Rezension: Eisner und Rusch - Das große Notzeichen

Aus Freimaurer-Wiki

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Cover
Cover, Rückseite

»Für mich ist jeder Versuch die Verbrechen des Nationalsozialismus aus der geschichtlichen Erinnerung auszublenden, letztlich nur eine besondere Form intellektueller Feigheit.«  (Roman Herzog (1934-2017), deutscher Jurist und CDU-Politiker. Er war zwischen 1994 und 1999 der siebte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.)

»Man darf die Beurteilung der Geschichte nicht jenen überlassen, die jede Pfütze gern unter Denkmalsschutz stellen möchten, weil sie möglicherweise von der Sintflut herrühren könnte.« (Jens Rusch (*1950), Autor).

Fakten und Zitate

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932) "Bei der heutigen Art der Kriegsführung des leeren Schlachtfeldes ist das Zeichen vollkommen wertlos geworden."

Vorwort

Seitdem laut Bill Ramsay im Jahre 1962 die Mimi ohne Krimi nie ins Bett geht, sind viele Tausende von Krimis in Buchform oder als Filme verbreitet worden. Und nun liegt hiermit ein weiterer vor, der offenbar aus dem allgemeinen Rahmen fällt. Denn man erfährt sofort, dass es sich um einen Freimaurer-Krimi handelt. Auch ist der Titel ungewöhnlich und das Titelbild mit einem Freimaurer mit ausnahmsweise vier Armen, die ein umgekehrtes Hakenkreuz darstellen und offenbar das Gegenteil zum Faschismus, nämlich Menschlichkeit, symbolisieren sollen. Laut der beiden Autoren kann dieser Krimi kurz als ›Restitutions-Krimi‹ bezeichnet werden, so dass es darin irgendwie um Wiedergutmachung oder Rückgabe gehen muss.

Aber was kann dies mit Verbrechen oder gar mit Morden zu tun haben? Das macht neugierig. Bisher waren es in anderen Freimaurer-Krimis (unlogischerweise) die freimaurerischen Illuminaten, die Böses im Schilde führten. In diesem Krimi sind es nun erstmals jüdische Freimaurer, die zur Verzweiflung getrieben den Verbrechen von Nichtfreimaurern zum Opfer fallen.

Es könnte sein, dass manche Leserin oder mancher Leser durch einige besonders brutal beschriebene Details etwas schockiert sein könnte, doch soll dies wohl den grausamen Umgang mit den Juden im Nationalsozialismus – und nicht zuletzt das nach dem Zweiten Weltkrieg oft an ihnen begangene Unrecht der fehlenden materiellen Wiedergutmachung besonders unterstreichen. Die hier beschriebene fiktive schicksalhafte Geschichte zweier jüdischer Freimaurer vor dem realen historischen Hintergrund der Judenverfolgung dient vor allem dazu, das an ihnen begangene Unrecht zu demonstrieren. Selbst manche Freimaurer blieben leider nicht von der ›braunen‹ Einflussnahme verschont und leugneten dies mitunter später. Beide Autoren haben dankenswerterweise für die Profanen, also für die NichtfreimaurerInnen, entsprechende geschichtliche Zusammenhänge und Erklärungen eingeflochten.

Guntram B. Seidler

Freimaurer, Nostradamus und ich

von Manfred Eisner

Eigentlich hatte ich mich schon seit fast einem dreiviertel Jahrhundert nicht mehr mit diesem Thema befasst. Es erwachte in mir erst wieder, als eine zufällige Bekanntschaft mit Jens Rusch und die darauffolgende Zusammenarbeit beim Entstehen des Freimaurer-Krimis Das große Notsignal mich in diesen Kosmos zurückversetzte.

Ich begann mich zurückzubesinnen: damals, als Fünfzehnjähriger in La Paz, machte mein Vater, Musikdirektor und ständiger Kapellmeister des von ihm gegründetem Orquesta Sinfónica Nacional de Bolivia, nach einem Konzert die Bekanntschaft des uruguayischen Konsuls. Darauf folgten gegenseitige Einladungen und bald lernte ich auch beide Töchter der Familie Luis Herrera Lerena, May und Carol, kennen. May war damals schon fast achtzehn Jahre alt und eine faszinierende und aparte junge Frau, die mir wegen ihrer hohen Intelligenz und Bildung sehr imponierte. Die damals geschlossene Freundschaft überdauerte ehern – wider den unzähligen Jahre der Trennung über Länder und Erdteile – bis zu ihrem Ableben vor zwei Jahren. Jedenfalls war May es, von der ich erstmalig das Wort masones erfuhr: Sie berichtete mir so manches über diese geheimnisumwobenen Freimaurer, ihre Logen, die verborgenen Zeichen mit denen sich Brüder – unbemerkt für andere, nicht eingeweihte – zu erkennen gaben. Sie lieh mir ein Buch, aus dem ich so einiges über diese mir eigenartig erscheinenden Menschen erfuhr, von denen – wenn man denn andere Leute fragte – hörte, sie seien sonderbar, verschlossen, sehr geheimnisvoll und würden sich immer gegenseitig unterstützen. Dennoch muteten sie unheimlich und seien von einer unguten Aura umhüllt. Wie stets, was uns unbekannt erscheint macht uns Angst und weckt Argwohn.

Ich hingegen konnte aus diesem Werk erfahren, dass sich Freimaurer als ein Bund wohlgesinnter, freier Männer verstehen, die Freiheit, Toleranz, Humanität und Gleichheit auf ihre Fahne geschrieben haben und ähnlich den Maurern, ständig am Haus ihres menschlichen Verhaltens bauen.

Für einen fünfzehnjährigen der das – linke – Herz am richtige Ort in der Brust trägt, (wann denn sonst, wenn nicht in diesem Alter?) selbstredend sämtliche Ideale die er selbst für sich als richtweisend befürwortet und für die er sich durchaus in seinem noch vor ihm liegendem Leben verwenden will.

Aber dennoch, Vorsicht, junger Mann! klangen die Warnungen, diese Brüder seien doch eine elitäre Gruppe, in der Juden, wie in vielen anderen Vereinen auch, nicht gern oder überhaupt nicht geduldet werden. Wie jetzt? Wo blieben da die oben genannten Ideale? Dagegen hörte ich von meinem Vater, dass auch Freimaurer während des Dritten Reiches von den Nazis verbissen verfolgt und verfemt waren und man ihre Logenhäuser zerstört habe. Wir befanden uns gerade wenige Jahre nach dem grauenvollen Zweiten Weltkrieg, der bei unsereinem selbstredend Argwohn und Wiederhass auf jegliche, die das jüdische Volk und andere geschunden und gemartert hatten oder diesem nach wie vor feindlich gesinnt waren, unvermindert manifest war. Kurz nach dem UNO-Beschluss über die Teilung Palästinas und Gründung des Staates Israel, war dort jener Krieg entbrannt, mit dem die arabischen Anrainerstaaten danach trachteten, dessen Existenz zunichtezumachen. Auch in Bolivien wurde deswegen Judenhass handgreiflich, gezielt von der starken deutschen und libanesischen Anwohnerschaft geschürt.

Von meinem engsten Intimus Werner erfuhr ich, dass sein Vater Mitglied der B‘nai Brith sei, und von der Existenz dieser jüdischen Loge, die ursprünglich in den USA gegen Ende des 19. JH deswegen gegründet worden sei, weil man schon damals Juden in den ›normalen‹ Logen gemieden habe. Mit Groß-, Hauptlogen und Distrikten, den gleichen Idealen und ähnlich den Freimauerlogen aufgebaut, ist B’nai Brith aber nicht mit diesen verbunden und eher eine Wohlfahrtsorganisation für Glaubensgenossen.

Sinnigerweise kam ich auch durch meine Freundin May auf den umfangreichen und fantasievollen Roman Nostradamus, den der Korsische Autor Michel Zévaco 1909 verfasste und den ich als begeisterter Fan der Werke Alexandre Dumas trotz dessen beachtlichen Volumens einer spanischen Übersetzung aus dem Französischen Original binnen weniger Tage verschlang. Daraus erfuhr ich so einiges über Rosenkreuzer, allerdings verwoben mit einer fantasieverdankten Romangeschichte von Magie, Spiritismus und tatsächlich während der Zeit lebenden Akteure. Eigenartig, dass anscheinend dieser Roman niemals in deutscher Sprache erschienen ist, jedenfalls konnte ich keinen Hinweis darauf finden. Heute entnehme ich allerdings aus der Freimaurer-Wiki folgendes: »Es gab im frühen 18. Jahrhundert viele Beziehungen zwischen Rosenkreuzern und Freimaurern, so dass rosenkreuzerisches Gedankengut in die Rituale der Freimaurerei eingeflossen ist.

Insbesondere bei der Symbolik sind deutliche Parallelen zu erkennen.«  Wie oben erwähnt, klang mein Interesse an der Freimauerei danach merklich ab, wurde es doch durch andere akute Ereignisse langsam verdrängt. Mein Beitrag zum großen Notzeichen hat mich erst jetzt wieder mit Freimaurern und deren Gedankengut in Berührung gebracht und damit verbunden, so manche schöne Erinnerung aus meiner Jugendzeit wachgerüttelt.

Und dafür danke ich dir herzlichst, mein geschätzter Jens Rusch!


Hörbuch

Hörbuch-Cover

Kriminalhauptkommissar Sören Madsen und sein Team der Itzehoer Mordkommission ermitteln in einem seltsamen Fall von „Schienen-Suizid“. Kriminalhauptkommissar Motti Wunderlich hat bereits bei einem vergleichbaren Fall mitgewirkt und trägt mit seinem Hintergrundwissen als Freimaurer entscheidend zur Aufschlüsselung der triftigen Indizien bei. Sie führen Polizisten und Leser*innen in einen obskuren Kosmos von Raubkunst und Sadismus.

Die Vereitelung der Rückerstattung von Raubkunst an deren legitime Eigentümer lassen ein makabres Gespinst gegenwärtiger Niederträchtigkeiten erkennen. Die beiden CO-Autoren haben einen faktenbasierten Restitutions-Krimi erarbeitet, der ein winziges Licht in Deutschlands dunkelste Zeit wirft.

Frank Schmalbach gibt mit seiner Stimme der Spannung und dem Faktenfluss Licht und Düsternis, wie es der jeweiligen Situation entspricht.

Nachwort

Im Zuge des Ersten Weltkriegs verbreitete sich der Antimasonismus in Form von Verschwörungstheorien in der deutschen Mehrheitsgesellschaft und insbesondere in der nationalistischen Rechten. Eine der Behauptungen war die von der Verbrüderung mit dem Feind, die Freimaurer in ihren Logen vorbereitet und schließlich auch vollzogen hätten. Dabei rückte das "Große Not- und Hilfszeichen" häufig in den Fokus, weil es der Beleg dafür schien, dass sich Freimaurer nicht in erster Linie ihrer Nation verpflichtet fühlten.

Die Behauptung stammte dabei keineswegs aus dem Weltkrieg, sondern war etwa schon in den 1870er Jahren vom jesuitischen Freimaurerexperten Georg Michael Pachtler verbreitet, um die Fürsten vor der "fünften Kolonne" der Freimaurer in der Armee zu warnen.

Nach dem Weltkrieg verbreiteten sich also bald Behauptungen und Anekdoten über die Anwendung des GNuHZ und den angeblichen Landesverrat der Freimaurer. Die Freimaurerlogen zeigten sich darüber durchaus bestürzt. Sie sahen sich als Teil des nationalen Bürgertums und empfanden die kursierenden Geschichten als Verleumdungen. Sie wussten auch ganz genau, welcher Geist tatsächlich während des Krieges in ihren Logen geherrscht hatte.

Im März 1915 war beispielsweise im Bayreuther Bundesblatt die soldatische Pflichterfüllung bis zum äußersten als höchstes Gut gepriesen worden: „Und jeder Freimaurer, in den Linien, sendet das todbringende Geschoß in die feindlichen Ketten, ohne Rücksicht darauf ob der, den es treffen wird auch ein Freimaurer, ein Bruder ist.“ Im Kriegstaumel hatte man die vollständige institutionelle und ideelle Abkehr von dem vollzogen, was man inzwischen verächtlich "Weltmaurerei" schimpfte, um dafür eine deutsche Freimaurerei aus explizit "völkischem" Geist zu beschwören.

Eine der am weitesten verbreitete Anekdote zum GNuHZ stammte aus dem belgischen Louvain/Löwen. Dort soll bei Kriegsbeginn das GNuHZ dazu geführt haben, dass deutsche Soldaten festgesetzte Belgier freiließen. Auch in Freimaurerkreisen sorgte diese Geschichte in den 1920er Jahren für einige Verunsicherung, weil die nationale Bruderkette längst dazu übergegangen war, in den eigenen Reihen nach den Schuldigen für die Niederlage zu suchen.

In allen Freimaurerzeitschriften wurde dazu aufgerufen, authentische Augenzeugenberichte von der Anwendung des Notzeichens zusammenzutragen. Zehn Jahre nach Kriegsende konnte im Bundesblatt der 3WK schließlich eine detaillierte Rekonstruktion der Episode aus Löwen präsentiert werden, die die Freimaurerei ‚entlastete‘. Nicht nur sei das Notzeichen nicht zur Anwendung gekommen, auch die Exekution der Belgier sei trotz Gnadengesuchs pflichtgemäß erfolgt. Aller Grund zu deutschfreimaurerischem Stolz...

Schon seit Beginn der Weimarer Republik bestand eine ideelle Nähe zwischen signifikanten Teilen der deutschen Freimaurerei und der radikalen systemoppositionellen Rechten, die bis Mitte der 1920er Jahre in ihrer Haltung zur deutschen Freimaurerei noch schwankte. Das GNuHZ stand da natürlich im Wege, weil es - unabhängig von tatsächlicher Anwendung im Krieg - eine Brücke zur Freimaurerei anderer Länder schlug.

Schon seit 1919 diskutierte etwa die Große Landesloge über die Abschaffung. Man entschied sich zunächst jedoch dagegen, und setzte (1) auf eine Umdeutung, die den appellatorischen Charakter strich und das GNuHZ damit 'entschärfte' und (2) auf die Mitteilung an den Lehrling, dass „die Anwendung dieses Zeichens sowie seine Beachtung dem Feinde gegenüber im Felde verboten sei“.

Anders - wie hier ja von Jens Rusch gezeigt - die Große Loge von Preußen zur Freundschaft (das alte "Royal York" hatte sie 1915 wegen der englischen Anklänge gestrichen). Sie strich das GNuHZ 1927 gleich komplett aus ihrem System.

Manuel Pauli

(Historiker, der zur Geschichte der deutschen Freimaurerei forscht)

Autoren

Co-Autoren Rusch und Eisner

Manfred Eisner, Jahrgang 1935, geboren in München, erlebte Kindheit und Jugend als Emigrant in Bolivien und Uruguay und kehrte erst 1957 nach Deutschland zurück. Er studierte Lebensmittel-technologie im damaligen West-Berlin und war in diesem Beruf bis 1998 als Angestellter und danach noch bis 2009 freiberuflich als Industrieberater und FDA-Sach-verständiger tätig. Er hielt weltweit Vorträge und schrieb zahlreiche Artikel, die – ebenso wie sein bekanntes Fachbuch über die Haltbarmachung von Lebensmitteln – in mehreren Sprachen übersetzt wurden. Nach Vollendung einer Romantrilogie, in der er Szenen aus seiner eigenen Biografie schildert, widmete er sich der Kriminalromanserie mit der LKA-Sonderermittlerin Nili Masal, von der bereits zehn Bände erschienen sind.

Jens Rusch, geboren am 26. April 1950 im norddeutschen Fischerdorf Neufeld. 1964 Famous Artists Fernstudium. Tutor : Norman Rockwell. 1979 bis 1982 Ausbildung als Meisterschüler von Prof. Eberhard Schlotter im spanischen Altea. Seit 25 Jahren Freimaurer. Mutterloge „Ditmarsia“. Heute Mitglied der Hamburger Loge „Roland“. Ehrenmitglied der Frankfurter Loge „Lessing“ und der Freigärtner-Vereinigung „Carl Theodor zum goldenen Garten“. Gründer des Online-Lexikons „Freimaurer-Wiki“. Goldenes Verdienstzeichen der Vereinigten Großlogen von Deutschland. Träger des Bundesverdienstkreuzes am Band. Initiator der karitativen Veranstaltung „Wattolümpiade“, Ehrenmitglied des onkologischen Arbeitskreises der Westküstenkliniken. Zahlreiche weitere Auszeichnungen.

Links

Siehe auch

Literaturhinweise

Salier Verlag 978-3-943539-62-2 (ISBN)