Eugen Lennhoff

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Ein großer Freimaurer:
Sein Lexikon bleibt unentbehrlich


Nach dem Zweiten Weltkrieg Jahrzehnte lang vergriffen wurde das Lexikon 1992 und noch einmal 2000/2002 von Dieter A. Binder aktualisiert. Es gehört heute wieder zu den wichtigsten masonischen Nachschlagwerken.
Eugen Lennhoff war bis 1933 zehn Jahre lang Chefredakteur ("Schriftleiter") des Organs der österreichischen Großloge. Es war auch im freien Verkauf erhältlich.

Der Name Eugen Lennhoff ist belesenen Freimaurern ein Begriff, weil er 1932 gemeinsam mit Oskar Posner das ‚Internationale Freimaurer-Lexikon’ veröffentlichte. Überarbeitet von Dieter A. Binder ist dieses tausend Seiten starke Buch auch im frühen 21. Jahrhundert noch eines der wichtigsten masonischen Nachschlagwerke in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Über die Person Lennhoffs, sein Leben und sein vielfältiges freimaurerisches Wirken wissen jedoch nur masonische Fachleute Bescheid. Er hätte mehr Erinnerung verdient. Daher: Biographisches über Eugen Lennhoff von Rudi Rabe.

Quellen: Die wichtigsten freimaurerischen Grundlagen für den folgenden Text sind ein Artikel im Mitteilungsblatt der ‚UFL Deutschland’ Nr. 90/2014; die Chronik der Freimaurerei in der Ersten Österreichischen Republik 1918 bis 1938 von Günter Kodek; und Lennhoff-Posners Internationales Freimaurer-Lexikon.

Zusammenfassung

Eugen Lennhoff (1891 bis 1944) wurde 1920 in die Wiener Loge ‚Zukunft’ aufgenommen. Innerhalb der Kette führte er bald ein – man kann sagen – ebenso rastloses wie fruchtbares masonisches Leben. Lennhoff wurde zu einem in Österreich und über dessen Grenzen hinaus bekannter und geachteter Freimaurer.

In Österreich und international bekleidete er verschiedene hohe Freimaurerämter: Großsekretär der österreichischen Großloge, Gründungs-Großkommandeur des Schottischen Ritus von Österreich, Geschäftsführer der durch seine Initiative reorganisierten internationalen Universellen Freimaurer-Liga/UFL. Von Beruf Journalist war er von 1923 bis 1933 Chefredakteur der "Wiener Freimaurerzeitung": Er entwickelte diese von einem Vereinsblatt zu einer international orientierten und entsprechend zur Kenntnis genommenen Fachzeitung.

1929 gab Lennhoff das Buch ‚Die Freimaurer’ heraus, ein bis heute in Fachkreisen immer noch anerkanntes Werk; sehr schnell danach 'Politische Geheimbünde im Völkergeschehen' (mehrere Bände); und schließlich 1932 im Wiener Amalthea-Verlag mit Oskar Posner das ‚Internationale Freimaurer-Lexikon’. Posner war ein Arzt aus Karlsbad in Böhmen, Mitglied der Loge ‚Kette zur Freiheit’ in Saaz (heute: Žatec) und stellvertretender Großmeister der böhmisch-deutschen Großloge ‚Lessing zu den drei Ringen’. Er starb im Erscheinungsjahr des Lexikons.

In dem vom Amalthea-Verlag 1992 neu aufgelegten und von Dieter A. Binder aktualisierten ‚Internationalen Freimaurer-Lexikon’ heißt es in der Einleitung über Lennhoffs Bücher: Sie „sind geprägt von dem Willen, in einer Zeit zunehmender antimasonischer Hetze mit nüchterner Information aufzuklären. So wie das Freimaurerlexikon richteten sich diese Bücher in gleicher Weise an Freimaurer und interessierte Profane. Die Bücher fanden eine rasche Verbreitung, letztlich wurde sie ins Englische und Französische übersetzt und wiederholt bis in die jüngste Zeit als Reprints neu aufgelegt. Das Ende Österreichs im März 1938 zwang Eugen Lennhoff zur Flucht, da er als Freimaurer und Publizist in offenem Widerspruch zu den nationalsozialistischen Machthabern stand. Im englischen Exil setzte sich der unermüdliche Journalist erneut als Aufklärer ein, diesmal aber, um der englischen Öffentlichkeit die nationalsozialistische Herrschaft zu verdeutlichen. 1944 starb Lennhoff, im Gegensatz zu seinen Büchern geriet er in Vergessenheit.“

Aus Gründen, die sich bis heute nicht zur Gänze erschließen, hatte Lennhoff schon 1930 begonnen, sich aus der Freimaurerei zurückzuziehen. Zuerst legte er während seiner zweiten Amtsperiode die Funktion des Großkommandeurs des österreichischen Schottischen Ritus zurück; und dann 1933 – fünf Jahre (!) vor seiner Flucht vor den Nazis – „aus beruflichen Gründen – und nur solchen“ (Wiener Freimaurer-Zeitung) auch die Mitgliedschaft in der Loge ‚Zukunft’ und damit der Freimaurerei: Er ‚deckte’ also, wie es in der Freimaurersprache heißt.

In seinem Abschiedsbrief (Text siehe unten) nennt er als Grund eine „neue berufliche Tätigkeit“. Angesichts seines weit überdurchschnittlichen Engagements in den Jahren zuvor, war dies ein Ausstieg, der bis heute doch auch Rätsel aufgibt. Selbst wenn man seine beruflichen Gründe nachvollziehen kann, bleibt ein Rest übrig, der in der Person Eugen Lennhoffs verborgen bleibt.

Eugen Lennhoffs früher Lebensweg

Eugen Lennhoff (eigentlich: Loewy) wurde am 24.03.1891 in Basel (Schweiz) geboren. Sein Vater war der Bankier Oskar Lennhoff, der aus Lüdenscheid „in Preußen“ (heute in Nordrhein-Westfalen) stammte und 1906 in Zürich eingebürgert wurde. Eugen studierte von 1909 bis 1912 Psychologie und Geschichte in Zürich und von 1912 bis 1913 Rechts-, Sozial-und Wirtschaftswissenschaften in Berlin. Seine Weltanschauung war pazifistisch, was damals in bürgerlichen Kreisen kein populäres Programm war.

Ab 1913 schrieb Lennhoff für schweizerische Zeitungen. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 ging er nach Wien, wo er vom kaiserlich-königlichen Kriegspressequartier der Donaumonarchie als Korrespondent für Zeitungen der neutralen Schweiz zugelassen wurde. Außer ihm arbeiteten für das Kriegspressequartier so prominente Schriftsteller wie Franz Kafka, Egon Erwin Kisch, Franz Molnar, Robert Musil, Leo Perutz, Roda Roda und Franz Werfel.

Eugen Lennhoff wurde bald Schweizer Kriegskorrespondent des Berliner Ullstein Verlages und der Vossischen Zeitung. Der „lange Schweizer“ erhielt wegen seiner Herkunft und der rustikalen wollenen Wadenstrümpfe, die er trug, von seinen Kollegen den Spitznamen „Hirtenknabe“. Er berichtete von der Front in Galizien, von den Kämpfen an der italienischen Front und aus Belgrad.

Das Ende der österreichisch-ungarischen Habsburgermonarchie erlebte Lennhoff in Wien, wo er auch nach Kriegsende blieb und jetzt in der kleinen Republik Österreich weiter als Journalist arbeitete. Immer wieder war der talentierte Reporter international unterwegs.

Freimaurerische Highlights

Eugen Lennhoff wurde 1920 in Wien mit erst 29 Jahren in die Loge ‚Zukunft’ aufgenommen. Sein Bürge war der schon 1888 in die damalige Grenzloge ‚Zukunft’ rezipierte Generaldirektor der ‚New-York’-Versicherung Josef Carl Löwenberg.

Von Beginn an war Lennhoff hochengagiert: Schon ab 1919 hatte er für die ‚Wiener Freimaurerzeitung’ geschrieben. Zwei Jahre nach der Rezeption war er Mitgründer „Freien Vereinigung zur Verinnerlichung und Ausbreitung der Freimaurerei“. 1923 wurde er Chefredakteur der Freimaurerzeitung, die auch außerhalb der Logen frei verkauft wurde, sowie Delegierter der Allgemeinen Freimaurer Liga (später UFL) für Österreich.

Ebenfalls 1923 wurde von Frankreich aus das Kapitel ‚Mozart im Tale zu Wien’ des ‚Alten und Angenommenen Schottischen Ritus’ (AASR) eingesetzt. Lennhoff war an führender Stelle dabei. 1925 folgte ein Oberster Rat des AASR: Eugen Lennhoff wurde der erste ‚Souveräne Großkommandeur’ (= oberste Führungsfunktion) und übte das Amt bis 1929 aus.

1925: Auf dem 4. Konvent der ‚Assoziation Maçonnique Internationale’/A.M.I. in Genf war die Großloge von Wien durch Lennhoff vertreten. Im September 1926 nahm er als Vertreter der Großloge an einem als Friedensdemonstration geplanten internationalen Freimaurer-Kongress in Belgrad teil, der unter der Patronanz der A.M.I. stand und von den jugoslawischen Freimaurern ausgerichtet worden war. Aus Deutschland war nur Leo Müffelmann von der Berliner Loge ‚Bluntschli zur reinen Erkenntnis’ dabei: ohne offiziellen Auftrag. Dies verursachte in deutschen Freimaurerkreisen erhebliche Aufregung, die schließlich zum Übertritt Müffelmanns nach Wien und darauffolgend gegen viele Widerstände zur Gründung der ‚Symbolischen Großloge von Deutschland’ führte: Eugen Lennhoff half von Wien aus ganz entscheidend mit. Die etablierten deutschen Großlogen erkannten die neue Großloge nicht an. Politischer Hintergrund: Während die Wiener und die ‚Symbolische Großloge’ internationalistisch und pazifistisch waren, lehnte die große Mehrheit der deutschen Großlogen diese Linie ab. Kontakte zu den Logen der ehemaligen Feindstaaten, vor allem zu Frankreich, waren tabu.

1926 fand der 3. Weltkongress der ’Universellen Freimaurerliga/UFL’ in Wien statt, einer masonischen Vereinigung, die aus der Esperantobewegung hervorgegangen war. Lennhoff wurde ehrenamtlicher Geschäftsführer und Leiter der UFL-Zentralstelle jetzt mit Sitz in Wien (bis Ende 1930). Im August 1928 tagte dann der 5. Weltkongress der UFL in Wien: 700 Teilnehmer aus 30 Großlogen. Initiator und Organisator des Treffens war wieder Eugen Lennhoff. Der belgische Friedensnobelpreisträger (1913) Henry La Fontaine und der Großmeister der Großloge von Wien, Richard Schlesinger, wurden zu UFL-Ehrenmitgliedern ernannt. Letzterer sagte in seiner Dankesrede: „Die Großloge von Wien erblickt in der Liga keineswegs einen Staat im Staate, sondern ein sehr vornehmes und ausbauwürdiges Organ, das dem freimaurerischen Gedanken, so wie wir ihn verstehen, überall in der Welt eine Heimstatt bereiten soll“. Hintergrund: Die UFL war bei manchen Logen unbeliebt, weil sie auf persönliche Einzelmitgliedschaften setzte (und setzt) und daher neben der üblichen organisatorischen Struktur existierte (und existiert). Ihr statutarischer Zweck: „die Verbesserung der Beziehungen unter den Brüdern der ganzen Welt.“

1928: In Aachen gab es eine Aussprache zwischen dem erklärten Freimaurergegner Pater Hermann Gruber S.J., einem weiteren Jesuiten, und den Wiener Freimaurern Eugen Lennhoff und Kurt Reichl. Dem war seit 1926 ein umfangreicher Briefwechsel vorausgegangen. Lennhoffs Fazit: „Das erfreuliche Ergebnis dieser Aussprache mit Gruber war, dass er seine Überzeugung darlegte, dass auch auf katholischer Seite der Kampf gegen die Freimaurerei ausschließlich auf der Ebene weltanschaulicher und wissenschaftlicher Auseinandersetzungen auszutragen und der Lügen- und Bezichtigungsliteratur ein Ende zu machen sei.“ Der Briefwechsel ging bis zum Tod Grubers 1930 weiter.

März 1929 in Prag: Vor Mitgliedern deutschsprachiger und tschechisch-sprachiger Logen der Tschechoslowakei hielt Eugen Lennhoff einen Vortrag zum Thema „Weltfreimaurerei“. Am Abend danach fand zu Ehren Lennhoffs erstmals ein die beiden tschechoslowakischen Großlogen einbeziehender in beiden Sprachen geführter Diskussionsabend statt, bei dem es um eine Annäherung der ethnisch getrennten tschechoslowakischen Freimaurerei ging.

Auf dem 7. Weltkongress der UFL im August 1930 in Genf war die Großloge von Wien durch Lennhoff als Großsekretär vertreten. Der in Europa um sich greifende Faschismus bestimmte die Tagesordnung, wobei Eugen Lennhoff und vor allem auch Kurt Reichel als Wortführer für einen aktiven und öffentlichen Verteidigungskampf auftraten. Und im September 1930 fand der 6. Konvent der A.M.I. in Brüssel statt. 26 Obedienzen waren als Mitglieder, weitere elf als zugelassene Besucher vertreten. Die Großloge von Wien wurde durch Lennhoff repräsentiert.

Ende 1930 gab Lennhoff die internationale UFL-Geschäftsstelle ab; sie wurde nach Basel verlegt. Ebenfalls 1930 trat er als Großkommandeur des Schottischen Ritus von Österreich zurück. Er begründete das mit Ämter- und Arbeitsüberlastung. Es gab allerdings auch eine gewisse Unzufriedenheit mit seiner Amtsführung.

Außer in der Loge ‚Zukunft’ war Lennhoff ab 1928 als Doppelmitglied auch in der Grazer Loge ‚Wolfgang Amadeus Mozart’; ebenso in der B'nai B'rith, einem freimaurerähnlichen jüdischen System.

20. Juni 1933: Für die freimaurerische Umwelt überraschend gab Lennhoff bekannt, dass er die Freimaurerei verlasse: "aus beruflichen Gründen". Schon vorher hatte er alle seine freimaurerischen Ehrenämter zurückgelegt. Mit Ende 1933 übertrug er auch die Leitung der „Wiener Freimaurer-Zeitung“ an den Großsekretär der Wiener Großloge, Wladimir Misař.

Lennhoffs Abschiedsbrief wörtlich

Adressat: Hans Schlesinger, Stuhlmeister der Loge ‚Zukunft’ und Sohn des österreichischen Großmeisters Richard Schlesinger. Politischer Hintergrund: Der Brief wurde fünf Monate nach Hitlers Machtübernahme in Deutschland geschrieben. Das war eine Zeit, als die Nazis auch Österreich ins Visier genommen hatten. Am 19. Juni 1933 wurde die Nazi-Partei in Österreich nach mehreren Anschlägen verboten. Sie setzte jedoch ihre Wühlarbeit im Untergrund fort. Lennhoff schrieb seinen Brief unmittelbar nach diesem Verbot und unter dem Eindruck der politischen Entwicklung in der Zeit davor.

„Lieber Bruder Meister, lieber Freund Hans,
 dieser Brief mag Dir einigermaßen unerwartet kommen. Aber neue berufliche Tätigkeit, die vielleicht - gerne möchte ich sagen: hoffentlich! – Lebenswende bedeutet, drängt mir ihn gebieterisch auf. Nachdem ich mehrere Jahre hindurch die journalistische Tätigkeit hinter schriftstellerischer Arbeit hatte zurücktreten lassen – in dieser Zeit durfte ich meine freimaurerischen Bücher schreiben – bin ich nun wieder zur Journalistik zurückgekehrt. Einmal, weil die Schriftstellerei für einen humanitär eingestellten Publizisten ein mehr als hartes Brot geworden ist, zum anderen weil sich mir unverhofft die Chance bot, an einer neuen interessanten Zeitungsgründung in leitender Position mitzuwirken.

Noch ehe die erste Nummer dieses Blattes erschienen ist, wurde ich Zielscheibe nationalsozialistischer Angriffe. Mit dem Blatte ich, durch mich die österreichische Freimaurerei. Nun wird die Zeitung am Donnerstag zum ersten Mal herauskommen – die Gegenaktion wird sich sicherlich von neuem bemerkbar machen. Wenn man schon nicht direkt für den Nationalsozialismus Propaganda machen darf, ist es nur zu bequem, eine Hetze gegen die Königliche Kunst zu entfesseln. Sie wird umso heftiger werden, je geringer der Widerstand sein wird. Und wenn meine Herausgeber mich auch in jeder Beziehung decken und sich durch den Hinweis auf mein Freimaurertum nicht irritieren lassen, - Angriffen auf die Großloge von Wien können sie nicht begegnen! Da muss ich mich fragen, ob ich es in einer Zeit, da die Freimaurerei auch von anderer Seite zum Gegenstand von Attacken gemacht wird, verantworten kann, dass meinetwegen der Kampf schärfer und hässlicher auch gegen die Gesamtbrüderschaft entbrennt. Es leiden ohnehin so viele Brüder unter der Bösartigkeit der Gegner, die ihre Existenz bedroht oder doch zu gefährden scheint. Die Großloge von Wien braucht meines Erachtens Ruhe, wenn sie in dieser bösen Zeit ihren Weg fortschreiten, ihre Arbeit tun soll. So zielbewusst, so bewundernswert die Leistung unseres verehrten Großmeisters, Deines verehrten Vaters ist, sie muss leiden, wenn tagtäglich gegen unseren Bund gewühlt und gehetzt wird.

Nun sind Angriffe ja nicht zu vermeiden, sie liegen nun einmal im Zug der Zeit. Aber nun ist leider meine neue Tätigkeit geeignet, sie zu verschärfen, noch trauriger werden zu lassen. Da erscheint es mir als Pflicht, dafür zu sorgen, dass diese Schärfe mich und nicht die Kette trifft. Dazu kommt, dass die Politik, die ich nun in meinem Blatt mitverantworte, obwohl ich sie für durchaus im Einklang mit unseren Ideen halte, dem einen oder anderen Bruder nicht gefallen mag. Auch das muss ich bedenken. Es erscheint mir unmöglich, dass die Großloge von Wien immer wieder mit der Verantwortung für mich, mein Tun belastet wird. Darum glaube ich, dass es nur einen Weg für mich gibt, der Entlastung schaffen kann: die Deckung. Es erscheint mir fast unfassbar, dieses Wort niederzuschreiben, und der Stil dieses Schreibens mag beweisen, wie unendlich schwer es mir wird, daran zu denken. Aber ich glaube: es muss sein. Und so bitte ich Dich, bitte die Loge ‚Zukunft’, mich in Ehren zu entlassen.

Ich bin sicherlich eine spröde, einzelgängerische Natur, ich weiß auch, dass ich manche Schwäche habe, die nicht gerade freimaurerische Tugend genannt werden kann, aber eines darf ich sagen: ich liebte und liebe diese noble, schöne Loge, wie ich die Großloge und die Freimaurerei aus tiefstem Herzen liebe. Ob ich nun die Mitgliedschaft besitze oder nicht, ich werde nicht aufhören, den Idealen der Königlichen Kunst anzuhängen, ihr zu dienen. Das ist keine Phrase, denn ich darf ohne Unbescheidenheit feststellen, dass ich meine Arbeitsbereitschaft in den zwölf Jahren bewiesen habe, die ich im Schosse der ‚Zukunft’ verbringen durfte. Das Licht, das ich seinerzeit von Bruder Spieler empfing, und das ich vielleicht zu wenig in mich getragen habe, da ich stets bemüht war, es in die internationale Welt ausstrahlen zu lassen, leuchtet mir hell wie am ersten Tag. Aber ich sehe ein, dass, wie die politischen Dinge nun einmal liegen, ich gut daran tue, mich ein wenig abseits von seiner Quelle zu stellen. Darum muss ich mich in keiner Weise innerlich von Euch trennen. Das verspreche ich Euch in dieser schmerzlichen, schweren Stunde aufs feierlichste!

Lieber Bruder Hans, ich glaube genug gesagt zu haben. So vielen von Euch, von deinem Vater angefangen, möchte ich viel, viel mehr sagen, aber ich bringe diese wenigen Zeilen kaum richtig zu Papier. Glaubt mir: das ist der schwerste Brief, den ich je geschrieben habe.

Ich hoffe sehr, dass meine Bitte Eure Zustimmung und Erfüllung findet und grüße jeden einzelnen der Zukunftsbrüder aufs herzlichste & brüderlich Euer getreuer und insbesondere
 Dein Dir von Herzen ergebener & dankbarer Eugen Lennhoff“

Auch wenn Eugen Lennhoff von 1934 bis 1938 (= Hitlereinmarsch und Ende der österreichischen Freimaurerei) keine freimaurerische Tätigkeit mehr ausübte, trat er gelegentlich noch bei UFL-Veranstaltungen als Redner auf, so im September 1933 in Den Haag.

1938: Flucht vor den Nazis nach England und Tod 1944

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Im Juli 1934 versuchten die Nazis in Wien einen Putsch. Dabei wurde der diktatorisch regierende Bundeskanzler Engelbert Dollfuss erschossen, der Putsch gelang jedoch nicht. Obwohl die Nazi-Partei verboten war, erstarkte sie jedoch im Untergrund weiter. Österreich blieben noch knappe vier Jahre, dann war das kleriko-faschistische Regime am Ende: Nach einer wochenlangen politischen Eskalation ließ Hitler seine Truppen am 12. März 1938 einmarschieren. Eugen Lennhoff war bis zu diesem Datum Herausgeber der großen Wiener Tageszeitung ‚Telegraf’; das ist die Zeitung, die er oben in seinem Abschiedsbrief meint.

Am Vorabend des deutschen Einmarschs, also am 11. März, hielt der österreichische Bundeskanzler Kurt Schnuschnigg im Radio seine berühmte Kapitulationsrede: „Wir weichen der Gewalt“. Er schloss sie mit den Worten „Gott schütze Österreich!“. Darauf vertraute Eugen Lennhoff nicht, und so floh er gemeinsam mit dem Eigentümer des ‚Telegraf’, Karl Franz Bondy, und einem weiteren Zeitungsmitarbeiter in einem Auto ins nahe Ungarn. Die Tschechoslowakei, die aus politischen Gründen als Fluchtziel logischer gewesen wäre, hatte ihre Grenzen für Österreicher bereits dicht gemacht.

Lennhoff blieb einige Tage im grenznahen Ödenburg (ungarisch: Sopron), um die Entwicklung in Österreich zu beobachten. Er konnte dann aber doch die tschechoslowakische Grenze passieren, vermutlich weil er einen Schweizer Pass hatte, und schließlich nach England emigrieren.

Für die Zeit seines Londoner Exils von 1938 bis zu seinem Tod 1944 ist keinerlei freimaurerische "Wiederbetätigung" bekannt. Er kämpfte Im englischen Exil als Journalist Eugene Lennhoff bis zu seinem Tod unermüdlich gegen Krieg und Totalitarismus. Noch im Jahr 1938 erschien als erste Exilveröffentlichung sein Buch "The Last Five Hours of Austria" gleichzeitig in London und New York und auf holländisch in den Niederlanden; bald darauf in London "In Defence of Dr. Benes and the Czech Democracy". Im Mai 1939 heiratete er in zweiter Ehe Margarethe Goldschläger.

Beim Radiosender BBC war Lennhoff dann verantwortlich für die englische Sendung "London calling Europe", und ab Februar 1941 arbeitete er für die Österreichsendungen.

Eugen Lennhoff hatte nicht mehr lange zu leben: Am 19. Oktober 1944 starb er mit nur 53 Jahren in St. Marylebone bei London.

Eintrag 'Eugen Lennhoff' im Internationalen Freimaurer-Lexikon 1932

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Lennhoff, Eugen Schriftsteller in Wien, *1891 in Basel.
Reisejournalist, Kriegsberichterstatter der Ullsteinschen Tageszeitungen u. a. im k.u.k. Kriegspressequartier, Chefredakteur, schrieb u. a. "Die Freimaurer", "Politische Geheimbünde", aufgenommen 1920 in der Loge "Zukunft", Wien, war Großbeamter der Großloge von Wien, deren offizielles Organ, die "Wiener Freimaurerzeitung", er seit 1923 leitet.
1925-1930: erster Großkommandeur des Obersten Rates des A. u. A. Schottischen Ritus von Österreich.
1926 bis 1930: ehrenamtlicher Leiter der Zentralstelle der auf seine Initiative reorganisierten Allgemeinen Freimaurerliga, führt seither deren geistige Agenden, Vertreter der Großloge von Wien im Ausschuß der "Association Maçonnique Internationale".
Das Werk "Die Freimaurer" wurde 1930 mit dem (belgischen) Peeters-Baertsoen-Preis ausgezeichnet.

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Aus dem Leben des Freimaurers Eugen Lennhoff „Beiträge zur Biographie eines Unbekannten“

LL Zukunft und Aux Trois Canons am 17.09.2002 Br A,P.


Eugen Lennhoff (1891 Basel -1944 London) wurde 1920 in die Wiener Loge Zukunft aufgenommen, war von 1923-33 Chefredakteur der "Wiener Freimaurerzeitung", 1925-30 Gründungs-Großkommandeur des Schottischen Ritus von Österreich, 1926-30 Geschäftsführer der durch seine Initiative reorganisierten Allgemeinen Freimaurer-Liga (UFL), 1927-30 Großsekretär der Großloge von Wien, Autor der Standardwerke "Die Freimaurer" (1929) und (gemeinsam mit Oskar Posner) "Internationales Freimaurer-Lexikon" (1932).

Er war überaus aktiv in allen internationalen freimaurerischen Initiativen, deckte rätselhafterweise 1930 während seiner zweiten Amtsperiode als Großkommandeur im Schottischen Ritus und entschied sich 1933 aus beruflichen Gründen auch in der Loge Zukunft zu decken, nachdem er bereits "einige Zeit vorher" alle seine freimaurerischen Ehrenämter zurückgelegt hatte. Lennhoff war einer der international aktivsten, profiliertesten und visionärsten Brüder der österreichischen Kette.

Umso bedauerlicher ist es, dass bisher keine kritische Biographie dieses engagierten Freimaurers, Journalisten und Schriftstellers existiert. Dieses Flickwerk seines Lebenslaufes soll dem Bruder und Mitmenschen Eugen Lennhoff ein vorläufiges schriftliches Denkmal setzen. Arbeitsleistung, Bildungsniveau, Engagement und Vielseitigkeit Br Lennhoffs sind überwältigend und für uns Heutige kaum mehr nachvollziehbar. "Keine Realität ist wesentlicher für unsere Selbstvergewisserung als die Geschichte" und "wohin ich gehöre, wofür ich lebe, das erfahre ich erst im Spiegel der Geschichte" bekennt der Philosoph Karl Jaspers. Gute Lebensbeschreibungen von Schlüsselpersonen sind deshalb so wichtig, weil sie das aktuelle Leben einer Zeit, hier z.B. der Zwischenkriegszeit, für uns Spätere begreifbarer machen. "Wer ... sich nicht bemüßigt fühlt, den Menschen aufzuspüren, wo dieser auch verborgen sein mag, den lebenden, fühlenden Menschen voller Leidenschaft, Feuer und Temperament – der ist ein stumpfer Geist ..." schreibt Lucien Febvre, der Begründer der Strukturgeschichte.


Profaner Lebensweg

Eugen Lennhoff (Loewyi) wurde am 24.03.1891 in Basel (Schweiz) geboren. Sein Vater war der Bankier Oskar Lennhoff (1857-.....), der aus Lüdenscheid „in Preußen“ii stammte und am 13.09.1906 in Zürich eingebürgert wurde. Eugen schloss die kantonale Handelsschule Zürich mit Maturitätszeugnis ab, inskribierte Psychologie und Geschichte an der philosophischen bzw. Journalistik an der juridischen Fakultät der Universität Zürich (1909-1912), später Rechts-, Sozial-und Wirtschaftswissenschaften an der Universität und Handelshochschule in Berlin (1912-1913). Schon mit 19 Jahren fiel er als Pazifist (unangenehm?) auf, denn er sprach am 20.02.1910 bei einem Diskussionsabend in Zürich über Antimilitarismusiii. Ab 1913 schrieb er für schweizerische Zeitungeniv und ging im Sommer 1914 nach Wien, wo er vom kaiserlich und königlichen Kriegspressequartier als Korrespondent der neutralen Schweiz (u.a. für den Berner "Bund"v) zugelassen wurde.

Dieses k.u.k. Kriegspressequartier (KPQ) entstand aufgrund der kritisch-spöttischen Manöverberichte in der Neuen Freien Presse, die vom ehemaligen k.u.k. Offizier Roda-Roda (Sandór Friedrich Rosenfeld) stammten, der wegen einer Affäre mit der Schauspielerin Adele Sandrock 1901 vom Dienst suspendiert worden war und dem 1907 wegen 'Beleidigung des Militärs' (in Kabarett und Satire) sogar die Offizierscharge aberkannt wurde. Mit dem KPQ war beabsichtigt, "die Pressevertreter in völliger Abhängigkeit zu halten, einerseits durch drakonische Einschränkungen, andererseits aber auch durch eine großzügige Gastfreundschaft und kluges Entgegenkommen. Der Kriegsberichterstatter war in der Theorie blind, taub, stumm, lahm und im Ganzen strafwürdig. In der Praxis hatte er es mit Österreichern zu tun, also mit leichtlebigen, lässigen, meist von Natur aus gutmütigen Menschen, bei denen man sich vielerlei „richten“ konnte, besonders das Verbotene. Die Gescheiten unter ihnen waren Zyniker und nahmen sich selbst nicht ernst, die Dummen unter ihnen waren so dumm, dass es nicht allzu schwer war, ihnen ein Schnippchen zu schlagen. Der Dümmste war Hauptmann Hödel, der den als Kriegsmaler einrückenden Oskar Kokoschka mit dieser freundlichen Ansprache empfangen hat: «Hier musst du anständig malen, Fähnrich Kokoschka. Nicht so einen Symbolismus. Ein Symbolismus ist ein Dreck. Abtreten!» ... Da damals der totalitäre Staat noch nicht erfunden war, gab es doch trotz dieser Voraussetzungen im KPQ eine Art Freiheit, jene altösterreichische, die Victor Adler einmal so definiert hat: «Unsere Verfassung ist Absolutismus, gemildert durch Schlamperei»" (BERMANN 1998, 182ff.). Neben Eugen Lennhoff arbeiteten so prominente Schriftsteller wie Franz Kafka, Egon Erwin Kisch, Franz Molnar, Robert Musil, Leo Perutz, Roda Roda und Franz Werfel als „fahrende Landsknechte ohne Waffe“ im KPQ.

Eugen Lennhoff wurde bald „vom Glück und seinem großen Reportertalent begünstigt“ Schweizer Kriegskorrespondent des Berliner Ullstein Verlages und seiner Vossischen Zeitung. Der „lange Schweizer“ erhielt wegen seiner Herkunft und der rustikalen wollenen Wadenstrümpfe, die er trug, von seinen Kollegen im KPQ den Spitznamen „Hirtenknabe“. Im Frühjahr 1915 war er an der Front in Gorlice (Galizien), im Sommer 1915 berichtete er aus Triest von den Kämpfen an der italienischen Frontvi und im Oktober 1915 aus Belgrad (BERMANN 1998, S. 194f., 210).

Der anfangs noch recht naive Journalist Lennhoff lernte rasch aus den Listen der Kriegsberichterstatter. Einer seiner Hauptkonkurrenten war der deutsche Romanschriftsteller Leonhard Adelt, der für das Berliner Tageblatt berichtete. Vor der Rückeroberung der galizischen Hauptstadt Lemberg, die monatelang von russischen Truppen besetzt gewesen war, bemühten sich die meisten Vertreter großer Zeitungen beim KPQ um eine Einteilung zu den gegen Lemberg operierenden Truppen, um vom siegreichen Einzug der Österreicher in die Hauptstadt des Kronlandes Galizien und von den Leiden der Einwohner unter der russischen Besatzung berichten zu können. Nur wenige wollten an die italienische Front fahren, die durch die Kriegserklärung des ehemaligen Dreibundgenossen Italien an Österreich neu entstanden war.

Als Lennhoff hörte, dass Adelt nach Triest reisen würde, erbat er sogleich seine Versetzung zur Triester Gruppe, um vor Überraschungen durch seinen intimsten journalistischen Konkurrenten sicher zu sein. Aber darin irrte er sich gründlich. Kaum in Triest angekommen, fand Lennhoff eines morgens auf der Titelseite der Konkurrenzzeitung Berliner Tageblatt einen großen Artikel von Adelt, der "Im befreiten Lemberg" hieß. Adelt hatte in den vergangenen Monaten alle Nachrichten über das Leben der Lemberger unter der russischen Okkupation gesammelt und zu einem journalistischen Meisterwerk verwoben, das er noch vor seiner Abreise nach Triest an seine Redaktion geschickt hatte. Zwar stand keineswegs darin, dass er selbst mit den österreichischen Truppen in Lemberg eingezogen sei, aber jeder Leser musste das als selbstverständlich annehmen. So konnte das Berliner Tageblatt Originalberichte seines Kriegskorrespondenten Adelt aus Lemberg und aus Triest veröffentlichen, während Lennhoff und die Vossische Zeitung arg ins Hintertreffen geraten waren.

Lennhoff nahm diese Kriegslist erst sehr übel, lernte aber rasch aus dieser journalistischen Niederlage und ließ sich künftig nicht mehr so leicht hintergehen. Er und Adelt wurden unzertrennliche Reisegefährten, die aufeinander sorgfältig aufpassten, wo immer sie, in vollkommener äußerlicher Kameradschaft, miteinander hinkamen (BERMANN 1998, S. 194-198). "Im Oktober 1915 war Belgrad gefallen; die tapfere und besiegte serbische Armee zog sich über den Balkan zurück. Das ganze K.P.Q. fuhr vergnügt auf einem Schiff über die Save. Im Angesicht von «Stadt und Festung Belgerad» begannen wir im Chor das altösterreichische Reiterlied vom Prinzen Eugen zu singen, aber mit einem etwas geänderten Text:

Eugen Lennhoff, der edle Schweizer /
Wollt dem Ullstein früher kriegen, /
Stadt und Festung Belgerad. /
Fing er, ohne sich zu genieren, /
Schon in Neusatz an zu telegrafieren, /
An die hunderttausend Wort'.

Der Hirtenknabe hatte nämlich an Leonhard Adelt Rache für Lemberg genommen und schon von Neusatz (heute: Novi Sad) aus dem Zeitungsverlag Ullstein in Berlin unseren Einmarsch in das endlich eroberte Belgrad sehr anschaulich geschildert" (BERMANN 1998, S.209f.).

Das Ende der Habsburgermonarchie erlebte Lennhoff in Wien, wo er auch nach Kriegsende blieb. Er berichtete im September 1919 als Sonderberichterstatter für das Neue Wiener Tagblatt von den Friedensverhandlungen der Delegation Dr. Karl Renners in St. Germain-en-Layei. Lennhoff war auch Korrespondent beim Völkerbund in Genf (Österreich war seit 16.12.1920 Mitglied) und gehörte zu jener kleinen Gruppe von Journalisten, "die man bei allen Konferenzen traf.

Alle führenden Politiker der zwanziger Jahre, von Aristide Briand bis Gustav Stresemann, hatte er persönlich gut gekannt" (DÖW: Österr. im Exil: GB, S. 577). Während der Zeit der Nachkriegsinflation, der Hyperinflationiv des Jahres 1922 und der verrückten Börsenspekulation (1922-1924) bezog Lennhoff vielleicht Auslandshonorare oder erhielt Zuwendungen von seinen Eltern, die ihm das Überleben und sogar Heiraten ermöglichten, denn inmitten der schlimmsten Inflation vermählte sich Eugen Lennhoff am 26.05.1921 in Wien mit Gertrud Dubsky (geb. 1902). Diese Ehe wurde am 19.09.1927 wieder geschieden.

Im Sommer 1921 schickte das Neue Wiener Tagblatt Lennhoff als Korrespondent nach Ödenburg (heute: Sopron), um von der Übergabe des mehrheitlich deutschsprachigen Westungarn (heute: Burgenland) an Österreich zu berichten. Eugen Lennhoff war noch vor den einrückenden österreichischen Gendarmerie- und Zollwacheeinheiten (ca. 2000 Mann) in Ödenburg, wurde aber gleich zu Beginn des bewaffneten Widerstandes (28.08.1921) von ungarischen Freischärlern zusammen mit einem Korrespondenten der Wiener Neuen Freien Presse verhaftet und als „ausländischer Spion“ zum Tode verurteilt.

Beide Journalisten wurden knapp vor der Exekution von Major Osztenburg, dem Kommandeur der regulären ungarischen Truppen, gerettet und befreit (Last5hrs., S. 253f.). Die spätere Volksabstimmung in Ödenburg (14.-16.12.1921) fand unter starkem ungarischem Druck statt. 15.343 Einwohner stimmten für den Verbleib bei Ungarn, nur 8.277 für Österreich und rund 8.000 enthielten sich ihrer Stimme. Ödenburg, das politische und wirtschaftliche Zentrum Westungarns, blieb also bei Ungarn (KLEINDEL 1995: Österreich-Daten).

Im Krisenjahr 1922 nahm der „ausgezeichnete Reporter“ Lennhoff auf eigene Initiative an der Weltwirtschaftskonferenz in Genua (10.04.-19.05.1922) teil und organisierte dort mit R.A. Bermann den Nachrichtendienst für das Berliner Tageblatt (BERMANN 1998, 269f., 273, 275f., 284). Vorübergehend war Lennhoff auch Chefredakteur des Neuen 8-Uhr-Blatts (1923i) und zweier Blätter der Wiener Allgemeinen Zeitungs- u. Verlags-A.G., und zwar der Wiener Mittags=Zeitung (03.11.1924 – 29.11.1924) und der Wiener Allgemeine Zeitung (04.11.1924 – 31.03.1925). Von 1933-1938 war Lennhoff Chefredakteur des Wiener Telegraf und anderer Zeitungen ("Echo" 1919? RÖDER-STRAUSS II/2, S. 708).

Zum Zeitpunkt seiner Flucht vor den einmarschierenden Nationalsozialisten war Lennhoff Herausgeber der großen Wiener Tageszeitung Telegraf. Deren Eigentümer, Karl Franz Bondy (geb. 1892??) und Kurt Graf Strachwitz (geb. 28.02.1890 in Meran, gest. 28.11.1961 in Wien), ein führender Mitarbeiter des Telegraf, flohen gemeinsam mit Lennhoff am 11.03.1938, dem Vorabend der deutschen Annexion, nach der Radio-Ansprache des Bundeskanzlers Kurt Schuschnigg, der Hitlers Ultimatum gewaltlos nachgab, in einem Mietwagen über Kittsee nach Ungarn, da die Tschechoslowakei ihre Grenzen für Österreicher sogleich geschlossen hatte (Last5hrs S. 235ff, 248ff.).

Seine hochbetagten Eltern (Vater Oskar, geb. 1857; Mutter geb. ca. 1861) blieben damals in Wien zurück (Last5hrs S. 235f.). Am nächsten Morgen (12.03.1938, 5 Uhr früh) landeten der Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler, der Leiter des Sicherheitsdienstes SS Reinhard Heydrich und andere NS-Führer auf dem Flugplatz in Aspern bei Wien. Kurz darauf begannen die ersten Verhaftungen. Ab 05:30 Uhr besetzten deutsche Truppen die Grenzübergänge und überschritten die österreichisch-deutsche Grenze. Lennhoff, Bondy und Strachwitz blieben einige Tage in Ödenburg (heute: Sopron), um die Entwicklung in Österreich zu beobachten. Eugen Lennhoff konnte vermutlich als Schweizer Staatsbürger später doch die tschechische Grenze passieren und nach England emigrieren.

Im englischen Exil kämpfte Eugen (Eugene) Lennhoff mit Wort und Feder unermüdlich bis zu seinem Tod gegen Krieg und Totalitarismus. Noch im Jahr seiner Flucht aus Wien erschien als erste Exilveröffentlichung sein Buch "The Last Five Hours of Austria" gleichzeitig in London und New York bzw. als "De laatste vijf uren van Oostenrijk" in Holland; bald darauf "In Defence of Dr. Benes and the Czech Democracy" in London. Gemeinsam mit W(alter?) Tschuppik edierte er die "European Correspondents". Er vermählte sich in 2. Ehe am 04.05.1939 in Kensington (Grafschaft London) mit Margarethe Goldschlägeri (geb. 1898), die nach Kriegsende die Tantiemen für einen Nachdruck seines Werkes "Die Freimaurer" für einen Urlaub in Österreich verwendete.

Lennhoff sollte zuerst bei der British Broadcasting Corporation (BBC) einen eigenen Schweizer Dienst einrichten, was aber am Protest der Schweiz scheiterte. Er war daraufhin verantwortlich für die englische Sendung "London calling Europe" und danach (ab Februar 1941) in den Österreichsendungen und im Österreichischen Dienst tätig (MUCHITSCH 1992, S. 229). Der Deutsche Dienst der BBC, der seit 1939 bestand, strahlte am 16.02.1941 erstmals eine eigene tägliche, 15-minütige Österreichsendung aus, deren Kommentare (talks) sich mit Alltagsproblemen in Österreich auseinandersetzten. Diese BBC-Sendung für Österreich war nur eine von 12 anderen für Deutschland bestimmten Sendungen. Im Jänner 1942 erfolgte die Gründung einer eigenen Austrian Talks Section im Deutschen Dienst der BBC, welche die Kommentare verfasste und Nachrichten auswählte, die besonders für Österreich von Interesse waren. Dieser Abteilung gehörten A.J. Arengo Jones, der längere Zeit in Wien gelebt hatte und vorher im Deutschen Dienst als German Language Supervisor tätig war, und Eugen Lennhoff als vollbeschäftigte Mitarbeiter an (MUCHITSCH 1992, S. 143). Die eigentliche Gründung eines eigenständigen Österreichischen Dienstes der BBC erfolgte jedoch erst am 29.03.1943 (MUCHITSCH 1992, S. 146).

Leitung und Verantwortung (Editors und Sub-Editors) dieser Abteilung lag vollständig in den Händen britischer Redakteure. Die einzige erhalten gebliebene Mitarbeiterliste des Österreichischen Dienstes vom 01.06.1943 führt unter den festangestellten Mitarbeitern neben dem britischen Chefredakteur S. Patrick J. Smith ('Editor') auch Eugen Lennhoff als 'Programme Assistant' an. Patrick Smith, seit 1939 Mitarbeiter des Deutschen Dienstes, sprach sich stets positiv über Österreich aus und wurde bald zum beliebtesten britischen Kommentator im österreichischen Raum (MUCHITSCH 1992, S. 145); beliebtester Sprecher ('Announcer') war der österreichische Jurist J.F. Beeri.

Das Free Austrian Movement (gegründet 1940 von Hans ROTT in Toronto, Canada), das sich als Sammelbewegung zur Befreiung Österreichs verstand, hatte am 06.01.1942 eine Propagandakommission (die u.a. aus Demokraten, Kommunisten, Monarchisten und Sozialisten bestand) unter dem Vorsitz von Franz West und Hans Goldschmidt gebildet. Sie standen in regem mündlichen und schriftlichen Verkehr mit A.J. Arengo-Jones (Leiter der österreichischen Abteilung der BBC), seinem Nachfolger Patrick Smith sowie mit Eugen Lennhoff und lieferten regelmäßig Vorschläge und Kritiken, um den Charakter und Inhalt der Österreich-Sendungen zu verbessern (DÖW: Österr. im Exil: GB, S. 592).

Im Jahr 1942 bestand ein gewaltiger Kontrast zwischen der Propagandalinie Großbritanniens, das - wie die anderen Westmächte - Österreich nicht als eigenständige Nation anerkannte, und derjenigen der Sowjetunion, welche die gesamte österreichische Nation zum Widerstand aufrief. Während der russische Staatschef Josef Stalin am 16.12.1942 für eine Wiedererrichtung Österreichs als unabhängiger Staat eintrat, war es in der BBC streng verboten, von Österreichs künftiger Unabhängigkeit zu sprechen; aus allen Manuskripten wurde das Wort "Unabhängigkeit" entfernt. Dennoch gelang es, am 24.01.1942 einen von 1500 Österreichern anlässlich der 1. großen Versammlung des Free Austrian Movement angenommenen Aufruf in der BBC-Sendung nach Österreich unterzubringen (DÖW: Österr. im Exil: GB, S. 592f.).

Erst nach der Moskauer Deklaration (01.11.1943), die Österreich als erstes Opfer der Halleschen Angriffspolitik bezeichnete, konnte sich eine aktivere Propagandalinie auch in der BBC durchsetzen. Als österreichische Übersetzer und gelegentlich als Ansager arbeiteten in der österreichischen Abteilung der BBC u.a. der Kunsthistoriker Dr. Otto F. Demos (1902-90), Dr. Wilhelm Eisen Thal, der Schriftsteller Dr. Hans von Flesch-Brunn Ingen (1895-1981; verheiratet ab 1972 mit Hilde SPIEL), L. Körten und die Schauspielerin Hanne Norbert (MUCHITSCH 1992, S. 147). "In erstaunlich kurzer Zeit gelang es den österreichischen Kollegen, selbst in ihrem überpuritanisch möblierten Büro im Bush House eine Wiener Caféhaus-Atmosphäre zu schaffen. Sooft die Generäle an den Fronten eine kurze Atempause machten, wurde Schach gespielt. Man plauschte auch viel. Immer wieder wurden kleine Skandalgeschichten und Anekdoten erzählt.

Der unbestrittene Meister auf diesem Gebiet war Eugen Lennhoff" (DÖW: Österr. im Exil: GB, S. 577). Am 19.10.1944 starb Eugen Lennhoff in St. Marlenen bei London (England).


Freimaurerische Chronologie

Eugen Lennhoff wurde 1920 in die Loge Zukunft aufgenommen. Am 01.04.1922 fand die konstituierende Hauptversammlung der „Freien Vereinigung zur Verinnerlichung und Ausbreitung der Freimaurerei“ unter Vorsitz von Alfred Kühner als Obmann und Eugen Lennhoff (beide Loge Zukunft) als Schriftführer statt. Elf Brüder aus verschiedenen Logen setzten sich mit dieser Gründung für alle unter dem Schutz der Großloge von Wien stehenden Brüder und Logen folgende Ziele:

1. Förderung des geistigen und geselligen Zusammenhangs;

2. Ausbau aller jener Maßnahmen, die durch Pflege freimaurerischen Wissens die Vertiefung freimaurerischen Gedankenguts anstreben (freimaurerische Seminare);

3. Verbreitung der Grundlagen der österreichischen Freimaurerei durch geeignete Aufklärung profaner Kreise.

Zum Zeitpunkt der Gründungsversammlung hatten sich bereits rund 150 Brüder als Mitglieder angemeldet, die Großloge von Wien begrüßte die neue Aktivität ausdrücklich. Im August 1923 war Eugen Lennhoff Delegierter der Allgemeinen Freimaurer Liga für Österreich und übernahm ebenfalls 1923 von Br Heinrich Glücksmann (LEintracht, später Loge Humanitas; 1919-1923 Redakteur der Wiener Freimaurerzeitung) die Redaktion der „Wiener Freimaurerzeitung“ (bis 1933), der offiziellen Publikation der Großloge von Wien, die auch zum freien Verkauf gelangte.

Am 26.10.1923 wurde in Wien das Kapitel (18°) Mozart im Tale zu Wien Nr. 521 vom Obersten Rat des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus (AASR) für Frankreich feierlich eingesetzt. Atelierpräsident wurde Friedrich Blumberg (33°), der lange in Frankreich gelebt hatte und welcher der für eine Kapitelgründung notwendigen Zahl österreichischer Brüder (darunter Eugen Lennhoff) die Einweihung direkt in den 18° in Paris ermöglicht hatte. In der Folge wurden von diesem Wiener Kapitel, wie auch in anderen Ländern üblich, Brüder zunächst direkt in den 18° aufgenommen.

Auf dem 4. Konvent der Assoziation Maçonnique Internationale (A.M.I.) in Genf (01.-04.10.1925) war die Großloge von Wien durch Eugen Lennhoff als Mitglied des Bundesrates und durch Br Arnold Raschle vertreten. Eugen Lennhoff gehörte (ab Dezember 1924) zum Organisations- und Vorbereitungskomitee der ersten internationalen Nachkriegs-„Freimaurer-Manifestation“, die vom 29.-31. August 1925 in Basel stattfand. Einer der Redner bei dieser Basler "Manifestation" war Leo Müffelmann, der dabei auch mit Brüdern vom ('irregulären') Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne (FzaS, Hamburg) zusammentraf. Weil er deshalb von seiner Loge (Zu den alten Pflichten, Berlin) kritisiert wurde, deckte er noch im gleichen Jahr seine Loge, deren Gründungsmitglied er war und affiliierte bei der Berliner Loge Bluntschli zur reinen Erkenntnis (Großloge Zur Sonne, Bayreuth).

Siehe auch