75 Jahre Fonjallaz-Initiative
VOR KORREKTUR !
Inhaltsverzeichnis
- 1 75. Jahrestag der Ablehnung der Fonjallaz-Initiative
- 2 1) Das damalige Umfeld: Ungehinderte Verbreitung der faschistischen, antisemitischen und freimaurerfeindlichen Bewegungen
- 3 2) Die Initiative von Oberst Arthur Fonjallaz
- 4 3) Der Kampf um die Vereinsfreiheit
- 5 4) Konsequenzen der Initiative
- 6 5) Schlussfolgerung
- 7 Dokumente
75. Jahrestag der Ablehnung der Fonjallaz-Initiative
Ein Beispiel von Zivilcourage!
Verfasst für die Zeitschrift "Alpina" von Br... Dominique Freymond, L... Liberté November 2012
Übersetzung Br...André Bamat
Erschienen in "Alpina" 12/2012, 317-320
Am 28. November 1937 verwarf das Schweizervolk die Fonjallaz-Initiative.
Wir feiern im Jahr 2012 den 75. Jahrestag der Ablehnung einer Initiative, die das Verbot der Freimaurerei zum Ziel hatte. Während den schwierigen Jahren der Zwischenkriegszeit haben unsere Brüder mutig für das Weiterbestehen der Grossloge Alpina und für das Vereinsrecht gekämpft.
1) Das damalige Umfeld: Ungehinderte Verbreitung der faschistischen, antisemitischen und freimaurerfeindlichen Bewegungen
- a) Als erstes Land verbietet Italien 1925 die Freimaurerei
Die National-Faschistische Partei wurde im November 1921, als erste nicht-demokratische Partei in Westeuropa, gegründet. Elf Monate später wird Benito Mussolini Regierungschef.
Ab 1923 werden Logen von faschistischen Banden geschändet und die symbolischen Werkzeuge auf der Strasse zerstreut. In der Nacht vom 12. auf den 13. September 1924 werden Freimaurertempel, Büros und Wohnsitze von Freimaurern in ganz Italien verwüstet.
Am 10. Januar 1925 werden schlussendlich Geheimgesellschaften in Italien vom Parlament einstimmig verboten, dies unter dem Vorwand, dass „die italienischen Freimaurer mit ihren Brüdern aus Frankreich konspirierten“. Am Tag danach ist die Bilanz der Ausschreitungen gegen die Freimaurer tragisch: 18 Tote und 40 Verletzte (1).
- (1) Moeri Silas, Les Francs-Maçons… et les autres, Druckerei A. Bovard-Giddey, Lausanne 1934, S. 42-55
- b) Freimaurerverbot in Deutschland ab 1935
Nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 wurde die deutsche Niederlage den nationalistischen Organisationen angelastet, u. a. dem Generalquartiermeister Erich Ludendorff. Dem inneren Verrat beschuldigt (Dolchstosslegende) wurden Kommunisten, Sozialisten, Juden als verbündete der Freimaurer … und der Jesuiten, sowie alle anderen ketzerischen Bewegungen. C. A. Loosli erklärt dies folgendermassen: „Diese krass unwahre Behauptung hat sich dank stetiger, raffinierter Propaganda durchgesetzt. Unterstützt wurde sie hintergründig durch ein besiegtes und gedemütigtes Deutschland, welches sich zu rechtfertigen versuchte“ (2).
- (2) Loosli C.A., Les Sociétés secrètes et la Démocratie suisse, Verlag C.A. Loosli, Bern-Bümpliz, 1936, S. 9 (übersetzt).
Im Januar 1933 wurde Hitler, Chef der NSDAP, von Reichspräsident Hindenburg zum Kanzler der Weimarer Republik ernannt. Die Nationalsozialisten sind zu diesem Zeitpunkt die stärkste Partei in Deutschland. Hitler übernimmt die Macht, entledigt sich nach und nach seiner Gegner -einige enden im KZ von Dachau- und wird im Jahr 1934 „Führer des III. Reiches“.
Am 17. August 1935 verbieten die Nazis die Freimaurerei, welche sich nicht gross zur Wehr setzt (3). Beschuldigt wird die FM zu international und geheim zu sein. Sie seien ein Instrument der Juden und verzögern die Entstehung des „Neuen Menschen“. Rund 1‘800 Deutsche bezahlten ihre FM-Mitgliedschaft mit dem Leben.
- (3) Die deutsche FM zählte 600 Logen und 60’000-70'000 Freimaurer.
- c) Ab 1930 sind die Schweizer Frontisten im Aufwind
Wie im Rest von Europa tauchen ab den dreissiger Jahren auch in der Schweiz die rechtsextremen Frontisten in verschiedenen Kantonen auf. Oft von jungen Intelektuellen angeführt, finden sie häufig Unterstützung bei den Liberalen der Mittelklassen und bei den Bauern.
Die frontistische Ideologie stützt sich auf drei Pfeiler:
- Autoritäre Regierung ohne demokratisches Parlament
- Ablösung des Kapitalismus durch ein korporativ strukturiertes System von Arbeitern und Angestellten, um dadurch Interessenskonflikte zwischen diesen beiden Klassen zu vermeiden
- Fanatische Nationalisten, welche sich den sogenannten Tugenden der alten Eidgenossenschaft verschrieben haben. Alles was ein internationales Couleur haben könnte wird verurteilt: Kommunismus, Freimaurerei (4) , Pazifisten und Juden.
- (4) Als Beispiel: Auszug aus dem Programm der Schweizer Frontisten, publiziert am 12. Oktober 1933 in der ersten Nr der Zeitschrift „Der Schweizer Faschist“: "Der Faschismus bekämpft die geheimen Bündnisse u. a. die Freimaurerei, welche aufzulösen ist.“
In Zürich und Genf verbündet sich die bürgerliche Mitte vorübergehend mit den rechtsextremistischen Frontisten in der Hoffnung, dadurch gegen die linken Parteien zu gewinnen. Das Kalkül geht nicht auf, denn die Mitte verliert viele Stimmen. Sie distanziert sich schnell wieder vom Rechtsextremismus, dies umso mehr da die Ausschreitungen der Nazis in Deutschland zu echter Besorgnis Anlass geben.
In der Schweiz verhärten sich die Fronten zwischen den Parteien. In Genf führt der Polarisierungsprozess zwischen den Sozialdemokraten von Léon Nicole und der „Front de l’Union nationale“ von Georges Oltramare zu tragischen Konsequenzen. Am 9. November 1932 versammeln sich die Rechtsextremisten im Zentrum von Genf. Die Linke jedoch organsiert eine Protestbewegung und droht, den Saal zu stürmen. Unter diesen Umständen beantragt die Genfer Regierung die Hilfe der Armee um Recht und Ordnung zu wahren. Leider führte der Einsatz von jungen, unerfahrenen Rekruten zu dreizehn Toten.
In der Deutschschweiz und speziell in Schaffhausen ist der Erfolg der Frontisten der Krise und der Nähe zu Deutschland zuzuschreiben. Im Jahr 1935 reichen die Frontisten, zusammen mit den Jungliberalen und Jungkonservativen, eine Initiative zur Totalrevision der Verfassung im Sinne von mehr zentraler Macht ein. Sie wird vom Volk mit 72% abgelehnt.
- d) «Die Protokolle der Weisen von Zion», Antipropaganda-Prozess in Bern
Anlässlich einer politischen Veranstaltung der Frontisten und der Heimatwehr am 13. Juni 1933 in Bern taucht die Schrift «Die Protokolle der Weisen von Zion» des judenfeindlichen Verlegers Theodor Fritsch auf. Es handelt sich um von Deutschland importierte Nazipropaganda.
In diesen Protokollen wird das «geheime Programm der internationalen Judengemeinschaft zur Beherrschung der Wel » beschrieben. In Wirklichkeit handelt es sich um ein antisemitisches Pamphlet, im Wesentlichen mit dem Inhalt eines Plagiats (5) einiger Mitglieder der russischen Polizei aus den Jahren 1897-1898. 1917 wird diese Schrift zum Klassiker der Nazipropaganda indem sie neu als Ergebnis des Zionistenkongresses von Basel im Jahr 1897 präsentiert wird und aus der Feder des Gründers des Zionismus Theodor Herzl stammen soll.
- (5) Es scheint, als handle es sich um das Plagiat «Dialogue aux enfers entre Machiavel et Montesquieu», publiziert 1864 von Maurice Joly, Mehr darüber im Werk von Pierre-Alain Taguieff «Les protocoles des sages de Sion: faux et usage d’un faux», Verlag Berg International, 1992.
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund, unterstützt von der Israelitischen Kultusgemeinde Bern nimmt diese Vorkommnisse zum Anlass, um fünf Mitglieder der Frontisten und des BNSE wegen Zuwiderhandlung gegen das Berner Kantonsgesetz über „Kino und Massnahmen gegen Schundliteratur (6) anzuklagen. Speziell ein Artikel verbietet die Verbreitung von Schriften, Liedern und Bildern, welche Sittlichkeit oder Schamgefühl verletzen oder stumpfsinnig sind.
Der Richter spricht am 14. Mai 1935 zwei Angeklagte schuldig und hält fest, dass die „Protokolle“ gefälscht sind und die Schrift sittenwidrig sei.
- (6) Karl Laske, Le banquier noir François Genoud, Editions Seuil, Paris, 1996, S. 23 et loi du canton de Berne «sur le cinéma et les mesures contre la littérature de bas étage».
2) Die Initiative von Oberst Arthur Fonjallaz
- a) Die Person Oberst Arthur Fonjallaz
Arthur Fonjallaz wird am 2. Januar 1875 als Sohn von Charles Fonjallaz, Weinbauer und Emmy Margaretha Gelzer, in der psychiatrischen Anstalt von Cery bei Prilly, wo seine Mutter interniert ist, geboren. Nach seiner Schulzeit besucht er die Militärakademie in Modena und wird dort zum Italiensympathisanten. Zurück in der Schweiz beginnt Fonjallaz ab 1895 eine steile Militärkarriere bis zum Oberstbrigadier. Parallel dazu studiert er an der Universität Lausanne Sozial- und Politikwissenschaften und schliesst 1922 mit einem Doktorat ab. Im Jahr 1923 tritt er als Berufsoffizier von der Armee wegen diversen internen Konflikten, u. a. wegen der Estoppey-Bornand-Affäre, zurück.
Von 1931 bis 1933 ist er Dozent für Kriegswissenschaften an der ETH Zürich. Es ist dies auch die Zeit seiner katastrophalen Finanzgeschäfte. Auf der politischen Ebene ist er von 1927 bis 1932 Mitglied der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, ab 1932 wendet er sich immer mehr dem Rechtsextremismus zu. Er tritt 1932 der Heimatwehr bei und gründet 1933 in Rom an einem pompösen Anlass die Schweizerische Faschistische Bewegung. Im November 1933 wird er aus der Schweizer Milizarmee entlassen.
Im Februar 1941 wird Fonjallaz wegen Spionage zugunsten von Deutschland zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, wird aber im April 1943 unter Bedingung freigelassen. Er stirbt am 24. Januar 1944, 69 jährig, wahrscheinlich an einem Herzversagen und wird bei einem schlichten Begräbnis in St. Moritz beigesetzt.
- b) Lancierung der Volksinitiative im April 1934
Mit finanzieller und politischer Unterstützung von Benito Mussolini lanciert Arthur Fonjallaz 1934 zusammen mit der Schweizerischen Faschistischen Bewegung und der Heimatwehr die Eidgenössische Volksinitiative 'Verbot der Freimaurerei', wonach Artikel 56 der Bundesverfassung folgendermassen lauten würde:
- „1 Die Bürger haben das Recht, Vereine zu bilden, sofern solche weder in ihrem Zweck noch in den dafür bestimmten Mitteln rechtswidrig oder staatsgefährlich sind. Über den Missbrauch dieses Rechtes trifft die Kantonalgesetzgebung die erforderlichen Bestimmungen.“
Abs. 2 und 3, neu:
- „2 Jedoch sind Freimaurervereinigungen und Logen, Odd Fellows, die philanthropische Gesellschaft Union, ähnliche und ihnen affilierte Gesellschaften in der Schweiz verboten.
- 3 Jede Wirksamkeit ähnlicher ausländischer Gesellschaften sind ebenfalls in der Schweiz verboten.“
Claude Cantini sieht für die Motivation von Oberst Fonjallaz folgende Erklärung (7) : „Oberst Fonjallaz besass die militärischen und taktischen Fähigkeiten um Korpskommandant zu werden. Jedoch wegen seiner Eigenschaft sich anstatt Freunde Feinde zu schaffen und weil er verkannte, dass in den höheren Militärsphären der Beste am meisten geächtet wird –er stört die Mittelmässigkeit- wurde seine erhoffte Beförderung dreimal vertagt. Von den drei an seiner Stelle ernannten Offizieren waren sicher zwei Freimaurer. Fonjallaz glaubt in der Folge fest an eine Verschwörung gegen ihn. Das soll der Ursprung seines Hasses gegen diese Institution sein" (8).
- (7) Cantini Claude, Le colonel fasciste suisse, Arthur Fonjallaz, Verlag Pierre-Marcel Favre, Lausanne, 1983
- (8) Siehe auch: «Schweizerische Republikanische Blätter», Rapperswil, Nr. 39, 24. April 1937, J.-B. Rusch
Die Sammlung der Unterschriften beginnt am 15. April 1934 und am 31. Oktober 1934 wird die Initiative bei der Bundeskanzlei hinterlegt. Die Rechtsmässigkeit wird am 10. Dezember 1934 mit 56‘238 gültigen Unterschriften auf 57‘303 anerkannt.
- c) Wesentliche Argumente für die Initiative
In einer Propagandaschrift der Befürworter finden sich die meistaufgeführten Argumente:
- «Der Staat wird von den okkulten Machenschaften einer Geheimmacht unterminiert, welche skrupellos Täter schützt, Unfähige und Ehrgeizige vorschiebt mit dem einzigen Ziel, von der Gemeinschaft schamlos zu profitieren. Unter dem Vorwand von Philanthropie arbeitet die Freimaurerei an der Unterjochung der Allgemeinheit. Die meisten Freimaurer sind offensichtlich Getäuschte, welche durch Naivität und Habgier zum Freimaurerbund gestossen sind. Sie unterwerfen sich jedoch einer unerbittlichen Hierarchie….. Die Freimaurerei ist die Geheimwaffe der Vetternwirtschaft!» (9)
- (9) Moeri Silas, op. cit. , pp. 34-35 (übersetzt)
Die zwölf wichtigsten Pro-Argumente der Frontisten sind (10):
- 1. Die Schweizerische Freimaurerei ist ein Geheimbund
- 2. Die Freimaurerei wird von anonymen Ausländern beherrscht
- 3. Die Freimaurer sind durch ein perverses Gelübde zu unbedingtem Gehorsamkeit gegenüber ihren „Vorgesetzten“ verpflichtet
- 4. Die Freimaurerei betreiben Vetternwirtschaft
- 5. Freimaurer sind Atheisten und bekämpfen Religionen
- 6. Das Freimaurer-Geheimnis ist antidemokratisch
- 7. Die Schweizerische Freimaurerei wird vom Weltbund der Freimaurerei subventioniert
- 8. Die Freimaurerei wird von den Juden dominiert mit dem Hauptzweck, die Judensympathie zu fördern
- 9. Die Schweizerische Grossloge Alpina habe während dem Krieg an einem Freimaurerkongress (L’Entente) in Paris teilgenommen, an dem die Aufteilung von Deutschland beschlossen worden sei
- 10. Die Schweizerische Freimaurerei ist des Vaterland’s abtrünnig
- 11. Hinter den Freimaurern verstecken sich Marxisten und Bolchevisten
- 12. Die Freimaurer der unteren Stufen sind eher harmlos; die Freimaurer der Hochgrade sind die Anstifter.
- (10) Wegleitung für Referenten im Abwehrkampf gegen die Fonjallaz-Initiative, 1936, S. 7-13
Auf die offizielle Anfrage von Auguste Jeanneret (11), im Namen des Direktoriums, bezüglich Erklärungen und Beweise antwortet Arthur Fonjallaz (12) «In keiner Weise werde ich Dokumente, die bei der Bundeskanzlei oder in meinem Besitztum sind, übergeben. Ich wurde durch Ihre Institution betrogen und werde über die Öffentlichkeit versuchen, moralische Genugtuung zu erlangen.». Es blieb bei der Anschuldigung, Erklärungen über den „Betrug“ folgten nie.
- (11) Brief des Direktoriums der Alpina vom 26. Februar 1934.
- (12) Antwort von Arthur Fonjallaz vom 7. März 1934 (übersetzt).
- d) Politische Unterstützung
Zwei Nationalräte, wovon Dr. Richard Tobler als Chef der Frontisten, haben der Initiative zugestimmt. Die zweite Ja-Stimme ist eher erstaunlich, stammt sie doch von Gottlieb Duttweiler, Gründer des Landesringes der Unabhängigen (LDU) und der Migros. Er sah aber durchaus das Risiko einer Ablehnung der Initiative und stellte am 8. Juni 1937 einen Antrag, wonach der Bundesrat einen Gesetzes- oder Verfassungsänderungsvorschlag machen solle, laut dem jeder Bürger im öffentlichen Amt seine Zugehörigkeit zu einer geheimen Gesellschaft (Freimaurerloge oder ähnliches) angeben müsse. Der Antrag wurde mit 63 gegen 40 Stimmen verworfen.
Der Freiburger Bundesrat Jean-Pierre Musy, CVP, spielte eine zwielichtige Rolle. Als er am 23. März 1934 als Bundesrat zurücktrat, sahen darin viele eine Verschwörung der Freimaurer. Tatsächlich unterstützte er nach seinem Rücktritt eher die freimaurerfeindlichen Parteien, was dieser These Aufwind gab (13). Arthur Fonjallaz lobte ihn für seinen Rücktritt.
- (13) Daniel Sebastiani, Jean-Marie Musy (1876-1952), «Un ancien conseiller fédéral entre rénovation nationale et régimes autoritaires». Doktorarbeit, Uni Freiburg, Faculté des Lettres, 6.02.2004, S. 696.
- e) Finanzielle Unterstützung
Von Juni 1931 bis August 1935 wurde der Gründer des Waadtländer-Faschismus ganze achtzehn Mal vom Duce empfangen. Seit Oktober 1932 erhielt Fonjallaz vom italienischen Aussenministerium die ansehnliche Gesamtsumme von Lire 2‘260‘000 oder rund Franken 610‘000 (damaliger Gegenwert) (14). Es ist dies eine der grössten Subventionen des Duce an eine ausländische faschistische Bewegung.
- (14) Mauro Cerutti, Mussolini bailleur de fonds des fascistes suisses, Revue d’histoire suisse, 1985
Einige Gründe zur Unterstützung von Fonjallaz durch Mussolini seien hier aufgelistet:
- Grösstmögliche Entwicklung der faschistischen Bewegung in der Schweiz
- Bekämpfen der Sozialisten und der Freimaurer
- Stärken des Tessins um eine Germanisierung zu verhindern
- Unterbinden der Nazi-Infiltration in die Schweiz durch Stärken der Frontisten
- Persönliche Sympathie zwischen den zwei Männern
Da die Frontisten offensichtlich zu wenig konkrete Resultate erzielten und sie teilweise sogar dem italienischen Faschismus schadeten, wurde im Jahr 1936 die Unterstützung gänzlich eingestellt.
3) Der Kampf um die Vereinsfreiheit
- a) Die wichtigsten Argumente gegen die Initiative
Der Berner Schriftsteller C. A. Loosli veröffentlichte 1935 sein „offizielles Gutachten des gerichtlichen Experten“ (15) im Berner Prozess betreffend die Zionistischen Protokolle. Daraus lassen sich zwei, an sich genügende Hauptargumente gegen die Initiative ableiten:
- Durch die Aufhebung des Vereinsrechts - und dadurch indirekt auch die der Religions- und Gewissensfreiheit - verstösst die Initiative gegen allgemein akzeptierte Grund- und verfassungsmässig gewährleistete Rechte.
- Wiederrechtlicher Despotismus und Willkür ersetzen verfassungsmässig verankerte Garantien und resultieren in der Abschaffung der Demokratie in der Schweiz.
- (15) Loosli C.A., op. cit. S. 11-13, 17
Dazu Loosli: „In der Öffentlichkeit Verwirrung stiften, die Eidgenossen gegeneinander aufbringen, in zwiespältigen Gewässern fischen, Unruhe stiften um die Demokratie zugunsten einer faschistischen und nationalsozialistischen Diktatur zugrunde zu richten. Das sind zu guter Letzt die eigentlichen Ziele der Fonjallaz-Initiative“.
Als Schlussfolgerung einer detaillierten Studie der Freimaurerei meint C. A. Loosli: “ Wohl oder übel ist es offenkundig, dass die Freimaurerei durch ihre simple Existenz, ihr Wirken oder ihr passives Verhalten die Verfechterin schlechthin der Menschenrechte und demzufolge der Religions-, Gewissens- und Meinungsfreiheit - also der Demokratie im höchsten und weitesten Sinn - ist“ (16).
- (16) Loosli C.A., op. cit. S. 25
- b) Stellungnahme auf Bundesebene
Der Bundesrat spricht sich einstimmig gegen die Initiative aus. In seiner Botschaft vom 4. September 1936 kommt er zum Schluss,
dass die angeschuldigten Organisationen auf dem Boden der Verfassung stünden und dass nichts gegen sie vorliege. Sie seien weder unstatthaft, noch gefährlich für den Staat und auch verletzen sie unsere Sitten nicht.
„Die umfangreiche, zur Verfügung gestellte Dokumentation konnte uns in keinem Punkt des Gegenteils überzeugen. Dies gelang auch den Initianten nicht.“
Der Nationalrat behandelte die Initiative im Dezember 1936 und beschloss im Juni 1937 mit 107 zu 2 Stimmen, dem Volk die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Auch der Ständerat entschied kurz darauf einstimmig die Verwerfung der Initiative.
- c) Resultat der Abstimmung vom 28. November 1937
In der Volksabstimmung vom 28.11.1937 wurde die Initiative mit 515'327 zu 234'980 Stimmen verworfen bei einer Beteiligung von 64,5%. Einzig der Kanton Freiburg nahm sie an, jedoch bei grosser Stimmenthaltung (53% Ja-Stimmen bei einer Beteiligung von 43%), was der Freiburger Historiker Georges Andrey durch den Einfluss des Korporativismus, die Präsenz der kath. Universität und die traditionelle Anti-Freimaurer-Propaganda erklärt (17).
- (17) Georges Andrey, Freiburger Historiker
4) Konsequenzen der Initiative
- a) Druck für Stilllegung der SGLA
Trotz dem eindeutigen Resultat der Abstimmung zugunsten der Vereinsfreiheit hatte die Grossloge Alpina mit einschneidenden Konsequenzen zu kämpfen. Edmond Jomini hält 1944 in seinem Bericht über die Waadtländer Logen fest (18): „Ungeachtet ausländischem politischen und militärischen Druck hat das Direktorium kategorisch mit einem «Non possumus» (19) auf die Versuche, die Schweizerische Grossloge Alpina stillzulegen, reagiert“.
- (18) Schweizerische Grossloge Alpina, Buch der 150 Jahre, 1844-1944
- (19) «Undenkbar».
Überdies waren die Aufwendungen für den Abwehrkampf sehr beträchtlich (20): Laut Schlussabrechnung betrugen sie für die Grossloge allein rund 350‘000 damalige Franken oder nach heutigem Geldwert etwa Fr. 1‘000 pro Mitglied.
- (20) Schweizerische Grossloge Alpina, Buch der 150 Jahre,1844-1994, op.cit. S. 101.
- b) Starker Mitgliederschwund bei der Freimaurerei
Laut C. A. Loosli wurden 1935 in Europa 8'920 Freimaurerlogen gezählt. Der Bundesrat schätzte 1936 die Anzahl der Freimaurer in der Schweiz auf 5‘000 Mitglieder, wovon 4‘200 in 41 blauen Logen, 450 im AASR, 150 im RSR sowie 200 in gemischten Logen. Die GL Alpina spricht von 3‘687 Mitgliedern (21). Die Freimaurerei war im Bundesrat nicht vertreten und in der Bundesversammlung zählte man rund sechs Mitglieder (22).
- (21) Die Angaben des Sekretariats der SGLA über die Entwicklung seit 1930 sind nicht sehr präzis.
- (22) Loosli C.A., op. cit., S. 26, 84
Die jahrelange Auseinandersetzung hinterliess tiefe Spuren, Michel Cugnet (23) äussert sich folgendermassen::«Diese Antifreimaurerkampagne und die ersten Siege der Achsenmächte Rom-Berlin hinterliessen bei der Schweizerischen Freimaurerei tiefe Narben. Zahlreiche Brüder standen unter starkem Druck und mussten decken um ihre Familien zu schonen oder ihre Berufsstelle zu retten!“ Nach dem zweiten Weltkrieg halbierte sich die Zahl der Brüder und fiel im Jahr 1945 auf etwa 2'500 Mitglieder.
- (23) Cugnet Michel, Deux siècles et demi de Franc-maçonnerie en Suisse et dans le Pays de Neuchâtel, Ed. du Chevron, La Chaux-de-Fonds, 1991, S. 192, (übersetzt).
5) Schlussfolgerung
- a) Würdigen wir den Mut unserer Brüder
Unermüdlich haben unsere Brüder den Abwehrkampf gegen zwielichtige Kräfte geführt um unsere Werte, Vereins- und Meinungsfreiheit und alle demokratischen Tugenden zu verteidigen. Ihnen gehört unsere tiefste Hochachtung. „Keine Angst zu haben heisst nicht unbedingt mutig zu sein. Echter Mut heisst, die zu erreichenden Ziele höher zu werten als die Angst“.
Aber urteilen wir nicht über Brüder, welche sich aus persönlichen Gründen für eine Stilllegung entscheiden oder sich zurückziehen. Jeder ist seinem eigenen Gewissen gegenüber verantwortlich.
- b) Bleiben wir wachsam
Vergessen wir nie die gravierenden Ereignisse, welche den zweiten Weltkrieg mit allen seinen Konsequenzen heraufbeschworen haben. Erinnern wir uns daran, nicht aus Nostalgie, sondern um wachsam zu bleiben und unter ähnlichen Umständen reagieren zu können.
Aus ihren Grundwesenszügen ergibt sich, dass die Freimaurerei auch Feinde, Verleumder und Opponenten hat. Freiheit und Demokratie sind nie definitive Errungenschaften, alles kann sich sehr schnell ändern. Es ist unsere Aufgabe als Freimaurer, stets wachsam zu bleiben und zum Handeln allzeit bereit zu sein. Den Umständen entsprechend kann unser Wirken öffentlich oder auch diskret sein.
Der Freimaurer vertraut dem Bund, seiner Stärke, seiner Werte, seiner Werkzeuge, um, wie es seine Geschichte aufzeigt, jederzeit und unter allen Umständen bereit zu sein, sich für Freiheit und Demokratie einzusetzen.
- c) Botschaft des Direktoriums der SGLA
Kurz nach der Abstimmung dankte das Direktorium allen Mitgliedern der Grossloge Alpina, die eine aktive Rolle im Kampf für die Verteidigung unserer Freiheiten eingenommen haben und publizierte folgende Mitteilung (24):
- „Der Ausfall der Volksabstimmung vom 28. November 1937 über die Initiative Fonjallaz hat uns mit Dank und Freude erfüllt. Zwei Drittel der stimmenden Schweizerbürger haben den vom Ausland unterstützten Angriff auf unsere demokratischen Bürgerrechte mit Wucht abgewiesen. Ihnen allen gilt unser aufrichtiger Dank. Eingeschlossen seien diejenigen Mitbürger, die entgegen ihrer gefühlsmässig bedingten persönlichen Einstellung zur Freimaurerei als Schweizer Recht vor Unrecht gestellt und damit die .Entrechtung einer Minderheit vereitelt haben.
- Freude empfinden wir darüber, dass die schweizerische Freimaurerei aus dem ihr aufgezwungenen Kampf integer hervorging. Während unsere Gegner nicht einmal den Versuch machten, ihre schweren Anschuldigungen zu belegen, haben wir die Beweise dafür erbracht, dass unser Bund weder staatsgefährlich, noch rechtswidrig oder unsittlich ist. Diese Feststellung hat sicher, wiederum aus Rechtlichkeitsgründen, viele unserer Mitbürger bewogen, die Initiative zu verwerfen.
- Wenn uns aus den angeführten Gründen das Schweizervolk durch die Abstimmung sein Vertrauen ausgesprochen hat, so liegt es nun an uns, unseren Mitbürgern auch unser Zutrauen zu schenken, indem wir einen besseren Kontakt mit dem Volksganzen herstellen. Die Lösung dieser Frage betrachten wir als unsere nächstliegende Aufgabe.“
Der Grosssekretär: Th. Jacobs. Der Grossmeister: Kurt von Sury.
Abschliessend dürfen wir uns fragen: Sind wir immer noch des Vertrauens des Schweizervolkes und der Brüder die sich 1937 eingesetzt haben würdig? Haben wir uns die Botschaft des damaligen Direktoriums zu Herzen genommen?
Dominique Freymond
Loge Liberté, Lausanne