Das Ritual: Arbeiten – Feiern – Trauern

Aus Freimaurer-Wiki
Der Tempel der drei Linzer Logen der 'Großloge von Österreich'.
Das ‚Bijou’ (= Logenabzeichen) der Loge ‚Zu den Sieben Weisen’. Entwurf von Anton Endsdorfer, Bildhauer, Stuhlmeister der Wiener Loge 'Gleichheit'

Das Ritual: Arbeiten – Feiern – Trauern

‪Vom Wesen masonischer Arbeit:
Die Bruderschaft und ihr Ritual

In einer umfassenden Darstellung im 'Historischen Jahrbuch der Stadt Linz 1998' hat Gerhard Forsthuber die Geschichte der ältesten Linzer Freimaurerloge 'Zu den Sieben Weisen' aufgearbeitet. Der vorliegende Text ist weitgehend dieser Arbeit entnommen und soll auf immer wieder gestellte Fragen Antwort geben: vor alle auch nach dem Ritual der Freimaurerlogen.

Die Loge 'Zu den Sieben Weisen' gehört der Großloge von Österreich an. Dennoch kommt den nachstehenden Ausführungen eine gewisse Allgemeingültigkeit zu. Auch wenn es im Detail von System zu System, den masonischen Obödienzen also, manche Abweichungen gibt, so ist sich die Freimaurerei weltweit doch sehr ähnlich, gleichgültig ob die Logen mehr der "englischen" oder mehr der "französischen" Richtung folgen, oder ob es Logen nur für Männer, nur für Frauen oder gemischte Logen sind.

Gerhard Forsthuber:
Jahrgang 1927, 1971 in die Linzer Loge ‚Zu den Sieben Weisen’ aufgenommen, 1981 bis 1983 Stuhlmeister, 1987 bis 2013 Archivar und Sekretär der Loge.

Rudi Rabe dankt Gerhard Forsthuber für die Genehmigung, seinen Text hier wiederzugeben.


Die Bruderschaft

Freimaurerische Vereinigungen sind Bruderschaften, die versuchen, abseits permanenter öffentlicher Selbstdarstellung den Idealen der Aufklärung nachzuleben. Freimaurer sind Menschen, die, wie viele andere auch, sich in eine Gemeinschaft einbringen, Freunde fürs Leben gewinnen, Aufgaben sehen, daran Befriedigung finden oder mitunter auch Enttäuschungen erleben, und so können Logen immer nur ein Spiegelbild der Gesellschaft sein.

Was die Freimaurerei von anderen gesellschaftlichen Kongregationen unterscheidet, ist wohl, dass sie den Brüdern ein gewisses Maß an Selbstdisziplin abfordert, jedes Imponiergehabe im Zusammenhang mit der Logenzugehörigkeit verbietet und jegliche Vorteilnahme ausschließt. Dennoch lässt es sich nicht vermeiden, dass unbeschadet sehr kritischer Aufnahmeverfahren, immer wieder Bewerber in die Logen drängen, die später enttäuscht die Bruderschaft verlassen oder ausgeschlossen werden müssen, weil sie sich durch ihr Verhalten als Freimaurer wie auch als Bürger im profanen Leben als untragbar erwiesen haben.

Als Räuberleiter für beruflichen Aufstieg oder als Basis für wirtschaftlichen Erfolg oder gar für Lobbyismus ist die Freimaurerei denkbar ungeeignet, da gibt es in der Gesellschaft von heute andere Zugänge.

Die Freimaurerei hat es auch immer strikte abgelehnt, sich für ideologische Strömungen vereinnahmen zu lassen. Sie bekennt sich zur demokratischen Gesellschaftsordnung und lehnt jede Ideologie ab, die diese Ordnung in Frage stellt. Das hat dazu geführt, dass autoritäre Institutionen, faschistoide Be-wegungen und dogmatische Doktrinen in den Logen Bastionen des freien Geistes und kritischen Denkens selbstbewusster Menschen gesehen und deshalb unter verschiedensten Vorwänden bekämpft haben.

Die Logen fühlen sich dem Geist der Aufklärung verbunden. Individuelle Freiheit betrachten sie als höchstes Gut und die Verantwortung für eine maßvolle Nutzung dieser Freiheit als höchste Verpflichtung. Sie treten für Menschenrechte ein und kämpfen gegen Vorurteile. Orthodoxe Kreise versuchen die Freimaurerei als Sekte oder gar als Pseudoreligion zu denunzieren, um damit eine ablehnende Haltung begründen zu können. Doch wäre die Freimaurerei eine Religion, dann wäre sie eine, die jeder leben kann aber niemand glauben muss. Die Freimaurerei kennt kein Korsett von Glaubenssätzen, sie respektiert aber jede ehrliche religiöse Überzeugung ohne der einen oder der anderen den Vorzug zu geben. In den Augen von Obskuranten, die sich im Besitze ewiger Wahrheiten wähnen, mag das skandalös erscheinen.

Wer Freimaurer werden will muss mit diesem Skandalum leben können, was in sich gefestigte vom Leben gereifte Persönlichkeiten erfordert, und nur in diesem Sinne mag Freimaurerei elitär sein. Für kritische Geister die den Dialog mit Andersdenkenden suchen sind die Logen Orte kultivierter Kommunikation, wo Gemeinsames gesucht, Trennendes überbrückt, Andersein aber respektiert wird. Niemandem wird ein weltanschaulicher Einheitsbrei aufgedrängt. Dieser disziplinierte Umgang mit der Meinungsvielfalt ist die große Herausforderung, der sich jeder Freimaurer stellen muss. Erst in dieser Atmosphäre der Toleranz gedeiht jene Brüderlichkeit, die das Maurersein erstrebenswert macht.

Diese Brüderlichkeit schließt in allen mit der Großloge von England verbundenen maurerischen Obedienzen Frauen von der Arbeit im Tempel aus, nicht aus maskuliner Arroganz oder gar Geringschätzung, sondern als Konsequenz einer Jahrhunderte alten Bauhüttentradition. Unbeschadet dieser Einschränkung erfreut sich die Frau als Schwester in der Freimaurerei einer besonderen Wertschätzung. Sie ist in die maurerische Diskretion eingebunden und der Mittelpunkt geselliger Veranstaltungen. Bei jeder Rezeption wird ihrer als der engsten Gefährtin des Mannes mit einem Toast zum feierlichen Brudermahl gedacht.

Die maurerische Diskretion ist nicht Selbstzweck, sie ist der Freimaurerei in katholischen Ländern von einer intoleranten Gesellschaft mehr oder weniger aufgezwungen worden. In Ländern wo die Bruderschaft nie verfolgt wurde entstand auch nie das Bedürfnis sich einer Diskriminierung durch Deckung zu entziehen. Mit Geheimnissen oder geheimen Agieren hat dies nichts zu tun. Es gibt nichts in der Freimaurerei, das nicht in jeder bessern öffentlichen Bibliothek nachgelesen werden könnte. Was jedoch niemand in Büchern finden kann ist das Erlebnis der Freimaurerei: Die meditative Erfahrung des Rituals, die Atmosphäre brüderlicher Gemeinschaft und das daraus erwachsende Bedürfnis, im Sinne maurerischer Zielvorstellungen an sich selbst zu arbeiten.

Einer von zwölf Tempeln im Logenhaus der 'Großloge von Österreich' in der Rauhensteingasse in Wien: der 'Große Tempel' im Dachgeschoss. In diesem Haus arbeiten über vierzig Logen.
Ein Tempel der sieben Zürcher Logen der schweizerischen 'Großloge Alpina': der größere und der historische von zwei Tempeln im Zürcher Logenhaus am Lindenhof
Der 2014 eingeweihte neue Tempel der 'Großloge der Slowakei' im historischen Logenhaus in Bratislava.

Das Ritual im Tempel

Eine Darstellung des masonischen Lebens wäre nicht vollständig, würde sie nicht auch Antwort geben auf die Frage: Was tun die Freimaurer bei ihren Zusammenkünften, was spielt sich in den Logen eigentlich ab? Es kursieren darüber die widersprüchlichsten Aussagen, wobei selbst eher harmlosen Vermutungen zumindest konspirative Einflussnahmen argwöhnen. Die maurerische Wirklichkeit ist das allerdings nicht.

Arbeiten

Die Brüder versammeln sich wöchentlich oder vierzehntägig zur gemeinsamen Arbeit in der Loge. Der Begriff Arbeit steht im maurerischen Sprachgebrauch ganz allgemein für die Teilnahme am Ritual, die Darlegung eines Baustücks, also eines Vortrags, sowie die Teilnahme an der Diskussion und Werken der Nächstenliebe.

Das maurerische Ritual darf jedoch nicht, wie das oft geschieht, mit religiöser Ritualistik verwechselt werden, es bezeichnet lediglich den protokollarischen Ablauf der maurerischen Arbeit.

Die Brüder bekleiden sich für diese Arbeit mit den maurerischen Insignien, Schurz und Bijou, betreten nach besonderer Aufforderung die Loge und nehmen die ihnen zustehenden Plätze im Tempel ein. Dieser Tempel ist kein Weiheraum im sakralen Sinn, der Begriff ist historisch als barocke Überhöhung der Bezeichnung für den Versammlungsort der Freimaurer zu verstehen.

Sobald alle Brüder eingetreten sind eröffnet der Meister vom Stuhl die Loge in Form eines didaktischen Dialogs mit Fragen, die von den jeweils ange-sprochenen Beamten beantwortet werden, Sentenzen die auf masonische Ideen und Symbole Bezug nehmen. Dann entzünden der Meister und die beiden Aufseher die um den Tapis im Mittelpunkt der Loge angeordneten Leuchter. Der Tapis ist ein mit maurerischen Symbolen geschmückter Bildteppich.

Nach Erleuchtung der Loge tritt der Meister vor die auf einem Podest liegende Bibel, öffnet das Buch beim Beginn des Johannes-Evangeliums und legt darüber Winkelmaß und Zirkel. Es könnte, entsprechend der jeweiligen kulturellen Tradition eines Landes, auch jedes andere heilige Buch einer der großen Weltreligionen sein, wie Talmud, Koran, Awesta, die Weda der Brah-manen und Hindus oder die konfuzianischen Schriften. Dies ist kein kon-fessioneller Akt, die Freimaurer wollen damit nur ihren Respekt gegenüber der Religion und den Glauben an ein höchstes Wesen Ausdruck geben.

In diesem Sinne eröffnet der Meister die Arbeit »in Ehrfurcht vor dem All-mächtigen Baumeister aller Welten«, fordert auf zum stillen Gedenken an die verstorbenen Brüder, begrüßt Gäste und oder Dignitäre, behandelt die aktuellen Regularien und ersucht schließlich den Sekretär, Posteingang und das Protokoll der letzten Arbeit zu verlesen. Nach der Genehmigung des Protokolls bittet er den im Arbeitsprogramm eingeteilten Bruder sein Baustück aufzulegen. Das kann die Selbstdarstellung eines Neuaufgenommenen sein, eine Gesellen- oder Meisterarbeit über ein maurerisches Thema oder aber ein Baustück philosophischen, naturwissenschaftlichen oder soziologischen Inhalts.

Die Befassung mit Inhalt und Bedeutung maurerischer Ideen und Symbole und die Pflege des interdisziplinären Gespräches sind wichtige maurerische Anliegen. Sie sollen den Blick nach innen vertiefen, das gegenseitige Verstehen fördern und den Horizont der Brüder über den eigenen Interessenkreis hinaus erweitern.

Die Diskussion des Baustückes erfolgt entweder im Anschluss an den Vortrag oder später im Anschluss an das Brudermahl. Der Meister eröffnet die Diskussion und die Brüder stellen Fragen, kommentieren die Ausführungen oder hinterfragen sie kritisch. Die Diskussion verläuft geordnet und sachlich, sie darf nicht ins Persönliche gehen oder gar kränken. Anschließend hat der referierende Bruder Gelegenheit zu den Diskussionsbeiträgen Stellung zu nehmen, dann würdigt der Meister Baustück und Diskussion, dankt dem referierenden Bruder und leitet mit der Rundfrage das Ende der Arbeit ein. Wer nun im Interesse des Bundes der Loge oder in eigener Sache etwas vor-zubringen hat kann dies nun tun.

Danach fordert der Meister die Brüder zu einem Werk der Liebe auf. Sobald jeder sein Scherflein in den Sack der Witwe geworfen hat, werden die Lichter gelöscht, die Bibel geschlossen und die Bruderkette gebildet. Mit einem Kettenspruch schließt die Arbeit. Dann ziehen die Brüder aus dem Tempel. Erst die Dignitäre, dann die Lehrlinge, nach ihnen die Gesellen und schließlich die Meister.

An die Tempelarbeit schließt das Brudermahl an der Weißen Tafel, ein wichtiger Teil der maurerischen Arbeit. Die Brüder sitzen nun bei einfachem Essen und zwanglosen Gesprächen zusammen. Oft beschäftigt das im Baustück angerissene Thema die Brüder noch bis gegen Mitternacht, danach lösen die Gesprächsrunden sich auf.

Feiern

Dem Grundmuster des Ablaufes einer maurerischen Versammlung folgen im Wesentlichen alle anderen Formen der Arbeit in den Logen. Die Maurer wissen um den Ernst der Arbeit, sie verstehen aber auch zu feiern. Es sind die Höhepunkte eines Maurerjahres.

Die Aufnahme von Suchenden oder die Einführung der Lehrlinge in den Gesellengrad sind solche Anlässe. Die Brüder kommen festlich gekleidet in die Loge, der Tempel ist mit Blumen geschmückt und der musikalische Rahmen, dem Zweck der Arbeit entsprechend ausgewählt. Die Brüder stehen diszipliniert einheitlich dunkel und mit ihren maurerischen Insignien bekleidet in den Kolonnen. Die strenge Dramaturgie des Rituals und das unterschwellige Pathos maurerischer Sprachtradition gewährleisten den würdigen Ablauf solcher Zeremonialarbeiten. Ein Baustück ist bei Festarbeiten nicht vorgesehen.

Bei Rezeptionen, also Aufnahmen, kommt die Freude, neue Brüder in die Kette einzufügen auch an der festlich gedeckten Weißen Tafel zum Ausdruck. Nach alter maurerischer Tradition werden dabei Toasts auf das Vaterland, die Großloge, die Künstler und Frauen sowie auf die Neuaufgenommenen ausge-bracht.

Ein Höhepunkt maurerischen Feierns gilt auch dem Jahrestag Johannes des Täufers, der seit dem frühen Mittelalter als Schutzpatron der Steinmetzgilden gilt. Die Logen führen diese Tradition weiter. Dem Anlass entsprechend wird auch ein Baustück aufgelegt, das der Person des Täufers gewidmet ist und die Bedeutung der Botschaft des Rufers in der Wüste reflektiert. Auch die Tafelloge ist dem Anlass entsprechend festlich ausgerichtet.

Zu den besonderen Highlights des Logenlebens gehören die alle fünf oder zehn Jahre abgehaltenen Stiftungsfeste. Für die Historiker unter den Brüdern immer wieder ein Anlass Abschnitte aus der Geschichte der Loge aufzuarbeiten und darzulegen. Die Protokolle dieser Arbeiten sind wichtige Quellen und Wegweiser in die maurerische Vergangenheit.

Trauern

Bei der Einführung eines Gesellen in den Meistergrad und zum Fest des Evangelisten Johannes im Dezember wird der Vergänglichkeit des mensch-lichen Lebens und Wirkens sowie der Gewissheit des Todes gedacht. Es sind Stunden der Besinnung, die Brüder treten in dunkler Kleidung in das ge-dämpfte Licht des Tempels. Trauermusik begleitet das Ritual. Trauerarbeiten sind aber auch dem Andenken verstorbener Brüder sind gewidmet. Mit einem Nachruf wird der dahingegangene Bruder aus der Kette entlassen. Nach der Arbeit gehen die Brüder still auseinander. Die Tafelloge entfällt.

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Siehe auch

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