Rezension: Marcus Patka - Österreichische Freimaurer im Nationalsozialismus

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Die Pforten der Hölle:

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Marcus Patka: Österreichische Freimaurer im Nationalsozialismus - Treue und Verrat

Böhlau Verlag Wien-Köln-Weimar 2010

Keine der üblichen Rezensionen, sondern Erlesenes von Rudi Rabe. Das Buch des gelernten Historikers Marcus Patka aus Wien empfehle ich allen, die sich für unsere Vergangenheit interessieren.

Ein Text für ZEIT&MASS, das Mitgliedermagazin der Großloge von Österreich.


In Deutschland genehmigten sich die Nazis ab 1933 noch zwei Jahre, bis sie die Freimaurerei endgültig stranguliert hatten. Beim Anschluss Österreichs 1938 saßen sie schon so sicher im Sattel, dass sie dasselbe in zwei Wochen erledigten.

Schon das kleriko-faschistische Dollfuß-Schuschnigg-Regime drangsalierte die österreichischen Freimaurer ab 1933, aber es gab kein Verbot. Doch mit Hitlers Einmarsch am 12. März 1938 taten sich – man kann ruhig sagen – die Pforten der Hölle auf. Bereits einen Tag später begann ein Freimaurer-Sonderkommando der SS aus Berlin mit Verhaftungen, Verhören und der Beschlagnahme aller Besitztümer. Neun Tage später meldete es nach Berlin: alle Logen geschlossen, alle Akten und 200.000 Schilling beschlagnahmt.

Der sterbenskranke Großmeister Richard Schlesinger wenige Wochen vor seinem Tod; 'Der Stürmer' veröffentlichte dieses Foto mit hämischen Bemerkungen.

Die Verhöre führender Freimaurer zogen sich dann über viele Wochen. Der bereits erkrankte Großmeister Richard Schlesinger überlebte den Terror kaum drei Monate: Er starb am 5. Juni als SS-Gefangener. ‚Der Stürmer‘ – das Hetzblatt der Nazis – höhnte ihm noch hinterher mit einem offensichtlich in der Haft aufgenommenen Foto des todkranken Schlesinger, ohne jedoch dessen Tod zu erwähnen.

Nazi-Wahn und Wirklichkeit

Die Nazis dämonisierten die Freimaurer. In ihrer wahnhaften Vorstellung zogen diese die Strippen der Welt. Marcus Patka zitiert dazu aus einem Gestapo-Akt vom April 1938: Es ist „verwunderlich, dass die Auslandspresse nichts über die … gegen die Logen in Österreich durchgeführten Aktionen berichtet. Dadurch, dass die gesamte Auslandspresse hierüber schweigt, ist der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, daß entsprechende Weisungen innerhalb der Freimaurerei ergangen sind.“

Das klingt erstaunlich, es überrascht aber nicht: Verschwörungstheorien sind resistent. Wenn die Wirklichkeit anders ist als eingebildet, wenn also die – so die Wahnidee der Nazis – freimaurerisch gelenkte Weltpresse schweigt, dann wird nicht die eigene Vorstellung von der Allmacht der Freimaurer korrigiert, nein, sie gilt als bestätigt. Kann es doch nur so sein, dass die Freimaurerei selbst – aus welchen perfiden Gründen auch immer – an die Zeitungen der Welt eine Schweigeweisung ausgegeben hat. In Wahrheit hatten die Westmächte und deren Medien längst ganz Österreich aufgegeben, gar nicht zu reden von der kaum beachteten Austro-Freimaurerei.

Die Nazis dichteten vor allem dem Schottischen Hochgradritus eine herausragende internationale Machtstellung an. Von den Razzien in dessen Büro erwarteten sie sich – schreibt Marcus Patka – „spezielle Erkenntnisse über das ‚internationale Netzwerk‘.“ Großsekretär Wladimir Misar berichtete nach seiner Flucht nach England von Verhören, bei denen es um den – so der Nazi-Wahn – „universellen Einfluss“ der Freimaurer ging und um „ihre Einmischung in die politischen Angelegenheiten aller Staaten.“

Hunderte Brüder wurden ermordet

Anfang der dreißiger Jahre gab es in Österreich 2.000 Freimaurer. Durch den Druck in den Dollfuß-Schuschnigg-Jahren waren es 1938 dann weniger als 1.200: drei Viertel Juden. Dies erklärt sich wohl dadurch, dass das nichtjüdische österreichische Bürgertum damals überwiegend katholisch-antifreimaurerisch war. Wie viele von den jüdischen Brüdern in den Konzentrationslagern der Nazis ermordet wurden, ist unklar: Von hundert weiß man die Namen; es waren sicher deutlich mehr. Vielen gelang aber auch die Flucht ins Ausland.

Nach dem Krieg am 28. Juli 1945: Zum ersten Treffen fanden sich 48 Brüder ein. Kurze Zeit später gründeten sie in Wien die Sammelloge ‚Humanitas renata‘. Österreich war damals in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Am Anfang gab es zwischen diesen kaum Verbindungen. Und so wurde in Kärnten unabhängig und ohne dass die Großloge in Wien davon wußte die Loge ‚Paracelsus‘ wieder erweckt. Aus diesen Anfängen entstanden dann in den Folgejahren nach und nach wieder Logen meist mit den alten Namen.

Nach 1945: Nazis raus

Im ersten Nachkriegsjahr meldeten sich immer mehr Brüder: bis Mitte 1946 in Wien 150. Aber wie die Rechtschaffenen von jenen scheiden, die zu den Nazis übergelaufen waren? Denn es war klar: Für Nazis oder Kollaborateure gab es kein Zurück. Da man nicht jeden Bruder individuell durchleuchten konnte, wurden formelle Kriterien festgelegt: vor allem Mitgliedschaften und Anwartschaften. Aber auch eine lockere Verbindung zur Nazi-Partei konnte schon zu viel gewesen sein. Es gab interne Verfahren und Bescheide. Und so mußten mehrere ehemalige Brüder draußen bleiben.

Hilfe aus dem Ausland

General Mark Clark
Hochkommissar der US-Besatzung in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg

Besonders unterstützt wurde der masonische Neuaufbau vom amerikanischen Hochkommissar in Österreich, General Mark Clark, der selbst Freimaurer war und laut Marcus Patka „ein dezenter Schirmherr einer sich langsam regenerierenden Freimaurerei“ in Österreich. Eine andere Art der Unterstützung leisteten amerikanische, Schweizer und ehemalige österreichische Freimaurer, denen die Flucht ins Ausland geglückt war: Sie sandten CARE-Pakete an die Brüder im ausgehungerten Österreich. „Auch an Kohle, Holz und Papier mangelte es, nur schrittweise konnten die Tempel und auch die Büroeinrichtung wieder instand gesetzt werden“, zitiert Marcus Patka aus einem Bericht jener Zeit. Und: Brüder „die ihr Werkzeug in der Nazizeit verloren haben, erscheinen mit selbstgemachten Schurzen aus irgendwelchem Ersatzstoff, da weißes Leder nicht aufzutreiben ist; die vorhandenen Schurze haben die Nazis geplündert, um aus dem weißen Leder Handschuhe für die SS zu machen.“

Rückkehr in die Weltenkette

Die österreichische Großloge vertrat den Standpunkt, dass sie 1938 zwar unterbrochen aber nicht eingeschläfert worden war. Dennoch gab es große Schwierigkeiten mit der Kontinuität der Anerkennung durch die Großloge von England (UGLE). Diese vertrat den Standpunkt, daß Österreich bis zum Abschluß eines Friedensvertrages feindliches Ausland sei: bis dahin keine Anerkennung. Laut Marcus Patka spielten dabei aber auch andere Motive eine Rolle: Die Österreicher waren vor dem Krieg zwar anerkannt, aber sie waren auch in der UFL (Universelle Freimaurerliga) aktiv, einer prononciert humanitär ausgerichteten Vereinigung; und sie setzten das nach dem Krieg fort. Erst als sie 1952 ihre Verbindung zur UFL auflösten, war der Weg zur Anerkennung frei. Das ging nicht ohne innere Zerwürfnisse: Mehrere Brüder der Loge ‚Zukunft‘ verließen die Großloge und gründeten in der Folge den Großorient von Österreich.

In der von Marcus Patka zitierten 143. Tafel der ‚Großloge von Wien für Österreich‘ wird berichtet, dass die Anerkennung durch die UGLE am 3. Dezember 1952 beschlossen wurde: bei einer Festarbeit im großen Saal der Free Masons Hall in London vor 3.000 Brüdern. Durch die Anerkennung der Engländer und in der Folge durch die Anerkennung der mit diesen weltweit verbundenen Großlogen ist der österreichischen Großloge etwas gelungen, was der Republik mit dem Staatsvertrag 1955 erst noch bevorstand.

Siehe auch

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