Österreich 2016: Ein bisschen Freimaurerei im Wahlkampf: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 24. Mai 2016, 09:03 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Österreich 2016: A bissel Freimaurerei im Wahlkampf
Die österreichische Freimaurerei lebt traditionell abseits der Politik: unbehelligt von außen und als Organisation zurückgenommen. Umso auffälliger war es, dass im Bundespräsidentenwahlkampf 2016 das Thema ein paar mal kurz aufblitzte: zum "Anschwärzen" des grünen Kandidaten Alexander van der Bellen. Von Rudi Rabe.
Hintergrund
Zum Unterschied von Deutschland wird der Bundespräsident in Österreich vom Volk gewählt. Es gibt also einen öffentlichen Wahlkampf. Seit Kriegsende 1945 siegten immer entweder der sozialdemokratische oder der konservative Kandidat. 2016 ist alles anders: Ebenso wie in vielen anderen europäischen Staaten polarisierte sich auch in Österreich das politische Klima immer mehr zwischen rechts und links. Und so landeten in der Stichwahl nicht wie früher der sozialdemokratische und der konservative Bewerber aus den Traditionsparteien der Mitte sondern der grün-liberale Alexander Van der Bellen und der rechts-konservative Norbert Hofer. Was dazu führte, dass die Wahl eine weit über Österreich hinaus reichende Aufmerksamkeit erfuhr.
Die Stichwahl am 22. Mai gewann schließlich mit 50,3 Prozent denkbar knapp Alexander Van der Bellen. Dies hier im Wiki zu melden oder gar zu bewerten ist jedoch ganz im Sinn der Alten Pflichten nicht meine Absicht, sondern darzustellen, wie die Freimaurerei entgegen jahrzehntelanger Usancen plötzlich und ungewollt ein wenig in den österreichischen Parteienkampf hinein gezogen wurde. Freimaurer sind diesbezüglich sensibel, weil sie ungern an alte Zeiten erinnert werden wollen, als das gang und gäbe war, nicht nur in Österreich sondern ebenso in Deutschland oder der Schweiz und in vielen anderen Ländern.
Die beiden Kandidaten
Alexander Van der Bellen war lange Zeit Obmann der österreichischen Grünen. Laut eigenem Bekunden war er in den 1970igern ein paar Jahre „in der damals einzigen Tiroler Loge“. Er sei nur ein Jahr aktiv gewesen, habe dann zehn Jahre noch den Mitgliedsbeitrag gezahlt bis er schließlich ausgetreten sei.
Weitere Details über seine Mitgliedschaft recherchierte die österreichische Tageszeitung 'Kurier':
http://kurier.at/politik/van-der-bellen-weiss-nichts-von-freimaurer-unterstuetzung/197.769.613
(Der seltsame Hinweis auf die UFL in diesem Artikel macht allerdings eher ratlos.)
Norbert Hofer trat als Obmann-Stellvertreter der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) zur Wahl an. Und seit ein paar Jahren ist er Ehrenmitglied bei der Pennäler-Burschenschaft Marko-Germania im burgenländischen Pinkafeld. Hier die Darstellung der Burschenschaft auf der Website der Gemeinde:
http://www.pinkafeld-online.at/?mmid=1&smid=27&offset=50&ID=10&action=detail&detailID=73&ArtikelID=240
Du Freimaurer! Du Burschenschafter!
Das war wohl das Motiv: gegenseitiges verdächtig Machen durch eine Mitgliedschaft, die man skandalisieren kann. Dazu muss man wissen: Studentische Burschenschaften gelten manchen Österreichern als eine Art deutschnationale Verirrung, ja sogar als ewiggestrig. Und die Freimaurerei eignet sich ja seit eh und je zum Aufbau von Verschwörungspopanzen.
Also blitzten schon bald am Rande des Wahlkampfes die Mitgliedschaften der beiden Kandidaten immer wieder als Argument gegen den einen oder den anderen auf: bis das Freimaurer-Thema schließlich von Hofer selbst in einer konfrontativen Diskussion im Fernsehsender Puls4 angerissen wurde. Allerdings nicht als freistehender Angriff sondern eher aus der Defensive heraus in einem Schlagabtausch, bei dem es darum ging, wer von wem unterstützt wird.
Leicht gekürzte Zusammenfassung der TV-Passage
Van der Bellen zählt in den ersten Minuten der Sendung seine prominenten Unterstützer aus ganz verschiedenen politischen Richtungen auf. Und er fragt dann Hofer, ob er auch so illustre Mitstreiter anführen könne. Worauf dieser kontert, hinter Van der Bellen stünde die inländische und die ausländische „Hautvolee“, aber hinter ihm stünden die Menschen.
VdB: „Sind meine Unterstützer keine Menschen?“
H: „Doch ... (und jetzt unvermittelt) Freimaurer sind auch nette Menschen. Sie waren lange bei den Freimaurern, und sie werden unterstützt von Freimaurern aus Berlin.“
VdB (erstaunt): „Berlin? ... Das wusste ich gar nicht.“
H: „Sie wissen nicht, dass sie bei den Freimaurern waren?“
VdB: „Das ist eine Tatsache, aber dass jemand in Berlin für mich Werbung macht, Freimaurer oder auch nicht ...??? Keine Ahnung.“
H: „Es ist jedenfalls Einmischung von außen.“
Es war nur ein kurzer Wortwechsel. Ungeklärt bleibt während der Sendung aber auch danach, wer das in Berlin denn sein soll.
Deeskalation gegen Ende der Sendung
Eine Stunde später muss sich jetzt Hofer gegen den Vorwurf wehren, er sei bei einer deutschnationalen Studentenverbindung. Offenbar vorbereitet liest er als Antwort den Ausdruck einer Website über diese Verbindung vor, legt dann aber das Papier ziemlich plötzlich beiseite und konzediert, dass es letztlich nur um eines geht: um nichts anderes als den Einsatz von Wahlkampfmunition zum wechselseitigen Verunglimpfen. Dies mit folgenden Worten (gekürzt): „Natürlich ist es so, dass gewisse Verschwörungstheorien aufgebaut werden, die Freimaurer machen dies und das ... es kommt immer auf den Menschen an ... es gibt in jeder Gruppe tolle beeindruckende Persönlichkeiten und auch immer welche, die vielleicht weniger beeindruckend sind.“
Hier zum Nachhören diese Passage aus der Puls4-Diskussion im Originalton:
Norbert Hofer über Verschwörungstheorien
Van der Bellen bestätigt seine frühere Mitgliedschaft in der Innsbrucker Loge und verlagert im Gegenangriff die Diskussion auf die Arierparagraphen von Burschenschaften in den 1920iger Jahren. (Und Hofer wusste offenbar nicht, dass es so was leider auch in deutschen Freimaurerlogen gab.)
Nach der Sendung: Das Thema köchelt weiter
Und zwar nicht nur in Boulevardblättern, auch in Qualitätszeitungen. Dies zeigt, wie sehr antimasonische Verschwörungstheorien in den Redaktionen immer noch als interessanter Lesestoff eingeschätzt werden. Die Berichte waren zwar durchwegs korrekt, aber Menschen mit entsprechenden Vorurteilen rezipieren sie natürlich in ihrem Sinn, wie das Foto rechts anschaulich zeigt: eine Schmiererei auf einem Container, aufgenommen während des Wahlkampfs in einer österreichischen Landeshauptstadt. Der eine oder andere Eintrag bei Facebook, Twitter & Co war entsprechend.
Im Fernsehen tauchte das Thema nur noch einmal auf. In der renommierten ORF-Nachrichtensendung ZiB2 wurde Van der Bellen am 18. Mai, also wenige Tage vor der Stichwahl, vom Moderator nochmals auf seine Mitgliedschaft angesprochen: in einem großen Liveinterview, in dem auch viele andere Themen abgefragt wurden.
Hier zum Nachhören seine Antwort, die trotz seines späteren Austritts ein Kompliment für seine Innsbrucker Loge ist:
Alexander Van der Bellen über Freimaurer