Für und wider die Freimaurerei

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Freimaurerei: für (Heinrich Zschokke, 1817) und wider (Ernst Moritz Arndt, 1818)

Aus:
Helvetia. Denkwürdigkeiten für die XXII Freistaatender Schweizerischen Eidgenossenschaft. Gesammelt und herausgegeben von Joseph Anton Balthasar, Bibliothekar. Erster Band, Zürich: in Kommission der Geßnerischen Buchhandlung 1823, 324-342.

Verschiedene Ansichten über den Freimaurer-Orden.

Als im Jahr die Freimaurerlogen im Waadtlande auf Befehl der Regierung von Bern geschlossen und aufgehoben wurden, suchten die Mitglieder des Ordens sich in einer, zu Frankfurt am Main erschienenen, Vertheidigungsschrift gegen jeden falschen Verdacht zu rechtfertigen, und dadurch der Regierung von Bern günstigere Gesinnungen für die Maurerei einzuflössen, gaben aber damit zugleich die Veranlassung zu mehreren Flugschriften über diesen Gegenstand (1).

(1) Die bedeutendsten unter denselben sind folgende;
für die Freimaurerei: Le Franc-Maçons dans la république, ou réflexions apologiques sur les Persécutions des Franc-Maçons, par un membre de l’ordre. 1746. in 8. S. 48.
Gegen die Freimaurerei: Lettre à l’auteur d’un ouvrage, intitulé: le Franc-Maçon dans la république, dans laquelle on examine, si l’auteur est fondé à se plaindre de l’ordonnance de l’illustre république de Berne contre le dit ordre; avec plusieurs autres réflexions sur cette société. 1747. in 8. S. 142.


[Die Freunde des Maurerthums, 1746]

In diesen Flugschriften sprach von beiden Seiten Erbitterung und Partheigeist, und man findet darin keine durchaus genügende Beantwortung der Frage, ob geheime Gesellschaften in Freistaaten zulässig seyen oder nicht?
Die für und gegen dem Freimaurer-Orden angeführten Gründe, wie sie in den damals erschienenen Streitschriften zu lesen sind, beruhen auf folgenden Hauptansichten:
Die Vertheidiger des Ordens behaupteten,

„es sey kein Grund vorhanden, den Freimaurer-Orden in Freistaaten zu verbieten, da derselbe längst in allen Monarchien freundliche Aufnahme gefunden habe; warum Freistaaten hierin weniger duldsam seyn sollten, als Fürstentümer und Königreiche? Die Maurerei befasse sich nicht mit Staatsangelegenheiten; Veredlung des Menschen in allen Klassen und in allen Gegenden der Erde, und reines, uneigennütziges Wohlthun sey ihr höchster und ausschließlicher Zweck; dahin deute, hiezu bilde die so oft misverstandene Symbolik dieses Ordens, und nur um größere Misverständnisse zu verhüten, werde streng auf Geheimniß gehalten.
Wenn in jeglicher Wissenschaft und Kunst ein engerer Verein fachkundiger Männer unanstößig und sogar lobenswerth befunden werde, warum in den höchsten Angelegenheiten der Menschheit ähnliche Verbindungen von gleichgesinnten Männern nicht gestattet seyn sollen? Auch das Christenthum sey bei seiner Einführung eine geheime und den Augen des profanen Heidenpöbels verborgene Verbindung gewesen, und doch werde nun Niemand mehr an dessen Heiligkeit und segensvoller Einwirkung auf das Heil der Menschen zweifeln."

So sprachen die Freunde des Maurerthums.


[Die Gegner des Maurerthums, 1747]

Die Gegner desselben erwiederten,

„die Wahrheit scheue das Licht nicht, und Redlichkeit in Absicht und That habe nicht nöthig, sich hinter verschlossene Thüren und unter geheimnißvolle Bilder zu verkriechen.
Das könne namentlich in Republiken nicht geduldet werden; in diesen seyen geheime Verbindungen weit gefährlicher als in Monarchien, weil in diesen Staaten die Macht und Gewalt der Regierung fester, schneller und gegen jede Gefahr gerüsteter sey als in jenen. Niemals können Freistaaten zugeben, daß ihre Bürger neben dem Eide, den sie dem Vaterlande geschworen, durch einen zweiten Eid in Dienst und Pflicht einer geheimen Gesellschaft treten.
Auch lehre die Erfahrung, welchen Einfluß geheime Gesellschaften in Freistaaten bei Besetzung der Staatsämter und durch ausschließliche Beförderung ihrer Glieder ausüben. Billig sey es, daß der Staat alle öffentlichen Verbindungen zu wohlthätigen Zwecken nicht nur dulde, sondern ehre und schütze; aber eben so billig sey es, daß jeder, der das Licht scheuet, an's Licht gezogen oder aus dem Kreise des öffentlichen Gemeinwesens fortgewiesen werde.

So sprachen die Gegner des Maurerthums.

Und beide Partheien führen ungefähr die nemliche Sprache bis auf den heutigen Tag. Dies zu beweisen, wollen wir für und gegen den Freimaurer-Orden die zwei beredtesten und einsichtsvollsten Sprecher, die in der neuesten Zeit jene beiden Hauptansichten verfochten, hier auftreten und reden lassen.

[Für die Freimaurerei: Heinrich Zschokke, 1817]

Das Maurerthum hat in Herrn Oberforstrath Zschokke einen besonnenen, möglichst unbefangenen und geistvollen Vertheidiger gefunden. Derselbe nun läßt sich (Ueberlieferungen, Jahrgang 1817, S.134-140) über diesen Orden also vernehmen:

„Es ist ausser allem Zweifel, daß bisher, selbst vielen tausend eingeweihten Maurern, Herkunft und eigentlicher Zweck ihrer Anstalt unbekannt oder dunkel gewesen. Man unterhielt sie mit Sittensprüchen und schlecht ersonnenen Fabeleien und Legenden, welche mit der wirklichen Geschichte der Welt ausser allem Zusammenhang standen, und verwandelte die Logen bald in Bühnen kindischer Mummerei; bald in mystische Schwärmerkämmerlein; bald in barmherzige Hülfsgesellschaften; bald in eine Art trockner moralischer Andachtsstunden. Und in der That, mehr sind sie in manchen Gegenden nicht. Wenige haben den bessern Geist erfaßt und das ursprüngliche Wesen.
Darum ist wohlgethan, daß des Maurerthums Geschichte und Zweck vor aller Welt offenkundig werde, und die unbelehrten Ordensglieder ihn, statt der nachgebeteten Märchen, kennen lernen. Es ist allerdings unschicklich und verächtlich, einer geschlossenen Gesellschaft angenommene Losungsworte und Erkennungszeichen zu verrathen. Aber das, was eine Gesellschaft war und erfuhr seit ihrem Beginn, das gehört der Geschichte an, und soll kein Geheimniß seyn. Die Freimaurer haben darüber so wenig zu klagen, als Könige, deren verborgenste Staatsgeheimnisse endlich ebenfalls der offnen Weltgeschichte anheimfallen.
Die Herren Feßler und Krause haben schon viel zur Geschichte der Freimaurerei geleistet; doch scheinen sie noch damit geheim zu thun, um des Vorurtheils der gern Geheimnisse habenwollenden Brüder zu schonen. Sie thun unrecht, der Gesammtwelt geschichtliche Wahrheiten vorzuenthalten, die keinem schaden. Gleichen Tadel kann Hrn. Heldmann treffen, welcher sein Werk nur als Handschrift für Geweihte abdrucken läßt, ungeachtet er bescheiden genug nichts von dem, was geheim zu halten ist, kund thut. Aber man vernimmt, daß auch deßwillen, was er leisten will, zu Basel, nicht minder zu Hamburg gegen ihn geeifert worden ist. Obschon der Geist des Maurerthums auffordert, die Menschheit zum höhern Licht zu führen, verlangt man Dunkelheit, und mögte im Kreise der Maurerei die geistige Gewaltherrschaft der Zensur und des Preßzwanges handhaben, während die Weisesten der Fürsten, die das Licht nicht zu scheun haben, Preßfreiheit erklären.
Ein neuer Beweis daß die Freimaurerei, welche ihrer Natur nach höher, als der große Haufe der Zeitgenossenschaft stehen soll, an manchen Orten tiefer liege, als diese, und deswegen, als entartet, als von ihrem eigenen Wesen abgefallen, anzusehen ist.
Darum ist es Zeit, daß es Licht werde auch in dieser Gegend menschlichen Strebens.
Das mag der Freimaurerei keineswegs zum Vorwurf gereichen, daß ihre Anstalt, wie jede andere menschliche Stiftung, entartete. Ist nicht die christliche Kirche selbst ihrer ursprünglichen Einfalt und Würde abtrünnig geworden? Aber zum Vorwurf gereicht es allerdings, wenn unwissender Stolz oder Eigennutz, oder Geheimthuerei die Wiederherstellung des Bessern verhindern wollen.
Die Verunstaltung des höhern Maurerthums begann in England, als es daselbst, mit Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts, in den Staatsbürgerlichen Händeln der Britten zur königlichen Kunst verkehrt, und eine sehr achtbare Verbindung zum Ordensgetändel erniedrigt wurde. Da Franzosen, Deutsche, Russen, Schweizer, Dänen, Schweden, Italiäner und andere Welttheile die Maurerei empfingen, war sie schon grossentheils, ihrem Wesen und Herkommen nach, unkenntlich geworden.
Deswillen ward es den neuern Logen so leicht und einladend, der Freimaurerei allerlei beliebige Zwecke einzuimpfen, und dunkeln, sinnbildlichen Gebräuchen, oder unverständlich gewordenen Redensarten diejenigen Auslegungen zu geben, welche die gefälligsten waren. Jeder, welchem behagte, von Zeit zu Zeit einmal in einer zahlreichen Gesellschaft mit Bändern, Ordenszeichen und pomphaften Titeln zu prangen; jeder, welchem es um Einfluß, oder Bekanntschaft mit Menschen verschiedenen Standes, oder um einen frohen Abend, oder um Empfehlungen auf Reisen zu thun war; jeder, dessen kleiner Eitelkeit es gar schmeichelhaft dünkte, mit wichtiger Miene von geheimen Dingen zu flüstern, jeder, den halbe Bildung wundersüchtig und abergläubig gemacht hatte, und noch mancher andere, fand hier seine Rechnung wohlfeil. —
Es wurden Grade auf Grade geschaffen , und einer übertraf den andern an abentheuerlichen Feierlichkeiten; Alle stimmten darin überein, daß sie neues Geld kosteten und dafür neue Hoffnungen spendeten, in noch höheren Graden endlich die Enthüllung der grossen Geheimnisse zu erfahren. Auf der höchsten Stufe vernahm man endlich für sein Geld, daß man nichts wisse und nichts Wissenswerthes erfahren könne; daß Alles schon gedruckt sey.
Es mag freilich befremden, wenn redliche, achtungswürdige, angesehene, gelehrte und weise Männer das bunte, leere Spiel ganz ernsthaft mitspielen. Wenn man aber weiß, weiche Zaubermacht die blosse Neugier oder Wißbegier, die Eitelkeit oder der Hang zum Wunderhaften und Geheimnißvollen über das Gemüth der Sterblichen übt, so wird man vom ersten Erstaunen leicht genesen. Auch ist es in der That für sinn-und gemüthvolle Männer anziehend, in einer Gesellschaft Abende zu verleben, wo man sich in vorgeschriebenen, alterthümlichen Formen bewegend, die mit denen des gemeinen Lebens nichts Aehnliches haben, vom gemeinen Treiben der Alltagswelt selber scheidet; wo man, und wär es auch zuweilen nur Täuschung, die Freuden einer vertrauten Freundschaft genießt, und sich mit Personen umringt sieht, welche dem Bessern und Edlern nachringen; wo so manche milde That für Unglückliche vorbereitet wird in rühmlicher Verborgenheit, und die Reden geistreicher Personen höhere Gefühle entzünden und unvergeßliche Rührungen erwecken.
Der Mensch ist freilich des Menschen größte Plage, aber auch des Menschen süssestes Bedürfen; der Umgang mit wohlwollenden Seelen das reizendste unter den Erdenglücken.
Eben weil die Freimaurerei so allgemein verbreitet ist in allen Welttheilen; eben weil ihre Genossenschaft aus Männern von den verschiedensten Verhältnissen, Ständen, Kirchen, Ansichten und Neigungen allzugemischt ist, kann sie selber niemals den Staaten gefährlich werden, und ist es im Grunde noch nie gewesen. Aus dieser Ursache war sie von jeher unter weisen Fürsten ohne Bedenken geduldet, und nur mit unverdienter Aengstlichkeit unterdrückt, wo sie von Unwissenden verkannt ward.
Man kann über Natur und Zweck des Maurerthums ohne Scheu offen reden; denn lächerlich wäre es über irgend eine Angelegenheit, der Menschheit nicht öffentlich verbandeln zu wollen. Diese Oeffentlichkeit schadet nur dem Schlechten, nickt dem Guten einer Sache. Das wahre Maurerthum hat keine Ursache das Licht zu scheuen, und bleibt auch bei vollem Tageslicht denen verborgen, die zur Erkenntniß die Reife nicht haben.
Es haben zu allen Zeiten Männer gelebt, die in ihren Gesinnungen und Einsichten über ihr Zeitalter erhaben waren, aber gerade deswegen, um nicht den Unwillen der blinden Menge wider sich zu empören, schweigen lernen mußten. Sie waren gebunden, sich den bestehenden öffentlichen Verhältnissen zu unterwerfen, an denen zu ändern höchst gefahrvoll und wahrer Frevel an Glück und Frieden von Millionen gewesen seyn würde. Sie mußten vor jenen Vorurtheilen und Götzen des Zeitalters knieen, denen einen offenen Krieg zu machen jederzeit thörigtes und fruchtloses Unterfangen ist. Der Geist der Menschheit reift langsam und durch seine eigene Natur unter den ewigen Weltgesetzen Gottes aus; nicht durch Treibhausanstalten, die menschlicher Witz erfinden will.
Die Wenigen aber, welche auf höherer Erkenntnißstufe standen, fanden sich unter einander leicht zusammen, weil es sie erquickte, nicht einsam zu seyn. So bildeten sich jene Mysterien des längstvergangenen Alterthums aus, so jene exoterischen und esoterischen Lehren, so die Geheimnisse der priesterlichen Kasten, zu welchen die sinnbildlichen Reden, Zeichen und Gebräuche den Neugeweihten stufenweis hinleiteten, ohne sie ihm plötzlich zu enthüllen.
Späterer Kasten- und Innungsgeist mag viel Ursprünglichschönes verderbt haben. Aber in jenen alten Mysterien lebte schon Glaube an einen höchsten, einzigen, lebendigen Gott, als noch tausend Opferaltäre vor Göttern und Fetischen brannten; lebte schon Glaube an Unsterblichkeit und Vergeltung, als noch die Masse der Sterblichen über den Leichnamen der Verstorbenen nur an Heimkehr in das alte ewige Nichts dachte.
Mit höherer Einsicht traten die römischen Baugesellschaften bei den weltbesiegenden Legionen unter die barbarischen Völker. Was das Schwerdt der Legionen zerstört hatte, war jenen aufgegeben, besser aufzurichten und gegen Verheerungen zu befestigen. Sie trugen die Friedenspalmen; sie. hatten ihre besondern innern Ordnungen, Vorrechte, und Heimlichkeiten. Bei ihnen verjüngten sich die Mysterien der Vorwelt, durch ähnliche Veranlassung, aber in anderer Gestalt.
Nach den Völkerwanderungen ward in der allgemeinen Geistesverfinsterung die bessere Einsicht das Eigenthum Weniger, und ein gefährliches. Schon mathematische Figuren hatten für den vornehmen und geringen Pöbel alles Ansehen von Zaubermitteln. Ein guter Naturkundiger gelangte bald zum Rufe des Hexenmeisters. Und in der Zeit, da ein Papst, bei aller seiner Untrüglichkeit, den salzburgischen Bischof Virgilius verdammen konnte, weil derselbe wagte, vom Daseyn der Gegenfüßler zu reden, war es in der That nicht geheuer, klüger zu scheinen als die Priester, deren Herrschaft auf der Grundlage allgemeiner Unwissenheit beruhte.
So war von jeher die Wahrheit und hellere Ansicht, ehe sie in's allgemeine Leben eindrang, geächtet und ein Maurerthum, ehe denn der Name war. In des Mittelalters Baugesellschaften ward, neben der Werkmaurerei, noch Höheres gelehrt und geübt; jenes Reinmenschliche, welches von Vorurtheilen und Einbildungen des Jahrhunderts unabhängig ist, und wozu die reine Größenlehre, die in allem Gewißheit hat und will, unausbleiblich führt. Darum dachten die alten gefreiten Künstler nicht ganz mit Unrecht, vom weisen Pythagoras abkünftig zu seyn; denn ihr Zweck und Wesen war, wie sie selber sagten: ‚die Wissenschaft der Natur, das Verständniß der Kraft, die in ihr ist und ihrer besondern Wirkungen; besonders die Wissenschaft von Zahl, Maas, Gewicht, und die rechte Art, alle Dinge zum Gebrauch der Mensehen einzurichten, hauptsächlich Wohnungen und Gebäude aller Art, und alle andere Dinge, welche den Sterblichen wohlthätig sind.‘
In diesem Geist besteht das Maurerthum, welches von der Freimaurerei verschieden ist, und wird mir der Menschheit unzerstörbar fortbestehen. Zu allen Zeiten werden Menschen leben, welche über ihr Jahrhundert und dessen Begriffe und Formen hinaus sind. Was im Alterthum der Inhalt ägyptischer oder griechischer Mysterien gewesen, das ist jetzt freilich Gemeingut aller gesitteten Völker, wie Glaube an die Einheit Gottes oder Unsterblichkeit.
Denn das Geschlecht der Menschen schreitet im allgemeinen vor, ob auch Einzelne Rückschritte thun. Aber auch unser Zeitalter hat seine Götzen, vor denen der Weisere mitknieen muß, wenn er nicht Gefahr laufen will, gesteinigt, verbannt, eingekerkert , entehrt oder getödet zu werden. Und auch unser Zeitalter hat seine Einzelnen, die über demselben erhaben, zwar nicht an den Heiligthümern der Zeitgenossen freveln, aber sich auch gern mit ihres Gleichen zusammenfinden mögen, um nicht einsam zu seyn.
Was sie haben und wissen, mögen sie selbst nicht allezeit in den Logen predigen. Ist auch nicht immer nöthig. Aber den Eingeweihten umschweben da die hohen Hindeutungen zur Vollendung seines Selbsts und der Menschheit. Das ist das Geheimniß des Maurerthums; an sich unaussprechbar. Es kann nicht in wenigen Stunden durch Händeauflegen gegeben werden. Es ist ein Geheimniß, und auch nicht, für die Blinden oder Kurzsichtigen und Unlautern. Man kann laut davon reden, ohne Furcht, es denen zu verrathen, die es nicht kennen. Es liegt nicht im Gefühl, nicht in wissenschaftlicher Erkenntniß; es ist nicht politische, nicht religiöse Sache; es ist für jeden Menschen in der Vollendung seines Selbstes und des Geschlechts, zu dem er gehört.
So giebt es Freimaurer, die nie in der Loge die Weihe erhielten; hinwieder viele, sehr ehrwürdige Brüder mit buntgestickten Schurzfellen, die keine Freimaurer sind, kaum Hoffnung haben dürfen, es werden zu können, selbst wenn sie auf dem Stuhl des Meisters mit dem Hammer pochen; gleichwie viele leben, die keine Christen sind, obschon sie getauft wurden, wohl gar auf Kanzeln stehen oder von bischöflichen Thronen herab die Welt segnen.
Wenn nun die Sachen so stehen: wozu denn, wird man fragen, sind Freimaurergesellschaften und Logen und Ceremonien vorhanden? —In einer Gegenfrage liegt darauf die bündigste Antwort: Wenn die Sachen des Christenthums so stehen; wozu denn Taufe, Nachtmahl, Kirche? Wie die Kirche unwürdigen Christen, steht die Loge auch unwürdigen Maurern offen.
Noch heut, noch in seinem Verfall hat das Maurerthum hohe Andeutungen von einem Zustande der Menschheit, dem sie langsam entgegen geht; den nur der Weisere erkennt; den wir im Eden unserer Kinderzeit für wirklich halten und voraussetzen, als sey er vorhanden; der jedoch weit höher ist, als der halbbarbarische Sinn unsers gegenwärtigen Zeitalters und Geschlechts begreift. —
Aber mit jenen Andeutungen stehen die Erbärmlichkeiten des Ordenswesens, das Flitterwerk und das Kostspielige höherer Grade, die läppischen Titel und Komplimente in übelm Zusammenklang. Das heutige Maurerthum ist eine Venus Urania, von Meistern aus Nukahiva geschmacklos auf gut nukahivisch tättovirt.
Schaffe dir ein Urbild der Menschheit in ihrer einstigen Vollendung: Alle Nationen , ohne Unterschied der Farbe, Sprache, Verfassung, Religion und Staatsverhältnisse, aufgelößt in eine einzige Geschwisterschaft; alle losqeschält von den Vorurtheilen der Oertlichkeit, des Standes und Handwerks; ohne National- und Religionshaß; alle in brüderlicher Gleichheit und Liebe um den Allvater vereint; alle das Verdienst und die Tugend höher achtend, als äussern Rang, Gunst des Zufalls, der Geburt, des Glücks; alle in Demuth, Liebe und Treue wetteifernd am Bau allgemeiner Glückseligkeit; alle bei ungleichen Glücksgütern einander dienstbar bei ungleichen Kräften einander wohlthuend; bei ungleichen Ansichten und Einsichten duldsam und sich gegenseitig ehrend: nirgend Gewaltherrschaft, nirgends Knechtschaft: im Genuß der ewigen Rechte aller Sterblichen; keinem leibeigen, keinem geisteigen, als dem Vater der Geister. —
Schaffe dir ein Urbild, und du kennst nach Maaßgabe deiner Bildungsstufe Wesen und Zweck der Maurerei.
Man nenne dies Bild nicht Hirngespinnst oder Schwärmerei; — Was wäre denn Wesen und Ziel des Christenthums selber? Die Religion ist das Verhältnis; der Geister zu Gott und Ewigkeit, ohne Rücksicht auf den Staub der Welt und alles Vergängliche in ihr. Das Maurerthum ist das höchstgedachte ideale Verhältniß der Sterblichen unter sich selbst im Wechsel des Vergänglichen, als menschliche Gesellschaft.
Wie sich die Religion zu den verschiedenen Kirchen, so verhält sich das Maurerthum zu den verschiedenen Freimaurerschaften; und das Ideal vom Verein der menschlichen Gesellschaft zur Wirklichkeit der bestehenden Staaten. Mit diesen Worten ist das größte Geheimniß der Maurerei ausgesprochen, und doch wird es jeder in seiner Eigenthümlichkeit anders auffassen. So soll es aber seyn. Das ist eben das Wort, das selbst der Maurer nicht ganz aussprechen, sondern nur buchstabenweis laut geben kann.
Es wird gern zugestanden, daß jenes Urbild nicht in der Wirklichkeit ausführbar sey, und, wo dergleichen versucht werden würde, die größten Verwirrungen entstehen müßten. Darum ist es Urbild. Daher hatten von jeher alle Männer, die über ihr Zeitalter hinausragten, und was in ihnen lebte, zum Heil der Menschheit verwirklichen wollten, das Loos, von den Lebensgenossen als Thoren oder Frevler verkannt zu seyn. Darum hielten die Weisesten ihre Ansichten vor dem großen Haufen verborgen.
Das menschliche Geschlecht naht sich jedoch dem Urbilde seit Jahrtausenden immermehr; es hat bis dahin noch die Bahn von Jahrtausenden vor sich. Gedanken aber, auf welche vorzeiten Strafe des Schwerdtes, des Scheiterhaufens und der Verbannung stand, sind schon heutiges Tages als wohlthätig geliebt; und Fürsten vollstrecken nun, was noch vor Jahrzehenden , wie rasende Schwindelei, an verkannten Weltweisen verdammt ward. Aber auch heute noch giebt es Gedanken, welche der große Haufe verspottet oder verflucht, die erst spät in's wirkliche Leben segensvoll hineinreifen werden.
Jenes Urbild der menschlichen Verhältnisse denke man sich nun in einem Kreise vertrauter Freunde verkörpert, so hat man die Vorstellung vom edlern Seyn des Menschen in dem Heiligthum der maurerischen Bauhütten. So begreift man ohne Mühe, daß die Freimaurerschaft nichts Oeffentliches seyn könne und seyn dürfe, ohne in sich selber aufzuhören. Für sie ist's in der Außenwelt noch Mitternacht voll. Wenn jemals alle Völker auf gleicher Höhe von Bildung stehen, und alle Menschen im Geist des Urbildes: sind sie allesammt Freimaurer.
Selbst in den Logen erblickt man das Urbild nicht nackt und baar, weil nicht alle Geweihte stark genug sind, in das Sonnenlicht hineinzuschauen. Sie könnten Aergerniß nehmen, erblinden oder wahnsinnig werden. Das Bild steht verhüllt im Schleier alterthümlicher Embleme. Es muß erforscht werden. Die Maurerei ist mehr inneres als äußeres Leben; mehr Betrachtung, als Wirksamkeit. Gleichwie sich der Sinn der Menschen überhaupt an den Räthseln der Natur am meisten übt, entwickelt und schärft; also findet es sich in den Logen wieder. Daher unter allen Genossen Mannigfaltigkeit und Freiheit der Ansichten, bei gleichem Hinblick auf das Licht in Osten. Daher, wenn auch viele Logen zur Spielerei verartet sind, das Wohlgefallen geistvoller und tugendhafter Menschen an dem Edlern im Maurerthum selbst, wo sich Fürsten und Unterthanen, als Brüder, begrüßen; Perser und Amerikaner, als Freunde, erkennen, Streiter feindlicher Heere versöhnt umfangen."

[Gegen die Freimaurerei: Ernst Moritz Arndt, 1818]

Wenn dieser Darstellung des Wesens der Freimaurerei, insoweit dieselbe nicht nach der Wirklichkeit beurtheilt, sondern in den Urideen aufgefaßt wird, Klarheit und besonnene Ruhe nicht abzusprechen ist, so wird man anderseits auch die Kraft und Schärfe nicht verkennen, mit welcher bald darauf Hr. Professor Arndt in Bonn, freilich in etwas schneidendem Tone, den Stab über alle geheimen Gesellschaften brach.

Seine Worte (Geist der Zeit, IV. Band, Berlin 1818. S. 203-220) lauten also:

„Darf ein christlicher Staat geheime Gesellschaften in seinem Schooße dulden?
Nein.
Warum nicht?
Darum darf er sie nicht dulden, weil der Erlöser durch den heiligen Geist, den er allen Gläubigen versprochen hat, jedem das höchste Geheimniß verheißen hat, die himmlische Einkehr Gottes in seiner Brust, das größte und tiefste aller Geheimnisse; weil das Christenthum diejenige Lehre ist, welche, nicht in sich geschlossen noch verschlossen, auf keinen geheimen Schrecken und Wundern ruhet, welche nur Priester besitzen und auslegen und soviel ihnen gefällt mitthellen, sondern weil jeder fromme und gläubige Christ das herrlichste Wunder alle Tage und Stunden in sich erleben mag.
Als die Lehre von Gott und von den himmlischen Dingen, als die Versöhnung und Erlösung des Menschen und seine Vereinigung mit dem heiligsten und seligsten Leben verkündigt und mit dem unschuldigen Blute des Erhabensten und Reinsten versiegelt ward, da ward alles geheime Priesterthum auf ewig abgeschafft, alle sogenannten innerlichen Lehren, von welchen blos die Geweihtesten wissen sollten, von dem Tage an, als Christus am Kreuze starb, auf ewig verdammt. Licht und Wahrheit hieß die Lehre des Heilands, und Licht und Wahrheit ward allen seinen Bekennern verheissen und befohlen. Wenn nun das Höchste und Größte nicht geheim seyn darf, wie sollte das Mittlere und Niedrigere das in einem christlichen Staate seyn dürfen?
So klingt es aus den höchsten Gründen, aber es sind viele geringere Gründe, und ich will einige davon berühren.
Der Staat muß wissen, was sich in ihm begiebt, was zu jeder Stunde der Trieb, die Noth und die Lust des Volkes ist. Er muß, damit die Regierung in dem Geleise bleibe, immer den Geist vernehmen können. Wenn nun die Menschen sich zusammenthun und Geheimes treiben — selbst wenn dies Geheime etwas an sich Erlaubtes, ja Löbliches ist — so kann es sich leicht begeben, daß die Regierung, welche die sehendste und hörendste seyn soll, allein die Blinde und Taube ist, so daß aus jenen geheimen Versammlungen, wenn nichts Feindseliges und Boshaftes, doch Zweckwidriges und Plötzliches auf sie und ihre Bewegung eintreibt, welchem sie nichts entgegensetzen kann, weil sie vorher auch gar nicht ahnden konnte, daß und woher es kam.
Kräften aber, die in geschlossenen Verbrüderungen und Gesellschaften wurmartig weben und brüten und oft wunderliche Gespenster ausbrüten können, kann sie nicht begegnen, weil es draussen vielleicht kein einziges Zeichen davon und vielleicht nie einen Keim ihrer Geburt giebt. Solche Gesellschaften also müssen, wenn sie auch das Beste wollen und beabsichtigen, ihrer Natur nach die Regierung häufig in die Lage setzen, daß sie etwas Widersprechendes und Unzweckmäßiges geschehen lassen oder in der Eile, wo der unvorbereiteten das Plötzliche begegnet, selbst dergleichen thun muß.
Aber wie, wenn diese Gesellschaften, die sich auf Geheimnisse verbunden und verschworen haben, gar das Verbotene und Unlöbliche wollen, wenn sie, von schlechten und verschlagenen Vorstehern und Oberen geführt, sich dunkeln und feindseligen Strebungen gegen den Staat hingeben, in welchem sie leben, wenn sie seinem Zweck oder dem, was immer als erster Zweck eines Staats gedacht werden muß, in ihrer beschirmten Finsterniß entgegenarbeiten und seinen Bau unterminiren? wenn sie sich wohl gar den offenen Feinden des Vaterlandes zum Dienst hingeben, den sie auch mit ihrer Nacht zudecken können? — darf dann dieser Staat im Staate geduldet werden? darf, da ja irgend eine dieser Möglichkeiten immer Wirklichkeit werden kann, der Staat überhaupt Geheimverbundenes dulden?
Sagen die Glieder der geheimen Gesellschaften: Die Vorsteher des Staats wissen um unsere Geheimnisse und billigen sie, nur alles Volk mag sie nicht wissen und kann sie nicht fassen — so mögen sie Dummköpfe mit solcher Antwort befriedigen: die auf den Grund sehen und deswegen gern auf jeden Grund sehen und wissen wollen, was hinter solchen Vorwänden und Scheinen steckt, nehmen eine so leichte und leere Erklärung nicht für gediegen an.
Wer einmal meint, etwas Geheimes zu besitzen und vor andern voraus besitzen zu dürfen, wer meint, besser zu seyn als das Volk und dem Volke nicht Rede und Antwort geben zu dürfen, wie sollte der ein so zartes Gewissen haben, daß er grade Einem oder Zweien oder Dreien die Wahrheit sagte? Und wollten sie auch die Wahrheit sagen redlich und treu, die Geheimniß treiben und das Ihre mit Dünsten und Floren umhüllen, wissen zuletzt wahrlich selbst nicht mehr, was sie wissen und wollen.
Das ist, auch wenn sie es redlich meinen, die gerechte Strafe ihres Vornehmthuns. Auch darum darf in den Staaten des Christenthums keine Geheimnißkrämerei, kein Eleusis, kein Samothrake, kein ägyptisches, chaldäisches oder magisches Priesterthum seyn, wie in der heidnischen Welt weiland, weil jeder Christ durch Jesum Christum mündig und des Geheimnisses würdig erklärt ist.
Was alle wissen und theilen dürfen, damit dürfen Wenige nicht als mit etwas Alleinigem spielen.
Und sagten jene in geheimen Gesellschaften Verbundenen und Verbrüderten , sie wissen mehr als der Erlöser und seine Apostel für das Heil der Leiber und der Seelen, so wären sie ja in einem christlichen Staate nicht zu dulden, erstens nicht, weil sie sich über das Christenthum erhöhen, zweitens am meisten deswegen nicht, weil sie für sich behielten, was, wenn es mehr noch als das Christentum allen ein Heil werden könnte, nothwendig von redlichen Staatsbürgern auf das geschwindeste allen mitgetheilt werden müßte.
Denn das steht fest, und ich weiß nicht, wer es niederrütteln und niederschütteln will: Ist das Geheime, weswegen sie sich zusammenschließen, schlechter, als was die offene und allgemeine Lehre des Heils uns giebt, so ist die Geheimnißkrämerei ein leerer Tand; ist aber das Geheime reicher und besser als das Christenthum, so sündigen die Geheimnißvollen an der Menschheit, daß sie allen vorenthalten, was auf das geschwindeste zum Gemeingute der Menschheit gemacht werden müßte. Ich sehe nicht, wie die Geheimen aus der Klemme dieser beiden Gegensätze herausschlüpfen wollen.
Das ist gewiß: Besteht eine geschlossene geheime Gesellschaft aus lauter mittelmäßigen und einfältigen Menschen, so werden diese durch die Geheimnißkrämerei, womit solche gewiß doch nichts anzufangen wissen, durch die zusammengewickelte Masse von Unbeweglichkeit und Hülflosigkeit nur noch dummer und flacher; besteht sie aber aus lebendigen, gescheidten und geistvollen Leuten, so verläuft sie sich eben so leicht in das Entgegengesetzte; das Schlaue, Listige, Verschmitzte wird dann leicht zu sehr angesprochen und entwickelt.
Denn das ist eben den frischen und lebendigen Kräften eigen, daß ihr Feuer, wenn man irgendwo einen Deckel darauf legt, sey es auch nur der Deckel des Geheimnisses, ohne Luft und Licht, trüb und freudenlos in sich selbst verglimmen und versinken, oder auch langsam kriechend irgend einen kleinen Theil zünden und ganz durchbrennen muß, da es hingegen, nach allen Seiten frei verbreitet, allen hätte Licht, Glanz und Wärme geben können. Was seiner Natur nach nicht schlummern noch rasten kann, sondern wirken und streben muß, das kann in einer mittelmäßigen oder gar in einer absichtlichen Beschränktheit nie sein volles Daseyn finden, muß aber, wenn es gehemmt wird, sich meistens ein verkehrtes suchen und findet es auch.
Die als himmlische Genieen oder erhabene Feldherren und Völkerführer zur Freude der Welt geleuchtet haben würden, wenn der ganze volle Strom des allgemeinen Lebens auf sie hätte brausen dürfen, können hier bis zu kleinlichen Spitzköpfen, Anzettlern und Durchstechern erniedrigt werden. Denn grade sie, weil sie von Natur mächtig und trefflich sind, können sich in dem engen Leben einer abgesonderten Gesellschaft am wenigsten befriedigt finden und bedürfen des vollen Weltbildes und der vollen Weltkraft, damit sie auf der rechten Bahn bleiben, auf welcher die Schöpfe , wann sie einmal darauf gesetzt sind, leichter straks fort gehen.
Das Leben der Bürger gehört ganz dem Staate, in welchem sie leben; was sie an Geist, Muth und Kunst von Gott als Mitgift erhalten, oder durch Arbeit und Fleiß erworben haben, darauf kann er den gerechtesten Anspruch machen, und darf nicht dulden, daß etwas sich einzeln absondere und anderswo ein geheimes, sogenanntes lustigeres und besseres Spiel des Geistes treibe, als in ihm zu finden ist.
Denn, wie gesagt, wer das Gute und Herrliche hat, der soll es nicht unter den Scheffel stellen, sondern zum Gemeingut Aller machen. Dies ist beide des Bürgers und des Christen Pflicht. Ein guter Staat darf auch nicht dulden, daß unter der Gebärde und dem Schein, als könne er das Beste und Lichteste nicht ertragen, geschlossene Gemeinschaften etwas Besonderes für sich haben. Dies ist eine Beleidigung für ihn. Sagen aber jene Geheimen: der Zweck unserer Gesellschaft ist so fein und ätherisch und überirdisch, das, was uns verbindet, ist so überfliegend und überschwänglich, daß es in das Staatsleben kaum eine Einwirkung haben kann — so fragt die Regierung wieder mit Recht: Wie? ist es denn feiner und überschwänglicher als das Christenthum, das sich doch nicht so vornehm und überfein hält, aller Welt in einfältiger Oeffentlichkeit anzugehören? Ist das, so ist es ja billig, daß ihr diese eure Ueberfeinheit und Ueberschwänglichkeit in einen Kampf mit dem Christenthum einlasset, damit wir sehen, welches von beiden geistig und sittlich das Siegende ist, und damit dieses Siegende dann oben bleibe. Denn wir glauben in jeder Beziehung an die Lehre: Niemand kann zweien Herren dienen.
Dieser Dienst zweier Herren mit voller Liebe und vollem Gemüthe ist eben so unmöglich, als daß ein Mann zwei Frauen habe und beide gleich sehr liebe. So ist die Beschränktheit der irdischen Natur. Der Staat muß fürchten, daß ihm von der Liebe entzogen wird, die ihm gebührt, ja er muß bei solchen Gesellschaften fürchten, daß durch Misbrauch oder Misverstand zuweilen auch durch schlüpfrige und ränkevolle Charaktere der Oberen etwas entstehen kann, das sich grade gegen ihn wendet und desto gefährlicher wirkt, weil es unter der Decke des Geheimnisses als eine Blindschleich im Finstern wurmt. Er muß einen Staat im Staate fürchten, also eine Sonderung und Zersplitterung seines Lebens. Und hätten die Herrscher und Regierer, die Hochwaltenden und Scharfschauenden, auch die volle innere Einsicht und Durchsicht solcher geheimen Genossenschaften, was sie doch wahrlich immer nicht haben können, hätten sie auch die Kunde der Unschuld oder Unbedeutenheit derselben, so verhält es sich anders mit dem Volke, mit allen den Bürgern, die mit ihrem Thun und Treiben in einem ganz offenen Leben wandeln. Für diese, die jene Geheimnißvollen gern Pöbel nennen und unwürdig zu ihrer Höhe emporgehoben und zu ihrer Tiefe hinabgelassen zu werden, hat das Geschlossene und Abgesonderte nicht blos einen innern Vorwurf, sondern häufig auch etwas Grauenvolles und Gespenstisches mit sich, einen Abgrund, der dem heiteren christlichen Reiche des Lichts, worin sie wandeln sollen, geradezu entgegen steht. Man hört dies ja wohl in den wundersamen und oft gräulichen Mährchen, welche das Volk sich über solche Gesellschaften erzählt.
Auch das ist das Schlimme, daß diese Absonderung sogar dienen kann, zwischen Volk und Regierung Mistrauen zu erregen. Denn sagt die Regierung: Seyd nicht bange vor diesen unter sich Verschlossenen, liebe Leute, es ist alles Gute und Löbliche unter dem nächtlichen Mantel jener Geheimnisse, nichts gegen Gott, König, Staat und gute Sitten, so nimmt das dem Volke den Verdacht nicht, als ob jene Geheimen, eben weil die Regierung sie lobt und duldet, vielleicht auf verbotenen Schleichwegen für die Negierung gegen sie wirken.
Diesen Verdacht hört man so häufig aussprechen, namentlich gegen die Freimaurerei, weil auch Könige, Fürsten und Staatsminister oft Eingeweihete derselben sind. Und hat das Volk so Unrecht?
Wenn das Evangelium und auch das Gebot der Regierungen ein offenes, freies und unverstecktes Handeln und Wandeln von jedem Bürger fordert, wie dürfen von den letzteren denn gewisse Genossenschaften patentisirt werden, als ob sie edler wären und etwas Edleres wollten, als alle wollen sotten?
Ja ich sage noch einmal: Wenn der christliche Priester, der Verkündiger und Ausleger des höchsten Geheimnisses von der Menschwerdung Gottes, kein Geheimnißträger und Geheimnißkrämer seyn darf, wenn dieser, der Idee nach der Helleste und Weiseste, in Einfalt und Ernst, in Oeffentlichkeit der Lehre und des Lebens dem gemeinsten Christen gleich seyn soll, wie darf über das Höchste Höheres gesetzt werden? Antwortet mir!
Aber wenn diese Gesellschaften auch eben einen gefährlichen Staat im Staate bilden, woraus eine demselben feindselige Lehre und Richtung hervorgehen, woraus Mistrauen, Zwietrcht und Umkehrunq werden könnte, so wirken sie dadurch am verderblichsten, daß sie, wie alles, was sich absondert und in einem vornehmen Geheimniß zusammenschließt, die nothwendige Sucht haben, dasjenige an sich zu ziehen, was durch Geburt, Reichthum, Macht und Geist ausgezeichnet ist. Ihrer Natur nach und damit sie bei den Leuten, die draussen sind, etwas bedeuten, müssen sie Jagd machen auf die sogenannten guten Köpfe.
Dieser Behauptung wird niemand widersprechen; sie liegt zu tief in dem Wesen solcher Gesellschatten.
Sie entziehen also der grossen Gesellschaft, gegen welche jeder die ersten unerlaßlichen Pflichten hat, einen Theil des lebendigen Lebens. Denn die guten Köpfe hat die Natur eben nicht reicher ausgesäet, als sie Salz ausgestreuet hat unter die ungeheure Masse von Erde, Thon, Gries, Sand und Staub. Sie sind für die ganze grosse Masse als das bittere und reitzende Gewürz berechnet, damit die Faulheit, wozu der irdische Trieb immer zurücksinken will, erregt und bewegt werde.
Ich will nun nicht sagen, daß solche geheime Orden und Gesellschaften die guten Köpfe ganz auffressen und verschlingen, so daß der übrigen weiteren Bürgergesellschaft davon nichts zu Gute käme; aber das wird keiner läugnen, daß mancher gute Kopf, der ein allgemeines und mächtiges Licht des ganzen Volks hätte werden können, wenn er nicht zu früh in Geheimnißträgerei hineingerathen wäre, durch sie häufig nur eine einseitige und ganz falsche und verkehrte Richtung bekömmt, und, wenn das auch nicht grade geschieht, doch mit leeren und unbedeutenden Spielereien und Scheinen kostbare Jahre vertändelt, ehe er über seine und der Welt Bestimmung zur Klarheit kömmt, und daß die verlorne Zeit nimmer wieder einzuholen ist.
Denn jeder Mensch, der großartig und vielgestaltig von Gott geschaffen ist, bedarf von Anfang an, damit er das klare Weltgefühl und den festen Weltblick gewinne, des allgemeinen Volkslebens, damit er seiner Natur inne werde und sich besinne, was er die dreißig, vierzig Jahre, die er hier unten in Kraft wirksam seyn kann, denn eigentlich beginnen kann und soll.
Das sage ich hier beiläufig, daß, wenn für die Herrlichsten und Reichsten in der Absonderung schon solche Gefahr droht, es mir den Verworrenen und Halben noch wohl viel schlimmer aussehen mag. Wenn die grosse Kraft, die aus viel gediegenerem Erze zusammengegossen ist, schon so zerhalbt und zerdrittelt und zerviertelt wird, wie muß es hier nicht den Gewöhnlichen gehen!
Dies sey nur ein Wink. Die es wissen, wissen wohl, wohin ich zeige, und wo der Tand und die Sunde sitzt.
Also weil das Christenthum als das Höchste, Tiefste und Geheimste doch das Geheimniß nicht duldet, weil das Fleisch in ihm Geist und das Wort Leben und das Bild Wahrheit und das Dunkel Licht geworden ist, darum darf in einem christlichen Staate sich nichts hinstellen mit der Gebärde, als trage es Tieferes, Reicheres, Geheimeres, und Geistigeres.
Weil der Staat als die allgemeinste und weiteste Genossenschaft, damit allen wohl sey, aller seiner Bürger Kräfte, Arbeiten, Streben und Gedanken erfordert, weil er nicht gestatten darf, daß edelste und muthigste Anlagen, welche ihm hätten Leben und Schwung geben können, vielleicht im thörichten Tande oder doch für fremde, ihm fern liegende Zwecke verspielt werden, weil er alles Lebendigste, Geistigste und Muthigste in seine offene Sonnenbahn reissen muß, damit es dort für Tugend und Menschlichkeit ringe und kämpfe, darf er etwas nicht bestehen lassen, das fern von der grossen Gesellschaft, fern von der Gemeinschaft des Volkes, worin doch immer das Größte und Göttlichste, wenn es überhaupt auf Erden ist, gedacht werden muß, ein einzelnes und geheimes Leben leben will.
So scheine ich denn alle geheime Gesellschaften, Verbrüderungen und Orden in die Acht zu erklären? Ja, ich muß es nach meiner Erfahrung thun, weil von Zweien Eins geschehen muß, entweder daß sie sich in eine nichtige und wüste Leerheit hineinspielen, was wohl bei den meisten der Fall seyn mag, oder daß Satan, der in jeder Absonderung, welche Geheimnisse und geheime Weihen predigt, deren nicht alle Christen fähig seyn sollen, mächtig ist, die Teufelei der Eitelkeit, der Hoffart und Lieblosigkeit, oft noch etwas Schlimmeres, darin ausbrütet, und weil das Evangelium und das christliche Bürgergesetz gebeut, daß wir im Lichte wandeln und mit den Worten und Gedanken wie mit den Thaten und Werken an das Licht hervor sollen.
Ein christlicher Staat darf also nach dem Urleben und dem Urbilde seines Wesens nichts dulden, was diesem Wesen widerspricht.
Wir erinnern uns alle noch der Zeit, wo das Treiben geheimer Gesellschaften bis zu einem wahren Unwesen gesteigert war, wie es manche lebendige Kräfte, die der Welt besser hätten frommen können, in öder Tändelei und falscher Geistigkeit und leeren Spielen der Phantasie verschlungen hat, wie derjenige den Leuten fast ein nichtiger und unbedeutender und geistloser und schutzloser Mensch däuchte, der nicht irgend einer geheimen Gesellschaft angehörte.
Die Sucht dieser nichtigen Geheimnißkrämerei und Geisterschauerei (ich sollte sagen Geisterguckerei), die eitle und großthuende Ordenswurmerei, fast immer das Zeichen einer leeren Zeit und einer Verfinsterung und Verwirrung der geistigen und leiblichen Freiheit, wo bei der Ohnmacht tüchtigen Wirkens und Wollens die wüsten und dunkeln Triebe mit stolzen Wahnen und eitlen Zierrathen im Geheimen so gern ihr Wesen treiben, scheint gottlob sehr vergangen, und wir hoffen von der frischen Jugend, welche die nächsten Jahrzehende führen soll, daß sie mit der ganzen Fülle von Kraft und Tugend lieber draussen unter allem Volk in dem Sonnenschein und der Sonnenfreude des lebendigen Lebens bleiben und sich nicht zu den verbleichten Schatten und Gespenstern wenden wird, womit hohle und leere Köpfe und Herzen, welche weder die einfältige Ueberschwänglichkeit des Christenthums noch die Hoheit des Lebens fassen können, von jeher etwas haben ergaukeln und bedeuten wollen, was ihnen sonst kein Mensch geglaubt hätte.“


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