Marcell Herczeg

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Ein Schicksal wie viele:
Vom verdienstvollen Logengründer zum jüdischen Flüchtling vor Hitlers Schergen

Dieser Eintrag im Freimaurer-Wiki kam zustande, weil sich Marcell Heczegs Urenkelin Sandra Herczeg-Wedl, die in München wohnt, im Frühjahr 2023 mit Erinnerungen an ihren Urgroßvater, der ein Freimaurer war, bei der GROSSLOGE VON ÖSTERREICH meldete: „Ich bin sehr stolz auf meine Familiengeschichte und besonders auf Marcell.“ Autor: Rudi Rabe

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Marcell Herczegs wirtschaftliche Leistungen wurden in den Zeitungen immer wieder gewürdigt: hier ein Artikel in der in Wien bis 1938 erschienen katholischen "Reichspost" vom 25. Dezember 1927.
Todesmeldung in der "Wiener Zeitung" vom 6. Oktober 1950; Marcell wurde 77 Jahre alt. Seine Urne wurde am 11. Oktober 1950 beigesetzt: im Friedhof Feuerhalle Wien-Simmering in einer Urnenwandnische Abteilung MR, Gruppe 56, Nr. 4 ("auf Friedhofsdauer"). Sie ruht dort gemeinsam mit der seiner Frau Riza, die am 31. Mai 1963 beigesetzt wurde.

Der erfolgreiche Manager und engagierte Freimaurer Marcell Herczeg kam am 27. Oktober 1873 in Ungarn zur Welt, und er wuchs auch dort auf. Als Erwachsener übersiedelte er vor dem Ersten Weltkrieg mit seiner Frau Riza sowie ihren beiden Kindern von Budapest in den österreichischen Teil der habsburgischen Doppelmonarchie, wo er die Leitung einer Gummifabrik im niederösterreichischen Traiskirchen übernahm. Unter seiner Führung wuchs diese Firma ständig. Er fusionierte sie mit anderen Unternehmen bis daraus der einstmals berühmte Semperit-Konzern wurde. Aber nicht genug: daneben war er auch noch Landwirt in Zogelsdorf im niederösterreichischen Waldviertel. Ab 1917 wohnte die Familie im dritten Wiener Bezirk in der Veithgasse 4 in einem Haus, das er gekauft hatte.

Marcell Herczegs masonische Laufbahn

Diese verlief in logenbezogenen Etappen. Aufgenommen wurde er 1911 in Budapest in die Loge REFORM. Fünf Jahre nach deren Schließung im Jahr 1919 als Folge des Freimaurerverbots durch die ungarische Nachkriegs-Diktatur gründete er 1924 gemeinsam mit anderen ungarischen Freimaurern in Wien die Loge LABOR. Er war dort von 1925 bis 1927 der erste Meister vom Stuhl und danach Ehrenmitglied.

Aus dieser Loge ging dann 1934 die Loge IN LABORE VIRTUS hervor. Deren Sitz war gemeinsam mit mehreren anderen Wiener Logen die Schwindgasse 8 bei der Wiener Karlskirche. Marcell Herczeg war wieder eines der Gründungsmitglieder und von 1937 bis 1938 Stuhlmeister: der letzte - wie sich leider bald herausstellen sollte als die Nationalsozialisten im März 1938 nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland alle Freimaurerlogen innerhalb weniger Tage schlossen und deren Besitztümer beschlagnahmten.

Seine erfolgreiche Flucht nach dem Hitler-Einmarsch

Marcell Herczeg war Jude, und es wurde ihm und seiner Frau Riza nun rasch klar, dass das Nazi-Regime gefährlich für sie war. Also emigrierten sie zurück nach Budapest. Zwar war Ungarn dann im Krieg mit Deutschland verbündet, dennoch waren die ungarischen Juden in ihrem Land vorerst einigermaßen sicher. Doch als Hitler 1944 auch Ungarn besetzen ließ, mussten sie untertauchen. Das gelang der Familie Herczeg mit Hilfe von Kornélia Bücher (später verheiratete Fekete): in deren großem Haus konnten sie sich gemeinsam mit anderen Juden verstecken.

Um jeden Verdacht zu zerstreuen, wurde über dem Eingangstor des Gebäudes mit stillschweigender Zustimmung des Hausmeisters ein Schild mit der Aufschrift „Hier wohnen nur Christen“ angebracht. So überlebten Marcell und Riza Herczeg den Judenterror der Nazis mit Glück und mit Hilfe humanitär gesinnter Menschen. Als Dank und Anerkennung für ihre Rettungsaktionen wurde Kornélia Fekete geborene Bücher später von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem mit dem Titel «Gerechte unter den Völkern» ausgezeichnet.

Im selben Jahr wie Marcell und Riza Herceg war 1938 auch ihr Sohn Stefan mit seiner Familie und mit nicht mehr als einem Koffer nach Argentinien geflüchtet; ebenso Marcells und Rizas Tochter Bobby mit ihren Kindern nach Boston. Nach dem Krieg besuchten Marcell und Riza ihre Kinder. Nach einiger Zeit landeten sie wieder in Wien, wo Marcell 1950 im Alter von 77 Jahren verstarb. Seine Nachfahren sind heute über die halbe Welt verstreut. Ein emotionaler Bezug zu Österreich scheint der Familie jedoch geblieben zu sein: Marcell und Riza wurden beide in Wien beigesetzt, und ein Teil von Rizas Asche wurde von deren Enkelin auf Wunsch der Großmutter 1963 im Wienerwald verstreut.

Quellen:

  • Marcell Herczegs Urenkel Sandra Herczeg-Wedl und Stephan Herczeg
  • Die Freimaurerbücher von Günter Kodek
  • Friedhöfe Wien (Grabsuche)

Siehe auch

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