[8], Vermischung von Forschung und Initiation[8], Förderung einer von der Forschung abweichenden Cagliostro-Deutung[24][25][8], Tendenzen zu historischem Revisionismus.
  • Potenzielle Befangenheit: Enge personelle und organisatorische Verflechtungen, insbesondere mit dem Grippo Verlag[13] und der SOT[10], die Interessenkonflikte nahelegen.
  • Thematische Einseitigkeit: Eine Ausrichtung, die primär eine spezifische esoterische und neotemplerische Agenda bedient, anstatt unabhängige, breit gefächerte Forschung zu betreiben.
  • Irreführende Selbstdarstellung: Die Nutzung einer wissenschaftlichen Rhetorik (‚institutionelle Mimikry‘) und die Beanspruchung einer nicht vorhandenen historischen Kontinuität (‚historische Aneignung‘).

Die WSG selbst thematisiert in ihrem Magazin „Freimaurerlicht“, dass sie von etablierten freimaurerischen Organisationen kritisch gesehen wird. So wird berichtet, dass der A.A.S.R. in Deutschland seinen Mitgliedern im November 2024 empfohlen habe, keine Zusammenarbeit mit der WSG zu suchen, und dass die GL BFG (Grand Lodge of British Freemasonry in Germany) im Oktober 2023 ihren Mitgliedern die Teilnahme an Veranstaltungen der WSG untersagt habe, die als „gemischt ritualähnlich“ eingestuft wurden[31].

7.3. Gesamtbewertung

Zusammenfassend ergibt sich aus den verfügbaren Quellen eine deutliche Diskrepanz zwischen der Selbstdarstellung der 2020 gegründeten Wolfstieg-Gesellschaft (die durch ihren Namen eine Gründung 1913 suggeriert[1][5]) und der externen Wahrnehmung bzw. Analyse ihrer Aktivitäten. Die WSG erscheint weniger als neutrale Forschungsplattform, sondern vielmehr als integraler Bestandteil eines eng verknüpften Netzwerks um Giovanni Grippo und die Strikte Observanz der Templer (SOT).

Die Gesellschaft nutzt den angesehenen Namen „Wolfstieg“ und beansprucht durch ihren Namen und ihre Geschichtsdarstellung eine historische Kontinuität bis 1913 (siehe Abschnitt 1.2), scheint aber primär der Förderung und Verbreitung einer spezifischen, esoterisch und neotemplerisch geprägten Interpretation der Freimaurerei zu dienen. Ihr Anspruch auf wissenschaftliche Unabhängigkeit und Objektivität wird aufgrund der dokumentierten Verflechtungen (siehe Abschnitt 4), der methodischen (insbesondere im Umgang mit Cagliostro[8][24][25]) und formalen Kritik[8] sowie der geringen akademischen Resonanz als fragwürdig eingestuft. Die Konstruktion der historischen Kontinuität wird dabei als strategisches Mittel zur Legitimierung und Vermarktung einer partikularen Agenda interpretiert (‚historische Aneignung‘).

8. Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Siehe Impressum auf wolfstieg-gesellschaft.org. Abgerufen am 15. April 2025.
  2. 2,0 2,1 Eintragung VR 2268 beim Amtsgericht Bad Homburg v. d. Höhe am 03.08.2020.
  3. 3,0 3,1 Datum der Satzungserrichtung laut Vereinsregisterauszug.
  4. 4,0 4,1 4,2 Siehe Startseite [1]. Abgerufen am 15. April 2025: „Unsere Forschungs- und Fördergesellschaft wurde erstmalig 1913 gegründet und, nachdem sie 1935 vom Nazi-Regime verboten wurde, am 27.05.2020 wiedergegründet.“
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 Zitat aus dem Aufnahmeantrag (PDF): [2]. Abgerufen am 15. April 2025.
  6. 6,0 6,1 Vgl. Selbstdarstellung auf der offiziellen Webseite [3]. Abgerufen am 15. April 2025.
  7. Vgl. z.B. Inhalte auf [4]. Abgerufen am 15. April 2025.
  8. 8,00 8,01 8,02 8,03 8,04 8,05 8,06 8,07 8,08 8,09 8,10 8,11 8,12 8,13 8,14 8,15 8,16 8,17 8,18 8,19 8,20 8,21 8,22 Till Kinzel: [Rezension zu: Ägyptomanie und ihr Widerhall in der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts : (26. bis 28. August 2022) / Wolfstieg-Gesellschaft ... Oberursel (Taunus) : Grippo, 2024]. In: Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft, 2024. Online: [5]. Abgerufen am 15. April 2025.
  9. 9,0 9,1 Freimaurer-Wiki: Selbstdarstellung - Giovanni Grippo. Abgerufen am 14. April 2025.
  10. 10,00 10,01 10,02 10,03 10,04 10,05 10,06 10,07 10,08 10,09 10,10 Diesjähriges Frühlingserwachen (2025). Pressemitteilung vom 9. April 2025. Online auf [6] darmstadt-freimaurer.de. Abgerufen am 15. April 2025.
  11. Informationen zu Grippos Rollen in ZfS und ZbD basieren u.a. auf Freimaurer-Wiki-Einträgen und öffentlichen Auftritten.
  12. 12,0 12,1 12,2 Siehe Webseite der Andreasbrüder Darmstadt, die die Wiederbelebung der SOT-Loge und die WSG-Gründungsbeteiligung bestätigt.
  13. 13,0 13,1 13,2 Siehe Kulturelles Engagement - Wolfstieg-Gesellschaft auf darmstadt-freimaurer.de. Abgerufen am 15. April 2025.
  14. Siehe strikte-observanz-templer.org. Abgerufen am 15. April 2025.
  15. Diese Information basiert auf Sekundärquellen wie dem Freimaurer-Wiki.
  16. Großmeister der Schottischen Meister auf strikte-observanz-templer.org. Abgerufen am 15. April 2025.
  17. 17,0 17,1 Kooperationslogen auf strikte-observanz-templer.org. Abgerufen am 15. April 2025.
  18. Ein neues, altes Hochgradsystem auf strikte-observanz-templer.org. Abgerufen am 15. April 2025.
  19. 19,0 19,1 Die Freimaurerei im 21. Jahrhundert – Verbindung von Tradition und Fortschritt auf strikte-observanz-templer.org. Abgerufen am 15. April 2025.
  20. Können die Chancen der letzten Generation und die von jüngeren Menschen in der Freimaurerei liegen? auf strikte-observanz-templer.org. Abgerufen am 15. April 2025.
  21. Freimaurerei als Weg zur persönlichen Entwicklung und inneren Transformation auf strikte-observanz-templer.org. Abgerufen am 15. April 2025.
  22. 22,0 22,1 Siehe Freundschaften, Mitgliedschaften und Kooperationen auf wolfstieg-gesellschaft.org. Abgerufen am 15. April 2025.
  23. Diese Feststellung basiert auf der Analyse öffentlich zugänglicher Informationen der WSG und ihrer Publikationen.
  24. 24,0 24,1 24,2 24,3 G. Grippo: Cagliostro: Hochstapler oder Erneuerer der Menschheit?. Kolumne in: Basler Woche, KW 33, 15. August 2022, S. 9. (Zugriff auf Originalquelle zur Verifizierung der Details nötig)
  25. 25,0 25,1 25,2 25,3 Vgl. Klaus H. Kiefer: „Die famose Hexen-Epoche“. Sichtbares und Unsichtbares in der Aufklärung. R. Oldenbourg Verlag, 2004, ISBN 3-486-57607-8, S. 53ff., 77ff., 83ff. Siehe auch Kiefers Standardwerk: Cagliostro. Dokumente zu Aufklärung und Okkultismus, 1991.
  26. Diese Einschätzung basiert auf Analysen, die auf Standardwerken wie Kiefer 2004, Faulks & Cooper 2017 oder Ebeling 2009 beruhen.
  27. 27,0 27,1 Siehe Till Kinzel in der deutschsprachigen Wikipedia. Abgerufen am 15. April 2025.
  28. 28,0 28,1 Diese Kritik wurde in Sekundärquellen erwähnt, ihre ursprüngliche Quelle ist jedoch zu verifizieren.
  29. Freimaurer-Wiki: Magazin „Freimaurerlicht“. Abgerufen am 14. April 2025.
  30. 30,0 30,1 Siehe Vorstand auf wolfstieg-gesellschaft.org. Abgerufen am 15. April 2025.
  31. Wolfstieg-Gesellschaft (Hrsg.): Freimaurerlicht - Magazin der Wolfstieg-Gesellschaft, Winterausgabe 2024/10. Online: PDF. Abgerufen am 15. April 2025.

9. Siehe auch

10. Weblinks

Verfasser: Ignaz Weiß